EU-Cantina hatte Gelegenheit mit Matt Stover zu sprechen, dem Autor des unlängst veröffentlichten Romans Luke Skywalker and the Shadows of Mindor.
Eine kurze Anmerkung noch am Anfang: Schattenbrut scheint, zumindest wenn man Blanvalet glauben will, die offizielle Übersetzung von Shadowspawn zu sein. Nicht, daß wieder Vorwürfe kämen, wir würden hier alles im Freistil erledigen...:
Herr Stover, innerhalb der wenigen Wochen seit seiner Veröffentlichung ist Ihr Roman Luke Skywalker and the Shadows of Mindor zu einem modernen Klassiker avanciert. Viele Fans halten ihn gar für den besten Krieg der Sterne-Roman aller Zeiten. Wie sehen Sie diese Reaktionen?
Es ist nicht ungewöhnlich, daß die Fans auf ein neues Buch so enthusiastisch reagieren, besonders dann, wenn sich dieses Buch von den sonstigen EU-Werken der letzten Zeit so drastisch unterscheidet. Jeder meiner drei Krieg der Sterne-Romane wurde von irgendwelchen Fans als 'bester Krieg der Sterne-Roman aller Zeiten' bezeichnet, was zum größten Teil wohl damit zusammenhing, daß sie alle als ungewöhnlich betrachtet wurden - als Richtungswechsel für die Marke an sich. Nicht alle diese Fans haben das einige Jahre später noch genauso gesehen.
Aus meiner Sicht ist Mindor im Moment vor allem deshalb so beliebt, weil viele - wenn auch bestimmt nicht alle - Fans finden, daß dies die Art Geschichte ist, die sie überhaupt erst an das Erweiterte Universum herangeführt hat. Ein Fan meinte, "Es ist, als käme man nach Hause".
Mit den Reaktionen auf Mindor bin ich sehr zufrieden. Ich habe wirklich versucht, mich an Brian Daley und Allan Dean Foster zu orientieren, um einen Roman zu schreiben, der von Anfang bis Ende grenzenlos unterhaltsam ist. Fans meiner anderen Romane werden verstehen, was für einen Paradigmenwechsel das für mich darstellt.
Beschreiben Sie uns die "Geburt" von Mindor.
Es war ein Notkaiserschnitt. Ich war so überfällig, daß Shelly Shapiro mir eine Abteilung Sturmtruppen auf den Hals gehetzt hat, um das Ding aus meinem Schädel zu schneiden.
Die ursprüngliche Idee stammte von Mike Kogge, einem guten Freund von mir, der auch schon für Lucas Licensing gearbeitet hat. Eines Tages weinte ich ihm die Ohren voll, daß ich keine Idee für dieses Monumentalroman hätte, den ich schreiben sollte, woraufhin er meinte, daß er sich schon immer für Lukes Entscheidung interessiert habe, seine Soldatenkarriere an den Nagel zu hängen, um Vollzeit-Jedi zu werden. Ich habe mir diesen Wandel in Lukes Lebenslauf daraufhin näher angesehen und stieß in der Essential Chronology auf die Erwähnung eines ansonsten unbekannten Kriegsherrn namens Schattenbrut und die blutige Schlacht von Mindor...
Wie sind Sie überhaupt in die Welt der Krieg der Sterne-Romane hineingezogen worden?
Meine Karriere wurde von imperialen Sturmtruppen entführt.
1996 kaufte Del Rey Heroes Die und die Fortsetzung - die inzwischen als Blade of Tyshalle erschienen ist - für einen für damalige Verhältnisse exorbitanten Preis. Sie dachten, so sagten sie mir, daß Heroes Die mich zu einem richtigen Star in ihrem bereits äußerst bemerkenswerten Autorenportfolio machen würde. In der Zeit zwischen dem Kauf von Heroes Die und seiner Veröffentlichung, erwarb Del Rey allerdings die Lizenz zur Veröffentlichung von Krieg der Sterne-Romanen von Lucas Licensing für... etwas tausendmal soviel, wie was ich bekommen hatte. Vielleicht nicht ganz, aber so ungefähr haut das hin.
Das Ergebnis des Ganzen - und der Umstrukturierung des gesamten Verlags nach der Übernahme von Bantam Doubleday durch Randomhouse und der erneuten Übernahme durch die Bertelsmann AG - war, daß Del Rey weder Geld, noch echte Muße hatte, Heroes Die anständig zu bewerben, als der Roman schließlich herauskam, und so verschwanden sowohl Heroes Die, als auch Blade of Tyshalle faktisch spurlos. Allerdings arbeitete eine der Lektorinnen dieser Romane auch an der New Jedi Order, und sie kam mit dem Angebot auf mich zu, das Buch zu schreiben, das später Traitor werden sollte. Ich habe das Angebot dann angenommen, einerseits um Geld zu verdienen, andererseits aber auch, um meinen Namen etwas bekannter zu machen, und - nachdem Bob Salvatore und Mike Stackpole mir meine Zurückhaltung ausgeprügelt hatten - habe ich mich dann der Dunklen Seite verschrieben. Bzw. der Marke. Seither hat sie mein Schicksal beherrscht. Halt, Moment...
