29. Mai 2003
Shatterpoint ist der erste in einer neuen Reihe von Romanen, die während der Klonkriege - und damit zwischen den Filmen Episode II und III - angesiedelt sein werden. Was können Sie uns über den Roman und die Reihe erzählen? Handelt es sich dabei um aufeinanderfolgende Werke im Stil der New Jedi Order?
Die New Jedi Order war ein Gesamtveröffentlichungsprojekt mit einer einzigen großen Handlung, also eigentlich ein großer Roman, der auf verschiedene Bände verteilt und von einer Reihe von Autoren erzählt wurde. Bei der NJO hatten wir alle eine Übersicht über die Gesamthandlung zur Hand; wir wussten, wohin sie sich entwickeln würde, und wir wussten, wie unsere Arbeit in das Gesamtbild passte. Die Klonkriege sind, auf gewisse Weise, sehr viel umfangreicher. Es gibt nicht nur die gebundenen und Taschenbuchromane von Del Rey, sondern auch Beiträge zahlreicher anderer Medien, wie die Jugendromane von Scholastic, die Comics von Dark Horse, Videospiele, Actionfiguren und Spielzeugartikel. Alle diese Produkte müssen nicht nur miteinander verzahnt sein, sondern - und das ist viel wichtiger - in den Ablauf der Prequel-Trilogie passen. Und Herr Lucas lässt sich dabei nicht in die Karten sehen.
In gewisser Hinsicht sind die Verantwortlichen für alle diese Projekte also in einer ähnlichen Situation wie die handelnden Figuren. Wir müssen uns vorantasten, uns auf das konzentrieren, was direkt vor uns liegt, ohne im Einzelnen zu ahnen, wie es enden wird.
Was ich Ihnen über den Roman selbst erzählen kann, ist folgendes: er eignet sich nicht für Kinder. Die Geschichten für junge Erwachsene erscheinen bei Scholastic. Shatterpoint ist zweifelsohne unter Aufsicht frei ab 12 Jahren.
Niemand, der jünger als siebzehn ist, darf ihn ohne Einverständnis der Eltern oder Erziehungsberechtigten lesen?
Nun, nicht ganz. Aber als ich mich einverstanden erklärte, einen Roman über Mace Windu zu schreiben, dachte ich, es solle ein traditionelles Krieg-der-Sterne-Buch werden. Mein erster Handlungsabriss befasste sich damit, dass Mace Windu in die Situation gerät, mit einem schneidigen, zynischen Söldner und einer eigensinnigen Kämpferin zusammenzuarbeiten, um eine unerwartete Bedrohung für die Republik abzuwehren, welche aus dem Hutt-Raum stammt; natürlich als Komplettpaket mit exotischen Außerirdischen, schnellen Raumschiffen und einem seltsamen Droiden für den Humoranteil.
Aber LucasBooks wollte etwas ganz anderes. Sie kamen zu mir und baten um etwas Dunkleres, Tiefgründigeres, das sich mehr mit der Psyche beschäftigte und die Schrecken des Krieges thematisierte. Oder, um es mit ihren Worten zu sagen: "ein Krieg-der-Sterne-Roman mit der Atmosphäre von Im Westen Nichts Neues."
Im Westen Nichts Neues ist natürlich ein Klassiker der Weltliteratur. Das ist schon eine ziemliche Herausforderung, aber ich habe nie vor Herausforderungen kleinbeigegeben. Oder wie Mace sagen würde, "ich muss nicht gewinnen. Alles, was ich zu tun habe, ist zu kämpfen."
Ist das der erste Krieg-der-Sterne-Roman, in dem Mace Windu eine Hauptrolle spielt?
Das hoffe ich doch. Dafür bezahlen sie mich!
Was halten Sie von Mace? Basiert der Mace Windu in ihrem Roman auf der Leinwandpräsentation von Samuel L. Jackson, oder haben Sie sich anderswo inspirieren lassen?
