27. April 2005
Wenn der Erwerb des Rechts, Filme zu machen, die keiner sehen will, wie ein mürrischer Ausblick auf die nächste Phase seine Karriere erscheint, dann mag das daran liegen, dass Lucas sich mit seinem eigenen Mainstream-Erfolg nie wohlgefühlt hat. Seit einigen Jahren erzählt er Journalisten immer wieder, dass die überraschende Beliebtheit seines Films American Graffiti 1973 ihn "aus der Bahn geworfen" habe, abgedrängt in das Geschäft des Filmmassenmarkts, und dass seine Karriere durch Krieg der Sterne auf ein Nebengleis geleitet worden sei.
Seine Zwiegespaltenheit gegenüber seiner Herrschaft über ein Geschäftsimperium hat sogar dazu geführt, dass er sich mit einem Erzschurken Darth Vader identifiziert. In der Rückschau auf seine Karriere, die in der Krieg der Sterne-DVD-Sammlung 2004 enthalten war, erklärt Lucas: "Es macht mich nicht glücklich, dass die Unternehmen die Filmindustrie übernommen haben, aber nun finde ich mich selbst als Unternehmer wieder, insofern liegt eine gewisse Ironie darin. Ich bin geworden, was ich immer verabscheut habe. Das ist Darth Vader - er wird, wogegen zu werden er sich zu schützen versucht."
Obwohl Lucas sagt, dass er sich auf "ein völlig neues Abenteuer" als Regisseur von "abwegigen" Filmen freut, muss er gestehen, dass er schon wenigstens einmal zuvor an diesem Scheideweg stand und beschloss, den vertrauten Weg zur Verfilmung von Darth Vaders Hintergrundgeschichte zu gehen. Jetzt muss er seinen inneren Luke wieder aufwecken - den Suchenden, der nur zu bereit ist, sich mit dem Unbekannten einzulassen. Aber wenn der Vater von Krieg der Sterne nicht der echte George Lucas ist, wer ist dann der Mann hinter der Maske?
Der öffentliche Mythos über Lucas' Leben erzählt, dass er als Sohn eines konservativen Geschäftsmanns im kalifornischen Modesto aufwuchs und von Autorennen besessen war bis seine Jugendträume, ein professioneller Rennfahrer zu werden, 1962 in einem beinahe tödlichen Unfall platzten. Außer von den Flash-Gordon-Serien und den Fernsehwiederholungen von Calling Scotland Yard hatte er wenig Interesse am Kino und ging so an die Filmschule, wo er nach American Graffiti zum Architekten des Films wurde, der Hollywood verzehren sollte.
Lucas selbst ist der Urheber dieser Version der Ereignisse. "Als ich auf die Uni ging, wusste ich nichts über Filme.", sagte er einer kanadischen Filmmannschaft 2002. "Ich habe ferngesehen. Ich hatte kein großes Interesse an Kinofilmen."
Während diese Art Geschichten zu Lucas' Bild als gewöhnlicher Milliardär in Holzfällerhemden passt, der das altmodische Cliffhanger-Kino auf Vordermann bringen wollte, damit Generationen von Kindern wieder lernen konnten zu träumen, verwischt diese Geschichten den entscheidenden Teil seines Lebens, als er einen ersten Blick auf sein Schicksal wagte. Diese frühen Jahre zu verstehen, erklärt nicht nur Lucas' derzeitige Sehnsucht nach experimentellen Filmen, es enthüllt auch die Frustrationen, die den selbsterklärten Maschinenstürmer dazu brachten, die Entwicklung digitaler Werkzeuge zu finanzieren, die die Kunst des Filmemachens für immer verändert haben.
Genau wie die Reise von Luke Skywalker, begann die Reise von Lucas dem Filmemacher mit einer kryptischen Botschaft, die auf die Existenz eines Universums hindeutete, das größer war, als das, in dem er aufgewachsen war. Während er mit seinem frisierten Fiat durch die staubigen Ebenen des Central Valley raste, das später zum Vorbild für Lukes Heimatwelt Tatooine werden sollte, baute sich im Norden eine revolutionäre Welle auf, in San Francisco, wo Poeten und Maler überzählige 16mm-Kameras der US-Armee auflasen, um die erste Lawine unabhängigen Filmschaffens an der Westküste loszutreten.
