Nicht nur von der in den letzten Stunden zu Ende gegangenen Celebration gibt es Neues zu berichten – am 13. Juli erschien Chuck Wendigs Aftermath - Life Debt, das zweite Buch der Aftermath-Trilogie von Chuck Wendig, welches am 20. März 2017 in deutscher Sprache unter dem Titel Nachspiel: Lebensschuld erscheinen wird. Ich habe den Roman nun gelesen und möchte euch in Folgenden meine Eindrücke präsentieren.
In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um den zweiten Band einer Trilogie handelt, deren erster Band zusätzlich sehr kontrovers, wenn auch zumeist stark negativ aufgenommen wurde, habe ich die Rezension in mancherlei Hinsicht mit Band #1 verbunden.
Hier folgen nun also einige persönliche Eindrücke der Lektüre, die einerseits bis zu einem gewissen Grad meiner Subjektivität unterworfen sind und gleichzeitig auch versuchen, meine Wahrnehmung durch die mögliche Wahrnehmung anderer Lesertypen zu ergänzen. Spoiler sind nicht enthalten:
Sprachliches
Chuck Wendigs Aftermath – sein Erstling im Star-Wars-Universum - wurde von vielen Fans für seine ungewöhnliche Erzählhaltung (Präsens) kritisiert; anders als die allermeisten Star-Wars-Romane wird Aftermath untypischerweise perspektivisch aus der Gegenwart und nicht der gängigeren Vergangenheit erzählt.
Ob man diese für Star-Wars-Romane recht ungängige Zeit nun begrüßt oder ablehnt, ihr müsst euch darauf einstellen, dass Life Debt in dieser Hinsicht die Tradition des ersten Bandes fortsetzt. Ich persönlich begrüße den Umstand, dass Wendig in dieser Hinsicht seiner Linie treu geblieben ist - mich persönlich als Leser verbindet diese Art historisches Präsens recht direkt und unmittelbar mit der Handlung, vielleicht sogar direkter und unmittelbarer als die konventionellen Vergangenheitserzählungen: Ich persönlich fühle mich aufgrund des Präsens 'näher dran' an der Handlung; die Handlung wirkt für mich 'aktueller' und 'brisanter' – wer sich andererseits als Leser aufgrund des Präsens in Band #1 aus der Bahn geworfen fühlte und mitunter dadurch keinen Bezug zum Roman entwickeln konnte, wird dieses Problem wohl auch in Band #2 haben.
Neben dem Präsens wurde Wendig in Aftermath auch oft für seinen Satzbau kritisiert, der mich in weiten Teilen an Regieanweisungen in Theaterstücken erinnert. Vielen Lesern waren Wendigs kurze Sätze zu abgehackt, erzeugten zu wenig Sprachfluss oder schienen ihnen wohl zu knapp, um kompliziertere Sachverhalte gut und ausführlich darzustellen. Mich persönlich hat dieser Umstand bereits in Aftermath nach einer kurzen Eingewöhnungszeit nicht sonderlich gestört – gegenteilig fand ich, dass sich dieser Sprachstil besonders in den zahlreichen Actionszenen bezahlt gemacht hat, wo das rasche Lese- und Handlungstempo, welches durch die kurzen Sätze erzeugt wurde, die Handlung wunderbar untermalte. Neben der Erzeugung eines actiongemäß raschen Tempos empfand ich beim Lesen – ähnlich wie aufgrund der Präsenserzählung - eine Art recht direkte Verbindung der Wahrnehmung der handelnden Figuren mit meiner eigenen Wahrnehmung; kurz beschriebene Dinge und Handlungen kamen mir so vor, als würde ich sie selbst durch die Augen der jeweils handelnden Figur in Hektik empfinden, was bei mir eine Art Action-Authentizität erweckt hat, die ich sehr geschätzt habe.
