Rogue One führt zurück in die Geschichte: Die der weit, weit entfernten Galaxis vor Star Wars: Eine neue Hoffnung, aber auch die unserer Welt, in der wir dem Vorbild einer zentralen Figur des Films begegnen.
Wir wussten, dass die Welt nicht mehr die gleiche sein würde. Einige lachten, einige weinten. Die meisten waren stumm. Ich erinnerte mich an einen Satz aus den Schriften der Hindus, die Bhagavad Gita. Vishnu versucht, den Fürsten davon überzeugen, seine Pflicht zu tun, und um ihn zu beeindrucken nimmt er seine vielarmige Gestalt an und sagt: Jetzt bin ich der Tod geworden, Zertrümmerer der Welten. Auf die ein oder andere Weise dachten wir das wohl alle.
-Robert Oppenheimer
Die Entwicklung von Atomwaffen erfolgte während des Zweiten Weltkriegs auf alliierter Seite im Rahmen des Manhattan-Projekts, eines streng geheimen Forschungsprogramms, das Rogue-One-Ideengeber John Knoll direkt bei seiner Konzipierung des Films beeinflusste. Robert Oppenheimer, der Leiter des Programms, wurde zum Vorbild von Galen Erso, der im Film ebenfalls an einer Waffe von unfassbarer Zerstörungskraft arbeitet.
Pablo Hidalgo von der Lucasfilm-Story-Group erzählt dazu: „John Knolls erstes Handlungskonzept trug den Titel „Zertrümmerer der Welten” und war direkt einem Interview mit Oppenheimer entnommen, in dem er seine Reaktion auf den Einsatz seiner Waffe anhand der Bhagavad Gita schildert. Auf dieser Grundlage konnten wir nicht umhin, über das atomare Wettrüsten und die Geheimnisse, die es umgeben, nachzudenken.”
Auch Regisseur Gareth Edwards hatte schon früh in seiner Karriere mit dem Kernwaffen-Thema zu tun. Als visueller Effektkünstler war er an der BBC-Dokumentation Hiroshima (2005) beteiligt, in der die Geschichten der Verantwortlichen des ersten Kernwaffeneinsatzes anhand von Spielszenen und Interviews erzählt wurden.
Edwards sagte dazu später: „[Oppenheimer] empfand am Ende großes Bedauern über seine Arbeit und sprach sich offen gegen seine Schöpfung aus. Ich fand diesen Aspekt sehr interessant: Wir haben hier jemanden, der versucht, einen Krieg zu beenden, aber dafür etwas entwickelt, das katastrophale Verheerungen anrichten kann. Es ist eine Geschichte, die nicht schwarz oder weiß ist.”
Unter Edwards' Regie entstand Rogue One später unter dem Kodenamen Los Alamos, jener Stadt in New Mexico, in der das Manhattan-Projekt entwickelt wurde.
„Wenn man sich dieses Beispiel aus unserer Geschichte ansieht”, meint Pablo Hidalgo, „kann man verstehen, wie es wohl wäre, als isolierter Wissenschaftler an einer Megawaffe zu arbeiten.” Die Einführung von Galen Erso als Wissenschaftler in der Tradition Oppenheimers wurde so zum emotionalen Kern des Films, und genau wie seine Schöpfung das Schicksal der Galaxis entscheidend beeinflusste, wurde Galen selbst zum entscheidenden Faktor von Rogue One.
„Wir nennen es den Todesstern”, sagt Galen in seiner Botschaft an die Filmheldin Jyn Erso. „Es gibt keinen besseren Namen, und der Tag wird bald kommen, an dem er entfesselt wird.” Die ganze Formulierung und Haltung erinnern an Oppenheimer, der Hiroshima als einen schrecklichen Moment des Erwachens erlebte.
Neben realen historischen Vorbildern, gibt es bei Rogue One jedoch auch noch die fiktiven, die in den Hallen von Lucasfilm in San Francisco in Form klassischer Kinoplakate vom filmhistorischen Erbe von Star Wars erzählen und die Mitarbeiter der Filmschmiede tagtäglich daran erinnern, auf welchen großen Schultern die Saga steht.
Sich von früheren Filmen inspirieren zu lassen, wurde dabei während der Arbeit an Rogue One fast zu einer eigenen Kurzsprache. Pablo Hidalgo erzählt, dass Konzepte und Vorschläge wahlweise am Beispiel tatsächlicher Ereignisse oder von Filmelementen verdeutlicht wurden. Der Durchbruch kam, als klar wurde, dass der Film beides sein würde, Heistfilm, in dem eine Gruppe unwahrscheinlicher Helden eine scheinbar aussichtlose Mission übernimmt, und Metapher des Atomwaffenzeitalters.
Die Heistfilme, die dabei zu Vorbildern wurden, spielten oftmals im Zweiten Weltkrieg und erfreuten sich in den 1960er Jahren großer Beliebtheit. Bei der Konzeption von Rogue One waren es Filme wie Die Kanonen von Navarone (1961) und Agenten sterben einsam (1968), über die sich die Los-Alamos-Autoren unterhielten.
„Die Kanonen von Navarone erzählt im Grunde die Geschichte eines kleinen Trupps, der gegen eine große, mechanische Bedrohung antritt”, so Hidalgo. „Dabei hängt ein größeres Unternehmen, das im Film nicht im Mittelpunkt steht, vom Erfolg dieses Einsatzes ab. Und auch die Zusammensetzung des Einsatztrupps mit seiner bunten Mischung an Persönlichkeiten ähnelt Rogue One”, wobei Jyn Ersos Rebellen an die Stelle der Attentäter, Sprengstoffexperten und Saboteure des Weltkriegsabenteuers treten.
Auch visuell gibt es in Rogue One eine entfernte Anlehnung an Die Kanonen von Navarone: Die Insellage des Todessternplanarchivs auf Scarif wurde – allerdings in exotisierter Form – aus der Vorlage übernommen.
Und dort, auf Scarif, kommt dann auch Agenten sterben einsam ins Spiel, denn dieser Film diente als Vorlage für die Infiltration der Zitadelle. An die Stelle von Clint Eastwood als Leutnant Schaffer tritt in Rogue One Diego Luna als Cassian Andor, der wie sein Vorbild in feindlicher Uniform in das Planarchiv vordringt. Auch die Geheimhaltung seiner wahren Befehle, Galen Erso zu töten, stammt aus der Filmvorlage: Dort ist es Richard Burtons Major Smith, dessen wahre Geheimmission seinen Mitstreitern unbekannt ist.
„Rogue One zeigt, dass Star-Wars-Geschichten von überall her kommen können”, meint Pablo Hidalgo. „Im Literatur- und Serienbereich haben wir diese Erfahrung schon früher gemacht, nun sehen wir eine solche Geschichte, in der einmal Figuren im Mittelpunkt stehen, die wir sonst selten im Rampenlicht erleben, auch auf der Kinoleinwand.”