Anfang der Woche erschien Jeff Grubbs Krieg-der-Sterne-Romandebüt Scourge unter dem Titel Die Geißel auch in deutscher Sprache.
Aus diesem Anlass haben wir uns mit dem Autor in Verbindung gesetzt, um ihm einige Fragen über Rollenspiele, Hutten und Jar Jar Binks zu stellen:
Herr Grubb, Sie haben im Laufe Ihrer Karriere mit Spielen und Rollenspielen aller Couleur zu tun gehabt, von Warcraft bis zum Klassiker Dungeons and Dragons. Gehen wir recht in der Annahme, dass Sie selbst ein begeisterter Rollenspieler sind und wie schlägt sich diese Vorliebe für RPGs in Ihrer Tätigkeit als Autor nieder?
Ich gehöre tatsächlich zur alten Garde der Gamer: Als ich in den frühen 70er Jahren auf der Highschool war, habe ich die damaligen Strategiebrettspiele von Avalon Hill gespielt, und auf dem College - in meinem Fall war das die Purdue University in Indiana - gab es dann einen eigenen Spieleklub. Als ich dort das erste Mal auftauchte, saßen einige Spieler in der Ecke und schrien einander an, aber nirgendwo gab es eine Spur von einem Spielbrett oder Spielfiguren. Ich ging zu ihnen, einer von ihnen gab mir einen Würfel mit sechs Seiten und sagte, "schnell, wir brauchen einen Kleriker". Seither haben mich Rollenspiele nie wieder losgelassen, und ich habe eine ganze Menge davon gespielt und später auch selbst entwickelt.
Für meine Romane liefern mir RPGs praktisch alle Grundlagen: Wie man interessante Figuren entwickelt, wie man Welten aufbaut, wie man für Kontinuität und einen funktionierenden Erzählfluss sorgt. Der Nachteil des Ganzen ist, dass traditionelle RPGs dem allgemeinen Hintergrund und der Gesamtgeschichte sehr viel Raum bieten und sich weniger mit der Entwicklung von Figuren befassen. Deshalb muss ich immer aufpassen, mich nicht mit zu vielen Beschreibungen aufzuhalten.
Die Geißel ist Ihr erster Krieg-der-Sterne-Roman, aber er basiert auf einem RPG-Abenteuer namens Tempest Feud, das sie vor 10 Jahren geschrieben haben. Wie sind Sie damals mit dem Krieg-der-Sterne-Rollenspiel in Kontakt gekommen?
Die Krieg-der-Sterne-Rollenspiellizenz wanderte damals von West End Games zu Wizards of the Coast. Unser leitender Entwickler bei WotC, Bill Slavicsek, hatte früher an der West-End-Version des RPGs gearbeitet und einen umfassenden Führer über das Krieg-der-Sterne-Universum geschrieben. Ich gehörte damals zu den ersten Testern, die das neue WotC-RPG bei einem von Bills Rollenspielabenden ausprobieren durften und habe sowohl den ersten Wookiee des neuen D20-Systems erfunden (der Whappamanga hieß), als auch die "Voxbox", ein spielinternes "Gerät", das es einem Wookiee erlaubt, mit Figuren zu sprechen, die die Wookiee-Sprache nicht beherrschen und über Knöpfe für "Ja", "Nein", "Tut mir leid, ich spreche kein Basic" und meinen Lieblingssatz "Ich will Dir nicht wehtun" verfügt.
Insgesamt habe ich eine ganze Reihe von Projekten für die D20-Fassung des Krieg-der-Sterne-Rollenspiels betreut, darunter auch unser Hauptabenteuer Tempest Feud, das letztlich auf dem zweiten großartigen Film der 70er beruhte: Dem Paten. Wir wollten damals ein großes Abenteuer für das Krieg-der-Sterne-RPG schreiben und letztlich war der Hintergedanke dabei, die Geschichte eines ganzen Films in Form eines RPGs zu erzählen: Mit mehreren großen Schauplätzen, einer fortlaufenden Handlung und sich verändernden Figuren. Damals kam das bei den Spielern sehr gut an, aber als ich anfing Scourge zu schreiben, war vieles davon schon in Vergessenheit geraten.
Die meisten Autoren, die ihren ersten Krieg-der-Sterne-Roman schreiben, fahren dafür große Geschütze auf: Luke oder Leia, Vader oder Yoda. Sie haben mit Die Geißel das genaue Gegenteil getan und praktisch nur Ihre eigenen Figuren eingesetzt. Wieso haben Sie sich für diese riskantere Herangehensweise entschieden?
Ich glaube, auch das hängt wieder mit meiner RPG-Vergangenheit zusammen: Ich füge sehr gerne neue Geschichten in ein größeres Universum ein. Bei RPGs sind die "großen Geschütze" nicht die eigentlichen Hauptfiguren, aber sie werfen in ihrem jeweiligen Universum lange Schatten. Mein Whappamanga hatte in Bills Spiel zum Beispiel einmal ein Kom-Gespräch mit Darth Vader. Darth wollte wissen, was gerade los sei, ich drückte meinen "Tut mir leid, ich spreche kein Basic"-Knopf, und wenig später konnte ich am eigenen Leib erfahren, dass man Leute auch über interplanetare Entfernungen mit der Macht würgen kann...
