Coruscant. Der ganze Planet ist eine einzige, große Stadt...
-Ric Olié, Star Wars: Episode I - Die dunkle Bedrohung
Seine Oberfläche ist lange vergessen. Jetzt ist der Planet Coruscant von einer riesigen Stadt bedeckt, deren Hochhäuser kilometerhoch in den Himmel ragen. Über Tausende von Jahren wurde Coruscant besiedelt und dient schon seit Menschengedenken als Regierungssitz der Galaxis. Der Planet war Hauptstadt der Republik und diente in gleicher Funktion auch dem aus ihr geborenen Ersten Galaktischen Imperium. George Lucas malte sich diese Stadtwelt schon in seinen ersten Drehbuchentwürfen aus, doch auf die Leinwand schaffte er es erst mit der Special Edition 1997.
Die ersten Spuren von Coruscant finden sich dabei bereits im allerersten Handlungskonzept zu Star Wars, das im Mai 1973 fertiggestellt wurde. Damals schwebte George Lucas allgemein noch eine galaktische Interpretation von Akira Kurosawas Die verborgene Festung vor, die hier noch sehr deutlich kopiert wurde. Gegen Ende der Geschichte sollte die Prinzessin dieser Frühversion in die Hauptstadt des galaktischen Reiches gebracht werden, die hier noch Alderaan hieß und schlicht als "beeindruckende Stadtwelt" beschrieben wurde. Interessanterweise wird ausdrücklich erwähnt, dass der Anflug auf diese Stadt durch Stadttore erfolgen sollte.
Als Konzeptzeichner Ralph McQuarrie später beauftragt wurde, dieses Früh-Coruscant anhand der ersten vollständigen Drehbuchentwürfe in Bildern festzuhalten, schuf er eine pilzförmige Stahlkonstruktion, die sich aus dem Wolkenmeer des Gasplaneten Alderaan erhob. Star-Wars-Fans kennen dieses Coruscant heute als Wolkenstadt aus Star Wars: Episode V - Das Imperium schlägt zurück.
Während die galaktische Hauptwelt bei der Konzeption von Das Imperium schlägt zurück keine Rolle spielte - hier wurde das alte Alderaan-Konzept nur als Wolkenstadt verwendet -, rückte sie in der Planungsphase für den Abschluss der ersten Star-Wars-Trilogie ins Zentrum der Überlegungen. George Lucas malte sich dabei ursprünglich aus, die Konfrontation zwischen Luke Skywalker und seinem Vater auf der imperialen Thronwelt stattfinden zu lassen. Ihm schwebte dafür ein verpesteter Planet vor, der übersät sein sollte von Hochhäusern und Pyramidenbauten. Den Thronsaal des dunklen galaktischen Herrschers wollte er tief unter der Oberfläche dieser Welt platzieren, umgeben von einem See geschmolzener Lava.
Da er den ursprünglichen Namen für diese galaktische Hauptwelt, Alderaan, bereits anderweitig genutzt hatte, brauchte Lucas einen neuen und wählte eine symbolisch schlagkräftige Bezeichnung: Had Abbadon, benannt nach dem "Engel des Abgrunds" aus der Offenbarung des Johannes:
Und der fünfte Engel posaunte: Und ich sah einen Stern, gefallen vom Himmel auf die Erde; und ihm ward der Schlüssel zum Brunnen des Abgrunds gegeben. Und er tat den Brunnen des Abgrunds auf; und es ging auf ein Rauch aus dem Brunnen wie ein Rauch eines großen Ofens, und es ward verfinstert die Sonne und die Luft von dem Rauch des Brunnens. Und aus dem Rauch kamen Heuschrecken auf die Erde; und ihnen ward Macht gegeben, wie die Skorpione auf Erden Macht haben. […] Und hatten über sich einen König, den Engel des Abgrunds, des Name heißt auf hebräisch Abaddon, und auf griechisch hat er den Namen Apollyon.
