George Lucas’ Frühwerk scheint nicht recht zu seinen späteren Produktionen zu passen: Der legendäre Filmemacher begann seine Regiekarriere als stilistischer wie inhaltlicher Revolutionär mit einer dystopischen Vision der Zukunft und endete mit Krieg der Sterne und Indiana Jones im Hollywood-Mainstream. Wie kam es dazu? Wo und wieso vollzog sich der Wandel? Und finden sich vielleicht doch noch Spuren des Revoluzzers und jungen Wilden in den scheinbar so glattgebügelten Monumental-Blockbustern späterer Jahre?
Beginnen wir beim stärksten und krassesten Werk des jungen Avantgardisten: In THX-1138 ist die Menschheit einem im klassischsten Sinne faschistischen System unterworfen - Wirtschaft und Staat sind eins, Menschen existieren nur noch, um zu konsumieren, Leidenschaft und Leben sind verboten oder mit Drogen ruhiggestellt worden, statt freien Individuen bevölkern geistlose Zahlenwesen eine entmenschlichte Unterwelt. Dagegen stellt sich ein Individuum, das die kollektive Gleichschaltung überwindet und schließlich an die Oberfläche entkommt, wo ein neuer Morgen wartet, im Film dargestellt als leuchtend rote Sonne über einer ansonsten trostlosen Landschaft. Ein Hauch Sozialismus liegt in der Luft.
Dass es Lucas ernst war mit seiner Gesellschaftskritik, machte er 1971 deutlich: „[Das Studio] wollte, dass es um eine totalitäre Gesellschaftsordnung geht, während ich wollte, dass es um das Hier und Jetzt geht, darum, wie ich die Welt, wie ich das Los Angeles des Jahres 1969 sehe. Das war der Grundgedanke. Und sie wollten, dass alles im 25. Jahrhundert spielt.“
Oder anders gesagt: Hollywood wollte THX-1138 als Kommentar über die Sowjetunion und den Ostblock verstehen, während Lucas eigentlich die Vereinigten Staaten meinte, über die er zur gleichen Zeit erklärte: „In diesem Land zählt der Dollar mehr als das Individuum. Der Geist, die Erfahrung, das Talent eines Menschen ist weniger wert als der Dollar.“
Auf den ersten Blick scheint es nun, als habe Lucas mit THX-1138 zum Thema Polizeistaat und Faschismus alles gesagt, doch auch in seinem zweiten Kinowerk American Graffiti und in den Drehbuchentwürfen zu Krieg der Sterne dringt vielerorts der THX-Lucas durch. Überspitzt gesagt, bilden die drei Filme sogar eine Trilogie: THX-1138 ist die Gegenwart oder nahe Zukunft, kalt, brutal, gleichgeschaltet, praktisch hoffnungslos. American Graffiti ist die gute, alte Zeit, die alte Republik, wenn man so will. Das Leben ist schön und unbeschwert, die Außenwelt mit ihren Sorgen und Nöten ist weit weg. Am Ende des Films sind allerdings bereits Änderungen zu spüren, nicht nur, weil die Hauptfigur Curt Henderson seine Heimatstadt und seine Freunde zurücklässt, um sich in die Welt hinauszuwagen, sondern auch weil Texttafeln Auskunft über das Schicksal der (männlichen) Filmfiguren geben: Einer der Jungs wird von einem betrunkenen Autofahrer totgefahren, ein anderer stirbt in Vietnam. Von den beiden Überlebenden wird der eine Versicherungsagent, der andere – Curt, der Ausreißer – Autor, allerdings nicht in den Vereinigten Staaten, sondern in Kanada. Ein unangepasstes Leben in den USA räumt Lucas also keiner seiner Hauptfiguren ein, der THX-Lucas scheint diese Möglichkeit nicht zu sehen. Den Abschluss der Trilogie bildet Krieg der Sterne, in dem das faschistische Regime auf dem Höhepunkt seiner Macht angelangt ist, und der Kampf dagegen beginnt. Ende: Noch nicht absehbar.
