Andreas Kasprzak übersetzt seit bereits 10 Jahren Star Wars-Bücher für Random-House und Panini. Von Romanen, über Jugendbücher, bis hin zu den neuesten Sachbüchern stehen bereits über 95 Übersetzungen auf seiner Liste. Zu seinem 10-jährigen Jubiläum hatten wir letzte Woche die Gelegenheit mit ihm ein Interview über seine Arbeit zu führen:
Wie bist du zu der Arbeit des Übersetzers gekommen? Woran kannst du dich von deiner ersten Roman-Übersetzung erinnern?
Um ehrlich zu sein, war es nie mein Ziel, zu übersetzen, was seltsam klingt, wenn man bedenkt, dass meine erste »professionelle« Veröffentlichung seinerzeit eine Übersetzung und kein selbstverfasstes Werk war. Ich war damals, mit zwanzig, gerade in der Ausbildung zum Buchhändler, als ich über eine Bestellung bei der Edition Phantasia zufällig Joachim Körber kennenlernte, der schon damals mein absolutes Vorbild war, da ich mich für Phantastik interessiere, seit ich denken kann, und Joachim ist in diesem Genre hierzulande nun einmal nach wie vor die absolute Koryphäe. Ich hatte all seine Stephen-King-Übersetzungen im Regal stehen, ebenso wie diese ganzen Horroranthologien, die er in den Achtzigern und Anfang der Neunziger rausgab. Mein großer Traum damals war, mir das Bibliographische Lexikon der utopisch-phantastischen Literatur zuzulegen, das Joachim bis letztes Jahr als Loseblattsammlung beim Corian-Verlag rausgebracht hat, doch das war mit meiner Ausbildungsvergütung vollkommen illusorisch. Das Lexikon hatte damals schon sieben oder acht Bände und war mit, ich glaube, achthundert Mark für das Grundwerk für mich jenseits von Gut und Böse.
Wie auch immer, Joachim war für mich damals schon mein »Held« und als wir dann in persönlichen Kontakt kamen, fragte ich ihn kurzerhand, ob er Interesse an einer deutschen Übersetzung von Clive Barkers Kinderbuch The Thief of Always hätte, das ich in meiner Freizeit just for fun ins Deutsche übertragen hatte, weil ich das Buch so großartig fand und es noch keine deutsche Fassung gab. Ich hatte das Buch mehr oder minder für mich selbst übersetzt, mit meinem seinerzeit eher rudimentären Schulenglisch und dem Wörterbuch auf dem Schoß, und da Joachim damals für Heyne nicht bloß Stephen King, sondern auch andere Genregrößen wie Dean Koontz, Dan Simmons und eben Clive Barker übersetzt hat, bot ich ihm meine Übersetzung in kindlicher Naivität einfach zur Verwertung an, ohne mir über irgendwelche Dinge wie Lizenzfragen oder derlei Gedanken zu machen. Ich wollte auch kein Geld dafür. Ich hatte einfach nur diese Fan-Übersetzung und habe Joachim als Barker-Stammübersetzer gefragt, ob er damit vielleicht irgendwas anfangen kann. Und obwohl ich sicher bin, dass die Übersetzung nicht sonderlich gut war, sah Joachim wohl ein gewisses Potenzial darin (und wohl auch in mir), da er meine Übersetzung in einer von ihm überarbeiteten Version als wunderschöne Sammlerausgabe unter dem Titel Der Dieb der Zeit bei der Edition Phantasia veröffentlicht hat, im Großformat, in weißes Leder gebunden, im blauen Samtschuber, handnummeriert auf 250 Exemplare. Ein wirklich wunderschönes Buch, und noch dazu steht mein Name drin! Das war für mich eine Riesensache und ich bin auch heute noch sehr stolz auf diesen Band.
