1. Dezember 1981
Schauspieler Mark Hamill wird für Millionen, die diesen Science-Fiction-Film lieben, als Luke Skywalker in die Geschichte eingehen. Jetzt versucht er, dieses Image loszuwerden.
Es war eine Laune des Schicksals: Vor 6 Jahren wurde der damals 24jährige Mark Hamill ausgewählt, den Helden von Krieg der Sterne zu spielen, eines seltsamen Science-Fiction-Abenteuerfilms über die Begegnungen eines galaktischen Bauernjungen mit dem Universum. Der Film war sein Leinwanddebut und ist inzwischen der beliebteste Kinofilm des 20. Jahrhunderts geworden - oder zumindest derjenige, der das meiste Geld eingespielt hat.
Mark war gut als Luke Skywalker. So gut, um genau zu sein, dass die Zuschauer ihn nie als Schauspieler wahrnehmen. Auf seltsame Weise hat der Film, der Mark Reichtum und Ruhm bescherte ihn auch zu einem Gefangenen gemacht. Durch die Fortsetzung Das Imperium schlägt zurück (die zum dritterfolgreichsten Film aller Zeiten wurde) und den anstehenden Abschluss des Dreiteilers Die Rache der Jedi-Ritter scheint Marks Festlegung auf Luke Skywalker beschlossene Sache zu sein.
Gary Kurtz, der Produzent von Krieg der Sterne und Das Imperium schlägt zurück, sowie ein enger Mitarbeiter von George Lucas, welcher die Trilogie erfand und beim ersten Film Regie führte, erinnert sich, dass "niemand je von Mark gehört hatte, als wir ihn als Luke Skywalker besetzten. Wir sahen uns in der entsprechenden Altersgruppe um, und Mark hatte dieses Selbstvertrauen, diese wunderbare, naive, frische, positive Art, die Welt zu sehen, nach der wir gesucht hatten." Kurtz beschreibt Mark als "sehr gesellig und einen wunderbaren Menschen. Er ist viel scharfsinniger als wir anfangs dachten. Er ist ein guter Stimmenimitator. Er kann die wesentlichen Merkmale einer Person und ihrer Stimme enorm schnell erfassen und sie wiedergeben, mit urkomischen Resultaten. Er versteht, wie sich die Menschen um ihn herum verhalten - das ist einer der Gründe, weshalb er ein so guter Schauspieler ist."
"Ich bin der berühmteste Unbekannte im Filmgeschäft.", meint Mark. "Die Leute kennen meinen Namen und bringen mich mit Krieg der Sterne in Verbindung, aber sie merken gar nicht, dass ich geschauspielert habe. Sie glauben, ich bin dieser Junge. Das Spannende ist, ihnen jetzt zu zeigen, dass das nicht stimmt, dass ich lustig bin, dass mein Timing stimmt, dass ich eine Reihe von Dialekten beherrsche."
Erlebt man Mark als Mensch - ob bei einer Pressekonferenz anlässlich der Premiere eines Broadway-Stücks oder in einem japanischen Restaurant beim Sushi-Essen, einer seiner Lieblingsspeisen - erkennt man, dass er voller Energie steckt. Mit seinem dunkelblonden Haar, seinen hellblauen Augen und seinem ausdrucksstarken Gesicht wirkt er noch immer sehr jung, obwohl er gerade 30 geworden ist. Wenn er spricht, gestikuliert er viel mit seinen Händen, knallt sie auf den Tisch und spricht voller Leidenschaft.
"Wenn ich wirklich wie Luke wäre", meint er, "wäre ich glücklich wie sich mein Leben entwickelt hat. Ich würde mich in Kalifornien entspannen, die Sonne genießen und mir keine Sorgen machen. Es macht Spaß, an der Krieg der Sterne-Trilogie zu arbeiten. Viel Spaß, und ich bereue auch nichts. Aber Krieg der Sterne stellt mich vor neue Probleme.", erklärt er. "Jede Entscheidung wird plötzlich so gewaltig. Wenn ich einen heiteren Film wie Amanda lässt die Puppen tanzen machen will, was ist falsch daran?", verteidigt er seinen jüngsten Film, in dem er einen Polizisten spielt, der sich in Kristy McNichol verliebt. "Es werden dieser Tage nicht so viele Filme gedreht. Und bei denen wenigen, in denen es eine Rolle für mich geben würde, suchen sie zur einen Hälfte nach einem Unbekannten und mögen zur anderen die Krieg der Sterne-Verbindung nicht."