Wer diese Interpretation absurd findet, sollte hier aussteigen, denn in Krieg der Sterne findet sich noch viel mehr: Der THX-Lucas hat in den Drehbüchern die gesamten 60er- und 70er-Jahre aufgegriffen, auch wenn im fertigen Film davon nicht mehr viel enthalten ist. Nehmen wir beispielhaft das Jahr 1967, das Jahr, in dem Lucas die Vorlage seines späteren Kinofilms THX-1138 schuf, Electronic Labyrinth: THX 1138 4EB. In diesem Jahr versuchten die Vereinigten Staaten verzweifelt, das Steuer im Vietnamkrieg herumzureißen, worauf die Öffentlichkeit mit Antikriegsdemonstrationen reagierte. In Lucas’ Wahlheimat San Francisco kamen allein 10.000 Menschen zusammen, in New York führte Martin Luther King 200.000 durch die Straßen. Im US-Bundesstaat Georgia wurde ein bekennender Rassist Gouverneur, während Rassenunruhen zahlreiche Großstädte der Vereinigten Staaten erschütterten. Che Guevara starb in Bolivien, Benno Ohnesorg in Berlin. Und sie waren nicht die einzigen Opfer politischer Gewalt jener Jahre: 4 Jahre zuvor war John F. Kennedy ermordet worden, ein Jahr später sollten ihm zunächst Martin Luther King und keine zwei Monate später Kennedys Bruder Robert folgen.
Eine hochpolitische, äußerst angespannte Zeit, die in den ersten Drehbüchern zu Krieg der Sterne viele Spuren hinterließ. Am besten zu sehen ist dies im zweiten Entwurf von 1975, in dem viele dieser Themen aufgegriffen werden, von den Rassenunruhen über die politisch motivierten Attentate, bis hin zu den Befürchtungen zahlreicher Zeitgenossen, die westlichen Demokratien mutierten zu Polizeistaaten:
Als die Republik sich über die Galaxis erstreckte und schließlich über eine Million Welten umfasste, wurde der Große Senat so riesig, dass er nicht länger auf die Bedürfnisse seiner Bürger einging. Nach einer Reihe von Attentaten und Wahlfälschungen, übernahmen die Energie- und Transportgilden insgeheim die Macht im Großen Senat. Als die Jedi die Verschwörung enttarnen und versuchen wollten, den Senat zu reinigen, wurden sie zu Verrätern erklärt. Viele ließen sich vor Gericht stellen und hinrichten, doch die meisten flohen in die äußeren Systeme, wo sie suchten, den Menschen Kunde von der Verschwörung zu bringen. Doch die Ältesten beschlossen zurückzubleiben, und der Große Senat lenkte sie ab, indem er Chaos verbreitete. Heimlich stiftete der Senat Rassenkriege an und unterstützte regierungsfeindliche Terroristen. So wurde das Justizsystem gehemmt und die Verbrechensrate stieg so weit an, dass die Systeme die Schaffung eines totalitären Polizeistaats begrüßten. Dies war die Geburtsstunde des Imperiums.
Im fertigen Film ist davon zugegebenermaßen nicht mehr viel zu hören, „dunkel“ sei es in der Welt geworden, heißt es nun nur noch. Doch hat der Film seine politische Dimension damit schon verloren? Auf den ersten Blick mit Sicherheit: Ein böses Imperium, eine Prinzessin, Ritter und Rebellen, ein dunkler Herrscher, eine mächtige Festung, all das sind Standardbestandteile von Märchen, die – von ihrer archetypischen Symbolwirkung mal abgesehen – nicht viel Politisches an sich haben. Auf den zweiten Blick aber, ist auch der fertige Krieg der Sterne voll von Andeutungen und Gesellschaftskritik.