Doch obwohl ich anschließend für die Edition einige Stories von Lovecraft und Ursula K. LeGuin übersetzt habe, war das immer bloß nur so zum Spaß. Mein Interesse lag damals primär darauf, als Autor mit meinen eigenen Stoffen Geld zu verdienen, da ich unmittelbar nach Beendigung meiner Ausbildung aus dem Buchhandel ausgeschieden und sozusagen auf die andere Seite des Verkaufstresens verwechselt bin, als mir klar wurde, dass man im Buchhandel zwar mit Büchern zu tun hat (was ich unbedingt wollte), dass ich unterm Strich aber ebenso gut auch Schuhe oder Fische hätte verkaufen können. Bücher sind im Buchhandel nun mal eine Ware, während ich darin eher sowas wie den Heiligen Gral sah, den man hegen und pflegen und ehren muss. Aber obwohl ich den ganzen Tag mit Büchern zu tun hatte, habe ich nichts weiter gemacht, als Pakete auszupacken, Bücher einzusortieren, Bücher als Geschenk einzupacken und alten Omas Krankenhausliteratur für die beste Freundin in die Tüte zu packen. Auf den Inhalt kam es überhaupt nicht an. Das hat mich krank gemacht, weil es allem entgegenstand, was ich in Büchern gesehen habe (und auch heute noch sehe), deshalb fällte ich damals recht schnell den Entschluss, statt Bücher zu verkaufen, selbst welche rauszubringen. Das waren allerdings keine Übersetzungen, sondern eigene Werke, da ich mich, wie gesagt, eigentlich immer eher als Schriftsteller sah, denn als Übersetzer.
Dementsprechend kam meine erste »professionelle« Übersetzung (wenn man es denn so nennen will) erst viele Jahre später auf den Markt. Das war so eine Art Neufassung von Merian C. Coopers King-Kong von Joe DeVito und Brad Strickland für den Blanvalet-Verlag, im Frühjahr 2007. Den Auftrag dazu bekam ich vermutlich bloß, weil der damalige Leiter des Fantasy-Programms bei Blanvalet einfach seine Ruhe vor mir haben wollte, nachdem ich ihn ein gutes Jahr lang regelmäßig bzgl. irgendwelcher Jobs gelöchert hatte, weil es mir damals finanziell richtig bescheiden ging (aus eigenem Verschulden, wohlgemerkt) und ich seinerzeit so ziemlich alles getan hätte, um aus dem beruflichen Schlamassel, in das ich mich selbst reingeritten hatte, wieder rauszukommen. Die Menschen, die mir damals den Hals gerettet haben, indem sie mir Arbeit gaben, obwohl ich ihr Vertrauen in mich wegen verpatzter Termine übel enttäuscht hatte, und mir damit eine zweite Chance gaben, waren eben genannter Volker Busch, vor allem aber Holger Kappel (heute Blanvalet) und meine »Dinos« Jo Löffler und Holger Wiest von Panini Books, ohne die es mich heute so nicht mehr geben würde. Und allein dafür werde ich diesen Jungs für immer dankbar sein.
Aber ich schweife ab ... und ich werde rührselig. Und beides will kein Mensch. Darum zurück zu King-Kong. Wie damals bei The Thief of Always hatte ich auch da die ganze Zeit ein Englischwörterbuch neben mir liegen – die beiden Englisch-Deutsch-Bände vom Großen Muret-Sanders, um genau zu sein −, und während der Arbeit habe ich mindestens eine Million Mal bei Joachim Körber angerufen, weil ich den Sinn einiger längerer Sätze ums Verrecken nicht verstanden habe. Doch offenbar war das Ergebnis überzeugend genug, dass die Leute im Verlag mir kurz darauf meine erste Star Wars-Übersetzung anboten. Das war Treueschwur von Timothy Zahn, der im Frühjahr 2008 erschien. Die Reaktionen der Leser waren extrem positiv. Sowohl der Verlag, als auch die Fans mochten meinen manchmal vielleicht ein wenig flapsigen und bisweilen auch ein bisschen blumigen, altmodischen (ich selbst sage: literarischen) Stil, und seitdem bin ich dabei.
