Vorgestern ist The Ride of a Lifetime von Robert Iger, dem CEO von Disney erschienen. Darin schreibt er über Lektionen, die er als Chef von Disney gelernt hat und von denen er glaubt, dass sie für Andere hilfreich sein können. Im Klappentext heißt es dazu:
Eine große Vision definiert: Der CEO von Disney, von der TIMES zu einem der einflussreichsten Menschen im Jahr 2019 gekürt, teilt die Ideen und Werte, die er angenommen hat, um eines der beliebtesten Unternehmen der Welt neu zu erfinden und die Menschen zu inspirieren, die Magie in unsere Leben bringen.
Ein Kapitel des Buchs (Kapitel 11) ist Star Wars beziehungsweise genauer der Übernahme von Lucasfilm bis hin zur Premiere von Das Erwachen der Macht gewidmet. Darin gibt es einen unerwartet kritischen Einblick in die Schwierigkeiten, die George Lucas mit dem Verkauf hatte und zu Lucas Meinung zu den neuen Filmen.
Im Folgenden haben wir einige relevante Passagen für euch übersetzt.
Wie eingangs erwähnt wird im Lauf des Kapitels deutlich, wie schwer es für Lucas war die Kontrolle über "sein Baby" abzugeben. Am liebsten hätte er wohl die Firma verkauft, aber die kreative Kontrolle behalten, eine Möglichkeit, die für Disney offensichtlich ausgeschlossen war. Entsprechend zogen sich die Verhandlungen einige Zeit hin.
Irgendwann in diesem Prozess erzählte mir George, dass er Handlungsentwürfe für drei neue Filme fertig gestellt habe. Er stimmte zu, uns drei Kopien der Entwürfe zu schicken: eine für mich, eine für Alan Braverman und eine für Alan Horn, der gerade mit der Leitung unseres Studios beauftragt wurde. Alan Horn und ich lasen Georges Notizen und beschlossen, dass wir sie kaufen werden, obwohl wir im Kaufvertrag auch klarstellten, dass wir vertraglich nicht verpflichtet sein würden, die von ihm festgelegten Plotlines einzuhalten.
[...]
Er wusste, dass ich in der Frage der kreativen Kontrolle standhaft bleiben würde, aber es war nicht leicht für ihn das zu akzeptieren. Und so stimmte er nur ungern zu, auf unseren Wunsch für Ratschläge zur Verfügung zu stehen. Ich versprach, dass wir offen für seine Ideen sein würden (das war kein schweres Versprechen) natürlich wären wir offen für die Ideen von George Lucas), aber wie schon bei den Entwürfen wären wir nicht verpflichtet ihm zu folgen.
Wie wir inzwischen wissen, wurden diese Entwürfe am Ende nicht verwendet bzw. weiterentwickelt. Im Folgenden klingt es eher nach komplett neuen Geschichten, früher war eher von einer Weiterentwicklung die Rede. So oder so scheint Lucas nicht glücklich darüber gewesen zu sein.
Schon früh brachte Kathy J.J. und Michael Arndt nach Nordkalifornien, um sich mit George auf seiner Ranch zu treffen und mit ihm über ihre Ideen für den Film zu sprechen. George wurde sofort wütend, als sie begannen, die Handlung zu beschreiben, und es ihm dämmerte, dass wir keine der Geschichten, die er während der Verhandlungen eingereicht hatte, verwendeten.
Die Wahrheit war, Kathy, J.J., Alan, und ich hatte die Richtung besprochen, in die die Saga gehen sollte, und wir waren uns alle einig, dass es nicht das war, was George vorgesehen hatte. George wusste, dass wir vertraglich an nichts gebunden waren, aber er dachte, dass unser Kauf seiner Entwürfe ein stillschweigendes Versprechen war, dass wir ihnen folgen würden, und er war enttäuscht, dass seine Geschichte verworfen wurde. Ich war seit unserem ersten Gespräch so vorsichtig gewesen, ihn in keiner Weise zu täuschen, und ich dachte nicht, dass ich es jetzt getan hätte, aber ich hätte besser damit umgehen können. Ich hätte ihn auf das Treffen mit J.J. und Michael vorbereiten und ihm von unseren Gesprächen erzählen sollen, dass wir der Meinung waren, dass es besser sei, in eine andere Richtung zu gehen. Ich hätte das mit ihm besprechen und es vielleicht vermeiden können, ihn zu ärgern, indem ich ihn so überraschte. So fühlte sich George schon beim ersten Treffen zum Thema der Zukunft von Star Wars verraten, und obwohl dieser ganze Prozess für ihn nie einfach gewesen wäre, hatten wir einen unnötig steinigen Start hingelegt.
Ähnlich fiel schlussendlich auch Lucas Reaktion auf den fertigen Film aus:
Kurz vor der globalen Veröffentlichung zeigte Kathy George Lucas Das Erwachen der Macht. Er verbarg seine Enttäuschung nicht. "Es gibt nichts Neues", sagte er. In jedem der Filme der ursprünglichen Trilogie war es ihm wichtig, neue Welten, neue Geschichten, neue Charaktere und neue Technologien zu präsentieren. Zu diesem sagte er: "Es gibt nicht genug visuelle oder technische Sprünge nach vorne." Er lag nicht falsch, aber er wusste auch nicht, unter welchem Druck wir standen, um den begeisterten Fans einen Film zu bieten, der sich wie Star Wars anfühlte. Wir hatten bewusst eine Welt geschaffen, die visuell und klanglich mit den früheren Filmen verbunden war, um nicht zu weit von dem abzuweichen, was die Leute liebten und erwarteten, und George kritisierte uns für genau das, was wir zu tun versuchten. Wenn ich mit der Perspektive von mehreren Jahren und ein paar weiteren Star Wars-Filmen zurückblicke, glaube ich, dass J.J. das fast Unmögliche erreicht hat und eine perfekte Brücke zwischen dem, was gewesen war und dem, was kommen sollte, geschaffen hat.
Im Dezember 2015 klang das noch ganz anders. Damals hieß es von Seiten Kennedys, dass der Film Lucas "wirklich gefiel".
So wie es scheint, ist die Zeit in der von Seiten Disneys und Lucasfilm nur über die positiven Seiten der Produktion gesprochen wird, langsam zu Ende zu gehen. Und wer weiß, vielleicht bekommen wir damit in nicht all zu ferner Zukunft doch noch ehrliche Making-Of-Bücher zu den neuen Filmen. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zu letzt.
Allen, die noch einen genaueren Einblick in den Verkauf Lucasfilms an Disney oder generell zur Firma Disney bekommen wollen, sei The Ride of a Lifetime wärmstens empfohlen. Erhältlich ist das Buch beispielsweise bei Amazon.de.
Vielen Dank an Andreacute für den Hinweis zum Thema.
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