Regisseur Sam Fuller war diese Verbindung egal. In seinem großen Weltkriegsdrama The Big Red One stellte er Mark an die Seite von Lee Marvin. Fuller erzählt: "Mark spielte in einer vier Minuten langen Szene einen wirr faselnden Betrunkenen, und das verständlicher als jeder erfahrene Schauspieler, den ich in den letzten 40 Jahren gesehen habe." Ironischerweise wurde genau diese Szene aus der US-Fassung des Films herausgeschnitten; in der längeren europäischen Fernsehfassung wird sie aber enthalten sein. "Mit einem großen Filmerfolg in Verbindung gebracht zu werden, ist wunderbar.", meint Fuller weiter, "aber Mark wird Krieg der Sterne bei weitem übertreffen, wenn er die richtige Rolle bekommt, in der er die ganze Bandbreite seines Talents unter Beweis stellen kann. Ich bewerte einen Schauspieler nach den Geschichten, die er erzählen kann - wenn er keinen Humor hat, keine Chance. Mark wird sie umhauen - er hat mehr Potential als alle jungen Schauspieler, die ich kenne." Selbst Lee Marvin findet: "Meine Güte, für einen so jungen Schauspieler, glaubt man es kaum."
"Ich finde, ich war in Das Imperium schlägt zurück viel besser.", meint schließlich auch Mark. "In Krieg der Sterne war ich ein grüner Junge, und bei Das Imperium schlägt zurück dachte ich dann, 'super - die Leute werden sehen, dass diese Figur wächst und sich entwickelt.' Stattdessen war ich dreieinhalb Monate lang der einzige Schauspieler am Set. Auf den Tagesdispositionen stand bei Schauspieler immer 'Mark Hamill. Rolle: Luke. Requisiten: Verschiedene R2-D2-Einheiten. Verschiedene Yoda-Puppen. Verschiedene Reptilien und Schlangen.' Das war ein einsames Dasein. Ich konnte mich immerhin mit einer 6 Meter langen Anakonda anfreunden. Gewissermaßen. Die Sumpfkulissen im Studio waren so echt, dass wir die Schlange nicht mehr fanden. Am Ende der Dreharbeiten hatten wir unsere ganz eigenen Moskitos gezüchtet."
Der spätere Luke Skywalker wurde im kalifornischen Oakland geboren, das vierte von sieben Kindern. Sein Vater war bei der Marine. Um als Kind die Aufmerksamkeit seiner Eltern zu gewinnen, lernte Mark, Leute zum Lachen zu bringen.
"In meiner Familie herrschten gleichermaßen Kameradschaft und Rivalität.", erzählt er. "Und wir zogen dauernd um - Kalifornien, Virginia, Pennsylvania, New York, Japan. Wenn Sie 25 Leute über mich befragen würden, die mich in meiner Kindheit kannten, würden die ihnen alle etwas anderes über mich erzählen, weil ich von meiner Umwelt immer beEinflusst werde."
Als Kind organisierte sich Mark ganze Welten. "Ich hatte eine riesige Vorstellungskraft.", erzählt er. "Ich habe all meine Freunde dazu gebracht, riesige Geschichten über verlorene Welten und Dinosaurier auszufüllen." In der 7. Klasse spielte er in einem Theaterstück einen Einbrecher und war der Star des Abends. Da wusste er, dass er Schauspieler werden wollte. "Ich habe niemandem davon erzählt, weil ich angst hatte, dass man mich für verrückt halten würde. Außerdem wusste ich nicht, wie man das überhaupt wird. Also habe ich mir alle Rollen besorgt, die ich kriegen konnte, an meiner Schule, am Stadttheater. Sobald jemand zum Beispiel einen Jungen für Clarence Days Unser Leben mit Vater brauchte, habe ich mich gemeldet."
Seinen HighschoolAbschluss machte er in Japan. "Ich habe das Leben dort genossen.", erinnert er sich. "Ich war unabhängig, die Taxis waren billig, man konnte mit dem Zug durch das ganze Land fahren, und einkaufen zu gehen, war ein echtes Abenteuer. Und ich bin mit japanischen Mädchen ausgegangen." Als Erstsemester galt er als Spinner, in seinem Abschlusssemester war er Vorsitzender der Studentenvertretung.
Nach seiner Rückkehr aus Japan studierte Mark an der Fachoberschule von Los Angeles Theaterwissenschaften und spielte in einem Theaterstück mit, das ihm die Aufmerksamkeit eines Agenten zuzog. In verschiedenen Fernsehrollen bewies er seine Vielseitigkeit, von leichten Rollen bis zu drogenabhängigen Mördern, bevor er neun Monate lang in General Hospital zu sehen war.
Seiner Frau Marilou begegnete er in einer Zahnarztpraxis in Los Angeles, wo sie als Zahnpflegerin arbeitete und er seinen Agenten treffen sollte. "Er rief mich an diesem Abend an", erzählt Marilou, eine schlanke Frau mit dunklen Haaren und einem angenehmen Lächeln, "und wir gingen anderthalb Jahre miteinander aus." Seit drei Jahren sind sie nun verheiratet und stolze Eltern des 2 Jahre alten Nathan, der in England zur Welt kam. "Er ist nach [dem amerikanischen Schriftsteller] Nathaniel Hawthorne benannt. Und dem Laden. Gewissermaßen.", erzählt Mark, den Schalk im Nacken, und bezieht sich auf das bekannte Feinkostgeschäft "Nathan's Famous" in Brooklyn, wo er mit seiner Familie eines der glücklichsten Jahre seiner Kindheit verlebte.