Ein Filmemacher namens Bruce Baillie hängte 1960 auf seinem Grundstück ein Bettuch auf, um die Arbeiten von Pionieren des unabhängigen Kinos wie Jordan Belson zu zeigen, der in seinem Studio in North Beach Bilder explodierender Galaxien schuf und erklärte, dass er Filme mache, damit das Leben auf der Erde durch die Augen Gottes gesehen werden könne. Die Filmemacher Stan Brakhage und Bruce Conner hatten ähnlich transzendente Ambitionen für das aufsteigende Medium: Brakhage zeichnete direkt auf Film und stellte Bilder der Geburt eines Kindes und Bilder des flackernden Sonnenlichts gegenüber, während Conner vorhandenes Material neu zusammenschnitt und damit situationskomische Visionen der Apokalypse erzeugte. In den nächsten Jahren liefen Baillies Serien, die als Canyon Cinema bezeichnet wurden, in den örtlichen Cafés, in denen sich Kunstfilme die Bühne mit Folk-Sängern und Alleinunterhaltern teilten.
Für den jungen Lucas und seinen alten Freund John Plummer wurden diese Ereignisse der zentrale Anlaufpunkt. Während ihre Altersgenossen als Ritual des Erwachsenwerdens durch die Straßen von Modesto heizten - wie Lucas dies später in American Graffiti verewigte - begannen sich die beiden 19jährigen nach San Franciso abzusetzen, um in Jazzklubs herumzuhängen und Neuigkeiten über Vorführungen des Canyon Cinema aus Aushängen in Buchläden ausfindig zu machen. Lucas war damals bereits ein vielversprechender Fotograf und war von diesen Filmen ähnlich begeistert, wie ein Vorstadt-Goth, der Velvet Underground für sich entdeckt.
"Das war der Zeitpunkt, als George wirklich damit anfing, die Lage zu sondieren.", erinnert sich Plummer. "Wir gingen in ein Kino in der Union Street, das Kunstfilme zeigte, wir fuhren rauf nach San Francisco auf ein Filmfestival, und dann gab es da ein altes, gammliges Café in Coe Hollow, in dem Kurzfilme gezeigt wurden, die das wahre Leben abbildeten." Für Lucas war dies eine Phase des Erwachens, nachdem er in der Schule ein Viererschüler und Faulenzer gewesen war. Ein Lehrer für kreatives Schreiben in Modesto hatte ihm die Augen für die Freuden des Lesens geöffnet, was ihn zu den Werken von Joseph Campbell führte, der entscheidenden Einfluss auf Krieg der Sterne haben sollte.
Dann reisten Lucas und Plummer nach Süden, wo sie Zeuge einer weiteren Revolution des Filmemachens wurden. Sie unternahmen Pilgerreisen zum New Art Cinema in Santa Monica, um sich Jean-Luc Godards Außer Atem, François Truffauts Jules und Jim und Federico Fellinis Achteinhalb anzusehen - Filme, die Handkameras und aggressive Schnitte einsetzten, um das Leben ohne die Filter der abgestandenen Konventionen der Hollywood-Studios zu zeigen.
An einer Rennstrecke traf Lucas seinen ersten Mentor in der Filmindustrie - den berühmten Filmemacher Haskell Wexler, der wie Lucas ein begeisterter Anhänger eleganter Rennwagen war. Wexler war beeindruckt, wie der schüchterne Jugendliche mit der Kamera umging, wie er sie aus den Hüften bediente, um bessere Winkel zu finden. "George hatte ein sehr gutes Auge, und er dachte bildlich.", erinnert er sich.
Als Lucas 1964 in die Filmschule eintrat, war er bereits auf dem Weg, der Regisseur zu werden, der das Bauchkribbeln eines Flash Gordon mit der Bildsprache des Transzendenten verknüpfen sollte.
An der Universität von Südkalifornien gehörte Lucas zur ersten Generation von Filmstudenten, die mehr vom zeitgenössischen Aufstieg des weltweiten Kinos, als vom Kanon großer Werke vergangener Tage inspiriert wurden. Einer seiner Kommilitonen, John Milius, der zukünftige Koautor von Apocalypse Now und Regisseur von Die Rote Flut, machte Lucas mit den Epen von Akira Kurosawa vertraut, dessen Beschreibung der japanischen Feudalgesellschaft großen Einfluss auf Krieg der Sterne haben sollte.