Seit wenigen Tagen kann man sich The Last Jedi fürs Heimkino zulegen; wer bisher noch nicht darüber nachgedacht hat, sich eine Romanfassung des Films zuzulegen, tut dies vielleicht nun (erneut). Anlass genug, finden wir, für eine kleine Bestandsaufnahme der beiden wesentlichsten bisher verfügbaren Nacherzählungen von Episode VIII – dem für Erwachsene konzipierten Roman von Jason Fry und dem Jugendroman von Michael Kogge.
Diese Rezension ist keine weitere Meinung zur Handlung bzw. den Storyelementen von Die letzten Jedi, sondern konzentriert sich auf die literarischen Nacherzählung der beiden Bücher – was bieten die Bücher, was der Film nicht bietet; wie stufe ich die beiden Romane ein? Wer Episode VIII gesehen hat, muss keine Angst vor Spoilern haben.
Inhaltlicher Abriss
Luke Skywalker wurde gefunden und die todbringende Starkiller-Base vernichtet – eigentlich hätte der Widerstand Grund zur Freude. Doch der Preis dieser Errungenschaften ist hoch: Die Republik befindet sich nach der Vernichtung ihrer Hauptwelt im Chaos und der Widerstand flieht vor der heranrückenden ersten Ordnung. Und auch Luke Skywalkers Entdeckung birgt unangenehme Überraschungen für Rey.Darstellung Film-Roman
Schon zu Beginn überraschten mich die Einführungen beider Romane: Während Frys Roman für erwachsene Leser mit einer zunächst überraschenden Wahrnehmung Luke Skywalkers beginnt, die angenehm eine alternative, quasi infinities-mäßige Perspektive auf die klassische Trilogie und ihre Nachwirkungen bietet, führt Kogge seine Leser konzise und packend in die galaktische Geschichte als Ganzes ein, konzentriert sich schnell auf die Jedi und leitet dann über zu den uns bekannten Skywalkers, wobei auch hier schließlich der Fokus auf Luke Skywalker liegt; Kogge schildert dessen Leben allerdings nicht infinities-mäßig, sondern konzentriert sich auf die Charakterprägung Skywalkers.
Ich kann und will in diesem Fall nicht sagen, welche Darstellung mir besser gefällt – erstens empfinde ich beide Darstellungen auf ihre Weise sehr gelungen, und zweitens sind die Darstellungen inhaltlich so abweichend, dass ich es als ungerecht empfände, einer den Vorzug zu geben. Gewiss, Kogges Darstellung der galaktischen Geschichte als solche bietet dem erfahrenen Leser wenig Neues und Frys Darstellung verwirrt zunächst – doch besonders die konzise, aber packende Sprache Kogges und die Feinfühligkeit, mit welcher Fry seine Infinities-Exkursion zeichnet, machen beide Perspektiven absolut lesenswert. Kogge müssen wir, denke ich, überdies zugute halten, dass sich sein Roman an junge Leser richtet, die vielleicht nicht alle die gesamte Saga gesehen haben und damit Teile der Hintergrundgeschichte (noch) nicht kennen.
Nach diesen luke-zentrischen Einführungen beginnt der Jugendroman anders als die Filmvorlage nicht mit Poe Dameron und den Ereignissen auf D'Qar, sondern steigt passenderweise direkt in die Szene mit Rey und Luke auf Ahch-To ein und leitet dann zu Poe Dameron über. Diese Szene ist ein Beispiel dafür, wie sich der Roman Freiheiten in der Darstellung der Filmvorlage nimmt, um die Geschichte in Buchform eleganter zu erzählen und thematisch sauberer überzuleiten. Derartige Szenenumstellungen sind für beide Romane nicht wirklich typisch, doch zumindest der Jugendroman zeigt an dieser Stelle, dass sich der Autor Gedanken über den szenischen Gesamtzusammenhang gemacht hat; dies etwa auf dem gleichen Niveau wie der Jugendroman zu Episode VII und damit meiner Empfindung nach mehr als die Jugendromane der Prequels und der klassischen Trilogie, die ich allesamt als relativ wenig ergänzende Kopien in (etwas verblasster) Erinnerung habe. Somit genießt man als Leser spätestens hier den Jugendroman; man ahnt, dass es sich nicht nur um eine schlichte 'Kopie' des Films handelt und ahnt, dass diese Nacherzählung noch diverse Überraschungen bereit halten dürfte.
