Star Wars is forever, so wurde es uns noch in Prequel-Zeiten angekündigt und so ist es, blickt man in die Kinos, auch tatsächlich. Doch so sehr der alte Steve-Sansweet-Spruch auch im zweiten Jahr in Folge an den Kinokassen durchzuschlagen scheint, so begrenzt bleibt er auch, denn schaut man sich die Einspielergebnisse von Star Wars: Das Erwachen der Macht und Rogue One etwas genauer an, wird ein strukturelles Merkmal der Marke offensichtlich, das früher oder später zum Problem werden könnte: Star Wars baut viel zu sehr auf den Erfolg in den Vereinigten Staaten.
2015 dominierte Star Wars: Das Erwachen der Macht das Kinogeschäft und setzte sich mit einem Gesamteinspielergebnis von über 2 Mrd. US-Dollar problemlos auf Platz 1 der Jahrescharts. Zu verdanken hatte der Film das allerdings zu 45 Prozent dem US-Publikum, das wieder und wieder ins Kino strebte. Zum Vergleich: Der zweitplatzierte Jurassic World spielte nur 39 Prozent seiner Einnahmen in den USA ein, bei Avengers 2 waren es kaum mehr als 30 Prozent, und im Falle von Furious 7 wurden gar weniger als 24 Prozent der Gesamteinnahmen in den USA erwirtschaftet.
Dass Star Wars: Das Erwachen der Macht hierbei kein Einzelfall war, wird aktuell deutlich: Von den knapp 1. Mrd. US-Dollar, die Rogue One bislang eingebracht hat - bis zur Milliarde fehlen derzeit keine 20 Millionen mehr -, wurden über 50 Prozent in den USA eingespielt. Bei Captain America 3 waren es unterm Strich 35 Prozent, bei Disney Dschungelbuch-Realfilm 37 Prozent. Auch abseits von Disney wird der Löwenanteil der Gewinne außerhalb der USA erwirtschaftet: Batman vs. Superman spielte dort über 62 Prozent seiner insgesamt etwa 870 Millionen US-Dollar ein, Jason Bourne immerhin 60 Prozent. Beim jüngsten X-Men-Film Apocalypse kamen sogar über 70 Prozent der Einnahmen nicht aus den USA, und auch das Harry-Potter-Prequel Phantastische Tierwesen holte über 70 Prozent außerhalb der Vereinigten Staaten.
Zu betonen ist dabei, dass dieser Trend noch keine universelle Gültigkeit hat: Star Trek Beyond stützte sich ähnlich stark wie Star Wars auf den US-Markt, und auch die letzten Pixar-Filme holten dort mehr oder genauso viel Geld wie im Rest der Welt. Generell tun sich gerade Animationsfilme schwer, außerhalb der USA zu zünden: Sing steht bei knapp 60 Prozent US-Einnahmen, Findet Dorie bei knapp 50 Prozent. Die große Ausnahme ist hier Zoomania, das in den USA nur ein Drittel seines Gesamtumsatzes holen konnte.
Dennoch lässt sich schon jetzt festhalten, dass Star Wars enorm stark vom US-Markt abhängt und das, während insbesondere der chinesische Markt dabei ist, die USA von Platz 1 des weltweiten Kinogeschäfts zu verdrängen. Insbesondere in China aber tut sich Star Wars richtig schwer.
Aus chinesischen Kinos gibt es zu Rogue One Berichte wie diesen:
Die ersten drei Viertel von Rogue One steckten voller Dialogen, die für viele Fragezeichen sorgten, und einer insgesamt lahmen Geschichte. Während meiner Vorführung scrollten einige Zuschauer durch ihre Chatnachrichten. Andere spielten an ihren Handys, manche schliefen. Ihre Schnarchgeräusche waren interessanter als der Film selbst. Das Ende des Films war unverständlich. Sie drehen wohl noch eine Fortsetzung?
