Es gibt, was den Krieg der Sterne angeht, gewisse Fakten, die wohl jeder Fan als absolute Wahrheiten betrachten würde. Anakin Skywalker ist Darth Vader, Luke ist Leias Bruder, und George Lucas ist das kreative Genie hinter der Saga. Sollte man zumindest meinen, doch die Coverstory der neuesten Ausgabe des Awkweird Magazine zieht letztere Wahrheit nun in Zweifel: Nicht George Lucas, sondern sein Großvater, der marxistische Philosoph Georg Lukács, soll der eigentliche Erfinder des Kriegs der Sterne sein. Hier der Bericht:
Demaskiert: Der Krieg der Sterne-Betrug des George Lucas
von Jon S. Colbert
Im 1983 veröffentlichten dritten Teil der Krieg der Sterne-Saga erklärte Alec Guinness als Jedi-Meister Obi-Wan Kenobi, Wahrheiten hingen im Allgemeinen vom persönlichen Standpunkt ab. Eine dieser Wahrheiten, so zeigt sich nun, betrifft den Erfinder der Multimilliarden-Dollar-Marke Star Wars.
Die offizielle Wahrheit geht so: Unter dem Eindruck des Vietnamkriegs und der Watergate-Affäre, inspiriert von Comics und Fernsehserien und durch den Misserfolg seines ersten Kinofilms THX 1138 vom Pfad des Avantgarde-Films abgekommen schreibt George Lucas zwischen 1973 und 1976 die Saga vom Krieg der Sterne. Er findet schließlich in 20th Century Fox ein Hollywood-Studio, das bereit ist seine phantastischen Kreationen zu finanzieren und verwandelt den 4. Teil seiner Gesamtgeschichte in einen Film, der im Mai 1977 in die Kinos kommt, alle Kassenrekorde bricht und bis 1983 zwei Fortsetzungen nach sich zieht. Danach geschieht 16 Jahre nichts mehr, bevor Lucas 1999 mit 3 weiteren Filmen die Vorgeschichte seiner ersten Trilogie nachliefert und die Kinosaga 2005 für abgeschlossen erklärt. Dies ist die oft erzählte, einfache Variante.
Unlängst veröffentlichte Tagebuchaufzeichnungen aus dem Nachlass des ungarischen Philosophen Georg Lukács enthüllen die weit komplexere zweite Version. Auch in dieser taucht George Lucas auf, wenn auch erst sehr spät und nicht als kreatives Genie, sondern als bloßer Erfüllungsgehilfe der Visionen seines zu diesem Zeitpunkt bereits verstorbenen Großvaters, der mit seiner dramatischen Vorstudie zum Krieg der Sterne die fundamentalphilosophischen Erkenntnisse seines langen Lebens in eine allegorische Sternenwelt überführen und künftige Generationen dadurch vor seinen Fehlern und Irrwegen warnen wollte. Wer diese Version verstehen will muss zunächst das zutiefst widersprüchliche, zwischen Unterwürfigkeit und Konsequenz hin- und herschwankende Leben des Georg Lukács kennenlernen und begreifen.
Georg Lukács wurde als György Szegedy von Lukács - er war der Sohn eines geadelten jüdischen Bankiers - am 13. April 1885 in Budapest geboren und studierte an den Universitäten von Budapest und Berlin, wo er erste Kontakte zu sozialistischen Kreisen knüpfte. 1906 wurde ihm die Doktorwürde verliehen. Bereits während seiner Studienzeit interessierte er sich für das Theater und war Angehöriger eines Ensembles, dem unter anderem Dramatiker wie Henrik Ibsen, August Strindberg und Gerhart Hauptmann angehörten. Bei seinen späteren Studien in Berlin lernte er 1910 Georg Simmel und 1913 in Heidelberg Max Weber, Ernst Bloch und Stefan George kennen und schätzen. Sie sollten ihm, wie man später sehen wird, am Ende seines Lebens die Inspiration geben, dort künstlerisch zu wirken, wo sich philosophisches Wirken als unwirksam erwiesen hatte. In dieser frühen Phase seines Wirkens war Lukács ein überzeugter Anhänger des Kantianismus und widmete sich daneben dem Studium von Plato, Hegel und Dostojewski.
