Bereits gestern veröffentlichte die offizielle Seite folgenden Bericht über George Lucas' Erstlingswerk THX-1138:
Vor der Neuen Hoffnung: THX 1138
Bist Du, oder warst Du jemals?
Als George Lucas mit seiner Arbeit an Krieg der Sterne begann, ahnte er vermutlich nicht, daß dieser Film alles überschatten würde, was er zuvor getan hatte. Heute sind viele junge Fans, die das Lucasfilm-Pantheon für sich entdecken, mit der Krieg-der-Sterne-Trilogie, Willow und den Indiana-Jones-Filmen vertraut, während sie American Graffiti wohl nie gesehen und von THX 1138 noch nicht einmal gehört haben.
THX 1138 war George Lucas' erster abendfüllender Film und sein erster Ausflug in die Science-Fiction. Dreiundreißig Jahre nach seiner Veröffentlichung 1971, ist THX 1138 vom Erfolg späterer Lucasfilm-Projekte in ein Schattendasein gedrängt worden, doch vergessen ist er nicht. THX 1138 war eine einmalige filmische Errungenschaft, die auch für heutige Zuschauer mitreißend und aktuell bleibt und für Fans von Krieg der Sterne interessant sein sollte.
Die Geschichte von THX 1138 ist häufig mit den Arbeiten visionärer Autoren wie George Orwell, Aldous Huxley und Philip K. Dick verglichen worden. Dennoch liegt die Stärke des Films, der wie Krieg der Sterne von allen nur denkbaren Werken - von Flash Gordon bis Akira Kurosawa - inspiriert wurde, in seiner Fähigkeit, eine große Vielzahl von Ausgangseinflüssen zu verbinden, um eine neue Erfahrung zu schaffen.
Der Klappentext der Heimvideo-Veröffentlichung von Warner aus dem Jahr 1983 beschreibt den Film so: "Das 25. Jahrhundert: die Menschheit ist in den Untergrund gekrochen, um wie Insekten in einem hochtechnisierten, computerisierten Bienenstock zu leben, in dem Männer und Frauen, mit Drogen ruhiggestellt, in einer Starre dahinexistieren, ohne Namen, ohne Identität, ohne Elend... und ohne Erinnerung an das Geburtsrecht, das sie aufgegeben haben." Der Film folgt dem Schicksal von THX 1138, hervorragend dargestellt von Robert Duvall in einer seiner ersten Hauptrollen, und seiner Zellengenossin LUH 3417, gespielt von Maggie McOmie.
THX und LUH beginnen, unter der Belastung ihres starren Lebens zu zerbrechen, sie hören auf, Drogen zu nehmen, sie fangen an, ein illegales sexuelles Verlangen füreinander zu empfinden. Die zentralen Autoritäten greifen ein, THX wird der "kriminellen Drogenflucht" beschuldigt und eingesperrt. Schließlich wagt THX eine wahnsinnige Flucht in die Freiheit und erreicht die Oberfläche. Ist dies ein Augenblick des Triumphs oder einfach eine Flucht auf eine unbewohnbare, nuklearverbrannte Erde? Es ist an dem Zuschauer, diese Entscheidung zu fällen.
Obwohl der Film nie ein breites Publikum erreichte, hinterließ THX 1138 seine anti-utopischen Spuren im amerikanischen Bewußtsein. Man erinnere sich nur an einige seiner einprägsamen Bilder. Maggie McOmie sah mit ihrem rasierten Kopf hinreißend aus, Jahre vor Persis Khambatta oder Sinead O'Connor. Die Aufnahmen, auf denen Rodney King von Polizisten verprügelt wird, sehen aus, als hätten sie aus einer THX-Szene stammen können, in der man auf einem Fernsehschirm sah, wie Roboterpolizisten mit Schlagstöcken auf einen Mann einschlugen. Die bedrückende Musik von Lalo Schifrin geht einem ähnlichen Hörexperiment wie Brian Enos Musik für Airports zeitlich voraus. Chrom-Polizisten, die in Wände hineingehen, Massen glatzköpfiger Kinder, Roboterbeichtstühle im Telefonzellenformat - all diese Bilder setzen sich im Bewußtsein des Zuschauers fest.
Es ist schwer zu glauben, daß zwei so völlig verschiedene Science-Fiction-Erlebnisse vom gleichen Mann erdacht wurden. Krieg der Sterne ist eine bunte, ausgelassene Weltraumoper voller Hoffnung, Freude und Spannung, THX 1138 hingegen eine einengende, paranoide Vision der Zukunft, vermischt mit einem Hauch schwarzen Humors.