Seine Art habe ich auf der Darbietung von Herrn Jackson aufgebaut, als äußere Form für die Figur. Darüber hinaus habe ich mich bei einer ganzen Anzahl an Quellen bedient, beispielsweise den Essential Guide to Characters, seinen Auftritten in Comics und anderen Brückenromanen der Prequel-Zeit. Und von einem besonders interessanten Detail. Zur Zeit von Die dunkle Bedrohung war Mace Windu fünfundvierzig Jahre alt, und trotzdem war er einer von nur zwei Altersmitgliedern des Rats der Jedi; der zweite ist Yoda, der auf die 900 zuging und als einer der weisesten und mächtigsten Jedi in der fünfundzwanzigtausendjährigen Geschichte des Ordens bekannt war.
Welche Art Mensch könnte als Yodas Gleichgestellter in Erwägung kommen? Welche Art Mensch könnte den gleichen Rang und die gleiche Autorität wie einer der größten Jedi aller Zeiten haben?
Das waren einige der Fragen, die ich in Shatterpoint beantworten wollte.
Was bedeutet der Romantitel?
Das kann ich nicht direkt beantworten. Die Bedeutung eines Titel entwickelt sich zusammen mit der Handlung. Das ist bei den meisten meiner Roman- und selbst Kapiteltitel so. Schaut man ganz nüchtern auf die wortwörtliche Bedeutung, kann man den Titel am besten so beschreiben, wie in Maces Tagebucheintrag, der einen Teil der Einführung bildet:
"Ich kann Bruchstellen sehen.
Es ist keine Sache des Augenlichts, aber 'sehen' ist das Basic-Wort, das es am besten beschreibt: es ist eine Wahrnehmung, ein Gefühl, wie das, was ich sehe in die Macht hineinpasst, und wie die Macht es mit sich selbst und allem anderen verbindet. Die Macht zeigt mir Stärken und Schwächen, verborgene Schwachstellen und unerwartete Fähigkeiten. Sie zeigt mir Belastungsvektoren, die sich ausdehnen und zusammenpressen, sich verhaken und verketten; sie zeigt mir, wie sich die Strukturen dieser Vektoren überschneiden und so das Geflecht der Wirklichkeit formen.
Einfach ausgedrückt: wenn ich Dich durch die Macht ansehe, kann ich sehen, wo Du zerbrichst."
Im Roman ist Mace Meister einer Lichtschwerttechnik namens Vaapad. Was ist das für eine Technik? Sie beschäftigen sich selbst mit Kampfkunst. Ist es Ihre eigene Erfindung?
Ich trainiere mich in der Tat in Kampfkünsten, aber ich bin kein Jedi. Vaapad taucht in vielen Nachschlagewerken über Mace auf. Ich bin nicht sicher, wer dieses Konzept ursprünglich entwickelt hat.
Ich habe mich darauf beschränkt, die veröffentlichte Beschreibung des Vaapad-Stils zu nehmen und sie in die Feinheiten eines Kampfsystems weiterzuentwickeln, welches in einer gewissen Beziehung zur realen Kampfkunst steht, natürlich unter Berücksichtigung der Einschränkungen und Fähigkeiten eines Jedi und der Art, wie er die Macht einsetzt.
Sie haben Im Westen Nichts Neues erwähnt. Maces Suche nach seinem früheren Padawan, Depa Billaba, in den Urwäldern des Planeten Haruun Kal klingt nach einem weiteren Klassiker: Joseph Conrads Herz der Finsternis. Bildete dieser Roman eine Vorlage für Sie?
Natürlich, ja. Genau wie Francis Ford Coppolas wunderbarer Film Apocalypse Now, der auch von Herz der Finsternis inspiriert wurde. Genaugenommen habe ich auf diese Art und Weise das Konzept für Shatterpoint bei Del Rey und LucasBooks vorgestellt: "Wie wär's, wenn ich Apocalypse Now mit Jedi-Rittern machen würde?"
