Das Internet hält immer wieder Überraschungen bereit. Die heutige: Ein Video-Interview mit George Lucas aus dem Jahre des Herrn 1971, das Michael Heilemann, zuletzt bekannt durch seine umfassende Bildersammlung auf Flickr, die von Lucasfilm eingestampft wurde, aufgespürt hat.
Der Hintergrund: Lucas' erster Kinofilm - THX-1138 - ist bereits in die Kinos gekommen und finanziell grandios gescheitert, Lucas' Durchbruch mit American Graffiti ist noch weit entfernt, Krieg der Sterne dürfte noch nicht einmal angedacht sein, und American Zoetrope, die Filmfirma, die Francis Ford Coppola in San Francisco als Bastion künstlerischer Freiheit gegen Hollywood aufbauen wollte, beginnt bereits wieder, sich in Nichts aufzulösen.
Auftritt George Lucas, der zu dem Zeitpunkt aufgrund seiner Erfahrungen mit THX jenseits von Anti-Hollywood steht und Gene Youngblood, eines Journalisten, der bereits begonnen hat, sich für eine stärkere Demokratisierung der Medien einzusetzen und der Medienwelt "perceptual imperialism", also Wahrnehmungsimperialismus vorwirft, Gedankenkontrolle, Meinungsdiktatur.
Einen Direktdownloadlink findet ihr im Blog von Michael Heilemann.
Und hier einige interessante Lucaszitate aus dem einstündigen Doku-Interview:
Über seinen Werdegang und sein Verständnis als Filmemacher
Mir gefällt die Vorstellung, als Spielzeughersteller betrachtet zu werden, der Filme macht.
[...]
Mich hat die Tatsache fasziniert, dass es möglich ist, das wahre Leben aufzuzeichnen, es in Bewegung zu versetzen und es zu manipulieren, damit zu spielen.
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Ich bin in diese Filmakademie hineingestolpert, und es war die unglaublichste Sache, die ich je in meinem Leben erlebt hatte.
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[Auf die Frage, ob er sich am Anfang nur in das Medium Film als Sprache verliebt habe, ohne etwas zu sagen zu haben.] Ich fange gerade an, etwas zu sagen.
Über die Studios und Hollywood
Wenn man einem Studioboss zu erklären versucht, dass sich etwas einfach richtig anfühlt, wird er wahnsinnig, denn er fühlt das nicht. Ich glaube nicht, dass Studiobosse überhaupt etwas fühlen. Deshalb lassen sie es Dich nicht machen. Man nimmt etwas in seinen Film hinein, und sie schneiden es einfach heraus.
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[über seine Zeit als Praktikant bei Warner Bros.] Ich war sehr Anti-Hollywood eingestellt, hauptsächlich, weil ich anfangs versucht hatte, dort Arbeit zu finden und ausgesperrt worden war. [...] Was ich dort sah, gefiel mir nicht.
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In diesem Land zählt der Dollar mehr als das Individuum. Der Geist, die Erfahrung, das Talent eines Menschen ist weniger wert als der Dollar.
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Zoetrobe war das Ergebnis der Vorstellung, dass man nicht in Los Angeles sein muss, um einen Film zu drehen. [...] Alles, was man braucht, ist eine Kamera.
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Sie [die Studios] haben keinen Respekt vor Talent.
[...]
Filme zu drehen, ist eine Kunst, sie zu verkaufen, ist ein Geschäft. Das Problem ist, dass sie [die Studios] nicht wissen, wie man Filme verkauft. Das hat zur Folge, dass sie versuchen einen dazu zu bringen, Filme zu drehen, die die Leute sehen wollen, ohne dass man ihnen den Film erst verkaufen muss. Das ist des Pudels Kern. Wenn sie nicht so rückwärtsgewandt wären... Wenn sie einen Film nicht ins Kino bringen können, wenn keine Besuchermassen hereinstürzen, dann haben sie kein Interesse.
[...]
Die Leute, die Filme verkaufen wollen nur Filme haben, die sie nicht verkaufen müssen. Dieses Denken, diese Faulheit bezüglich der Vermarktung von Filmen sind der Grund, wieso Videokassetten so viel Potential haben, denn damit gibt es eine viel breitere Verkaufspalette. Man kann seine Produkte direkt an den Mann bringen und muss nicht mehr soviel verkaufen.
[...]
Was mich - als junger Idealist, der die wahre Welt sieht - aufregt, ist, dass es diese Leute [die Studiobosse] überhaupt gibt. Es ist das gleiche, was die meisten Jugendlichen spüren, wenn sie sich die Regierung ansehen. Ich erlebe das nur anhand von Warner Bros. Die Leute erwarten gewisse Freiheiten und einen gewissen Respekt für Ideen. Wenn man frisch aus der Schule kommt, hat man großen Respekt für Ideen, und dann entdeckt man, dass Ideen in der wahren Welt nicht zählen. Das macht einen wirklich wütend.
Über THX-1138
Es gab eine kurze Renaissance, die vielleicht 8 Monate dauerte. Plötzlich gab es Freiheiten, hauptsächlich wegen Easy Rider. Easy Rider hat Großes geleistet, aber seine Wirkung hielt nicht lange an. Der Film [THX-1138] wurde in dieser Atmosphäre totaler Freiheit begonnen. "Diese Kinder sind wahnsinnig, aber wir lassen sie arbeiten, weil das Geld einzubringen scheint." [...] Aber als ich mit dem Film fertig war, sah ihn sich das Studio an und wurde wahnsinnig.
[...]
Der Film war als Oper angelegt, als musikalischer Science-Fiction-Film. Die Tonspur wurde auf der Basis von musikalischen Vorstellungen entwickelt.
[...]
Es war ein Klischeefilm, ein altmodischer Slapstick-Film mit einer Fascade von "Schöne neue Welt" und "1984", und die Fascade haben sie [das Studio] gesehen. Sie wollten, dass es eine totalitäre Gesellschaftsordnung gibt, während ich wollte, dass es um das Hier und Jetzt geht, darum, wie ich die Welt, wie ich das Los Angeles des Jahres 1969 sehe. Das war der Grundgedanke. Und sie wollten, dass alles im 25. Jahrhundert spielt. Und im Grunde ging es nicht um die Liebesgeschichte, die war nur eine Seitenhandlung am Anfang, sondern um THX und seine Erkenntnisse, seine existentielle Entscheidung, diese Welt zu verlassen. Aber alles, was sie sahen, waren die Liebesgeschichte und die Actionmomente, das Abenteuer und dieser Kram.
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Ich liebe Autos, ich liebe Verfolgungsjagden. Das hat viel Spaß gemacht. Und es geht um die Beziehung von Mensch und Maschine. Die menschliche Abhängigkeit von Maschinen und seine Unfähigkeit, sie zu beherrschen.
Mehr im Film selbst, der auch Ausschnitte aus THX-1138 - der Originalfassung genauso wie der Kinoversion - und aus anderen Lucas-Studentenfilmen enthält. Wer nach diesem Blick auf den ganz jungen George Lucas den Lucas aus der Zeit nach Krieg der Sterne kennenlernen will, dem sei dieses Protokoll der Handlungskonferenzen mit Spielberg und Kasdan aus der Entstehungszeit von Indiana Jones empfohlen. Die Unterschiede sind, vorsichtig formuliert, erstaunlich.
Ein umfassendes Interview mit dem George Lucas der Prequel-Zeit findet ihr hier bei uns.
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