Ein erstes Beispiel dafür findet sich gleich zu Beginn des Films: Die Prinzessin, die in einem guten Märchen gefälligst zu warten hätte, bis man sie rettet, erscheint nicht mit Thron und Krone, sondern mit der Waffe in der Hand. Sie gibt sich nicht damit zufrieden, sich von ihren Wächtern verteidigen zu lassen, um dann sang- und klanglos gefangen genommen zu werden, sondern streckt einen ihrer Häscher nieder, nachdem sie mit R2-D2 das Mittel zu ihrer Befreiung selbst ins Spiel gebracht hat. Auch bei ihrer Konfrontation mit dem dunklen Herrscher, wirkt sie nicht wirklich prinzessinnenhaft, sondern tritt - ganz im Gegenteil - als selbstbewusste Persönlichkeit auf, deren Wille noch lange nicht gebrochen ist. Wenn Leia hier eine archtetypische Rolle spielt, dann weniger die der Prinzessin oder der Jungfrau in Not, sondern vielmehr die der selbstbewussten, unabhängigen Frau in der besten Tradition der Studenten- und Emanzipationsbewegung.
Und auch ihr Widersacher bei ihrem ersten Auftritt ist nur auf den ersten Blick ein typischer Märchenschurke: Sicher, Darth Vader wirkt bedrohlich und eiskalt, doch für eine ultimative Ausgeburt des Bösen, ist er nicht nur zu sehr bloßer Häscher, wie der Lauftext erklärt, sondern durch seine Atemnot auch offensichtlich eingeschränkt. Sein kurz darauf enthüllter Verrat und Mord an Lukes Vater machen Vader dann zwar einerseits so richtig gemein und böse, andererseits klingt bei der Beschreibung aber vor allem eine gewisse Hinterhältigkeit mit, so als habe Vader Lukes Vater von hinten erstochen, anstatt ihm ehrlich entgegenzutreten. Wie Jahre später bei Palpatines Bericht über die Ermordung von Darth Plagueis in Die Rache der Sith, kommt man nur schwer umhin, in erster Linie Feigheit und Unfähigkeit zu attestieren.
Doch Lucas macht bei (zu) starken Prinzessinnen und (zu) rückgratlosen Schurken noch lange nicht Schluss. Die nächste Filmfigur, die einerseits perfekt ins Märchenraster passt und andererseits nicht so recht passen will, ist der Held des Films, Luke Skywalker. Dies fängt mit seinem Äußeren an: Luke ist ein kleiner, schmächtiger und so überhaupt nicht beeindruckender Kerl mit Farrah-Fawcett-Frisur. Statt Heldentaten zu begehen, starrt er zudem nur in den Sonnenuntergang oder verschwendet sein Leben mit stumpfsinniger Arbeit – es sei denn, man findet das Feuchtfarmergewerbe auf einem Wüstenplaneten besonders aussichtsreich – oder bei Wettrennen mit seinen Freunden. Heldenhafter Aufbruchsgeist sieht anders aus, und selbst, als er quasi in seine Heldenrolle hineingezwungen wird, bleibt Luke zunächst zögerlich bis zur Apathie.
Nun lässt sich all dies natürlich mit Campbells Heldenreise erklären: Der zum Abenteuer berufene Held, weigert sich, diesem Ruf zu folgen. „Die Weigerung verkehrt das Abenteuer ins Negative.“, so Campbell. „Der Held – von Langeweile, harter Arbeit oder ‚Kultur’ eingezwängt – verliert die Kraft, selbstbestimmt zu agieren und wird stattdessen zum bloßen Opfer, das gerettet werden muss. Seine blühende Welt verwandelt sich in eine Wüste, sein Leben wirkt bedeutungslos.“
Auf der anderen Seite bestimmt die Beschäftigung mit dieser Weigerung zum Leben Lucas’ Frühwerk mehr als alles andere. In seinem Studentenfilm Freiheit thematisiert Lucas erstmals die Flucht eines Individuums aus seiner ummauerten Welt. Es folgt THX-1138, wo Lucas’ Hauptfigur lange Zeit ein typischer Mitläufer ist, bis er aus seiner Apathie befreit wird und – ganz am Schluss – tatsächlich das Heft des Handelns an sich reißt. Auch Lucas’ zweites Kinowerk, American Graffiti, beschäftigt sich intensiv mit der Entscheidung, eigenständig zu handeln oder zurückzubleiben: Die Hauptfigur Curt Henderson kann die Stadt verlassen und anfangen zu leben, oder zuhause und damit im Alltagstrott stecken bleiben.