Trotz dieser Unterschiede, war der Erfolg von Krieg der Sterne der Hauptgrund für die Wiedergeburt von THX 1138. Fans, die 1971 die albtraumhafte Zukunftsvision des Films genossen hatten, hatten ihre ganz eigenen Erwartungen für Krieg der Sterne. Als dieser 1977 uraufgeführt wurde, kamen die heftigsten Kritiken von Science-Fiction-Puristen, die dem Film vorwarfen, ihm mangele es an Konzepten und Eigenständigkeit, während er es mit westernhaften Kampfeinlagen übertreibe. Science-Fiction-Autor Harlan Ellison verursachte mit seiner Kritik im Starlog großen Aufruhr. Es kam sogar zu hitzigen Debatten mit Mark Hamill während dessen unermüdlicher Werbearbeit für den Film.
Ben Bova, der Herausgeber des Science-Fiction-Tageblatts Analog, und Autor der Romanadaption von THX 1138, zeigte sich 1977 in einem Brief an die New York Times enttäuscht über Krieg der Sterne: "Wir, die wir beruflich im Bereich Science-Fiction arbeiten, erwarten mehr von einem Science-Fiction-Film, als lange Feuergefechte im Stil einer Samstag-Nachmittags-Serie. Wir sind schon oft enttäuscht worden, aber ich hatte von Lucas mehr erwartet." Bova bedauerte seine Worte vermutlich, als Krieg der Sterne daranging, eine neue Generation von Science-Fiction-Fans hervorzubringen, von denen einige vielleicht sogar Leser des Analog wurden. Im Endeffekt war Krieg der Sterne eben nicht für alle Science-Fiction-Fans das absolute Nonplusultra. Als der Film fast im Handumdrehen der beliebteste Science-Fiction-Film aller Zeiten wurde, erhoben ihn all jene, die der Meinung waren, daß wahre Science-Fiction nur in den reifen intellektuellen Romanen von Arthur C. Clarke und Robert Heinlein zu finden war, zum Blitzableiter für ihre Enttäuschung.
Was diese Kritiker 1977 übersahen, war, daß George Lucas sein reifes, intellektuelles Science-Fiction-Epos bereits sechs Jahre zuvor in der Form von THX 1138 geschaffen hatte. In fast jeder Hinsicht war THX 1138 ein kreativer Erfolg. Finanziell versagte der Film, doch erhielt er wohlwollende Kritiken und wurde sogar bei den Filmfestspielen von Cannes gezeigt.
Lucas war ein abenteuerlustiger Filmemacher. Es machte THX 1138 und war stolz darauf. Auf keinen Fall wollte er das gleiche noch einmal machen, er hatte es ja letztlich schon zweimal gemacht, da THX 1138 eine erweiterte Fassung eines seiner Kurzfilme aus Studententagen war.
Sein Stück futuristisch-tiefgründige Science-Fiction war damit gemacht, nun wollte er einer Generation, die ohne Mythen aufgewachsen war, eine neue Art Märchen geben. Jeder in der näheren Umgebung von Lucas erwartete von ihm, daß sein zweites Science-Fiction-Werk völlig anders sein würde, als sein erstes. Dennoch beschuldigte man Lucas, er habe der intellektuellen Science-Fiction-Anhängerschaft den Rücken zugekehrt.
Nichts für Kinder
THX 1138 ist zweifelsohne ein Film für Erwachsene. Man könnte Krieg der Sterne vorwerfen, Kinderwünsche zu befriedigen, ganz besonders dann, wenn man den Vergleich zu THX 1138 zieht. Lucas Erstlingswerk beschäftigt sich ausführlich mit den Themen Gewalt und Sexualität. Seine Inszenierung ist in Punkto Rhythmus und Geschwindigkeit für ein Kind wie eine Schlaftablette. Viele Kinder gingen 1977, während der kurzen Wiederveröffentlichung von THX 1138, in der Hoffnung in die Lichtspielhäuser, mehr Krieg der Sterne zu sehen (die Werbekampagne tat wenig, um diese Erwartungen zu verhindern) und verließen das Kino erschüttert und verwirrt.
Dennoch gelang es dem Film, sich in der Psyche einer so großen Zahl frühreifer Kinder festzusetzen, daß er in den 90ern als Einflußquelle für die Cyberpunk-Szene wiederauftauchte. THX bringt geisteskontrollierende Drogen, Roboterpolizisten und eine Motorradverfolgungsjagd - und klingt damit wie das neuste Science-Fiction-Computerspiel oder eine Episode von Robocop.
Der Film wurde zum beliebten Kultgegenstand und häufig in Mitternachtswunschkinos gezeigt. Einige reaktionärere Kreise beharren darauf, daß er bis heute Lucas' bester Film ist.
Mitte der 1990er Jahre erlebte THX 1138 eine kurze Renaissance auf den Seiten von Magazinen der technisch-cyberkulturellen Szene, wie dem Nexus 6 in Los Angeles, das eine Titelgeschichte über den Film veröffentlichte. Man kann dies als Beweis für die andauernde Wirkung des Films sehen, vor allem wenn man in Betracht zieht, daß der Film zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Jahre nicht mehr als Videokassette, sondern nur auf Laserdisk erhältlich war.