Wie sieht der Schreibprozeß bei Del Rey aus? Bekommen die Autoren ein Thema oder einen Handlungsabriß und arbeiten den dann aus, oder bringen sie ihre eigenen Ideen ein?
Das kommt darauf an. Bei Traitor wurde mir ein bestimmtes Kapitel einer größeren Geschichte gegeben. Wir alle wußten, wo das Buch anfangen und wo es aufhören sollte, als wir damit anfingen. Den Mittelteil habe dann ich übernommen.
Bei Shatterpoint wurde mir aufgetragen, einen Mace-Windu-Roman über die Schrecken des Krieges zu schreiben. Und mehr nicht. Ich habe dann Vorschläge eingereicht, bis ich einen hatte, mit dem alle leben konnten.
Die Rache der Sith erklärt sich von selbst, denke ich.
Im Falle von Luke Skywalker and the Shadows of Mindor wurde mir einfach das letzte freie Plätzchen im damaligen Vertrag von Del Rey mit Lucasfilm angeboten. Alles andere wurde so ziemlich mir überlassen.
Wie lange schreiben Sie insgesamt an einem Roman, und wieviele Stunden am Tag?
Wenn ich mitten in einem Projekt stecke, verbringe ich zwischen drei und vier Stunden pro Tag am Computer - vor und nach meinem sprichwörtlichen Hauptberuf. Samstags schreibe ich zwischen fünf und sechs Stunden, oder zwischen zwölf und vierzehn, wenn ich bereits eine Frist verpaßt habe, und sonntags zwischen zwei und drei.
Der schnellste Roman, den ich je geschrieben habe, war Traitor. Dafür habe ich vom Konzept bis zum fertigen Manuskript etwa sieben Monate gebraucht. Am längsten hatte ich mit Heroes Die zu tun. Da brauchte ich vom Konzept bis zur Veröffentlichung neunzehn Jahre.
Reden wir über Ihre früheren Krieg der Sterne-Romane, also Die Rache der Sith, Traitor und Shatterpoint. Viele sehen Parallelen zwischen all diesen Romanen und Dantes Inferno. Sind diese Parallelen beabsichtigt oder reiner Zufall?
Nun, der einzige Roman, bei dem es wirkliche Parallelen zu Dantes Inferno gibt, ist Traitor, und dort auch nur im weitesten Sinne. Traitor sollte Joseph Campbells "Reise durch die Unterwelt" entsprechen, und Dantes Inferno ist die berühmteste (und erweiterte) literarische Version davon. Traitor wurde eher von einige von Dantes Quellen inspiriert, darunter die Hades-Sequenzen in den Metamorphosen und die Odyssee. Der ursprünglich angedachte Titel für Traitor lautete Underworld, aber den hat Lucasfilm kassiert, weil Dark Horse bereits einen Comic mit diesem Namen produzierte.
Shatterpoint bewegt sich auf dem Gebiet von Joseph Conrads Herz der Finsternis, mit einer Prise seiner bekanntesten Nacherzählung Apocalypse Now. Shatterpoint ist sehr viel tiefer in die Realität eingebettet als Traitor - zumindest insofern als der Roman nicht abstrakt ist -, und deshalb aus meiner Sicht entschieden dunkler.
Und Die Rache der Sith erklärt sich, wiederum, von selbst.
Wußten Sie damals schon, daß Vergere in Destiny's Way sterben oder daß sie in der Legacy of the Force-Romanreihe und den Legacy-Comics als Sith dargestellt werden würde?
Tut mir leid. Was ich über vergangene, aktuelle oder künftige Handlungselemente wußte oder nicht wußte unterliegt der Geheimhaltungsklausel meines Vertrags.
In der Romanadaption von Die Rache der Sith beschreiben Sie das Duell zwischen Palpatine und Yoda als Kampf des Lichts gegen die Dunkelheit. Haben sie das Konzept für "das Dunkle" zu dieser Zeit entwickelt, oder woher kam das?
"Das Dunkle" ist so ziemlich das, worüber ich in den Einführungs- und Schlußabsätzen der drei Akte von Die Rache der Sith geschrieben habe ("Die Dunkelheit ist großzügig und geduldig und gewinnt immer", etc.). Außerdem ist es die "Dunkelheit im Urwald", die Depa Billaba in Shatterpoint zerstört. Normalerweise sind Anhänger der Dunklen Seite mehr wie Vader oder Kar Vastor - sie wollen die Macht beherrschen, um ihre eigenen Ziele voranzutreiben. "Das Dunkle" ist hingegen auf seine Art so selbstlos wie der spartanischte Jedi-Einsiedler, eine ganz spezielle Form des Wahnsinns.