Begreift man Krieg der Sterne in diesem – wie in den anderen Punkten – nun nicht als Märchen oder als Science-Fiction-Oper, sondern als Gesellschaftskommentar und Fabel, verkörpert Luke hier die apathische Jugend, die passiv bleibt, anstatt die Welt aktiv mitzugestalten und damit Mitschuld trägt am Aufkommen faschistischer Unterdrückung. Diese – möglicherweise etwas gewagte – Interpretation lässt sich von Luke auf die anderen Jugendlichen des Films ausweiten: Auf der einen Seite Han Solo, ein noch immer relativ junger Kerl, der sich allerdings an das Kapital verkauft hat, auf der anderen die beiden Rebellenpiloten Wedge und Biggs.
Anders als Luke trifft Han Solo zwar eigenständige Entscheidungen – er handelt aktiv und wartet nicht nur passiv ab -, aber er tut dies nicht etwa aus Überzeugung, sondern einzig und allein für Geld. Die moralische Ambivalenz dieser Figur macht Lucas im Zusammentreffen mit Greedo schon in den Figurennamen deutlich: Solo, der geldbesessene Einzelgänger, trifft auf Greedo, die geldbesessene Gier, oder anders gesagt: Der minimal bessere Solo trifft auf sein minimal schlechteres Spiegelbild und begeht bei seinem kaltblütigen Mord an Greedo im Grunde halben Selbstmord. Wollte man die gewagten Interpretationen auf die Spitze treiben, wäre diese Szene eine Radikalkritik am Kapitalismus: Gier und Kapital führen bis an den Rande der Selbstvernichtung.
Biggs und Wedge auf der anderen Seite sind zwar aktiv, aber stehen doch nur in der zweiten Reihe. Erst ganz zum Schluss, als praktisch schon alles verloren ist, kommen sie zum Einsatz und dürfen heldenhaft sterben oder angeschlagen überleben. Käme man auch hier wieder mit Interpretationen, ist dies, als wollte Lucas sagen, erst wenn die Jugend aktiv wird, bewegt sich etwas, denn die älteren Rebellenpiloten gehen sang- und klanglos unter oder erheben das „bin fast da“ zum hoffnungslosen, man möchte fast sagen apathischen Mantra.
Wechselt man von der Rebellion zum Imperium, stimmt auch hier etwas nicht. Im Märchen würde man, frei nach Tolkien gesprochen, einen „dunklen Herrn auf dunklem Thron“ an der Spitze von Lucas’ Reich des Bösen erwarten. Stattdessen ist das Einzige, was auch nur ansatzweise an eine imperiale Schaltzentrale heranreicht, ein Raum mit einem großen runden Tisch, an dem Uniformierte mittleren Alters in Bürokratensprech diskutieren. Ihr Kaiser ist weit weg, man könnte was sagen, er ist der Große Bruder des Films. Ob er wirklich existiert, ist aufgrund seiner Gesichtslosigkeit und Abwesenheit unmöglich zu sagen, genauso gut könnte es sich bei ihm wie in 1984 um eine Propagandaillusion handeln, die vom starken Mann des Films – Gouverneur Tarkin – aufrechterhalten wird, um Kontinuität oder Führung vorzugaukeln.
Denn kontrolliert jener Kaiser, der angeblich den imperialen Senat aufgelöst und die Regionalgouverneure zum direkten Durchgreifen ermächtigt hat, tatsächlich die Galaxis, oder herrscht nicht in Wahrheit doch eine Militärjunta? Der Film bleibt vage, die frühen Drehbücher waren es nicht. Dort taucht der Große Führer zwar noch persönlich auf, aber mehr als ein Operettenkaiser ist er nie. Andere Leute ziehen die Strippen, während er Reden schwingen und Paraden abnehmen darf. Es fällt schwer, sich hier nicht an die Warnungen von US-Präsident Dwight D. Eisenhower vor dem „militärisch-industriellen Komplex“ zu erinnern: „Wir dürfen niemals zulassen“, hatte Eisenhower 1961 erklärt, „dass die Stärke dieser Verbindung unsere Freiheiten oder demokratischen Entscheidungsprozesse gefährdet.“ In Lucas’ Reich des Bösen herrscht der Komplex, vertreten durch Militärbürokraten.
