Vor einigen Tagen hatten wir das Thema schon einmal, als die britische Post bekanntgab, Sir Alec Guinness zum 100. Geburtstag eine Briefmarke zu spendieren. Heute nun ist dieser Geburtstag da: Herzlichen Glückwunsch zum 100., Sir Alec!
In bewährter Zeitreisentradition haben wir dem Anlass entsprechend einen Artikel aufgetan, in dem die britische Schauspielerlegende - die neben Sir Laurence Olivier und Sir John Gielgud zu den drei größten britischen Schauspielern des 20. Jahrhunderts zählt - auch kurz auf den Krieg der Sterne zu sprechen kommt. Hier ein Interviewversuch des US-Filmkritikers Roger Ebert vom 2. Mai 1982:
Sir Alec Guinness stand am Ende des Hotelflurs, hielt mir die Tür offen und sagte, "hier entlang". Er ist nicht gerade für seine Begeisterung für Interviews bekannt, und das Lächeln auf seinem Gesicht erinnerte mich an den Werbeslogan für Powdermilk Biscuits: „Sie geben Dir die Kraft zu tun, was getan werden muss.“
Er machte einen beunruhigend vertrauten Eindruck, trotz seines Barts, und das nicht nur als er selbst – Sir Alec, der anerkannte britische Bühnen- und Leinwanddarsteller, Gewinner des Academy Awards als Bester Schauspieler für Die Brücke am Kwai -, sondern auch vertraut aus seinen zahllosen Filmrollen, als Fagin in Oliver Twist (1948), als Pater Brown in Die seltsamen Wege des Pater Brown (1954) oder als Obi-Wan Kenobi im Krieg der Sterne: Er wirkte also in dem Sinne vertraut, als sei er eine ganze Guinness-Subspezies mit seinem ruhigen, respektvollen, listigen, berechnenden, recht weisen, vielleicht etwas wahnsinnigen und manchmal überraschend gütigen Lächeln. Er führte mich ins Wohnzimmer seiner Hotelsuite, in der er während seines zweiwöchigen Besuchs in New York untergebracht war, wo er den neuen Dudley-Moore-Film Lovesick - Der liebeskranke Psychiater drehte. Das Dekor erinnerte an die Fiktion eines Brunchs in New York, gehalten in Gelb und Hellgrün, mit Blättern und Blumen auf jedem Polster und jeder Tapete. Neben den Fenstern standen Regale voll mit zusammengeschrumpften Reader’s-Digest-Ausgaben, die das Hotel pfundweise zur Verfügung stellte, auf dem Couchtisch aber lag das Buch, das er selbst las: Dick Francis’ neuester Krimi aus der Welt der Pferderennen.
„Es gibt leider keinen Zimmerservice“, erklärte er, „aber vielleicht können wir etwas liefern lassen? Tee? Whiskey?“
„Sind Sie ein Fan von Dick Francis?“, fragte ich ihn.
„Nicht wirklich, ich habe gerade erst angefangen, ihn zu lesen. Er war wohl der Jockey der Königinmutter, bevor er sich zur Ruhe setzte und begann, Krimis zu schreiben.“
„Ist das in England eine angesehene Stellung?“
„Was genau?“
„Der Jockey der Königinmutter.“
„Ich schätze, es heißt zumindest, dass man ein recht guter Jockey ist, nicht wahr?“
Wir nahmen, einander gegenüber, auf den dickgepolsterten Sofas platz. Er machte einen geduldigen Eindruck, gefasst, freundlich und höflich distanziert und wirkte damit nicht wie jemand, der einem gleich seine geheimsten Ängste oder Sehnsüchte offenbaren würde. Die Rolle in Lovesick ist die erste in 17 Jahren, die ihn nach New York geführt hat. Damals spielte er in Sidney Michaels’ Broadwaystück Dylan die Titelrolle. Ich bat ihn, mir etwas über seine Rolle zu erzählen. Er nickte, als ob er insgeheim gewettet hätte, dass ich ihm zuerst diese Frage stellen würde.
„Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht einmal das Drehbuch zeigen“, sagte er. „Es ist eine kleine Rolle, sehr elegant geschrieben, in einer Komödie über Psychiater. Ich habe einige winzige Szenen mit Dudley Moore.“
„Winzige Szenen mit dem winzigen Dudley“, sagte ich lächelnd.
Er lächelte nicht. „Vergessen Sie nicht, dass Sie das gesagt haben“, betonte er. „Schreiben Sie nicht, ich hätte das gesagt.“
„Natürlich“, sagte ich und kam mir selten töricht vor. Ich fragte Guinness, einen der größten britischen Filmstars, wieso er nur so wenige Filme in Amerika gedreht habe.