Diese Herangehensweise ist riskanter, denn die Leser erwarten häufig eine Han- oder eine Luke-Geschichte, aber für mich geht es beim Erweiterten Universum eben gerade darum, Platz zu schaffen, den Autoren dann mit Geschichten füllen können. Und das ist das Krieg-der-Sterne-Universum letztlich für mich: Ein großes Sammelbecken für jede Menge Geschichten.
Ein weiterer Punkt, der an Die Geißel erstaunlich ist, ist, wie viele auch selten eingesetzte Völker Sie in Ihrer Geschichte untergebracht haben. Sie scheinen sich im Erweiterten Universum sehr wohl zu fühlen, was uns zu der Frage führt: Haben Sie einfach "nur" umfangreiche Recherchen angestellt oder lesen Sie tatsächlich regelmäßig Krieg-der-Sterne-Romane oder -Geschichten?
Die klassische Trilogie hatte das Problem, ständig an die damaligen Grenzen des Filmemachens zu stoßen. Die meisten Außerirdischen, die es zu sehen gab, waren deshalb auf die Cantina oder Jabbas Palast beschränkt. Ich will sie aus dieser Einengung herausholen und tatsächlich zeigen, dass dieses Universum ein bunter Ort voller unterschiedlichster Völker ist. Das hat zwar nicht nur positive Folgen - im Roman wird ein Planet von einer Seuche heimgesucht, und sehr schnell wenden sich die Bewohner gegen Außenweltler und Außerirdische -, aber ich finde es sehr spannend, derartige Aspekte anzusprechen.
Bei meiner Recherche habe ich mich vor allem auf RPG-Bücher, Comics, Wookieepedia und andere Quellen gestützt, und ich finde diese ganzen verschiedenen Völker ganz besonders faszinierend. Persönlich habe ich nur wenig Neues erfunden, weil es schon so enorm viel gab, das eigentlich nur darauf wartete, eingesetzt zu werden.
Der Held von Die Geißel, Mander Zuma, ist zwar ein Jedi, aber er ist ein eher ungewöhnlicher Fall: Seine Lichtschwertfähigkeiten sind vorsichtig formuliert begrenzt, die Welt außerhalb der Akademie behagt ihm gar nicht, und er ist Archivar, was auch nicht unbedingt der spannendste Job der Welt ist. Weshalb haben Sie eine solche Hauptfigur geschaffen?
Weil er jemand ist, der sich ändern und wachsen kann. Mander fehlt es an Selbstsicherheit: Er ist ein Jedi, aber er weiß nicht, ob er auch wirklich das Zeug zu einem Jedi hat. Der Fachbegriff dafür lautet Betrüger-Syndrom, was letztlich nichts anderes heißt, als dass man an mangelndem Selbstbewusstsein leidet. Für Mander ist das einer der Gründe, die ihn veranlassen, sein Archiv zu verlassen und sich das Universum anzusehen: Er stellt sich die Frage, ob er für das Scheitern seines Schülers verantwortlich ist.
In mancherlei Hinsicht ist Die Geißel ein Detektivroman, was für das Erweiterte Universum ein erfrischend neues Genre ist. Was hat Sie veranlasst, einen Krimi zu schreiben?
Ich habe den Roman offen gesagt nie als Krimi gesehen, obwohl es eine ganze Reihe von Krimielementen gibt, die die Handlung vorantreiben: Es gibt einen plötzlichen Todesfall, eine Verschwörung, eine lange Liste von Verdächtigen und überall geheime Pläne und Ziele. Ich selbst wollte vor allem über Hutten schreiben, glaube ich, und weil sie generell im kriminellen Millieu beheimatet sind und ihre Intrigen spinnen, ist daraus ganz automatisch eine Kriminalgeschichte geworden.
Mir ist einmal aufgefallen, dass es drei große Gruppen von Krieg-der-Sterne-Romanen gibt: Jedi-Romane, in denen es um den Orden, Luke oder große Jedi-Ritter der Vergangenheit geht, Kriegs-Romane, die sich z.B. mit Sturmtruppen und Rebellenpiloten befassen und die Schurken-Bücher, in denen Han regelmäßig zu sehen ist. Und ja, Die Geißel ist ohne Zweifel ein Schurken-Buch, auch wenn ein Jedi die Hauptrolle spielt.
Für Fans der Klassiker des EUs ist Die Geißel wie eine Reise in die Vergangenheit, denn Sie haben Mander Zuma in den Korporationssektor geschickt, dem seit Brian Daley und seinen Han-Solo-Romanen kaum jemand größere Aufmerksamkeit geschenkt hat. Zeitweilig war das EU sich nicht einmal wirklich sicher, was dieses Gebiet überhaupt ist und in welchem Verhältnis es zum Imperium, der Republik, etc. steht. Wie sehen Sie diesen Schauplatz und wieso haben Sie Ihren Roman dort angesiedelt?