Wer Wendigs Satzstil in Aftermath nicht mochte, sollte Life Debt eine Chance geben. Hier ist der Autor in weiten Teilen, von seinen kurzen, oftmals verblos-elliptischen Sätzen abgekommen und nutzt insbesonders in Beschreibungen vermehrt längere, verbundener wirkende Sätze. Man kann nicht mit Sicherheit wissen, ob sich Chuck Wendig hier die Reaktionen seiner Leser zu Herzen genommen hat, oder ob es sich um die ganz normale Weiterentwicklung seines Schreibstils handelt – jedenfalls variiert sein Satzstil meinem Eindruck nach in Life Debt deutlich mehr als in Aftermath; die kurze Sätze finden nun viel gezielter Anwendung, wobei neben den bereits erwähnten Actionszenen vor allem Dialoge zu nennen sind, die mich in manchen Fällen an kurzgehaltene (Whats-App-)Konversationen erinnern und damit irgendwie aus dem Leben gegriffen wirken. Auch hier wirken die Dialoge, die zumeist wenig um Mimik oder andere Beschreibungen, ergänzt werden, authentisch; so, als würde man als Leser einer Konversation lauschen, die sich direkt neben einem selbst ereignet. Ich persönlich empfinde diese Weiterentwicklung von Wendigs Satzstil als bereichernd – Fans der syntaktisch kurz gehaltenen Actionszenen werden im gesamten Buch ebenso auf ihre Kosten kommen wie Fans längerer, verbundener-wirkender Sätze; dies alles ohne, dass die Fans von Wendigs Satzbaustil unter den Neuerungen leiden müssen.Inhaltliches
Ich persönlich habe die in weiten Teilen vernichtenden Kritiken von Aftermath in vielen Fällen als Folge einer auf das Buch wenig zugeschnittenen Marketing-Stategie verstanden; Werbetexte, Cover und offizielle Statements legten den Lesern zumeist ein Buch nahe, welches direkt an Episode VI ansetzen und die galaxisweit relevanten Ereignisse der aus den Filmen bekannten und beliebten Figuren wie Han, Leia und Luke kurz nach Endor erzählen sollte.
Schon nach wenigen Seiten wurde den meisten Lesern bewusst, dass Aftermath in dieser Hinsicht nicht das Buch sein würde, welches sie sich erhofft hatten; neben einigen Interludes tauchten bekannte und beliebte Film-Figuren nur am Rande auf, während sich die wesentliche Handlung entweder auf völlig neue Figuren oder Figuren wie Rae Sloane konzentrierte, die in der Literatur der Einheitskontinuität eingeführt worden waren - die ungewöhnliche Erzählzeit und die kurzen Sätze trugen bei vielen Lesern nicht gerade zur Besänftigung bei.
Ich persönlich war anfangs auch enttäuscht, fühlte mich dann allerdings recht bald durch die Handlung, die das Buch überraschenderweise enthielt, gut unterhalten und fand besonders an den Figuren Norra und Temmin ebenso Gefallen wie an Mr. Bones.
Es ist schon eine Weile her, seitdem ich den ersten Band der Aftermath-Trilogie gelesen habe und ich kann nicht gewährleisten, dass ich mich an die Relationen und Verbindungen noch zu 100% akkurat erinnere - mein Eindruck ist allerdings, dass aus den Filmen bekannte Hauptfiguren, vor allem Leia und Han, in Life Debt nicht nur deutlich mehr Tragweite, sondern auch wesentlich mehr Handlungsspielraum erhalten; es tauchen auch spürbar mehr und erzählungstechnisch länger bekannte Welten wie Kashyyyk und Nebenfiguren der Filme wie Ackbar und Mon Mothma vor.
Dieser Umstand selbst dürfte wohl bei kaum Lesern Unbehagen auslösen; andere werden sich nun allerdings fragen, ob das von manchen ins Herz geschlossene Team (u.a. Norra, Temmin, Mr. Bones, etc.) aus der Handlung verdrängt wird. Dies ist nicht der Fall – ich würde eher sagen, dass der 'gesamtgalaktisch' gesehen eher nebensächliche Handlungsstrang um das Team (welcher in Band #1 meiner Erinnerung nach fast die ganze Haupthandlung ausgemacht hat), in Band #2 mit einem neuen Handlungsstrang um Han Solo, Leia und Chewbacca verbunden und kombiniert wird. Ob die Art und Weise, wie es zur Verschmelzung dieser Handlungsstränge kommt, nun allzu elegant gelöst ist, ist eine andere Frage – sicher ist jedenfalls, dass die Art und Weise wie aus den Filmen bekannte und beliebte Figuren weiter ins Zentrum der Handlung gestellt werden die 'Gesamtrelevanz' der Haupthandlung in Bezug auf wesentliche Figuren ebenso wie die Galaxis als Ganzes ebenso steigert wie der schiere Erzählraum, den die bekannten und beliebten Figuren und die Welt Kashyyyk einnehmen. Auch hier – möglich, dass sich Chuck Wendig oder die Story Group insgesamt die Reaktionen der Leser zu Herzen genommen haben und dementsprechend reagiert haben.