„Ich hatte nie Erfolg in Hollywood“, antwortete er. „Ich habe drei Filme in Hollywood gedreht, und jeder einzelne war ein Reinfall. Die Filme, die die Menschen für Hollywooderfolge halten – Die Brücke am Kwai zum Beispiel –, waren in Wahrheit britische Produktionen.“ Er lächelte. „Peter Ustinov hat mir erzählt, wenn man in Hollywood arbeitet, wird man so behandelt wie die Rolle, die man spielt. Spielt man einen König, wird man auch königlich behandelt, ist man Charakterdarsteller...“ Er zuckte mit den Schultern. „In jedem Fall“, fuhr er fort, „sind die großen Filmstars immer Amerikaner gewesen. Oder, wenn schon nicht Amerikaner – wie Greta Garbo oder Cary Grant – zumindest Schauspieler, die sich ganz und gar der amerikanischen Filmindustrie verschrieben hatten.“
„Haben Sie also bewusst die Entscheidung gefällt, mehrheitlich in England zu arbeiten?“
„Ich habe auf der ganzen Welt gearbeitet, und das häufig ohne dass dahinter eine bewusste Entscheidung gestanden hätte, einmal davon abgesehen, dass ich vielleicht einen Ort besuchen wollte, wo ich zuvor noch nie war. Wie jeder andere Mensch muss auch ich meinen Lebensunterhalt verdienen. Häufig habe ich Rollen nur angenommen, um Arbeit zu haben. Jeder Schauspieler, und damit auch ich selbst, wird nervös, wenn er kein Engagement hat. Ich denke ständig, dass jede Rolle meine letzte sein könnte.“
Guinness drehte seinen ersten Film 1933 und arbeitete seit seinem Erfolg in David Leans Große Erwartungen im Jahr 1946 regelmäßig an weiteren Filmen. Seine bekannteste Rolle ist trotzdem wohl die des Obi-Wan Kenobi, des erfahrenen, geheimnisvollen Weisen, der den Helden im unglaublich erfolgreichen Krieg der Sterne mitteilte, dass die Macht mit ihnen war. Hat Obi-Wan dafür gesorgt, dass Guinness auf der Straße häufiger erkannt wird?
„Nicht wirklich. Zumindest nicht in diesem Land. Und der Bart verwirrt die Leute natürlich. Ich ließ mir für Kenobi natürlich einen wachsen, dann rasierte ich ihn wieder ab, und später legte ich mir für Freud einen neuen zu.“
Freud?
„Die Figur, die ich in Lovesick spiele. Ich bin Sigmund Freud. Ich tauche in Dudley Moores Phantasien auf und rauche eine sehr lange Zigarre. Aber... die Krieg-der-Sterne-Filme. Habe ich gerne daran gearbeitet? Ich mochte die Menschen sehr. Aber nein, es macht nicht viel Spaß, in ihnen mitzuspielen. Nicht wenn man sich ständig Technikern anvertrauen muss, gebeten wird in einer Walze zu sitzen und sich Explosionen vorzustellen. Das ist nur eine Weile amüsant. Aber die Menschen hätten gar natürlich gar nicht sympathischer sein können. Ich habe gerade meinen Auftritt in Die Rückkehr der Jedi-Ritter abgedreht, dem dritten Teil der Reihe.“
Spielen die meisten Figuren dort auch wieder mit?
„Ich weiß es nicht. Es scheint kompliziert zu sein.“
Guinness wirkte bei diesen Antworten so in sich gefasst, dass es schwierig war abzuschätzen, wohin sich dieses Interview entwickeln würde. Es schien mir, als ob er es – trotz seiner Freundlichkeit und entgegenkommenden Art – extrem langweilig fand, Interviews zu geben. Ich stellte ihm eine weitere, vorhersehbare Frage: Auf was kommt es Ihnen bei der Wahl einer Rolle an?
„Nun... Ich weiß es nicht wirklich. Ich meine, selbst wenn ich etwas Vernünftiges über die Schauspielerei sagen könnte, würde ich es vielleicht trotzdem nicht sagen können. Über das zu sprechen, was man im Leben tut, ist ohnehin nicht sinnvoll. Ich jedenfalls bin mir der Art und Weise, wie ich etwas tue, nie besonders bewusst.“
„Wie steht es aber mit Adel verpflichtet (1949)? Sie haben damals sieben Rollen gespielt?“
„Acht, glaube ich“, erklärte Sir Alec überzeugt.