1915 kehrte Lukács schließlich nach Budapest zurück und begründete dort einen intellektuellen Zirkel, den Lukács-Kreis, der sich aus einem gemeinsamen Interesse für Dostojewski mit verschiedensten kulturellen und gesellschaftlichen Fragen befasste. Als Lukács sich in der Spätphase des Ersten Weltkriegs unter dem Einfluss der Bolschewistischen Revolution in Russland und dem millionenfachen Sterben für imperialistische Mächte dem Kommunismus zuwandte, folgten ihm jedoch nicht alle seiner früheren Freunde. Lukács aber war und blieb fest davon überzeugt, dass die Kommunistische Partei den "bewussten Gesamtwillen" verkörpere, die Rousseausche volonté générale, deren Schicksal es sei, das "Reich der Freiheit" zu verwirklichen. So oft er in den folgenden Jahrzehnten auch von kommunistischen Machthabern bedroht und gedemütigt wurde, so oft kehrte er deshalb reumütig und gleichzeitig ungebrochen in den Schoß seiner Partei zurück.
Unter der nur vier Monate bestehenden ungarischen Räterepublik wurde Lukács stellvertretender Volkskommissar für Unterrichtswesen und war im hoffnungslosen Kampf um die Gesellschaftsform seiner Träume für die Exekution von 8 Kriegsgefangenen verantwortlich. Dies war, wie er zu seinem eigenen Bedauern erst sehr spät erkannte, sein persönlicher Sündenfall.
Nachdem er nach Wien geflohen und nur Dank der Intervention von Freunden wie Heinrich und Thomas Mann vor der Auslieferung an die neue ungarische Regierung bewahrt worden war, widmete sich Lukács der philosophischen Erfassung des Leninismus. Die Grunderkenntnisse aus seinem Hauptwerk jener Zeit, "Geschichte und Klassenbewußtsein: Studien über marxistische Dialektik", sollte er Jahre später in seinem Ausgangskonzept für Krieg der Sterne allegorisch wieder aufgreifen. In der Essaysammlung setzte sich Lukács mit der marxistischen Theorie auseinander und gelangte zu einer bahnbrechenden Neuinterpretation, welche eine wesentliche Grundlage des Neomarximus werden sollte. Im Kern drehte sich seine Arbeit zunächst um das marxistische Konzept der Verdinglichung, also die Kritik, dass das kapitalistische System die Arbeit zur Ware mache und damit den Arbeiter entmenschliche und "verdinge". Lukács verband dies mit der Rationalisierungstheorie von Max Weber und kam zu dem Schluss, dass die von Weber erkannte Rationalität des Arbeitsprozesses die Arbeit erst zur Ware mache, die Arbeit als quantifizierbare Ware aber wiederum Grundlage der Rationalisierung auf allen gesellschaftlichen Ebenen sei, von der Kunst bis ins Recht hinein. Wer Krieg der Sterne unter diesem Aspekt betrachtet findet diese Erkenntnis stark verdichtet in Form des Todessterns, der die technisierte Verapparatung der imperialen Gesellschaft und die daraus folgende Entmenschlichung des Systems pointiert vor Augen führt.
Zur gleichen Zeit versuchte Lukács als Exilungar weiterhin, das inzwischen an die Macht gelangte faschistische Regime in seinem Heimatlandes zu stürzen und forderte deshalb zunächst die Errichtung einer "demokratischen Diktatur" des Proletariats und der Bauern, welche den Weg zur eigentlichen Diktatur des Proletariats ebnen sollte. Da diese Strategie der reinen marxistischen Lehre widersprach, wurde sie von der Kommunistischen Internationale jedoch brüsk abgelehnt. "Noch ein paar solcher Professoren, die ihre marxistischen Theorien spinnen, und wir sind verloren.", soll Komintern-Chef Sinowjew Lukács' Vorstoß kommentiert haben. Lukács fühlte sich von solchen Reaktionen missverstanden und verletzt und konzentrierte sich fortan auf theoretische Arbeiten. Die aktive Politik überließ er nun anderen, doch sein Misstrauen gegenüber Berufspolitikern sollte ihn Zeit seines Lebens nicht mehr loslassen und scheint in der Figur des Tarkin - und von seinem Enkel George geschickt getarnt in Form des Politikerzerrbilds Palpatine - Eingang in den Krieg der Sterne gefunden zu haben.
Anfang der 1930er Jahre kehrte Lukács für kurze Zeit nach Berlin zurück, bevor er nach der Machtergreifung der Nazis in die Sowjetunion flüchtete. Dort sah er sich gezwungen einen Pakt mit dem Teufel zu schließen: Um sein Leben zu retten, wurde er während der Großen Säuberungswelle zum willfährigen Gehilfen des Stalinschen Terrors, eine weitere Erfahrung, die ihn nie mehr loslassen sollte und die sein Enkel George später in Darth Vaders Lebensgeschichte spiegelte. Als Lukács nach dem Krieg nach Ungarn zurückkehrte, begegneten seine früheren Parteigenossen ihm mit Misstrauen. Der Theoretiker galt als Revisionist, der einen dritten Weg zwischen Bourgeoisie und Proletariat suchte und damit als Verräter. Wieder und wieder sah sich Lukács deswegen gezwungen, einen öffentlichen Kotau vor seinen Genossen zu vollziehen, nie allerdings schwor er seiner bereits 1920 formulierten Überzeugung ab: "Kein Sozialismus ohne Demokratie!"