Für mich waren die 'Interludes' des ersten Bandes die klaren Highlights des Romans, boten sie doch einen gewissen Einblick in die Galaxis im weiteren Sinne und letztlich das, was sich die meisten Fans wohl vom gesamten Roman insgesamt erhofft hatten. Diese Funktion erfüllen die diversen Interludes auch in Band #2 – dadurch, dass die Haupthandlung des Romans allerdings mehr filmrelevante Figuren und Orte auf gesamtgalaktisch höherer Tragweite einbaut, stachen die 'Interludes' für mich in Band #2 nicht so hervor, wie in Band #1.
Die Haupthandlung selbst ist, wie in Band #1, recht linear, wenn man neben den Interludes von einem Prolog und einem Epilog absieht, welche eine wesentliche Figur der Aftermath-Trilogie näher kontextualisieren; ebenso ist die Haupthandlung recht schlicht und wenig verschlängelt – was ich persönlich, der verworrene und verschlängelte Handlungsstränge für gewöhnlich zäh und wenig unterhaltsam findet, recht geschätzt habe. Wer allerdings einen komplexen, zum Knobeln anregenden Roman mit verschiedenen zusammenlaufenden und wieder auseinanderlaufenden Handlungsebenen erwartet, wird auch in Life Debt nicht finden, wonach er sucht. Wem die schlichte Linearität der Handlung in Aftermath, gespickt mit einigen Interludes, gefallen hat, wird auch an Life Debt in dieser Hinsicht seine Freude finden. Ich persönlich fand hierbei die Team-Handlung der ersten Seiten, ehe sich das Team auf die Suche nach Han Solo und Chewbacca begibt, zunächst recht öde, bin gleichzeitig allerdings der Ansicht, dass sich das Weiterlesen durch diese anfängliche Durststrecke lohnt.
Die Tatsache, dass der neue Handlungsstrang der aus den Filmen bekannten Personen mit dem einzigen Haupthandlungsstrang von Band #1 – der Team-Handlung - verwoben wird, machte für mich auch die Team-Mitglieder ebenso wie die im Kanon neueingeführten Imperialen als Individuen interessanter, vor allem Rae Sloane und den in Band #1 thematisierten Flottenadmiral. Wer, wie ich, in Band #1 den Eindruck hatte, dass Aftermath einen Handlungsstrang von geringer gesamtgalaktischer Relevanz verfolgt, während galaxisweit relevante Ereignisse gar nicht thematisiert werden, wird sich mit Life Debt leichter tun – wenngleich 'die' großen Ereignisse wie die Gründung der Neuen Republik weiterhin nicht thematisiert werden. Band #2 nutzt nun die Möglichkeit, diese Figuren ein wenig genauer vorzustellen und sie damit plastischer zu machen; nach ihren Auftritten in bereits erschienen Büchern wie A New Dawn und Aftermath war Life Debt nun das erste Buch, in dem ich persönlich etwas mit Rae Sloane anfangen konnte, die ich in anderen Büchern zwar wahrgenommen hatte, aber nicht besonders plastisch dargestellt fand.Ausblick
Ich bin mir recht sicher, dass auch dieses Buch von den Fans zwar recht kontrovers, aber mehrheitlich negativ aufgenommen werden wird – auch wenn Chuck Wendig in Life Debt anders als in Aftermath seinen Fokus mehr auf bekannte Figuren mit größerer Tragweite aus den Filmen legt. Die Mehrheit der Leser wird wohl zwar attestieren, dass Life Debt eine Steigerung zu Aftermath darstellt und gleichzeitig mit dem Buch dennoch nicht recht zufrieden sein.
Der Roman kann hier in englischer Sprache hier erworben werden, die deutsche Ausgabe lässt sich hier bereits vorbestellen.
Seite 1
Baerschke
Ich kann Baerschke da nur zustimmen, genau der letzte Satz trifft auch genau meine Meinung: viel besser als Teil 1, aber weit davon weg, ein gutes Buch zu sein.
Mich haben vor allem die Schwächen in der Charakterdarstellung massiv gestört. Wie hier einfach Figuren aus dem Nichts zusammenkommen oder Sex haben, ohne dass je zuvor etwas in die Richtung angedeutet wurde - das ist einfach richtig schwach!
Auch die ständige Begeisterung und Bereitschaft der Teammitglieder, sich welcher Mission auch immer anzuschließen, nur weil die anderen dabei sind, habe ich Wendig nicht recht abgekauft. Er wollte einfach das Team zusammenhalten und hat das auf Teufel-komm-raus getan, auch wenn es aus Sicht der Figuren keinerlei Sinn ergibt.