Tatsächlich habe ich seitdem mit Ausnahme von zweien sämtliche Star Wars-Romane für Blanvalet übersetzt, die der Verlag in den letzten zehn Jahren rausgebracht hat, mittlerweile etwas über sechzig. Hinzu kommen nochmal ca. vierzig Star Wars-Sachbücher, -Jugendromane und -Game Novels für Panini Books. Ich kann also mit Fug und Recht behaupten, dass Star Wars das letzte Jahrzehnt über ein essenzieller Teil meiner Arbeit war und hoffentlich auch weiterhin sein wird, da ich diese weit, weit entfernte Galaxis, die George Lucas nicht lange nach meiner Geburt erschaffen hat (ja, so alt bin ich schon), wirklich schätze und liebe, und das nicht erst, seit ich damit einen Gutteil meiner Brötchen verdiene.
Warst du vor dem Übersetzen von Star Wars-Büchern bereits ein Star Wars-Fan und hast die Bücher auch gelesen?
Wie so viele andere meiner Generation habe ich Krieg der Sterne seinerzeit nicht im Kino gesehen (als der Film rauskam, war ich fünf oder sechs), sondern als VHS-Video, irgendwann Anfang der Achtziger Jahre. Was jedoch nichts daran ändert, dass der Streifen bleibenden Eindruck bei mir hinterließ. Ich weiß noch, dass ich damals eine Audiokopie des Films hatte; ich habe, während das Video lief, meinen Kassettenrecorder (die Älteren unter euch werden sich erinnern) mitlaufen lassen, um den Ton mitzuschneiden, und dabei die ganze Zeit versucht, so leise wie möglich zu sein. Diesen Tonmitschnitt habe ich jahrelang regelmäßig gehört, wie ein Hörspiel, denn das gab´s damals noch nicht. Auch Das Imperium schlägt zurück und Die Rückkehr der Jedi-Ritter sind für mich mit wundervollen Kindheitserinnerungen verbunden. Man kann also sagen, dass ich schon Star Wars-Fan war, als sich mir viele Jahre später die Möglichkeit eröffnete, mit meiner ersten SW-Übersetzung ein bisschen in diesem großartigen Sandkasten mitzuspielen. Ehrlicherweise muss ich aber zugeben, dass ich die Star Wars-Romane, die es damals gab, nie gelesen habe. Denn so sehr ich Star Wars auch mag, mit Science Fiction an sich habe ich eher weniger am Hut. Deshalb hat es z. B. auch bis zu J. J. Abrams´ »neuen« Star Trek-Filmen gedauert, bis ich Kirk, Spock & Co. irgendetwas Positives abgewinnen konnte.
Ich mag Abenteuer, ich mag Action, ich mag Popcornkino. Wenn´s zu wissenschaftlich, zu philosophisch oder zu melodramatisch wird, bin ich raus. Und im Gegensatz zu Star Trek war Star Wars für mich immer in erster Linie ein riesiges Abenteuer. Die Handlung könnte ebenso gut für einen Western herhalten, oder für ein Ritterepos. Das Genre ist letztlich egal, da die Story und solche ikonischen Charaktere wie Darth Vader, Luke, Han und Chewie in jedem Umfeld funktionieren. Das Setting ist universal und absolut zeitlos, und ich denke, das ist der Grund, warum Star Wars die Leute heute noch genauso begeistert wie vor vierzig Jahren und es auch weiter tun wird. Die Fans juckt es nicht, wie der Hyperantrieb des Millennium-Falken funktioniert – Hauptsache, er tut´s, wenn´s drauf ankommt! Deshalb habe ich mit Hardcore-SF immer meine Schwierigkeiten. Ich habe vor Urzeiten mal einen Roman für Perry Rhodan geschrieben, wo solche technischen Aspekte für die Leser extrem wichtig sind, und, Junge, das war so gar nicht meins. Wie Dinge funktionieren, ist mir egal – Hauptsache, man kann sie mit einem großen Knall in die Luft jagen! Genauso ist Star Wars, und ich nehme an, das ist einer der Gründe, warum ich so gut damit zurechtkomme. Man darf die Dinge allen Dramas zum Trotz einfach nicht zu ernst nehmen, denn letztlich ist SW Unterhaltung. Schlicht und einfach. Und das ist auch vollkommen okay; im Gegenteil. Nicht umsonst bezeichne ich mich nicht ohne Stolz als »Unterhaltungsfuzzi«. Star Wars erfüllt in dieser Hinsicht offensichtlich ein Grundbedürfnis des Publikums, und wenn ich durch meine Übersetzungen zumindest ein wenig dazu beitragen kann, dass die Leute ihren Alltag für eine Weile vergessen und in diese wunderbare Galaxis eintauchen, in der schlichtweg alles möglich ist, dann freut mich das sehr.