Während des ungarischen Aufstands 1956 war Lukács deswegen ein idealer Vertreter des anderen, des menschlicheren Sozialismus und amtierte als Kulturminister. Den Bruch mit der Sowjetunion wollte er - wie eh und je zwischen Glaube an das Weltproletariat und Abscheu vor den Realitäten zerrissen - dennoch nicht wagen, und so verließ er die Regierung noch vor dem Einmarsch der Sowjetarmee. Dies bewahrte ihn später vor einem Prozess, nicht aber vor einer weiteren Entmachtung und Verbannung. Für die ungarischen Kommunisten war Lukács endgültig zur persona non grata geworden, erst 1967 schlossen sie die kommunistische Philosophenlegende vorsichtig wieder in die Arme.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Lukács aber längst begonnen seinen größten Coup vorzubereiten: Eine allegorische Beschäftigung mit allen philosophischen Erkenntnissen, Fragen und Konflikten seines langen Lebens. Die Entstehung dieses Werks lässt sich bis ins Jahr 1962 zurückverfolgen, als Lukács sich in einer kurzen Abhandlung mit dem Stalinismus beschäftigte. In diesem sogenannten "Privatbrief über Stalinismus" erkannte Lukács, dass Stalin zur Rechtfertigung klassenkämpferischer Herrschaftsmethoden gegenüber der eigenen Kommunistischen Partei das Sektierertum zum Dogma erhoben hatte und sein streng zentralisierter Riesenapparat als Pyramide aus nach unten immer kleiner werdenden Stalins organisiert war. Diese Grunderkenntnis der Tyrannen unter dem Tyrannen ließ Lukács nicht mehr los. Er wollte die Perversion der sozialistischen Idee durch stalinistische Willkür vor aller Welt enthüllen und dazu das Massenmedium seiner Zeit verwenden, von dem ihm sein Enkel George wiederholt vorgeschwärmt zu haben scheint.
Bis 1968 arbeitete er seine Erkenntnisse deshalb in eine dramatische Vorstudie um, welcher er den Titel "Das Tagebuch der Willensvarianten" (Journal of the Wills) gab, ein metaphysisch orientierter Blick in die Seele eines jungen Helden, der den Totalitarimus stalinistischer Prägung als Weltproblem erkennt und dessen imperialistische Willkürtendenzen überwindet. Lukács' Bezüge auf Goethes "Leiden des jungen Werther" sind hierbei unübersehbar, ein Werk, mit dem er sich bereits 1936 enger befasst hatte und dessen Hauptthema der Persönlichkeitsentfaltung in einer bürgerlichen Gesellschaft er nun auf die imperialistisch vergiftete stalinistische Gesellschaft übertrug. "Die kapitalistische Arbeitsteilung", hatte er in seiner Werther-Kritik geschrieben, "auf deren Grundlage erst jene Entwicklung der Produktivkräfte vor sich gehen kann, die die materielle Basis der entfalteten Persönlichkeit bilden, unterwirft sich zugleich den Menschen [und] zerstückelt seine Persönlichkeit zu einem leblosen Spezialistentum."
Diese Grundkritik sollte auch den geistigen Kern des späteren Krieg der Sterne bilden, in dem ein Held die stalinistisch unterjochte Welt unter Rückgriff auf kantianistische Grundüberzeugungen überwindet, um am Ende einen sozialistischen Idealstaat zu erringen. Dem leblosen Spezialistentum des Imperiums wirft sich eine Gruppe vielseitiger Helden entgegen, deren Glieder immer dann erfolgreich sind, wenn sie als Menschen handeln, die sich der Verdinglichung des Imperialismus entziehen und ihre Arbeit nicht aus der entfremdeten Wert-, sondern aus der unmittelbaren Menschlichkeitsperspektive heraus begreifen. Der frei und gleich geborene Mensch überwindet ein System, das Ungleichheit und Unfreiheit institutionalisiert und zieht ein in ein kommunistisches Paradies. Ein Bauernsohn, zwei Arbeiter und zwei zur proletarischen Revolution bekehrte Kapitalisten überwinden dabei den Widerspruch des bürgerlichen Denkens und vereinen in ihrem Sieg über den Totalitarismus Mensch und System in einer neuen demokratisch-sozialistischen Gesellschaftsform.