Eine interessante Rolle in Lucas’ 70er-Trilogie nimmt neben Aufbruchshoffnungen und Faschismusangst auch die Technik ein. In THX-1138 ist sie zunächst ein Mittel der Unterdrückung. Dies wird in kaum einer Szene deutlicher, als in jener am Arbeitsplatz der Hauptfigur, die dort Roboterpolizisten zusammenbaut: Maschinengewordene Menschen schaffen Maschinen, die sie weiter unterdrücken. Der Film endet trotzdem mit einer etwas positiveren Techniksicht, denn allein durch die Technik seines futuristischen Rennwagens, kann THX-1138 dem totalen Staat entfliehen und auf die technik- und leblose Planetenoberfläche fliehen.
In einem anderen, wenn auch ähnlichen Licht beleuchtet Lucas die Technik in seinem Blick in die Vergangenheit: In American Graffiti sind Autos Prestige, Lebensfreude und Alltagsflucht in einem. Und der Umgang mit ihnen symbolisiert die Welt an sich: Der Film endet mit einem Autorennen, bei dem eines der Autos zerstört wird. Die Welt beginnt zu zerbrechen, und selbst technisierte Schnelligkeit kann dies nicht aufhalten. Einzig Curt, die Hauptfigur, realisiert dies und sagt seiner rätselhaften Freundin in spe ab, abends wieder durch die Straßen zu kreuzen. Für ihn liegt dieser Lebensstil hinter ihm. Am Ende des Films fliegt Curt davon.
In Krieg der Sterne schließlich treibt Lucas seinen Technik-Kommentar auf den Höhepunkt. Auf der einen Seite tut er dies äußerst geschickt durch die Mischung von Märchen- und Science-Fiction-Welt. Auf den ersten Blick erscheint die Technik damit absolut entscheidend: Der Rasende Falke, der Todesstern, sind sie nicht das Hauptelement des Films? Auf den zweiten Blick wird klar: Nein, sie spielen überhaupt keine Rolle, sondern sind kaum mehr als Requisiten. Nähme man jede Technik aus dem Film, bliebe die Geschichte identisch. Der Todesstern würde zum Drachen im Labyrinth, das Lichtschwert verlöre sein Licht und bliebe ansonsten identisch, Pferde würden Raumschiffe ersetzen, Fabelwesen Außerirdische, die Technik ist unterm Strich also nichts als schöner Schein.
Auf der anderen Seite geht Lucas aber noch weiter. Er lässt Luke erwachsen werden, indem er ihn seinen Landgleiter verkaufen lässt. Han Solo macht er durch sein eigenwilliges Schiff sympathisch. Die ganze Machtfülle und Machtarroganz des Imperiums wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass der Todesstern zwar einerseits riesig ist, andererseits aber der kleine Lüftungsschacht übersehen wird. Und die Perversion von Darth Vaders Existenz symbolisiert seine Atemmaske: Ohne Technik, wäre Vader tot. Die größte Pointe bewahrt sich Lucas allerdings bis zum Schluss auf: Nicht die Macht der Technik besiegt den faschistischen Drachen, sondern die Macht des Glaubens.
Und noch ein zweites Standardthema von Lucas findet sich am Ende des Films: Die Stärke des Individuums. In THX-1138 wagt sich dieses Individuum am Ende hinaus ins Nichts der Planetenoberfläche, und gerade in dieser scheinbaren Hoffnungslosigkeit der Zukunft liegt der ultimative Triumph: Leben am Limit, ja, aber dafür echtes Leben, ohne Angst und frei von Unterdrückung. In American Graffiti stellt sich das Individuum gegen Gruppenzwang und überwindet wiederum die Angst vor den Unwägbarkeiten der Zukunft. Am Ende steigt es hinauf in die Wolken und findet später, wie kurz darauf verraten wird, individuelle, kreative Selbsterfüllung. In Krieg der Sterne schließlich siegt das Individuum, nachdem es aus seinem lähmenden Alltag gerissen und von der Apathie seiner Erziehung befreit wurde, über die geballte materielle wie personelle Macht des Bösen.