„Acht verschiedene Rollen! Und allgemein ist man der Auffassung, Sie hätten alle acht so zurückgenommen gespielt, dass jede einzelne Figur ein Eigenleben entfaltet hat, weil Sie ganz bewusst entschieden hätten, den Zuschauern nicht durch jede dieser acht Verkleidungen hindurch einen Blick auf sich selbst zu gewähren.“
Er lächelte, als ob ihm diese Beobachtung gefiele. Aber dann schüttelte er doch den Kopf.
„Es wäre mir nie eingefallen, anders an diese Aufgabe heranzugehen, etwa als eine Person in verschiedenen Kostümen. Drei sind mir meines Erachtens recht gut gelungen. Vielleicht auch vier. Ursprünglich wurden mir nur zwei Rollen angeboten. Oder vier. Und es schien mir nicht sinnvoll zu sein, nur die Hälfte dieser Rollen zu spielen, also schickte ich ihnen ein Telegramm und bot an, alle acht zu übernehmen. Zu meiner Überraschung nahmen sie an.“
Wollen Sie schon immer Schauspieler werden?
„Oh ja.“ Das Thema lag ihm sichtlich mehr. „Rückblickend wollte ich Schauspieler werden, seit ich 5 oder 7 Jahre alt war. Als ich 5 war, wurde ich ins Internat geschickt. Dort habe ich den Jungs im Dunkeln Geschichten erzählt und sie immer zum Leben erweckt, mit einer Taschenlampe zur dramatischen Aufwertung, mit lustigen Stimmen, Toneffekten... Etwas später habe ich Theatermodelle gebaut, in denen Figuren aus Pappe zum Einsatz kamen, die ich herumkommandierte.“
Sie waren in so jungen Jahren auf dem Internat? Sind Sie Schauspieler geworden, um einen Rollenwechsel zu vollziehen?
„Nicht wirklich, nein. Meine Internatszeit war sehr glücklich. Als ich 5 war, heiratete meine Mutter... jemanden. Sie wollten gemeinsam neu anfangen, und ich wurde ins Internat abgeschoben, aber das wurde dadurch zum ruhenden Pol in meinem Leben. Dort waren jedes Jahr die gleichen Jungs, und einzig die Ferienzeit brachte immer Unruhe hinein. Ich wusste nie, in welchem Hotel oder in welcher Stadt ich meine Mutter finden würde, und als ich 13 oder 14 war, fuhr ich allein in die Ferien.“
Er erzählte mir all diese Erinnerungen mit tonloser, objektiver Stimme, als wolle er seine starken Gefühle dadurch verdecken. Ich fragte ihn, ob er plane, eine Autobiographie zu schreiben.
„Keine Autobiographie, nein, obwohl ich im Moment einige Kapitel über die Menschen schreibe, die mich beeinflusst haben.“
Die Nicht-Autobiographie von Sir Alec Guinness erschien 1986 unter dem Titel Das Glück hinter der Maske.
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Sehr interessant dieses Interview. Der gute Guiness bleibt dabei nicht weniger geheimnisvoll wie Kenobi. Wie es mir scheint hat er seinem Privatleben vorerst Vorrang gegeben und hat dadurch diverse Rollen angenommen, auch ungewöhnlich wenn man daran denkt, dass es viele genau andersrum machen. Kann mir schon denken, dass er dadurch so einige male um einen Schauspiel Job gezittert hat der ihm gelegen kam. Von Interviews und Magazinen wird er wohl wenig gehalten haben bzw. ein gewisses Misstrauen gehegt zu haben, da wundert es mich nicht, dass er sich etwas zurückhaltend verhalten hat.
Nebenbei, war Sir Alec bereits der erste Youtube Star oder wieso war der auf dem Internet?^^
"Sie waren in so jungen Jahren auf dem Internet? Sind Sie Schauspieler geworden, um einen Rollenwechsel zu vollziehen? "
Abschließend noch Alles Gute zum 100.
MendonC22
Zum dritten (also den sechsten) SW Film:
"...Spielen die meisten Figuren dort auch wieder mit?
„Ich weiß es nicht. Es scheint kompliziert zu sein.“... "
Da konnt ich mir ein lächeln nicht verkneifen ^_~
"...Die Nicht-Autobiographie von Sir Alec Guinness erschien 1986 unter dem Titel Das Glück hinter der Maske..."
Hat die jemand gelesen und kann mir ne kleine zusammenfassung oder ein fazit aus erster Hand geben?
Darth Galdor
STARKILLER 1138
Redakteur
Cantina Fun
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