Wie gehst du an die Romane heran? Gibt es unterschiede von Star Wars-Romanen zu anderer Literatur, die du übersetzen musst?
Zunächst mal: Ich muss nicht übersetzen, sondern habe vielmehr in einem schwierigen Umfeld, in dem für immer mehr Leute immer weniger Aufträge anfallen, das große Privileg, diese Arbeit ausüben zu dürfen. Man darf nicht vergessen, dass der Übersetzungsmarkt in den letzten Jahren massiv geschrumpft ist, seit die Verlage ihre Programme merklich eingedampft haben und vermehrt auch auf deutschsprachige Autoren setzen. Viele Kollegen haben es aktuell nicht leicht, und ich bin heilfroh, dass ich es diesbezüglich relativ gut getroffen habe, zumal man als Freiberufler immer auch davon abhängig ist, dass Redakteure mit dir zusammenarbeiten wollen. Niemand ist dir gegenüber zu irgendwas verpflichtet. Du bist komplett vom Wohlwollen von Verlagsleuten abhängig, die du manchmal noch nie persönlich gesprochen hast, und da in dieser Branche eine Menge sehr, sagen wir mal ... spezieller Egos unterwegs sind, genügt manchmal schon ein falsches Wort an der falschen Stelle und man steht im übertragenen Sinne auf der Straße, was einem besonders dann das Genick brechen kann, wenn man bloß für einen Verlag tätig ist. Das habe ich bei Kollegen bereits mehrfach erlebt. Da arbeitest du jahrelang für einen Verlag, dann kommt z. B. ein neuer Redakteur, der seine eigenen Leute dabei hat, oder du vergraulst es dir durch einen unbedarften Kommentar mit irgendwem, und auf einmal weißt du nicht mehr, wovon du deine Kinder ernähren sollst. Und jucken tut dein Schicksal letztlich niemanden, schließlich bist du »bloß« ein Freelancer und damit austauschbar. Für jeden Übersetzer, der Arbeit hat, stehen hundert Gewehr bei Fuß, die denselben Job mit Kusshand für drei Euro die Seite weniger machen würden. Deshalb versuche ich ganz bewusst, mich so breit wie möglich aufzustellen, für verschiedene Verlage zu arbeiten und so viele unterschiedliche Themen und Dienstleistungen abzudecken, wie irgend möglich. Natürlich gibt einem auch das keine Garantie dafür, dass man eines Tages plötzlich ohne Job dasteht, doch zumindest kann man ein bisschen besser schlafen.
Was meine persönliche Herangehensweise beim Übersetzen angeht, so kommt dies immer auf das Thema und den »Schwierigkeitsgrad« eines Buches an. Bei etablierten Franchises wie Warcraft, Minecraft oder eben Star Wars, die ihre ganz eigenen, feststehenden Begrifflichkeiten haben, ist es natürlich unabdingbar, während der Arbeit stets alle vorkommenden Begriffe, die man nicht kennt, darauf zu prüfen, ob es bereits eine »offizielle« Übersetzung dafür gibt, damit am Ende alles wie aus einem Guss wirkt, wie aus einem Universum. Zudem sollte man ganz allgemein mit der Thematik vertraut sein, damit man weiß, worum es eigentlich geht. Ich hatte mal eine Lektorin, die beim Bearbeiten ihres ersten (und letzten) Star Wars-Romans konsequent »Droide« durch »Druide« ersetzt hat, weil sie vom Thema null Ahnung hatte. Und wenn so jemand dann die letzte Person ist, die ein Buch zu Gesicht bekommt, ehe es in Druck geht, ist das natürlich tödlich. Sowas verzeihen die Fans einem nicht, und in Zeiten des Internets ist da der nächste Shitstorm schon vorprogrammiert. Nicht zuletzt deshalb ist für mich die Auseinandersetzung mit der Marke als solcher, sofern ich noch nicht damit vertraut bin, immer der erste Schritt. Fehler können immer passieren, aber wirklich grobe inhaltliche Patzer dürfen einfach nicht sein.