Wer meine ausführliche Rezension lesen will, kann gern mal bei der Jedi-Bibliothek vorbeischauen: https://jedi-bibliothek.de/blog/2016/07/rezension-aftermath-life-debt-chuck-wendig/
(zuletzt geändert am 17.07.2016 um 22:51 Uhr)
MaraJade333
'Mich haben vor allem die Schwächen in der Charakterdarstellung massiv gestört. Wie hier einfach Figuren aus dem Nichts zusammenkommen oder Sex haben, ohne dass je zuvor etwas in die Richtung angedeutet wurde - das ist einfach richtig schwach!'
Ich verstehe deine Meinung - gleichzeitig fand ich, dass schon bei 'Aftermath' die Wahrnehmung einiger Figuren (Norra, Temmin) stärker dargestellt und fokussiert wurde als die Wahrnehmung anderer Figuren (Wedge). Ich persönlich habe mich nicht groß daran gestört - ich würde sogar sagen, dass das auf viele Romane zutrifft.
Was die Sache mit dem Zusammenkommen angeht: Ich hatte bei der einen Figur schon bei 'Aftermath' den Eindruck, dass sie an der anderen Figur interessiert ist, von daher war dieser Umstand für mich jetzt keine allzu große Überraschung - die andere Figur hat dann, als das 'Angebot' zum Ausgehen kam, einfach 'Ja' gesagt und alles andere hat sich dann schnell entwickelt.
Ich habe außerdem den Eindruck, dass der Roman bewusst seinen Mega-Fokus auf die gemeinsamen Missionen und die darin befindlichen äußeren Interaktionen legt und das Zwischenmenschliche bis auf einige kleinere Schilderungen eher marginal thematisiert. Das war ja in weiten Teilen schon in Teil #1 der Fall.
Ich verstehe voll, dass dich das nervt - ich finde genauso wie du auch, dass die zwischenmenschlichen Aspekte mehr Platz verdient hätten und den Roman enorm verbessert hätten - gleichzeitig bin ich aber auch der Ansicht, dass es für einen Roman, welcher vor allem Missionen und die Zeit nach Episode VI darstellen will, legitim sein kann, andere Dinge auszuklammern und sich sozusagen auf die Interaktionen 'Neue Republik' gegen 'Imperium' im Kleinen (Team) wie im Großen (Regierungen) zu konzentrieren.
Der Roman hat, genauso wie sein Vorgänger, aus meiner Sicht ein extrem schnellebiges Kriegstempo an sich; in diesem Kontext wird unter den gegebenen Umständen (in verschiedener Hinsicht) nicht lange gefackelt und erzählungstechnisch die äußere Welt in Bezug auf die Priorität über die innere Welt der Figuren gestellt.
Gewiss, es gibt das Romane wie 'Republic Commando', wo beide Seiten sehr gut dargestellt werden, aber ich persönlich finde schon, dass es einem Roman, der die Interaktion Imperium-Republik im Fokus hat (bzw. haben will), zusteht, gewisse Dinge in den Vordergrund zu stellen und andere eher auszugrenzen.
Aber ja, hier kann berechtigt verschiedener Ansicht sein - und ich verstehe auch, wenn man mit diesen Umständen nicht zufrieden ist. Es ist auch immer eine Frage, was man lesen möchte und was man nicht lesen möchte. Was einen interessiert, und was nicht. Deine Meinung ist aus meiner Sicht völlig legitim, ich teile sie aus den angegebenen Gründen nur nicht zu 100%.
Byzantiner
'Auch die ständige Begeisterung und Bereitschaft der Teammitglieder, sich welcher Mission auch immer anzuschließen, nur weil die anderen dabei sind, habe ich Wendig nicht recht abgekauft.'
Ich schon. Ob Kopfgeldjäger, Imperiumsgeschädigter oder warum auch immer, alle haben so ihre Gründe, die Überreste des Imperiums zu jagen und die neue Regierung zu unterstützen; dabei sind sie als Team eben fähiger als allein und wissen das auch.
Ich finde außerdem, dass sich zwischen den Mitgliedern des Teams eine Gruppendynamik entwickelt hat, die man auch als Leser spürt - insofern finde ich schon, dass dieser Umstand Sinn macht.
Aber ja, auch hier hängt es davon ab, wie man das Buch liest bzw. es lesen will.
Byzantiner
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