EIN GESPALTENER STAMM:
Das Fandom zerfällt in zwei Teile
Kolumne von Oliver Denker
Wenn man so Prequels - Original Trilogy Diskussionen im Fandom betrachtet, kann man nicht umhin zu bemerken, dass es sich bei der Sache vielleicht um einen Generationenkonflikt handelt. Die Frage, wie man zu den Prequels steht, hat offensichtlich das Star Wars Fandom in seiner Mitte gespalten.
Der Konflikt
Auch auf dieser Site taucht das Thema Pro/Anti-Prequels in den Kommentaren fast jeder Meldung auf. Wer die Kommentare verfolgt, weiß was ich meine. Das Szenario verläuft meist so: Eine Meldung zu den Prequels auf die ein Kommentar folgt a`la „...dass dieser Charakter in den Prequels auftritt ist ein Bruch mit der Kontinuität der OT. George Lucas weiß nicht mehr was er tut. Die OT ist sowieso besser.“ So eine Bemerkung wird von Anhängern der Prequels nicht ignoriert. Spätestens zwei Beiträge später folgt eine Replik, die zumeist so klingt: „Wenn dir das nicht gefällt, brauchst du EPIII ja gleich gar nicht anschauen. Mir geht das ewige Genörgle über die Prequels auf die Nerven. Warum haust du nicht ab und läßt uns hier unseren Spaß?“ (Diese Kommentare klingen in Wirklichkeit natürlich viel schärfer. Eher so, als würden sich zwei schlecht erzogene 8-jährige miteinander zanken).
Diesen Ablauf findet man nicht nur hier, sondern überall im Fandom, über die ganze Welt verteilt. Denn bei dieser Frage geht es um grundsätzliches: Wie steht man zu den neuen Filmen?
Die eine Seite fühlt sich durch die Prequels verraten und ist enttäuscht darüber, dass ihre langjährige Hingabe nicht mit etwas belohnt worden ist, dass mehr ihren Vorstellungen entsprochen hätte. Die andere Seite fühlt sich durch die Kritik angegriffen, sägt die doch an dem Ast, an dem sie ihr Fanheil (die Prequels) festgemacht haben.
Natürlich gibt es Überläufer aus beiden Camps, aber die bilden eher die Ausnahme.
So ergeben sich zwei sich unversöhnlich gegenüberstehende Lager: Die ewigen Nörgler ("damals war alles besser"), die jede Prequelepisode mit noch größerem Unverständnis hinnehmen und die ewig Genervten ("verpißt euch!"), die Fans, die OT und Prequels problemlos miteinander verbinden. (Na ja, dann gibt´s da noch die, die nur die Prequels mögen und mit der OT nichts anfangen können. Dabei handelt es sich aber um eine statistisch vernachlässigbare Minderheit.)
Klingt nach einem klassischen Generationenkonflikt.
Ursachen
Auf der ersten deutschen Star Wars Convention (ca. 1981 oder so) führten wir eines nachts bei Kerzenlicht, zwischen unzähligen Schlafsäcken, eine Diskussion über die Zukunft des Fandoms und die Probleme, die durch Jedi für das Fandom entstehen könnten. Viele befürchteten, dass durch Jedi eine neue Generation von Fans ins Fandom eintreten würde, die A New Hope und Empire zuvor nicht im Kino gesehen hatten. D.h. sie würden nicht nachvollziehen können, was wir, die damaligen 'Oldtimer', mit Star Wars verbanden (klingt im Vergleich zur heutigen Kontroverse ziemlich naiv, ich weiß, aber damals war es uns ernst damit). Daraus ist nichts geworden, denn das Fandom hatte nach Jedi nicht lange genug Bestand, um daraus ein ernsthaftes Problem werden zu lassen.
Woran liegt es, dass es nun heute zu so unterschiedlichen Auffassungen kommen konnte? Wie kommt es, dass die OT fast uneingeschränkt Zustimmung erfährt, während sich an den Prequels die Geister scheiden? Sind die beiden Trilogien wirklich so unterschiedlich?
Am Anfang der Prequels gibt es die Star Wars Fanfare und das Roll-on, genau wie bei der OT. Der Autor und Regisseur lautet George Lucas, genau wie bei der OT. John Williams steuert die Musik bei, genau wie bei der OT. Die Special Effects sind bahnbrechend, genau wie bei der OT.
Sind die Darsteller der Prequels schlechter? Ansichtssache. Ein guter Schauspieler ist immer nur so gut oder schlecht, wie es seine Rolle zuläßt (Mark hatte zudem nicht nur lichte Momente in A New Hope und Carrie und Harrison sind praktisch durch Jedi geschlafwandelt).
Ist das Design schlechter? Auch Ansichtssache. Es mußte sich durch den Zeitunterschied zwangsläufig von der OT unterscheiden. Tatsächlich sind die Prequels was den Look angeht, einheitlicher, als die OT.