Ansonsten gehe ich an Übersetzungen nicht viel anders heran, als der Leser: Ich fange auf Seite 1 an und arbeite mich bis zum Ende durch. Jedenfalls bei »normalen« Übersetzungen. Ist hingegen von Anfang an klar, dass der Text schwieriger ist, lese ich das Buch vorab einmal quer. So vermeidet man es, in der Mitte des Romans auf einmal festzustellen, dass etwas, das man bis dahin als X übersetzt hat, in Wahrheit Y ist, mit der Folge, dass man den ganzen Bumms nochmal entsprechend überarbeiten muss. Doch, wie gesagt, meist »lese« ich die Bücher beim Übersetzen selbst auch zum ersten Mal. Ich finde, das macht die Arbeit spannender, weil man so besser mitfiebern kann und das Ganze einfach mehr Spaß macht. Mir jedenfalls.
Wie unterscheidet sich eine Übersetzung von einem Jugendroman, Erwachsenroman bzw. einem Sachbuch?
Da gibt es eigentlich keinen großen Unterschied. Meist diktiert das zu übersetzende Buch das Vorgehen. Bei Jugendromanen sind die Sätze generell kürzer und alles ist ein bisschen einfacher gehalten. Das versuche ich dann stilistisch und durch die entsprechende Wortwahl zu vermitteln. Zudem kommt es manchmal vor, dass der Verlag findet, dass gewisse Formulierungen im Original für die angepeilte Zielgruppe nicht »angemessen« sind, weil sie z. B. zu kompliziert, zu brutal oder zu düster sind. Da versuche ich dann schon beim Übersetzen, diese Stellen zu glätten. Sachbücher und Erwachsenenromane hingegen übertrage ich meist 1:1, sofern der Verlag keine besonderen Wünsche hat. Bisweilen kommt es allerdings vor, dass das Original so mies ist, dass ich die stilistische Qualität ganz bewusst aufwerte, ohne natürlich etwas am Inhalt oder der Textaussage zu ändern, denn das ist weder meine Aufgabe, noch sehen die Lizenzgeber sowas gern, auch wenn es einigen Titeln zweifellos guttäte.
Wie kann ich mir eine Zusammenarbeit von Übersetzern vorstellen, wenn die Übersetzung von zwei Personen stammt, wie z.B. Die Kobalt-Staffel, welches von Tobias Toneguzzo und dir stammt?
Tobi und ich kennen uns seit mittlerweile zehn Jahren. Ich habe ihn »angeworben«, da war er gerade mit der Uni fertig. Dementsprechend konnte ich ihn bis zu einem gewissen Grad nach meinen Vorstellungen und übersetzerischen Prinzipien »formen« und ihm die Dinge vermitteln, die mir persönlich bei einer Übersetzung besonders wichtig sind. Vom Stil her kann Tobi, wenn erforderlich, meinem deshalb recht ähnlich sein, was wichtig ist, damit am Ende alles wie aus einem Guss wirkt, obwohl nicht einer, sondern zwei Leute den Text ins Deutsche übertragen haben. (Wobei am Ende die glättende Hand des Lektors natürlich auch noch eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt, um etwaige Stolpersteine zu glätten.) Bei Tobi und mir sehen Kollaborationen in der Regel so aus, dass wir ein Buch in zwei Hälften aufteilen, die wir dann hin- und herschicken, sodass der andere den Part, der nicht von ihm ist, einsehen und entsprechend bearbeiten und anpassen kann. Zumal gehen die ganze Zeit über pausenlos Emails hin und her, um z. B. Anreden und Begrifflichkeiten, auf die man zum ersten Mal stößt, miteinander abzugleichen. Auf diese Weise hat man letztlich ein homogenes Ganzes, braucht aber nur die Hälfte der regulären Übersetzungsdauer, was vor allem bei Schnellschüssen wichtig ist. Wenn die Zeit drängt, arbeiten wir parallel und dennoch Hand in Hand. Anders könnte man Lösungsbücher zu Computer- und Videospielen, bei denen man meist nur zwei Wochen Zeit hat, um sie druckfertig zu machen, damit sie day by day mit dem Release des Spiels im Laden stehen, überhaupt nicht realisieren.