Entsprechend düster beschreibt denn auch das Drehbuch diesen Höllenort im schwarzen Herzen des Imperiums:
Der Planet Had Abbadon, Hauptstadt des Galaktischen Imperiums: Die Oberfläche des grauen Planeten ist mit Städten bedeckt. Er ist eingehüllt in einen kränklich braunen Schleier.
Der einzige Ort, der der industriellen Düsternis dieses urbanisierten Planeten entkommen ist, ist der grüne "Zufluchtsmond" in seinem Orbit, ein unberührtes Paradies.
Had Abbadon schaffte es bekanntlich nicht in den fertigen Film: Ein riesiger Stadtplanet und eine unterirdische Lavakammer schienen mit den technischen und finanziellen Mitteln der frühen 80er Jahre nicht umsetzbar zu sein, und so beschlossen Lucas und seine Mitstreiter, die zwei Todesstern, die im Orbit Had Abbadons gebaut werden sollten, mit dem Planeten selbst zu vereinen und den neuen, Zweiten Todesstern an einen ablegenen Ort zu verlegen: Nach Endor, wo der Zufluchtsmond eine neue Heimat fand.
Dennoch steht das heutige Coruscant auf den Ruinen Had Abbadons, denn die Konzeptzeichner Ralph McQuarrie und Joe Johnston fertigten Anfang der 80er Jahre diverse Konzeptbilder an, die zeigten, wie ein von Städten überwucherter Planet aussehen könnte.
Eines dieser Bilder wurde erstmals 1987 in "Star Wars: The Roleplaying Game" von West End Games veröffentlicht. Eine kuriose, zweiseitige "Anzeige" stellte eine Traumreise auf dem Luxuskreuzfahrtschiff "Prinzessin von Kuar" vor, die unter anderem auch die Imperiale Hauptstadt ansteuern sollte:
Der krönende Höhepunkt Ihrer großen Galaxisreise ist ein Besuch in der Imperialen Stadt, wo Sie eine ganze Woche königlicher Pracht im kulturellen Kern des Universums verbringen werden.
Genießen Sie das Beste, was die Galaxis an Kunst und Unterhaltung zu bieten hat!
Tauchen Sie ein in die Erhabenheit der Imperialen Stadt!
Verpassen Sie nicht dieses einmalige Erlebnis!
Mit diesem Buch wurde aus den gescheiterten Plänen für Had Abbadon die imperiale Hauptstadt des modernen Star-Wars-Universums, die in den folgenden Jahren auf den Seiten des Erweiterten Universums wachsen und gedeihen sollte.
Ein entscheidender Augenblick in der Geschichte Coruscants war 1991 erreicht: In diesem Jahr erschien Timothy Zahns Erben des Imperiums, der erste Roman, der die Geschichte der Star-Wars-Trilogie nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter fortsetzte. Das Buch spielte fünf Jahre nach der Schlacht von Endor und enthüllte, dass die Rebellenallianz eine Neue Republik geschaffen hatte, die antrat, das Galaktische Imperium abzulösen. Diese neue Regierung herrschte von der früheren imperialen Hauptwelt aus.
Erben des Imperiums war dabei die erste Geschichte überhaupt, die auf dem Stadtplaneten spielte. Zahn verwendete alte Beschreibungen aus den frühen Drehbüchern von Die Rückkehr der Jedi-Ritter als Grundlage für den Planeten, prägte dafür aber den neuen Namen der Welt: Coruscant, ein Begriff, der sich mit "glitzernd" übersetzen ließe.
In den folgenden Jahren spielten viele Romane und Comics auf Coruscant. Einige beschrieben den Versammlungssaal des Senats der Neuen Republik, andere tauchten ab in die tiefen, dunklen Elendsviertel unterhalb der entwickelten Oberfläche des Planeten. Viele von Ralph McQuarries alten Skizzen und Zeichnungen - zusammen mit einigen neuen - wurden damals in "The Illustrated Star Wars Universe" veröffentlicht.