Vor Nathans Geburt reisten Mark und Marilou viel herum. "Ich war das wandelnde Aushängeschild für Krieg der Sterne und Das Imperium schlägt zurück.", erzählt er. "Der Sonderbotschafter, Mr. Smiley. Sie riefen mich an, und dann ging es nach Australien, Hong Kong, Tokyo." Doch obwohl er sich so kooperativ zeigte, blieb es ihm verwehrt, für andere Filme des gleichen Studios vorzusprechen, darunter Vier irre Typen und Ein Sommer in Manhattan. "Sie wussten nicht, was sie mit mir anfangen sollten.", erzählt er verbittert. "Ich war kein Mann, ich war kein Junge, ich war kein Teenager. Ich konnte kein Vorsprechen bekommen. 'Nein, schon klar, wir haben ihn in Krieg der Sterne gesehen'.", sagt er und imitiert die Stimme eines ungeduldigen Regisseurs.
Produzent Kurtz pflichtet ihm bei. "Es ist enttäuschend. Wenn man in unserem Geschäft etwas macht, das sich als äußerst populär erweist, will jeder, dass man genau das gleiche noch einmal macht. Ich habe Mark in anderen Rollen gesehen, er kann als Schauspieler äußerst vielseitig sein." Als keine anderen Rollenangebote für ihn kamen, beschloss Mark, nach New York zu gehen und vor den Dreharbeiten für Die Rache der Jedi-Ritter nächsten Januar Bühnenluft zu schnuppern. "Elizabeth McCann und Nelle Nugent sind zwei der besten Produzenten am Broadway, und sie baten mich, für Der Elefantenmensch vorzusprechen. Das war eine Herausforderung.", erzählt er. "Würde Al Pacino diese Rolle spielen? Hätte James Dean es getan? Die Antwort war ein klares Ja." Drei Wochen lang spielte Mark danach die Titelrolle.
"Für mich ist das ein Neubeginn.", meint der Schauspieler über sein Leben in New York. "Wir haben unser Haus in Kalifornien behalten, aber es wird von nun an eine Art Ferienhaus sein. Ich arbeite gern an Filmen, ich liebe Filme, aber ich war dort nicht glücklich. Ich bin ein guter Schauspieler, und ich will gute Rollen spielen, egal wo." Wieder kommt seine angeborene Begeisterung durch. "Wenn sie mich bitten würden, Lassie zu spielen, würde ich das tun. Meine Hundeimitationen sind toll!"
"Vor Der Elephantenmensch hatte ich richtig angst, war paranoid.", fügt er hinzu. "Jetzt baue ich mir eine Solokarriere auf, und es fühlt sich an, als ob ich meine Jugendzeit endlich hinter mir lasse. Ich spüre diese Energie und Frische, die ich nicht mehr gespürt habe, seit ich 1970 meine erste Fernsehrolle bekommen habe. Und ich bin sehr dankbar, dass ich mit jemand so großzügigem wie George Lucas zusammenarbeiten konnte." - der seine Hauptdarsteller an den Einnahmen von Krieg der Sterne beteiligte. "Er hat mir die Möglichkeit gegeben, hier einen Neuanfang zu machen, ohne Sorgen haben zu müssen, dass ich meine Familie nicht mehr ernähren kann."
Mark wirkt gedankenverloren. "Als Kind", meint er", habe ich die Beatles gesehen und mir gewünscht, noch vor meinem 30. Geburtstag Millionär zu werden. Aber das ist ein leerer Traum. Ich zahle jetzt pro Jahr mehr Steuern, als ich in meinem ganzen Leben verdient habe. Ich habe immer geglaubt, dass man sich wie Dagobert Duck fühlen würde, wenn man den Durchbruch schafft, mit Geldsäcken und Goldmünzen. Aber all das existiert nur auf dem Papier, und die Bankiers hantieren mit großen Begriffen, mit denen man nichts anzufangen weiß. Ich lebe immer noch sehr bescheiden.", witzelt Mark. "Als George an Jäger des Verlorenen Schatzes arbeitete, habe ich ihn angerufen und um Freikarten gebeten. Ich will die T-Shirts und die Eintrittskarten und die kleinen Premierengimmicks.
Wenn Nathan mir erzählen würde, dass er Schauspieler werden will, würde ich ihm ehrlich sagen, was für ein kaltes, hartes und scheußliches Geschäft das ist. Es ist kein freundlicher Ort. Die Leute wollen einem nicht helfen. Und gleichzeitig kann es der schönste Beruf der Welt sein. Ich habe viel von dem gemacht, was ich bis zu meinem 30. Geburtstag tun wollte. Und es gibt auf dieser Welt noch so viele Dinge, die ich tun möchte. Ich will nicht herumsetzen und warten und hoffen, dass dieses oder jenes sich ergibt. Ich will hinausgehen und mir diese Dinge einfach holen. Das Schöne an der Zukunft ist, sie ist unvorhersehbar. Ich muss jetzt nur beweisen, ob es ein Leben nach Krieg der Sterne gibt. Und ich glaube, das gibt es."