Im Moment arbeitest du verlagsübergreifend an verschiedenen Star-Wars-Büchern. Gibt es verschiedene Anforderungen von den Verlagen und/oder gibt es spezielle Wünsche von Disney?
Nein, die Verlage, für die ich an Star Wars-Titeln arbeite (Blanvalet und Panini), lassen mir da vollkommen freie Hand, da sie wissen, dass ich das Fachwissen mitbringe, um die Begrifflichkeiten richtig hinzubekommen, und die Übersetzungen in guter Qualität termingerecht auf ihrem Schreibtisch liegen werden. Auch Disney mischt sich nicht in unsere Arbeit ein, was aber wohl auch damit zu tun hat, dass wir ihnen bislang keinen Grund dazu geben haben. Wenn sich negative Leserkommentare zu unseren Übersetzungen häufigen sollten, würden wir uns mit Sicherheit dafür verantworten müssen. In diesem Sinne: Klopf auf Holz!
Hat sich seit der Übernahme von Disney an der Arbeit der Übersetzung etwas geändert?
Das hat es tatsächlich. Seit Disney Lucasfilms gekauft hat, wird extrem viel Wert auf Geheimhaltung gelegt, insbesondere bei den Filmbüchern. Spoiler sollen unbedingt vermieden werden. Leider überträgt sich diese »Geheimniskrämerei« auch auf die »normalen« Star Wars-Romane, sodass ich meist erst anfangen kann zu übersetzen, wenn das Buch in den USA erschienen ist. Das ist natürlich unglücklich für die deutschen Fans, die die Romane deshalb deutlich später im Regal stehen haben, als die englischsprachigen Leser. Gerade bei den Journey-to-Romanen, die jeweils zum nächsten Film überleiten, entgeht ihnen so natürlich einiges. Doch an dieser Politik seitens Disney etwas zu ändern, liegt leider nicht in »unserer« Macht.
Liest du in deiner Freizeit überhaupt noch Bücher und wenn ja, sind auch Star-Wars-Bücher dabei, die du nicht übersetzt hast oder sogar gerne übersetzen möchtest?
Da mein Beruf gleichzeitig mein Hobby und damit das ist, was ich liebe und auch tun würde, wenn man mich nicht dafür bezahlen täte, bin ich praktisch rund um die Uhr »im Dienst«. Dementsprechend ist für mich alles irgendwie Arbeit und irgendwie auch wieder nicht. Wenn ich etwas lese, hat es deshalb irgendwie immer etwas mit dem Job zu tun – jedenfalls ist das mein Vorwand, nicht den Geschirrspüler auszuräumen und lieber mit einem Buch vor der Nase in der Badewanne zu liegen: Alles Arbeit! Tatsächlich ist die Badewanne der einzige Ort, an dem ich jenseits meines Schreibtisches lese, was vor allem damit zu tun hat, dass ich nur dort Ruhe vor Ablenkung habe: keine Emails, kein Telefon, keine Kinder, die irgendwas von mir wollen. Nicht zuletzt deshalb weiche ich jeden Morgen eine gute Stunde im warmen Wasser ein. Aufgrund dieser begrenzten Zeitspanne und im Angesicht des Umstands, dass ich ein sehr langsamer, weil sehr gründlicher Leser bin, der ein Buch hinterher mehr oder minder aus dem FF kennt, ist die Anzahl der Titel, die ich im Jahr außerhalb meiner Arbeit schaffe, leider recht überschaubar. Mehr als zehn, zwölf Bücher kommen da selten zusammen, weshalb ich mir die Bücher, die ich lese, auch sehr genau aussuche. Früher habe ich alles gelesen, was ich in die Finger bekommen habe. Heute muss ich wirklich Interesse an einem Titel haben, um meine Lesezeit darin zu investieren. Und bevor du fragst: Momentan lese ich Anything You Can Imagine: Peter Jackson & The Making of Middle-Earth, einen unglaublich umfassenden Wälzer von Ian Nathan über die Entstehung der Herr der Ringe-Filmtrilogie, und Lovecraft Country von Matt Ruff, einem meiner absolute Lieblingsautoren, seit mir damals, in den fernen Tagen meiner Buchhändlerlehre, sein Erstlingsroman Fool on the Hill in die Hände fiel. Ein absolut genialer Autor, der zwar immer ein gewisses phantastisches Element in seinen Werken hat, aber mit jedem neuen Buch eine originelle, komplett eigenständige Geschichte in einem anderen Genre erzählt. Langer Rede, kurzer Sinn: Nein, Star Wars gehört privat nicht zu meiner bevorzugten Lektüre. Wenn ich den ganzen Tag in einer weit, weit entfernten Galaxis unterwegs bin, ist es einfach schön, sich zwischendurch mit etwas völlig anderem zu beschäftigen.
Wie lang brauchst du im Schnitt für eine Roman-Übersetzung?
Das kann man so pauschal zwar nur schwer sagen, weil das immer auch vom Umfang, vom Schwierigkeitsgrad des Textes und von der Thematik abhängt bzw. davon, ob man bereits mit der Thematik vertraut ist oder jeden zweiten Begriff erstmal recherchieren muss. Dann dauert´s natürlich länger. Doch im Schnitt kann man sagen, dass ich pro Roman einen Monat brauche.
Gab es in deinen bisherigen Star-Wars-Übersetzungen besondere Stolpersteine, an die du dich erinnerst? Wenn ja, wie konntest du sie lösen?
An spezielle Stolpersteine in dem Sinne kann ich mich nicht entsinnen. Es gibt eben immer wieder Diskussionen darüber, wie Begriffe übersetzt werden sollen, wer wen wie anredet, solche Dinge. Heißt es das Kommlink oder der Kommlink? Heißen einzelne imperiale Soldaten »Sturmtruppen« oder »Sturmtruppler«? (Ich bevorzuge klar letzteres.) Deutschen wir die Namen von Raumschiffen ein oder belassen wir sie im Englischen? Ansonsten hilft einem die Recherche im Netz (u. a. auf eurer Seite) bei Unklarheiten eigentlich immer relativ schnell weiter.
Der nächste große Roman, der bei Blanvalet veröffentlicht wird und die Übersetzung von dir stammt, ist ja bekanntlich der Filmroman zu Die letzten Jedi. Hast du dich bei dem Roman an der Filmvorlage orientiert oder wurdest von ihr beeinflusst?
Natürlich habe ich mich beim Übersetzen bemüht, so dicht wie möglich am Film zu bleiben. Früher kam der Roman zum Film pünktlich zum Filmstart in die Läden, man hatte also schon einige Monate vor Release das englische Manuskript auf dem Tisch, um day by day mit dem Film draußen zu sein. Das Knifflige dabei war, dass man den Film da selbst noch nicht kannte und das Übersetzen bestimmter Begriffe, Namen, Örtlichkeiten, etc. oft einem Va banque-Spiel glich, weil man nicht wusste, ob man zumindest halbwegs richtig liegt. Dieses Problem habe ich heute nicht mehr, da ich die letzten Filmbücher immer erst zum Release des Films bzw. diesmal sogar Monate später reinkriege. Dementsprechend kenne ich beim Übersetzen bereits die Filme und kann die Dialoge, soweit es geht, aus der deutschen Synchronisation übernehmen. Das ist etwas, was mir persönlich bei Filmromanen immer sehr wichtig ist: dass die Dialoge nach Möglichkeit so im Buch stehen, wie die Leute sie vom Film her im Ohr haben.