1997 kehrte Lucas in die weit, weit entfernte Galaxis zurück. Nachdem er bereits einige Jahre lang an der Konzeption der späteren Prequel-Trilogie gearbietet hatte, wollte er die Rückkehr der Saga auf die große Leinwand mit einer überarbeiteten und erweiterten Fassung der ersten Star-Wars-Trilogie einleiten. Besondere Aufmerksamkeit widmete er dabei dem Ende von Die Rückkehr der Jedi-Ritter: Was dort einst eine einzelne Feier auf dem Mond Endor war, wurde nun zu einem galaxisweiten Fest der Freiheit, das Befreiungsszenen auf Tatooine, Bespin und schließlich auch auf der imperialen Hauptwelt zeigte, von der Lucas bereits wusste, dass sie in seinen Prequel-Geschichten eine wichtige Rolle spielen würde.
Die digitalen Künstler von Industrial Light & Magic schufen für diese Endsequenz eine Welt mit feiernden Menschen, die eine Statue von Imperator Palpatine niederrissen, während Raketen in den Himmel von Coruscant aufstiegen.
Als Lucas dann für Episode I einen Namen für seine Hauptwelt suchte, ließ er sich überzeugen, den Namen zu nutzen, den Timothy Zahn dem Planeten in Erben des Imperiums gegeben hatte: Coruscant. Was als Handvoll weggelegter Konzeptbilder begonnen hatte und zum Schauplatz zahlreicher Romane geworden war, erlebte so schließlich als unvergesslicher Schauplatz seinen Auftritt auf der großen Leinwand. Oder um es in den Worten der alten Reiseanzeige zu sagen, es war tatsächlich "ein einmaliges Erlebnis".
In Star Wars: Episode II - Angriff der Klonkrieger knüpfte Lucas erneut an alte Hauptweltideen an: Genau wie in allen frühen Coruscant-Konzepten beschrieben, zeigte er den Planeten hier - gleich zu Beginn des Films - als urbanes Zentrum inmitten eines Wolkenmeers. Das "Alderaan" seines ersten Drehbuchs wurde so endlich auch filmisch festgehalten.
Am Ende des Films wurde zudem das alte Had Abbadon zum Leben erweckt: Das verlassene Industriegebiet, in dem Darth Sidious seinen Schüler erwartet, weckt unweigerlich Erinnerungen an die schmutzige, braune, zerstörte Welt, die in Die Rückkehr der Jedi-Ritter zu sehen sein sollte.
Star Wars: Episode III - Die Rache der Sith brachte dann völlig neue Coruscant-Visionen auf die Leinwand: Mit der Oper zeigte sich die Stadtwelt erstmals von ihrer kulturellen Seite, von der der Reisebericht der 80er einst geschwärmt hatte. Dazu gab es zeitweise offenbar auch den Plan, ein vom Krieg verheertes Coruscant zu präsentieren wie diese Konzeptzeichnung eines abgestürzten Sternzerstörers zeigt.
Das imperiale Coruscant blieb hingegen weitestgehend außen vor: Nur ganz kurz am Ende erahnt man es, als die Überreste von Darth Vader in ein sehr imperiales Hospital geschafft werden.
Mit der Animationsserie Star Wars: The Clone Wars brach ab 2008 auch für Coruscant ein neues Zeitalter an: Archivierte McQuarrie-Konzeptzeichnungen wurden hervorgekramt, um immer wieder neue Facetten der Hauptwelt zu zeigen, darunter dieser stilistisch so einzigartige Platz:
Star Wars: Das Erwachen der Macht schien dann das Ende von Coruscant zu bringen, als die Starkillerwaffe einen Planeten in Rauch aufgehen ließ, der Erinnerungen an die Hauptwelt weckte. Doch für Das Erwachen der Macht wurde lediglich eine Coruscant-Kopie in die Unendlichkeit gejagt: Hosnian Prime, die Sequel-Remake-Version der Hauptwelt.
Coruscant selbst kann damit auch nach George Lucas' Abgang weiterleben und -wachsen.
14.01.1948 - geb.: Carl Weathers (Greef Karga)
14.01.1949 - geb.: Lawrence Kasdan (Drehbuchautor)
15.01.1979 - geb.: Aubree Miller (Cindel Towani)
17.01.1931 - geb.: James Earl Jones (Darth Vader, US-Stimme)