Vor einiger Zeit erschien Christie Goldens Roman Inferno Squad; da ich privat in letzter Zeit sehr beschäftigt war, folgt nun erst eine spoilerfreie Rezension des Romans mit meinen persönlichen Eindrücken:
Synopsis
Sie sind das Inferno-Squad, eine neugebildete Eliteeinheit des Imperiums. Iden Versio, Tochter eines hochrangigen imperialen Admirals und dementsprechend hineingeboren in die imperiale Elite und deren Denken; ihr Kamerad Gideon Hask; zudem Seyn Marana, ausgestattet mit einem fotografischen Gedächtnis, und der Ingenieur Del Meeko.
Der Roman setzt in der Schlacht um Yavin an, wir erleben die Zerstörung des Todessterns durch Idens Augen. Anschließend ist das Imperium in einer Art vor der Öffentlichkeit verborgenem Aufruhr – denn auch wenn die Rebellen ausgemerzt wurden, die am Diebstahl der Todessternpläne beteiligt waren, so durchstreifen doch noch immer einige von Saw Gerreras Schergen die Untiefen der Galaxis – und, so haben imperiale Spione erfahren, sind in den Besitz strenggeheimer Infos gelangt.
Hier setzt die Mission des Inferno Squad an: Die Gruppe aufspüren, infiltrieren, herausfinden, wie und an welche Informationen die sogenannten Dreamers gekommen sind – und sie anschließend zu vernichten.Ausgangslage
Schon vor der Veröffentlichung stieß der Roman bei vielen Fans auf zwiegespaltene Gefühle – wenn nicht gar offenen Gegenwind: Einerseits auf inhaltlicher Basis: 'Wie können Saw Gerreras Schergen die Verwüstung von Jedha überlebt haben?' oder 'Selbst wenn sie überlebt haben, wie können sie wichtig genug sein, um den Einsatz einer Eliteeinheit zu rechtfertigen?' Anderseits aber auch rein in Bezug den Kontext der bestehenden Einheitskontinuität; bei dem einen oder anderen wurden Erinnerungen an den ersten, vom Fandom eher wenig geschätzten, Battlefront-Roman wach – oder generell an die Tendenz der Einheitskontinuität, neue Figuren einzuführen, die in vielen Lesern ein Gefühl von Unausgefülltheit, Leere, Plätte oder Vagheit erzeugten. Bedenken wurden laut, dass Inferno Squad in eine ähnliche Kerbe schlagen könnte.
Anderseits erzeugte der Name 'Christie Golden' bei vielen Fans nicht unbeträchtliche Hoffnung – bei mir selbst ebenso, bin ich doch nach Dark Disciple und auch Goldens Fate-of-the-Jedi-Romanen ein großer Fan dieser Autorin geworden. Besonders aufgrund ihres flüssigen, schildernden und räumlichkeitsfreundlichen Sprachstils ebenso wie ihrer Fähigkeit, neuen oder kaum bekannten Figuren Leben, Tiefe und Dreidimensionalität einzuhauchen.
Auch in diesem Roman zeigt Golden wieder, was sie drauf hat. Es tauchen fast ausschließlich völlig neue Figuren auf, die Hauptfiguren stehen zudem auf der Seite des Imperiums – und erleben damit die Handlung automatisch aus einer Perspektive, die in bisherigen visuellen Projekten das Nachsehen hatte; dies bringt die Autorin einerseits in die nachteilige Lage, die Position zu beschreiben, welche den Lesern deutlich weniger vertraut ist. Andererseits hat der Umstand den Vorteil, dass sich Golden auf relativem Neuland bewegt – und dieses nach ihren eigenen Vorstellungen und Fähigkeiten bepflügen kann.Figuren
Für Christie Golden zählt in dieser Situation offenbar der Vorteil – jedenfalls schafft sie es, wie gewohnt, den Imperialen ebenso Leben einzuhauchen wie den Rebellen. Die tragenden Figuren haben ihre Hintergrundgeschichten, das Verhalten aller Figuren ist sehr gut nachvollziehbar und passt ausgezeichnet zu den Umständen bzw. den charaktereigenen Prägungen, die sie durch ihre Erfahren, Erlebnisse und Erziehungsumstände angenommen haben. Man fühlt mit den Figuren mit; einzig mit der Figur des Mentors hatte ich an einigen Stellen rein in Bezug auf die Plastizität meine Probleme – wobei in den letzten Kapiteln des Buches ersichtlich wird, warum Golden hier wahrscheinlich nicht so explizit und detailgetreu schreiben kann, wie man es sonst von ihr gewohnt ist. Ich würde diese Unschärfe also nicht Christie Golden zum Vorwurf machen – sondern einmal mehr den unter Verschluss gehaltenen Hintergrundelementen größerer Projekte.