Ich bin ein Riesenfan von Brian Daleys Han-Solo-Geschichten. Einer der Gründe, weshalb ich dieses Gebiet so mag, ist, dass es weder zum Imperium gehört, noch zur Neuen Republik oder den unabhängigen Randwelten. Ich wollte die Vertreter der Sektorbehörde auf keinen Fall zu Schurken stempeln, auch wenn ich Gelegenheit hatte, sie mit den Hutten zu vergleichen.
Für mich ist der Korporationssektor eine funktionierende Meritokratie, eine äußerst organisierte Zivilisation, deren größte Herausforderung im Umgang mit den Außenstehenden besteht, die regelmäßig in ihren Systemen arbeiten. Mander sieht sich beispielsweise die Militärprotokolle des Korporationssektor genau an, um im Vorfeld zu ergründen, wie diese Organisation wahrscheinlich reagieren wird. Insgesamt sind die Vertreter des Korporationssektor deshalb wunderbare Antagonisten, ohne damit gleich vollkommene Schurken sein zu müssen.
Sie haben die Hutten bereits kurz angesprochen. Von der unlängst verstorbenen A. C. Crispin einmal abgesehen, haben sich nur wenige Autoren intensiv mit den Hutten befasst. In Die Geißel tauchen nun eine ganze Reihe von ihnen auf, und - um für neue Leser nicht zu viel vorwegzunehmen - nicht alle sind gewissenlose Verbrecher in der Tradition Jabbas. Sind die Hutten insofern nur missverstandene Kreaturen oder wie sehen Sie dieses Volk?
Ich habe irgendwo gelesen, und ich weiß beim besten Willen nicht mehr wo, dass die Hutten die Drachen des Kriegs der Sterne sind, und dieser Meinung kann ich mich nur anschließen. Nicht alle Hutten sind Verbrecher, aber sie alle beherrscht ein Drang zu mehr Macht, mehr Ansehen und mehr Sicherheit. Sie agieren gerne aus einer Position der Überlegenheit heraus und sind auch sehr daran gewöhnt. Sie schwelgen im Luxus und sind gnadenlos, wenn sich ihnen irgendwer in den Weg stellt. Ja, sie sind Drachen.
Auch die Hutten, die scheinbar "untypisch" agieren, sind diesen Zielen unterworfen, nur zeigen sich diese manchmal eben in ungewohnter Form. Popara, der Patriarch seines Klans, wird als guter Hutte vorgestellt, aber selbst seine Güte und Toleranz sind Ausdruck seiner Macht. Er handelt positiv und "gut", um zu zeigen, dass er es sich leisten kann.
Zum Abschluss eine Frage, die weit weg geht von den Hutten: Wir haben gelesen, dass Sie ein Konzept für eine Autobiographie von Jar Jar Binks eingereicht haben sollen. Da wir als Deutsche schon aus genetischer Veranlagung ggf. keinen Sinn für Humor haben, müssen wir einfach nachhaken: Stimmt das wirklich? Denn das wäre großartig!
Ja, ich habe wirklich ein Konzept Jar Jars Autobiographie eingereicht, und das zusammen mit acht weiteren Ideen, darunter ein Noir-Roman über Dexter Jettster und ein Abenteuerroman über Jaxxon, den großen grünen Hasen aus den alten Marvel-Comics. Wenn ich tatsächlich Gelegenheit bekäme, das Jar-Jar-Buch zu schreiben, würde ich es im Stil von Citizen Kane aufbauen: Jemand versucht herauszufinden, wer Jar Jar wirklich war. Der Roman würde ihn respektvoll beleuchten, ohne deshalb seine impulsive Art zu ignorieren, seinen Sprechstil auf ein Minimum begrenzen und sich mit Fragen wie der Stellung sozialer Klassen in der Galaxis befassen. Und mit den Problemen nichtmenschlicher Völker. Am Ende würde Jar Jar dann in hohem Alter sterben, im Kreis seiner ihn liebenden Familie und als Held seines Volkes.
Was steht nun als nächstes für Sie an? Können wir uns auf weitere Krieg-der-Sterne-Werke von Ihnen freuen?
Nein, in Sachen Krieg der Sterne tut sich aktuell nichts, aber ich würde liebend gerne in dieses Universum zurückkehren. Im letzten Jahr bin ich vor allem meiner hauptsächlichen Arbeit nachgegangen, indem ich Guild Wars 2 mit Leben erfüllt habe. Das MMO ist vor einem Jahr erschienen und läuft großartig. Ich habe nebenbei einige eigene Geschichten geschrieben, die vielleicht irgendwann einmal das Licht der Welt erblicken werden. Und ansonsten bereite ich mich auf die nächsten großen Ereignisse meines Lebens vor, was immer diese auch sein mögen.
Herr Grubb, vielen Dank für dieses Gespräch!
Jeff Grubbs Roman ist in deutscher und englischer Sprache erhältlich und sei Fans des kleineren und ungewöhnlicheren Erweiterten Universums ausdrücklich ans Herz gelegt!
Alles zum Thema Guild Wars 2 findet ihr auf GuildWars2.com, und mehr zu Jeff Grubb selbst in seinem Blog Grubb Street.