Wobei das Wort „Sieg“ hier sehr vorsichtig zu gebrauchen ist, denn Lucas bleibt auch in Krieg der Sterne pessimistisch. In THX-1138 siegt sein Held auf einer Mondoberfläche. Wird THX-1138 in dieser toten Welt überleben? Realistisch gesehen, hat er kaum eine Chance. In American Graffiti hat der Held nur dann eine Überlebenschance als selbstbestimmter Mensch, wenn er sein Heimatland verlässt. Ewiges Exil ist der Preis seines Triumphs. In Krieg der Sterne verliert Luke seine Heimat, seine Familie und enge Freunde. Er gewinnt im besten Fall eine kurze Atempause, denn Darth Vader lebt, und das Imperium ist noch lange nicht geschlagen.
Die Vergleiche lassen sich nun problemlos durch Lucas’ Werk weiterführen: In Indiana Jones greift der Held auf Peitsche und eine einfache Pistole zurück, die technische Überlegenheit hat immer der Feind. Am Ende siegt der Held, doch der Schatz landet auf Nimmerwiedersehen in einem riesigen Lagerhaus. Der Staat erstickt den Erfolg des Individuums, und der Feind – die Nazis – hat kaum mehr als einen Rückschlag hinnehmen müssen. In Das Imperium schlägt zurück treiben Yodas Lebensstil und seine gleichzeitige Macht die Technikkritik auf die Spitze, während Vaders Menschwerdung, Lukes Höhlenprüfung und seine spätere Technisierung mit seiner Kunsthand das Wertesystem ähnlich radikal in Frage stellt wie es die Anfangsapathie von Luke und die Nebenrolle der Jugend in Krieg der Sterne taten: Wenn Vader ein Mensch ist, wenn er ein Vater ist, kann er dann abgrundtief böse sein? Und wird Luke jetzt zu einem neuen Vader? Letztere Frage greift Die Rückkehr der Jedi-Ritter zunächst auf: Luke erscheint ganz in schwarz, nutzt die Macht zum Angriff und kommt dem Bösen beim Endkampf sehr nahe. An diesem Punkt erst kippt Die Rückkehr der Jedi-Ritter ins Versöhnliche: Vader als Verkörperung einer verlorenen Generation opfert sich, um die Zukunftshoffnung in Gestalt seines Sohnes zu retten, die technische Macht des Imperiums scheitert an der Naturverbundenheit der Ewoks, Han und Leia finden zueinander, das Gute triumphiert, diesmal endgültig.
Ist Die Rückkehr der Jedi-Ritter damit das Ende des THX-Lucas? Nun, so direkt wohl nicht. Tempel des Todes weist THX-Anleihen auf, wobei hier der Thuggee-Kult die Rolle des Kollektivs übernimmt, welches das Individuum zu überwinden hat. Auch in Willow und Tucker ist das Thema präsent, und in Die Abenteuer des jungen Indiana Jones wird daraus der rote Faden einer ganzer Serie, in der Indy sich stets gegen Vorurteile, Gruppenzwang oder kulturelle Unterschiede durchsetzen muss. Daneben bietet Young Indy die Themen Technik – im Guten wie im Schlechten - und Siege, die keine sind, insbesondere bei der Abhandlung des Ersten Weltkriegs.
Und die Faschismusängste und Kapitalismuskritik von THX? Sowohl Tucker, als auch Young Indy enthalten fundamentale Kritik an Machtmonopolen. In Tucker lähmt das Kartell der US-Automobilindustrie den Schaffensdrang und Innovationsgeist eines Visionärs, in Young Indy verzweifelt Indy an der Sinnlosigkeit des Grabenkriegs an der Westfront und muss als französischer Geheimagent schnell erkennen, wie schmutzig und korrumpiert der Krieg auch von den scheinbar Guten geführt wird. In den Prequels schließlich werden beide Themen an zentraler Stelle aufgegriffen.