Während sich der Jugendroman v.a. in den allerersten Szenen schwerpunktmäßig auf das von außen Wahrnehmbare konzentriert und darüber hinaus Situationen in den Gesamtzusammenhang der Saga einbettet (wobei mich diese Schilderung längst bekannter Elemente an keiner Stelle des Romans gestört hat; ganz im Gegenteil – zudem ist es angesichts der Zielgruppe junger Leser mit weniger Vorkenntnissen absolut adäquat), steigt der Roman für erwachsene Leser schnell auf einer sehr persönlichen Ebene in die erzählte Welt ein und konzentriert sich stärker als der Anfang des Jugendroman auf die Wahrnehmungen und Gedanken der handelnden Personen; dies fällt dem Leser - wenn nicht bereits an der Infinities-Luke-Szene - spätestens anhand der Darstellung Reys auf Ahch-To auf. Spätestens an dieser Stelle des Romans für erwachsene Leser war ich als Leser überrascht gepackt – ich hatte mich nach dem meiner Meinung nach doch sehr seichten und wenig ergänzenden Foster-Roman zu Episode VII bereits auf einen weiteren Roman dieses Nacherzählungsstils gefasst gemacht.
Doch der Fry-Roman zu Episode VIII ist da sehr viel kreativer: Fry schreibt schon von Anfang an viel auf persönlicher Ebene und lässt den Leser höchst gelungen an Gedanken und Gefühlen der Figuren teilhaben, die im Film vielleicht zu wenig explizit erwähnt werden und höchstens aus den Handlungen dieser Figuren abgeleitet werden können. Besonders gelungen ist dies, wenn Fry Szenen aus den Blickwinkeln anderer Personen darstellt als der Film – wobei der Jugendroman dies spätestens in der Poe-Hux-Szene durchaus auch sehr gelungen anwendet und in vielen Szenen fast ebenso gelungen umsetzt wie der Fry-Roman.Ergänzendes und Extras
Nicht nur hinsichtlich der Darstellung von Gedanken der handelnden Personen und der Schilderung von Szenen aus anderen Blickwinkeln ist der Fry-Roman aus meiner Sicht die beste Film-Nacherzählung für erwachsene Leser der Einheitskontinuität. Neben gelungenen Zusammenfassungen einiger Szenen, die kurz später aus der Retrospektive erzählt werden, ist Frys Roman auch hinsichtlich ergänzender Elemente den anderen beiden Kanon-Nacherzählungen für erwachsene Leser aus meiner Sicht glasklar überlegen. Ich möchte hier, um Spoiler zu vermeiden, auf keine Details eingehen – ich kann allerdings erwähnen, dass u.a. als meine Highlights Han Solos Tod nochmals an neuer Stelle thematisiert wird und es starke Andeutungen zu der Zusammenkunft von Snoke und der First Order gibt, die packend erzählt werden und deutlich informativer sind als der doch recht ergänzungsarme Foster-Roman zu Episode VII.
Und auch abseits dieser Highlights gibt es viele kleine Miniinfos und Zusatzszenen bzw. Szenenteile, die aus meiner Sicht an allen Stellen wohlergänzt sind und nicht nur den Film ergänzend bereichern, sondern an einigen wenigen Stellen, z.B. im Falle von Amilyn Holdo, auch Bezug auf den neuen Kanon nehmen und Infos aus Kanonliteratur in den Roman einfließen lassen. Das Zusammenfließen von Infos und Handlungen aller Medien im Sinne einer Einheitskontinuität funktioniert an diesen Stellen besonders gelungen; deutlich gelungener als in weiten Teilen des neuen Kanons in Romanform.
Im Vergleich hierzu bietet der Jugendroman etwas weniger ergänzende Szenen, wobei die Szenen, welche im Jugendroman zum Film ergänzt werden, teilweise andere Szene sind als im Erwachsenenroman und so beide Nacherzählungen nicht nur keine schlichten Kopien des Films sind, sondern auch als paralelle Nacherzählung unterschiedliche Wege gehen. Der Jugendroman ist nicht nur hinsichtlich der zusätzlichen Szenenwahl ein Werk aus eigenem Recht und kein 'abgespeckter' Erwachsenenroman, auch die Extra-Infos, welche im Laufe des Jugendromans über Figuren, Orte und Zusammenhänge gestreut werden, sind in weiten Teilen andere als die des Erwachsenenromans - mit Ausnahme einer Stelle (Poes Erklärung von Holdos Motivation, auf die Supremacy zuzufliegen), die mir aufgefallen wäre, ergänzen sich die Informationen der beiden Romane auch hervorragend und fügen sich harmonisch ineinander.