Es hat mich sehr überrascht, dass alle die Idee mochten.
Trotzdem muss erwähnt werden, dass Shatterpoint viel mehr mit Krieg der Sterne zu tun hat, als mit Conrads Roman oder Coppolas Film. Shatterpoint basiert in seiner Gänze auf den allgemein anerkannten Grundlagen der weit, weit entfernten Galaxis. Wenn man Conrads Buch oder den Film kennt, weiß man damit noch lange nichts über Shatterpoint. Shatterpoint ist keine Neuerzählung dieser Geschichten; sie haben nur Grundlagen gelegt. Nicht einmal den Ausgangspunkt; eher eine Art Hintergrund - ein Gefühl dafür.
Es wäre unmöglich, die Atmosphäre von Im Westen Nichts Neues in einen Roman mit Mace Windu in der Hauptrolle zu übertragen. Im Westen Nichts Neues ist eine tragische Geschichte über das Erwachsenwerden. Herz der Finsternis, auf der anderen Seite, beschäftigt sich damit, was mit erwachsenen, idealistischen, moralisch gefestigten menschlichen Wesen geschieht, wenn sie die Grenzen der Zivilisation zu weit hinter sich lassen. Genau wie Shatterpoint - aber es geht auch noch um mehr.
Shatterpoint ist keine direkte Neuerzählung von Herz der Finsternis. Beispielsweise geht Marlow, Conrads Held, nach Afrika, ohne diesen Ort zu kennen oder je dortgewesen zu sein. Mace kehrt auf seine Heimatwelt zurück und zu den Menschen - den Korunnai - die er nicht mehr gesehen hat, seit er ein Kind war. Auf gewisse Weise sucht Mace also nicht nur nach Depa, er sucht nach sich selbst, nicht wahr?
Jap. Obwohl er es nicht weiß.
Depa wird nach Haruun Kal gesandt, weil der Planet in den Klonkriegen für die Republik eine wichtige Rolle spielt. Als sie jedoch dort eintrifft, wird sie in einen älteren Krieg verwickelt. Wie kam es zu diesem Konflikt, der der Sommerkrieg genannt wird?
Sie können ihn sich vorstellen, wie die Indianerkriege, die im Zuge der westlichen Ausdehnung in Amerika ausgefochten wurden: zwei ethnisch verschiedene Gruppen streiten um das gleiche Land, mit unvereinbaren Absichten. Es gibt nur wenige offene Schlachten; meist ist es ein kleiner, tödlicher Guerrillakrieg, der auf beiden Seiten ab und zu von Greueltaten unterbrochen wird.
Es heißt, Depa habe sich von ihrer Ausbildung zur Jedi abgewandt und sich der dunklen Seite angeschlossen. Gibt ihr das die Rolle von Kurtz in meiner Herz-der-Finsternis-Analogie?
Ja, sie ist es, nach der Mace sucht. Aber - und das ist wiederum ein Gegensatz zu dem Marlow von Herz der Finsternis, der auf einen "unzuverlässigen" Elfenbeinhändler stößt, und dem Marlow von Apocalypse Now, der den Fluss hinauf reist, um einen weiteren Fremden zu töten, einen fahnenflüchtigen Kommandosoldaten - Mace geht nach Haruun Kal, um eine Frau zu finden, die er sein ganzes Leben lang gekannt hat: eine Frau, die er aufgezogen und ausgebildet hat und die später seine Kameradin und beste Freundin wurde. Sie ist die Tochter, die er nie haben wird.
Das gibt der Geschichte einen etwas anderen Anstrich.
Wo wir bei anderen Anstrichen sind, Ihr letzter Krieg-der-Sterne-Roman, Traitor, zeigte den Lesern eine Seite der Macht, die sie vorher nicht gesehen hatten.