Der Roman lebt auf jeden Fall sehr viel von seinen Figuren – die einen wunderbaren Mikrokosmos im galaktischen Bürgerkrieg erschaffen, in dem sich diejenigen Leser wunderbar zurechtfinden und wohlfühlen, die sich für die Gesinnung des Imperiums oder die Squadmitglieder selbst interessieren. Wir landen inmitten des galaktischen Bürgerkriegs, aber (mit Ausnahme des Anfangs) nicht in den Großschlachten, sondern im Alltag einer Eliteeinheit, der spannend und ergreifend berichtet wird. Gleichzeitig lässt sich die im Roman vermittelte Geisteshaltung, ebenso wie die Kultur des Imperiums, wunderbar auf alle größeren Kontexte der Nach-Klonkriege projizieren. Ich hatte als Leser den Eindruck, dass man mir anhand der exemplarischen Charaktere im kleinen Rahmen die Gesinning des Imperiums erlebe und besser verstehe – und auf alle weiteren, treu imperialen Bürger und Kontexte übertragen kann. Man erlebt das Imperium, gewissermaßen, nochmals mit anderen Augen.Rahmenhandlung
Neben einer spannenden und einblicksreichen Mission mit interessanten Figuren auf beiden Seiten möchte ich ganz besonders ansprechen, wie gut es Christie Golden gelungen ist, Logiklöcher und Grundproblematiken (z.B. Relevanz der Widerstandskämpfer; Überleben der Widerstandskämpfer nach der Verwüstung von Jedha) auszuweichen. Ich kann nun nicht sagen, ob da das Lektorat oder Golden selbst quasi in letzter Sekunde als Reaktion auf die offizielle Ankündigung eingegriffen haben, oder ob Golden diese Probleme selbst wahrgenommen und von Anfang an umschifft hat. Fest steht: Die Sorgen und Probleme der Fans hinsichtlich der Sinnigkeit des Romans werden im Roman selbst thematisiert und verarbeitet.
Besonders schön am Roman ist aus meiner Sicht der Umstand, dass die Figuren zwar im Vordergrund stehen und die Mission in erster Linie der Figurendarstellung dient bzw. auch der Darstellung der innerpersönlichen Prägung eines imperialen Bürgers im Militär – doch es ist nicht so, dass die Mission allein Darstellungscharakter hat. Mal tragen die Figuren die Mission und treiben sie in spannende Entwicklungen, mal treibt die Mission die Figuren und treibt sie in charakterliche Entwicklungen. Spannend zu sehen ist auch, wo die Squadmitglieder ihrer imperialen Prägung unterliegen – und wo dies nicht der Fall ist. Ob man nun die Personen einzeln schätzt – oder Projektionen auf größere imperiale Kontexte vornimmt; der Roman ist in beiderlei Hinsicht sicher lesenswert. Am Ende beschleunigt die Handlung plötzlich immens und die Ereignisse überstürzen sich – ich empfand dies allerdings nicht als Reizüberflutung, sondern als gelungene Darstellung des Endes der Mission.Extras
Neben der Mission existiert im Roman ein mystisches Element, das – wie in anderen Romanen des neuen Kanons – auf eine nebulöse, kaum bekannte Vergangenheit Bezug nimmt. Ich bin nicht sicher, ob der Roman aufgrund dieses einen Elements lesenswert ist, wenn man sich für die anderen Elemente nicht interessiert; fest steht für mich, dass es die Mission gelungen unterstützt, auch wenn oder vielleicht gerade weil es in letzter Instanz nicht nötig gewesen wäre.Fazit
Der Leser hat es hier mit einem Roman zu tun, der seinen Fokus stark auf die handelnden Figuren legt und damit Spielraum dafür bietet, die exemplarischen Darstellungen auf größere (imperiale) Kontexte zu übertragen. Wer große Schlachten oder Ereignisse von galaxisweiter Tragweite sucht ist hier – wie in vielen anderen Einheitswerken an der falschen Stelle. Gleichzeitig macht dieser Roman alles richtig, was aus meiner Sicht an Freeds Battlefront-Roman schief gegangen ist: Man konzentriert sich auf wenige Figuren und (in weiten Teilen) einen kleinen Schauplatz, anstatt sich in nebulös-unkontextualisierte Splittermissionen mit immer wieder neuen Soldaten und unklaren Schauplätze zu stürzen; die Figuren sind plastisch, können ebenso wie die Welten gut ins größere Ganze eingeordnet werden und bleiben nicht vage und fragmentartig wie so große Teile von Freeds Battlefront-Roman. Hintergründe werden geboten.
Allein die Umstand, dass ich in der Republic Commando-Reihe von Karen Traviss ähnliche Motive und Thematiken aus meiner Sicht nochmals deutlich besserer - ich finde, grandioser - Form gelesen habe, hält mich davon ab, dieses Buch als großartig wahrzunehmen. Mag aber auch sein, dass ich Christie Golden Unrecht tue und mein Schwärmen für Republic Commando mit dem Umstand zusammenhängt, dass ich diese Reihe zuletzt vor vielen Jahren gelesen habe und damals auch als Mensch an anderer Stelle stand. Christie Golden hat aber auf jeden Fall, wie man es von ihr gewohnt ist, erneut sehr gute Arbeit abgeliefert und spannende Nebenfiguren entwickelt, denen man als Leser gerne folgt; was zu Zeiten wie diesen, in denen über viele spannende Thematiken aufgrund medial größerer Projekte nicht offen geschrieben werden kann, aus meiner Sicht (fast) der einzige Weg ist, in den sich die Romane der Einheitskontinuität spannend entwickeln können.
Inferno Squad kann hier erworben werden. Die deutsche Übersetzung erscheint am 16. Oktober und lässt sich hier vorbestellen.
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