Lukács war überzeugt mit dieser Botschaft in die Herzen inbesondere der jungen Menschen dringen zu können, um ihnen die utopische Vision des Kommunismus zu offenbaren und gleichzeitig zur Überwindung seiner Fehlentwicklungen aufzurufen. Die Verfilmung seines Lebenswerks konnte Lukács jedoch nicht mehr genießen, denn während sein Enkel George noch nach Geldgebern suchte, starb Lukács 1971 unerwartet in Budapest. In der Folge arbeitete George Lucas das Drehbuch seines Großvaters mehrfach um und veränderte dabei Namen, Abfolgen und Schauplätze, bevor er 1977 schließlich eine stark vereinfachte, eher actionorientierte Fassung von Georg Lukács' Journal of the Wills als Krieg der Sterne auf die Leinwand brachte. Der Erfolg sollte Lucas junior jedoch rechtgeben und aus den komplexen philosophischen Abhandlungen seines Großvaters ein Destillat von nachhaltiger populärkultureller Wirkung machen, dem eine ganze Generation euphorisiert erlag. Der Preis für diesen Erfolg war jedoch hoch, denn Lukács' Vorarbeit ist praktisch vergessen, seine Erkenntnisse in seinem künstlerischen Hauptwerk kaum noch ersichtlich, und aus einer filmischen Warnung vor der Perversion des sozialistischen Totalitarismus ist in der Rezeption ein simples Weltraummärchen geworden, das beim einfachen Konflikt zwischen Gut und Böse stehenbleibt.
George Lucas hat sich öffentlich nie zur Rolle seines Großvaters bei der Entstehung von Krieg der Sterne geäußert, doch sieht man sich seine Filmversionen genauer an, sind die zahlreichen Hinweise auf die wahre Identität des Sagaschöpfers nicht zu übersehen: So belügt der weise Obi-Wan (Lucas) Luke (das Publikum) gleich im ersten Film zur Rolle des maskierten Schurken Darth Vader, ein kleiner, weiser Philosoph (Lukács) wird im zweiten Film als eigentlich mächtigster Jedi-Meister eingeführt, und im dritten Film gesteht Obi-Wan gar seine Doppelzüngigkeit. Es scheint, als habe Lucas bereits zu dieser Zeit Abbitte für seine Täuschungsgeschichte leisten wollen, und nur so erklärt sich vielleicht auch die 16jährige Pause nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Betrachtet man sich die sehr viel pointiertere, komplexere Darstellung der Welt in seinen Prequels, so hat Lucas die Zeit offenbar dazu genutzt, die eigentlichen Konzepte seines Großvaters verstehen zu lernen. Zudem finden sich gerade in der zweiten Krieg der Sterne-Trilogie wieder viele Andeutungen und Hinweise auf den ursprünglichen Schöpfer der Saga: Ein weiterer maskierter Bösewicht tritt unter den Namen "Sidious" (von insidious=heimtückisch) auf und manipuliert das Universum von hinter dem Vorhang, ein Held (Lukács) macht sich während einer Großen Säuberung zum Gehilfen des Bösen, während die Jedi-Philosophen zum Zuschauen verdammt sind und die Welt in Terror und Krieg versinkt. Die Idealwelt, die Palpatine im Herzen anstreben mag, muss zur Dystopie werden, da die Demokratie dem Plan geopfert wird, ganz wie Lukács stets argumentiert hatte.
Was also bleibt von den großen Visionen des Georg Lukács? Zum einen würde es ihn vielleicht gefreut haben, dass das Rüstungsprogramm, welches mit dem Namen seiner Filmallegorie verknüpft ist, wesentlich zur Zugrunderüstung des totalitären Sowjetreiches beitragen konnte, zum anderen lebt Lukács' Vermächtnis in der von seinem Enkel stark erweiterten Saga vom Krieg der Sterne weiter, hatte Lucas junior den ersten Spross jener Heldenfamilie, um die sich seit Episode I alles in der weit, weit entfernten Galaxis rankt, doch mit Blick auf seinen Großvater benannt: Skywalker - Der durch den Himmel geht. Die Tragödie des Anakin Skywalker ist so zum Widerhall der Tragödie des Georg Lukács geworden, eines Mannes, der stets das Beste wollte, dem Bösen erlag und schließlich ins Licht zurückkehrte. Möge er am Ende des Kriegs der Sterne seinen Frieden finden.
Soweit also das Awkweird Magazine. Offizielle Reaktionen und mehr, sobald wir davon hören.
Update
Lucasfilm hat kurz und knapp reagiert: April, April.
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