Haben Yoda und Obi-Wan dieses Dunkle begriffen, oder ist Luke der einzige Jedi, dem das gelungen ist?
Das zu entscheiden, ist nicht an mir.
Shadows of Mindor war ein herausragender Einzelroman, allerdings war einer der interessantesten Aspekte des Romans nicht nur das Wiederauftauchen von Figuren aus Shatterpoint, sondern die direkte Fortsetzung des Helden- und des Stern-Motivs aus Die Rache der Sith. Wußten Sie, als Sie an Die Rache der Sith arbeiteten, daß Sie diese Konzepte eines Tages in weiteren Werken verarbeiten würden, oder entwickelte sich das erst im Verlauf Ihrer Arbeit an Shadows of Mindor?
Als ich Die Rache der Sith schrieb, hatte ich nicht die Absicht, jemals einen weiteren Krieg der Sterne-Roman zu schreiben. Was den Einbau von Figuren und Motiven früherer Werke betrifft, so investiere ich alles, was ich habe in alles, das ich tue. Wenn man sich selbst bestiehlt, ruft niemand die Polizei.
Was hat Sie dazu bewegt, all dieses Material über Holothriller und Filme in Shadows of Mindor einzubringen?
Ich glaube, jemand ist bei der ComicCon in San Diego auf mich zugekommen oder als ich meine Buchtour für Die Rache der Sith machte und meinte, daß sich die Clone Wars-Serie von Tartakovsky leicht zu prorepublikanischen Propagandafilmen uminterpretieren ließen, die in der weit entfernten Galaxis über das Holonetz verteilt würden. Ich fand diese Idee brilliant und verdammt komisch, und seither ist sie mir nie mehr so recht aus dem Kopf gegangen. Was, wenn einige oder sogar alle EU-Geschichten fiktionale Erzählungen echter Personen wären? Der amerikanische Westen des 19. Jahrhunderts hat diverse Groschenromane gefüllt, von denen viele über echte Personen geschrieben wurden - Bat Masterson, die James-Bande, Wild Bill Hickok und Buffalo Bill Cody, um nur einige aus dem Gedächnis zu fischen. Wieviele solcher legendären Figuren haben im Galaktischen Bürgerkrieg mitgekämpft?
Eine zweite Inspiration war eine Podiumsdiskussion über die New Jedi Order, bei der mich Bob Salvatore vorstellte und erklärte, ich hätte "das Konzept des Unzuverlässigen Erzählens in die Krieg der Sterne-Fiktion eingeführt". Er sprach damals über Traitor, einen Roman, der sich weniger durch Unzuverlässiges Erzählen auszeichnet, als vielmehr dadurch, daß die Sicht des Lesers auf den Blickwinkel von Jacen, Ganner und Nom Anor beschränkt bleibt und ihre persönlichen Reaktionen auf die Notwendigkeit hervorgehoben werden, in einer denkbar uneindeutigen Situation handeln zu müssen. Aber seither hatte ich immer das Gefühl, daß es in Krieg der Sterne unzuverlässige Erzähler geben sollte. Denn einen wirklich zuverlässigen Erzähler gibt es nicht, denn allein schon der Schöpfungsakt einer Geschichte unterwirft die Elemente dieser Geschichte einer automatischen Beschränkung. Allein schon die Auswahl von Ereignissen und Elementen, die man in eine Geschichte einbaut, redigiert die Wirklichkeit. Der Autor wird stets Ereignisse und Elemente auswählen, die seine rhetorischen Absicht verdeutlichen oder untermauern, egal welche Absicht er verfolgt.
An die Wand meines Büros habe ich ein Schild gehängt, auf dem steht: Alle Autoren sind unzuverlässig. Die ehrlichen geben das zu.
Sie haben in mehreren Interviews erklärt, daß Sie gerne Gelegenheit bekämen, über das letzte Abenteuer der Großen Drei zu schreiben. Wann spielt dieses letzte Abenteuer in Ihrer Vorstellung, und würden Sie die Chance bekommen, wüßten Sie dann schon, wie diese Geschichte ablaufen würde?
Von vorne: Klar würde ich es gerne schreiben, keine Ahnung, wann es spielt, und nein, ich habe keine Ahnung, wie es ablaufen würde.
Wird es eine Fortsetzung zu Shadows of Mindor geben? An welchen anderen Geschichten würden Sie im Krieg der Sterne-Universum gerne arbeiten?
Auch das kann ich leider nicht beantworten. Wir müssen einfach abwarten.
Letzte Frage: Was steht für Sie als nächstes auf dem Plan?
Ein paar weitere Begleitbücher, und dann der letzte Acts of Caine-Roman mit dem Titel His Father's Fist.
Herr Stover, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Weitere Informationen über die englische Ausgabe gibt es hier, die deutsche erscheint unter dem Titel Luke Skywalker und die Schatten von Mindor im Juni.
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