Ich glaube nicht, dass es so sehr so war, dass die Leser diese spezielle Seite der Macht vorher nicht gesehen hatten. Es war eher so, dass viele von ihnen nie auf meine Art und Weise darüber nachgedacht hatten. Vielen von ihnen behagte das Konzept einer Welt ohne einfache Antworten nicht.
Sie machen hier etwas ähnliches mit den Korunnai und ihrem Einsatz des Pelekotan. Ist Pelekotan ein anderer Name für die Macht? Ist es die dunkle Seite der Macht?
Pelekota ist das Wort für die Macht in der Sprache von Haruun Kal, Koruun. Was das andere angeht, das werde ich Ihnen nicht verraten. Ich denke, es könnte darüber einige Diskussionen geben, was sehr gut ist.
Die Figur des Kar Vastor wird wohl das Zentrum dieser Diskussionen bilden. Er spielt die Rolle von Maces Gegenspieler. Würden Sie sagen, Kar Vastor ist böse?
Das hängt davon ab, was Sie unter böse verstehen. Er tut Dinge, die unter gewöhnlichen Umständen, unentschuldbar schlecht wären. Aber die Umstände sind alles andere als gewöhnlich. Wie weit würden Sie gehen, um Ihr Volk vor einem Völkermord zu bewahren?
Sie haben offensichtlich viel Zeit damit verbracht, über die Macht nachzudenken. Wie hat sich Ihr Verständnis der Macht im Lauf des Schreibprozesses entwickelt? Haben Sie sich jemals in einer Situation wiedergefunden, in der Sie dieses Verständnis, oder die Philosophie dahinter, im wahren Leben angewendet haben?
Jeden Tag. Es wäre irreführend, zu sagen, "ich glaube an die Macht", genau wie es irreführend wäre, zu sagen, "ich glaube an die Sonne". Nennen Sie es, wie Sie wollen - die Macht, das Tao, den Heiligen Geist, das Universelle Bewusstsein - ich sehe seine Taten überall, sowohl in der Welt, als auch in mir selbst. Vielleicht ist die bedeutendste Leistung von George Lucas bei der Erschaffung von Krieg der Sterne die Übertragung des Tao in die Welt der Fiktion. Er hat ein Universum geschaffen, wo wir objektiv über die Macht reden können und in sichtbaren Taten ihre Kraft sehen. Das ist wohl der wichtigste Bestandteil phantastischer Fiktion: die Fähigkeit, spirituelle und moralische Fragen direkt anzusprechen, ohne ihnen damit eine bereits bestehende Theologie aufzuzwingen.
Und eine der tollsten Sachen an den Prequel-Filmen ist bislang, dass Herr Lucas uns gezeigt hat, wie Wesen guten Willens ganz legitim darüber uneins sein können, was die Macht "ist" und was sie "will". Ich denke da an Qui-Gon und seine Argumente vor dem Rat, darüber, dass beide Seiten Recht haben können.
Wird es noch weitere Krieg-der-Sterne-Romane von Matt Stover geben?
Fragen Sie Del Rey und LucasBooks. Obwohl ich zwei Krieg-der-Sterne-Bücher hintereinander geschrieben habe, und deshalb eine Pause brauche, um für einige Monate in mein eigenes Universum zurückzukehren. Ich mag Krieg der Sterne. Ich schätze auch das Geld und die Bekanntheit, die er mit sich bringt. Ich weiß, dass einige Autoren Film-Ableger-Werke meist als eine Methode ansehen, Rechnungen zu bezahlen; aber ich sehe das anders. Wenn überhaupt, ist mir Krieg der Sterne wichtiger, als meine eigenen Werke. Es ist ein Privileg, in George Lucas' Universum Geschichten zu erzählen und eine etwas stressige Ehre, dass diese Geschichten von Hundertausenden manchmal detailverliebter und zuweilen völlig irrer Fans gelesen werden.