Denn auch wenn Die dunkle Bedrohung früher wie heute dafür kritisiert wurde, zu bunt, zu infantil und zu simpel zu sein, besitzt der Film eine politische Dimension, in der die Überzeugungen und Ängste des THX-Lucas 1:1 aufgegriffen wird: Die edle Republik ist festgefahren und stagniert, Wirtschaftsunternehmen haben mehr und mehr Einfluss gewonnen und blockieren Entscheidungen, der militärisch-industrielle Komplex bedroht das Paradies Naboo, das so paradiesisch allerdings auch nicht ist, weil die Einheimischen nichts miteinander zu tun haben wollen, was ein wenig an die Rassenkriege der ersten Drehbuchfassungen erinnert. Gleichzeitig sind die Verteidiger der Freiheit machtlos gegen kleine Sklavenhalter und Kriminelle, zwei dunkle Strippenzieher genügen, um das gesamte System zu bedrohen, und in ihrem Elfenbeinturm tun die Ritter des Lichts absolut nichts. Was bleibt, ist wiederum die Jugend, diesmal in Form von Anakin, Padmé und Obi-Wan, die Regeln brechen, um eine Versöhnung zwischen den Paradies-Völkern herbeizuführen, das Paradies selbst zu retten und mit ihm den Frieden. Die Alten tun gleichzeitig allerdings nichts oder nicht genug, sodass der wahre Schurke auch weiterhin ungestört tun kann, was er will.
In den beiden Folge-Prequels finden diese THX-Anklänge ihre Fortsetzung: Dort ist Liebe verboten – ganz wie einst in THX-1138 –, und Anakin zerbricht nicht zuletzt deshalb, weil er gegen dieses Verbot aufbegehrt. Alte Männer schüren Kriege, deren Aussichts- und Sinnlosigkeit schon darin deutlich wird, dass hier Technik auf Kollektivismus stößt, Droiden auf uniforme, gesichts- wie morallose Retortenkrieger. Ein Sieg des Rechts und der Freiheit ist angesichts dieser Ausgangslage ausgeschlossen. Die angeblich so edlen wie weisen Jedi-Ritter sterben wie die Fliegen in sinnlosen Kämpfen, und als diese endlich vorbei sind, kommt es im Senat zum Kampf der Greise: Ein knapp 900jähriger, der seit 800 Jahren in Starre verharrt gegen einen zweiten, der stets manipuliert hat, anstatt offen zu kämpfen und in komplettem Wahn Rache übt für etwas, das ihn persönlich gar nichts angeht. So traurig geht die Welt zugrunde. Als die alte Generation dann alles in den Sand gesetzt hat, was in den Sand zu setzen war, bleibt vom alten Paradies nichts als zwei Säuglinge, um die Welt wieder geradezubiegen. An Hoffnungslosigkeit wird das eigentlich nur von der öden Oberfläche von THX-1138 übertroffen.
Gab es dann also in Wahrheit niemals einen Bruch in George Lucas’ Schaffen? Lucas hat einmal erklärt, er sei mit dem Erfolg von Krieg der Sterne selbst zum Darth Vader geworden. 1983 formulierte er es noch etwas anders: „Jetzt bin ich ausgebrannt.“, meinte er damals. „Ich war eigentlich schon vor einigen Jahren ausgebrannt und habe mich seither nur vom Schwung des ersten Films weitertreiben lassen. Krieg der Sterne hat mein Leben gepackt und es gegen meinen Willen übernommen. Jetzt muss ich mein Leben zurückbekommen, bevor es zu spät ist!“
Seine revolutionäre Anfangsphase hat so gesehen also nie aufgehört, sie ist nur langsam verblasst, und als Lucas nach 16 Jahren als Familienvater und Teilzeit-Rentner wieder auf den Regiestuhl zurückkehrte, bestimmten noch immer die alten Themen in neuem Gewande das gelassenere, heitere Bild. Lucas, so scheint es, hat in weiten Teilen seinen Frieden mit seinem Heimatland gemacht und darüber seine Verbissenheit – und damit vielleicht auch seine Bissigkeit – hinter sich gelassen. Mit anderen Worten, er ist einfach älter geworden, und was Han und Leia am Ende von Die Rückkehr der Jedi-Ritter zu wünschen ist, hat Lucas für sich wahrgemacht: Und er lebte glücklich und zufrieden bis ans Ende seiner Tage. Schöne, neue Welt.