5. Januar 2005
Nicht nur Berufssportler profitieren von den Ratschlägen und dem zusätzlichen Ansporn, den ihnen ein engagierter Trainer geben kann, um ihr Potential voll auszuschöpfen. Von erfahrenen Schauspielern wie Hayden Christensen und Natalie Portman bis hin zu unbekannten Komparsen, gab Episode-III-Dialogtrainer Chris Neil jedem die persönliche Aufmerksamkeit, die man braucht, um seine eigenen Erwartungen zu übertreffen.
Neil hat nach seiner Arbeit an Filmen wie The Virgin Suicides, Der Regenmacher und Jack eine besondere Gabe dafür, Schauspieler in den herausfordernsten Rollen dazu zu bringen, ihre beste Vorstellung zu geben. Er machte auf die Coppola-Familie nach seinem Engagement bei den Dreharbeiten von Der Regenmacher und The Virgin Suicides sogar solchen Eindruck, dass sie ihn Filmemacher George Lucas als perfekten Kandidat für die Rolle des Dialogtrainers von Die Rache der Sith empfahlen.
"Ganz ohne Vorwarnung rief mich Francis Ford Coppola an und sagte mir, 'Rick McCallum wird Dich gleich anrufen, um Dir die Position des Dialogtrainers für die nächste Episode von Krieg der Sterne anzubieten'.", erinnert sich Neil. "Ich arbeitete zu dieser Zeit gerade an einem anderen Film, also wartete ich auf das Klingeln meines Mobiltelefons. Und wer hätte es gedacht, nur 20 Minuten später rief mich Rick an und bat mich, das erste Flugzeug am nächsten Tag zu nehmen."
Auf Vorschlag von Coppola, traf sich Neil mit Lucas und McCallum, um mit ihnen über seine mögliche Funktion als Dialogtrainer von Episode III zu diskutieren - eines Films also, der seine Schauspieler durch die bislang gefühlsbetontesten Szenen herausfordern würde.
"George und Rick wussten beide, dass den Schauspielern in diesem Film besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden musste.", erklärt Neil. "Meine Position war bei den ersten beiden Filmen unbesetzt geblieben, und ich denke, es gab eine Diskussion darüber, dass diese Lücke gefüllt werden müsste. Glücklicherweise dachte Francis an mich, weil ich etwa die gleiche Arbeit bei seinen letzten beiden Filmen geleistet hatte. Er und George verbindet offenbar eine wirklich enge Freundschaft, und ich denke, die Tatsache, dass Francis ganz privat zu George sagen konnte, 'dieser Junge wird sich in Deine Arbeit nicht einmischen, er wird dafür dasein, Dir und den Schauspielern zu helfen', hat George beruhigt."
Neil selbst war für Lucas ebenfalls kein Unbekannter. Sein Vater hatte an Coppolas Film The Rain People 1969 eng mit Lucas zusammenarbeitet.
"Die beiden verbinden großartige Erinnerungen an die Jahre, die sie im Filmgeschäft formten. Ich denke, dass dies meiner Beziehung zu George mit Sicherheit eine zusätzliche Tiefe verleiht.", gibt Neil zu. "Seit ich ein Junge war, habe ich George praktisch in jedem Jahr gesehen. Bei einem Softball-Spiel oder einem Picknick ging es also immer, 'hey, wie läuft's, George?', oder zumindest so ähnlich. Diese Vertrautheit macht die Arbeit mit ihm noch einfacher. Ich fühle mich bei ihm viel weniger als Außenseiter."
Als man Neil die Stelle als Dialogtrainer anbot, musste er feststellen, dass seine Arbeit an einer Krieg der Sterne-Episode ganz anders aussehen würde, als die an dialogschweren Filmen wie dem von der Kritik gefeierten Film Der Regenmacher oder der unabhängigen Erfolgsproduktion The Virgin Suicides, weil bei Krieg der Sterne Schauspieler oft gegen Figuren antreten müssen, die erst in der Nachbearbeitung von Industrial Light & Magic am Computer erzeugt werden.
"Neben meiner zweimaligen Arbeit mit Francis, habe ich mich eigentlich darauf spezialisiert, mit Regisseuren zu arbeiten, die nach ihrer Zeit in der Werbewirtschaft gerade ihren ersten abendfüllenden Film drehen.", erklärt Neil. "Einer dieser Regisseure nannte mich sein "Zusatzhirn". Was er meinte, war, dass ich der Teil seines Gehirns war, der den schauspielerischen Leistungen besondere Aufmerksamkeit schenkte, damit er sich mehr auf andere Einzelheiten konzentrieren konnte. Ich denke auch, dass es meine Aufgabe ist, den Regisseur und die Schauspieler zu unterstützen, weil es so häufig viele Ablenkungen gibt, die nach Aufmerksamkeit schreien. Vor allem, wenn ein Regisseur mit Fragen überhäuft wird, kann es leicht vorkommen, dass den Schauspielern und ihrer Arbeit nicht die notwendige Aufmerksamkeit oder der notwendige Ansporn zukommt."
Zur Vorbereitung auf seine Arbeit, die die dramatischsten Darbietungen in Krieg der Sterne hervorbringen sollte, las Neil zunächst das Werk, das Lucas erstmals dazu inspiriert hatte, die Geschichte der Familie Skywalker niederzuschreiben - Joseph Campbells "The Power of Myth".
"Egal ob ich nun den Regisseur bei seinem Umgang mit den Schauspielern unterstütze, oder mit den Schauspielern an ihrer Darbietung arbeite, ich bereite mich auf die gleiche Weise vor, um mir ein besseres Verständnis für die Geschichte zu erwerben.", erklärt Neil. "Es ist praktisch dasselbe, ob ich nun direkt mit den Schauspielern arbeite oder dem Regisseur Hinweise für die Schauspieler gebe. Dafür benötige ich nicht nur ein detailliertes Verständnis davon, was der Regisseur zu erreichen versucht, sondern auch über die elementaren Wurzeln der Handlung. Ich suche mir also die Quellen heraus - die mythischen Dimensionen der Geschichte. Dort finde ich meist Antworten auf die tiefergehenden Fragen über die persönlichen Motive einer Figur. Je weiter man von einem Bild weggeht, desto mehr erkennt man die Einzelheiten und desto besser kann man kleinere Fragen beantworten.
Ich habe alle Arbeiten von Joseph Campbell gelesen, derer ich habhaft werden konnte.", fährt Neil fort. "Seine Erklärungen erinnerten mich an die Geschichte von Padmés Beziehung zu Anakin, besonders an die zentrale Reise dieser beiden Figuren. Das sind die Hausaufgaben, die ich als Dialogtrainer oder Schauspiellehrer machen muss. Manchmal spielt diese Analysearbeit gar keine Rolle, wenn ich mit George spreche. Aber wenn ich mit Natalie und Hayden an einer Szene arbeite, sickern all die Informationen, die ich mir zusammengesucht habe, unbewusst durch. Wenn wir miteinander eine Szene diskutieren, dann klären sich so Fragen. Meine Informationen können Klarheit bringen."