Besagte Fortsetzung ist, wie wir alle wissen, bereits 1977 erschienen, aber in China kam die klassische Trilogie nie zur Aufführung. Erst mit den Prequels wurde Star Wars auch in China ein Thema, blieb dort aber in der Nische stecken. 10 Jahre später war Star Wars: Das Erwachen der Macht damit der erste Star-Wars-Film, der in China auf breiter Front beworben und veröffentlicht wurde. Und mit seiner Retroausrichtung so gar nicht punkten konnte, weil es dafür keine Grundlage gab. Die Reaktionen des Publikums sahen entsprechend so aus:
Wenn es einem Science-Fiction-Film an Phantasie fehlt, was unterscheidet ihn dann von einer Seifenoper? Die Geschichte war nur für Fans der klassischen Trilogie gemacht und beruhte vollständig auf Blendeffekten.
Für Star Wars stellt sich damit die Gretchenfrage: Wie weit ist man bereit zu gehen, um international dauerhaft Erfolg zu haben? Die starke US-Ausrichtung wird die Saga wohl nie aufgeben, zu sehr baut die Geschichte auf das uramerikanische Narrativ des Helden von der Grenze, der im weiten Raum für die Freiheit kämpft und sein Glück findet. Ein allzu internationaleres Star Wars könnte insofern riskieren, seine eigene Identität zu verlieren.
Und doch besteht Handlungsbedarf, will man nicht riskieren, sich mit einem Flop in den US-Kinos weltweit auf die Nase zu legen. Bereits mit Rogue One hat Lucasfilm offenbar versucht, auf die klassischste Art und Weise eine internationalere Version von Star Wars zu testen: Mit internationalen Darstellern. Die Auftritte von Donnie Yen und Jiang Wen wurden dabei in China durchaus goutiert. Ein Nutzer des chinesischen Filmportals Maoyan schrieb:
Das einzig Gute am Film waren Donnie Yen und Jiang Wen. Sie wurden nicht einfach nur als Schaufensterdekoration eingesetzt. Zu dumm, dass sie beide umgebracht wurden.
Was könnten also die nächsten Schritte sein? Zum einen muss sich Lucasfilm die Frage stellen, wie sich die Magie der klassischen Trilogie international vermitteln lässt. Eine reine Kinoneuveröffentlichung der Star-Wars-Filme dürfte dabei allerdings kaum ausreichen, sondern es bräuchte wohl einen echten Neustart des Phänomens Star Wars. Sofern Lucasfilm dabei die Saga an sich nicht rebooten will - oder zumindest nicht über die Reboot-Ansätze von Star Wars: Das Erwachen der Macht hinaus -, käme dafür eigentlich nur eine komplett neue Subfilmreihe innerhalb der Saga in Frage, die in gehöriger zeitlicher Distanz zu den bisherigen Filmen spielt.
Darüber hinaus muss aber wohl auch eine Stiländerung diskutiert werden: Schon allein bei den Lichtschwertkämpfen kommt Star Wars gerade in China nicht mit der lokalen Konkurrenz mit. Das chinesische Publikum reagierte gelangweilt oder sogar belustigt auf die müden Kämpfe in Star Wars: Das Erwachen der Macht, die im örtlichen Vergleich einer Low-Budget-TV-Produktion entsprachen.
Und auch inhaltlich gilt zumindest zu überlegen, inwieweit die bislang stark westlich geprägte Mythenwelt mit östlichen Themen aufgeladen werden könnte. Spätestens hier wird es also darum gehen, nicht nur vor der Kamera Schaufensterdekoration aufzufahren, sondern auch hinter der Kamera auf Talente gerade aus dem asiatischen Raum zu setzen.
Wie sehr das funktionieren kann, hat nicht nur das Transformers-Franchise bewiesen. Gleichzeitig ist aber auch klar: Veränderungen sind derzeit unpopulärer denn je, da viele es vorziehen, sich im Vertrauten einzugraben. Doch wenn Star Wars mehr tun will, als dauerhaft seinen eigenen Nachlass zu verwalten, wird sich auch hier die Veränderung langfristig nicht aufhalten lassen. So wenig, wie Anakin Skywalker einst die Sonnen daran hindern konnte, unterzugehen.
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