Ein weiterer Grund für das fortdauernde Interesse an THX 1138 ist der, daß der Film in jener Zeit produziert wurde, die von vielen Filmkritikern als letztes goldenes Zeitalter des amerikanischen Films angesehen wird: in den frühen 70er Jahren. In dieser Zeit wurden viele herausfordernde Filme veröffentlicht, mit glanzlosen Helden und unsympathischen Hauptfiguren. Neben THX 1138 fallen Filme wie Coppolas Der Dialog, Peckinpahs Bring mir den Kopf von Alfredo Garcia und Ashbys Das Letzte Kommando in diese Kategorie. Jeder dieser Filme ist verwegen und außergewöhnlich, mit großartigen Schauspielern und dabei ganz frei von tradierten Hollywood-Standards.
Außerdem weist THX 1138 eine Vielzahl von klassischen Lucas-Stärken auf: hervorragender Einsatz des Tons und eine ungeheuere Fähigkeit, jedes Budget bis zum Äußersten auszunutzen. Es gibt in THX 1138 eine Szene, in der eine Gruppe Internierungsbeamter Robert Duvall foltert, indem sie ihm mittels eines Computers Schmerzimpulse ins Hirn jagt. Die ganze Szene wird von einer Tonmontage getragen, die Lucas' Freund und Mitarbeiter Walter Murch entwickelte und die aus Hintergrundgeräuschen, Hintergrunddialogen und dem Kreischen des Schmerzcomputers zusammengesetzt ist. Dieser geschickte Einsatz des Tons wurde auch in Krieg der Sterne angewandt, in dem auf die Sekunde genau geschnittene Toneffekte den Zuschauer während der Raumkampfsszene auf dem Höhepunkt des Films in die Pilotenkanzeln und wieder herausführten. Man muß diese Filme nur ohne Ton sehen, um dessen Bedeutung zu begreifen und wertzuschätzen.
Daneben lernte Lucas bei THX auch, wie man sicherstellte, daß jeder Pfennig des 700.000 Dollar großen Budgets auf der Leinwand zu sehen war. Lucas arbeitete mit einer kleinen Mannschaft und verwendete zum größten Teil bestehende Gebäude als Kulissen, darunter das Marin-Gemeindezentrum und den noch nicht fertigestellten BART-Tunnel und genehmigte sich selbst nur ein kleines Gehalt. Es gelang ihm, Dank der atemberaubenden Kameraarbeit von Dave Meyers und Albert Kihn ein raffiniertes Werk zu schaffen. Was er für sein Geld an Stil und Atmosphäre bekam, ist noch immer einer der besten Aspekte des Films (und verlangt förmlich danach, im Breitbild-Format gesehen zu werden, da viele der besten Einstellungen im klassischen Vollbildtransfer verlorengehen).
Dieses Kostenbewußtsein wurde in Krieg der Sterne fortgesetzt, wo für Hunderte von Effekten nur ein 10-Millionen-Dollar-Budget zur Verfügung stand. Man vergleiche dies nur mit einem Film wie 2001, dessen 32 Effekteinstellungen für etwa das gleiche Geld produziert wurden.
Diesen Herbst ist die Zeit endlich gekommen, THX 1138 auf DVD zu erleben: am 14. September 2004 präsentieren Lucasfilm und Warner Bros. Home Video THX 1138: The George Lucas Director's Cut in einem 2er-DVD-Set. Erstzuschauer werden überrascht sein, wie sehr der Film in Punkto Tonbrillianz und überwältigender Bilderwelt anderen Lucas-Projekten ähnelt - und wie er sich von ihnen abhebt, durch seinen asketischen Umgang mit Sex und Politik. Lucas betrachtet THX 1138 noch immer als einen der Filme, deren Produktion ihm am meisten Spaß gemacht haben, selbst wenn der Film kommerziell der unerfolgreichste war. Alle Regisseure sollten das Glück haben, ihre persönliche Vision in ihrem ersten abendfüllenden Film zu verarbeiten.
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Ich habe THX mal im Fernsehen gesehen und war vollkommen begeistert. Diese surreale Stimmung war und ist einfach wegweisend.
Ich denke, dass Lucas in Episode 2 ein wenig THX reingebracht hat. Mich haben die Kamino-Szenen von der Atmosphäre her sehr an THX erinnert. Ich weiß nicht, ob das noch jemanden so geht, aber die Aufnahmen von den willenlosen Kindern und den Klonen, die marschieren erinnerten mich sehr an Lucas erstes Werk. Ich glaube, dass Lucas in Episode 2 sich bewusste an THX angelehnt hat und hat somit eine weitere Szene voller technischer, intellektueller und emotionaler Brillianz erschaffen.
MfLuder
Darth Saibot
Keek
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