Im September steht dann auch bereits Phasma in den Startlöschern, wie geht es dann weiter? Was sind allgemein deine nächsten Projekte?
Na ja, Star Wars-technisch sind wir intern natürlich schon etwas weiter. In den nächsten Wochen erscheinen außer Phasma noch der Filmroman zu Die letzten Jedi und Das Buch der Rebellen in meinen Übersetzungen. Bereits abgegeben haben wir außerdem die Übersetzung von Last Shot von Daniel José Older. Zudem habe ich neulich den Solo-Jugendroman für Panini übersetzt, den ich gerade für die Hörbuch-Ausgabe um ein Drittel kürze, was eine ziemliche Herausforderung ist, weil das Buch an sich kaum »Fett« hat, das man einfach so »wegschneiden« kann, ohne irgendwas zu versäumen. Nächste Woche fange ich mit der Übersetzung von Thrawn: Alliances von Timothy Zahn an, direkt danach kommt der Solo-Filmroman von Mur Lafferty. Wie es danach weitergeht, weiß ich aktuell noch nicht.
Ansonsten sind von »mir« in diesen Tagen die Übersetzungen des Game-Romans XCOM 2: Eskalation, des Comics Call of Duty: Zombies und des zweiten Bandes der Skyrim-Bibliothek erschienen. Danach kommen World of Warcraft: Traveler 2 und ein Thriller mit dem Titel Pfad der Lügen in meiner Eindeutschung. Zudem habe ich unlängst in Zusammenarbeit mit dem bekannten YouTuber ApoRed ein inoffizielles Lösungsbuch zum Spielehit Fortnite: Battle Royale rausgebracht. In den letzten Wochen habe ich außerdem Kochbücher zu Fallout und Dr. Who sowie ein wundervolles The Art of-Buch zum Sammelkartenspiel Hearthstone übersetzt. Tja, was noch? Ach, ja, im Herbst erscheinen unter Pseudonym zwei neue Koch- bzw. Backbücher aus meiner eigenen Feder, die ich gerade mit Hochdruck zu Ende bringe, damit sie in zwei, drei Wochen in Druck gehen können. Langweilig ist mir also momentan eher nicht. Tatsächlich kann ich mich beim besten Willen nicht daran entsinnen, dass mir in den letzten zehn Jahren überhaupt irgendwann mal langweilig gewesen wäre, wofür ich wohl eigentlich verdammt dankbar sollte, wenn ich´s mir recht überlege. Hoffen wir also, dass das so bleibt!
Andreas, vielen Dank für das Gespräch und auf viele weitere Star Wars-Übersetzungen!
Andreas Kasprzak ist neben den Übersetzungen, natürlich auch weiterhin als Autor tätig. Sein neustes Werk CODE RED: Das ultimative inoffizielle Strategiebuch zu Fortnite: Battle Royale, welches er bereits im Interview erwähnte, kann ab sofort bei Amazon.de bestellt werden.
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Demir
Ich wünschte die deutschen Fassungen der Romane würden deutlich schneller fertiggestellt werden können, aber das sagt sich so leicht. Nach einigen Versuchen mit Originalen musste ich einsehen, dass manche Autoren (z.B. Luceno, Gray) zu viel Übersetzungen für mich erforderlich machen um einigermaßen den Lesefluss zu gewährleisten. Da hilft auch kein Oberstufen-Englisch, das ich außerdem zur Hälfte vergessen habe
Gerade Romane die eine gewisse Aktualität bzgl. der Filme haben möchte ich dann aber hald auch gerne früher lesen.
Jacob Sunrider
Sehr schönes Interview mit vielen interessanten Gedanken.
Da ich bisher alle deutschen SW Bücher gelesen habe bin ich schon lange ein Fan von ihm,finde auch das er seinen eigenen,kleinen Stempel der Übersetzung aufdrückt. Natürlich kann er dadurch manch schlechteres Buch nicht retten.
Hoffe er bleibt uns lange erhalten!
DarthMirko
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