Eine zusätzliche Stärke des Jugendromans gegenüber dem Roman für erwachsene Leser ist sein interpretativer Mut: Während meiner Meinung nach eine wesentliche Stärke des Erwachsenenromans in der Ergänzung völlig neuer Elemente, Gedanken, Eindrücke und Szenen liegt, liegt die meiner Meinung nach größte Stärke des Jugendromans in der interpretativen Deutung des vorhandenen Materials. Auch hier möchte ich keine Spoiler nennen, aber als Beispiele wären hier Lukes Formulierung des Endes der Jedi zu nennen, außerdem ganz ausschlaggebend die Yoda-Szene, die Floating-Leia-Szene (wobei sich hier Kogges Interpretation mit Aussagen Johnsons beißt) und die Szenen mit Rey, Kylo Ren und Snoke im Thronsaal. Um nicht missverstanden zu werden: Beide Romane verfügen sowohl über interpretative Ergänzungen vorhandener Szenen, als auch über zusätzliche Szenen – doch die narrativen Schwerpunkte der beiden Nacherzählungen sind hier verschieden.Sprachliches
Beide Romane sind sprachlich sehr angenehm zu lesen; während Fry besonders durch seine liebevollen Beschreibungen und seine angenehmes Vokabular überzeugt, ist Kogge hervorragend, wenn es darum geht, konzise zu schreiben, aber nicht verknappt und unanschaulich. An mindestens einer Stelle baut Fry ein Flashback in seine Szenen ein, dies ist angenehm kursiv hervorgehoben und wird, anders als im Film, nicht in Form einer Figurenrede aus dem erzählten 'Jetzt' geschildert, sondern springt in der Zeit und verfolgt dort den Erzählstil der Haupthandlung. Besonders gelungen bei Kogges Jugendroman sind außerdem die Kontextualisierungen von v.a. zwei Szenen mit dem größeren Ganzen der Saga, nämlich die bereits erwähnte Eingangsszene der galaktischen Geschichte und die Szene, in der Kylo Ren und Rey um Lukes Lichtschwert kämpfen, welches zwischen den beiden schwebt.Fazit
Pauschal bevorzuge ich – anders als bei Episode VII, wo ich klar für den Jugendroman bin - im Falle von Episode VIII keinen der beiden Romane und würde auch auf keinen Fall einen Roman mehr als den anderen empfehlen. Beide sind aus meiner Sicht inhaltlich wie sprachlich sehr gelungene Nacherzählungen des Films und verfolgen eigene Schwerpunkte – der Jugendroman ist jedenfalls definitiv viel mehr als ein 'abgespeckter' Erwachsenenroman.
Im Vergleich mit anderen Nacherzählungen würde ich Frys Roman klar über die Nacherzählungen der OT, Episode VII und Rogue One stellen und damit in die Nähe der aus meiner Sicht sehr guten Prequel-Romane. Er kommt definitiv nicht an Matthew Stovers aus meiner Sicht grandiose Nacherzählung von Episode III ran, ist aber aus meiner Sicht etwas besser als Brooks' Nacherzählung von Episode I und für mich vielleicht am ehesten auf dem Level von Salvatores Episode-II-Roman. All diese Einordungungen sind losgelöst von meinen Meinungen zu den Filmen selbst; ich achte hier so gut ich kann nur auf die literarische Nacherzählung.
Kogges Jugendroman ist aus meiner Sicht definitiv besser als Windhams Nacherzählungen der OT und ich würde aus der Erinnerung auch sagen, dass er besser ist als die Nacherzählungen der Prequels, wobei meine Erinnerung an alle Jugendroman-Nacherzählungen im Laufe der Jahre etwas verblasst ist und damit vielleeicht nicht mehr ganz akurat. Ich würde ihn auch besser einschätzen als den Jugendroman zu Episode VII, während ich den Jugendroman zu Rogue One bisher nicht gelesen habe.
Wer sich eher für neue Szenen und die Darstellung bekannter Szenen aus anderen Perspektiven interessiert, dem würde ich eher zu Frys Roman raten, wobei auch Kogges Roman diese Gebiete auf seine Weise – wenn auch weniger als Frys Roman - thematisiert und Elemente beinhaltet, welche Frys Roman nicht hat. Wer sich andersherum verstärkt für die interpretative Deutung vorhandener Szenen interessiert, deren Einordnung in sagaumfassende Kontexte lesen möchte und eine starke Tedenz zu konzise geschriebenen Büchern hat, der ist vielleicht eher mit Kogges Jugendroman gut bedient – wobei auch hier Frys Roman gute Arbeit, aber seinen absoluten Schwerpunkt vielleicht anderswohin gelegt hat. Wen beide Thematiken interessieren, ist wahrscheinlich gut damit bedient, beide Romane zu lesen. Meine persönliche Leseerfahrung ist jedenfalls, dass ich – wenngleich ich beide Romane innerhalb derselben vier Wochen gelesen habe – nicht durch Redundanz genervt worden wäre; beide thematisieren denselben Film, haben aber ihre eigenen Schwerpunkte, die ich sehr geschätzt habe.
Der englische Roman für erwachsene Leser von Jason Fry lässt sich hier als Hardcover bestellen und dort als Softcover vorbestellen; diese Version erscheint im November 2018. Der englische Jugendroman von Michael Kogge kann dort bestellt werden.
Der deutschsprachige Roman für erwachsene Leser (Jason Fry) kann hier vorbestellt werden (Erscheint im August 2018), während der deutschsprachige Jugendroman (Michael Kogge) dort bestellbar ist.
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