Ist die Geschichte schlechter? Eigentlich auch nicht. Anakins Verwandlung in Darth Vader, vor dem Hintergrund des Untergangs der Republik, des Untergangs der Jedi-Ritter, des Aufstiegs des Imperiums. Klingt gar nicht übel. Genug Stoff, um 10 Filme daraus zu machen.
Warum also, zieht uns die Geschichte des Anakin Skywalker nicht so in den Bann, wie die des Luke Skywalker? Das Problem liegt in der Erzählperspektive.
Eine Frage der Perspektive
Wenn man mich frägt, was den größten Unterschied zwischen den Prequels und der klassischen Trilogie ausmacht, würde ich sagen, dass dies nichts mit Design, Namen oder Effekten zu tun hat, sondern mit der Erzählperspektive.
Jeder Autor wählt vor dem Schreiben eines Romans oder eines Drehbuchs eine Erzählperspektive. In der Literatur sind wir uns dessen mehr bewußt (insbesonders bei der Ich-Perspektive), als beim Film. Aber auch die Handlung eines Films wird aus einer bewußt gewählten Perspektive erzählt.
Zumeist lassen sich diese auf drei Grundstrukturen reduzieren:
1) Die filmische Entsprechung der strengen Ich-Perspektive. Hier erleben wir die Geschichte durch die Augen des Hauptcharakters. Wir, die Zuschauer, erfahren oder wissen nichts, was der Hauptcharakter nicht auch weiß, denn er kommt praktisch in jeder Szene vor. Diese Filme sind eher selten, da sie schwer zu schreiben sind, dafür die spannendsten. Wenn´s langweilig zu werden droht, kann man nicht einfach zu einem anderen Charakter schneiden. Die Spannung jeder Szene muß sich aus der vorhergehenden entwickeln und aufbauen.
2) Die filmische 3. Person. Auch hier wird der Film durch einen Hauptcharakter(e) erzählt, man bleibt aber nicht sklavisch an diese(n) gebunden. Sobald der handelnde Charakter auf jemanden trifft, kann dieser neue Charakter auch zeitweilig die Funktion eines Erzählers übernehmen, d.h, man kann zu diesem Charakter schneiden. Dies ist die klassische Erzählform des Kinos.
3) Die Gott-Perspektive: In dieser Perspektive ist man an keine Einschränkungen gebunden. Man kann hin- und herspringen wie man will. Zu jedem Charakter oder Handlungsraum, zu dem man Lust hat. Dies ist die heutig gängigste Perspektive im Blockbusterkino. Vorteil: Leicht zu schreiben. Nachteil: der Zuschauer stellt keine emotionale Bindung zum Hauptcharakter her, fühlt sich in die Geschichte des Hauptcharakters nicht richtig eingebunden. Diesen Nachteil versucht man durch einen erhöhten Aufwand an Effekten und Ausstattung auszugleichen.
Die Star Wars Perspektive
In der klassischen Trilogie haben wir uns durch die Augen von Luke, Han, Leia, (mit Einschränkungen) Vaders, C-3POs und R2-D2s im Star Wars Universum bewegt. Wir haben die Geschichte Lukes durch dessen Augen oder die ihm eng verbundenen Personen erlebt. Die Szenenwahl hatte sich auf die Erlebnisse der drei handelnden Hauptcharaktere beschränkt. Orte wie Coruscant oder Personen wie der Imperator blieben hörensagen, solange sich die Hauptcharaktere dort nicht hinbegeben oder getroffen haben. Die Erzählperspektive blieb eine intimere, charakterbezogene, eine klassische.
In der Schlacht um Hoth zum Beispiel, erlebten wir den Kampf gegen das Imperium aus der Perspektive von Luke. Diese Wahl der Perspektive ließ uns den Kampf hautnah erleben, beteiligte uns emotional am Geschehen und an Lukes Schicksal.
In den Prequels hat sich das verändert. Die Anzahl der Charaktere und der Schauplätze hat sich enorm erweitert. George Lucas wählte daher eine neue Erzählperspektive, die eine Abkehr von der klassischen Perspektive der OT bedeutete. Er wandte sich hin zu einer eher gottartigen Perspektive. Damit liegt er im Trend anderer großer Hollywoodfilme unserer Zeit. Diese Perspektive entspricht vielmehr dem Zeitgeist, dem des CNN-Zeitalters und des Internets, der Sofortverfügbarkeit (Realtime) von Daten und Informationen. In den Prequels werden uns Dinge vorgeführt, die wir in der OT nie zu sehen bekamen.
Das Problem an der Gott-Perspektive ist nur, dass sich der Zuschauer nach einiger Zeit in der Vielzahl von Charakteren und Schauplätzen etwas verloren fühlt. Wenn wir als Zuschauer keine emotionale Bindung zu den handelnden Charakteren herstellen können, verlieren wir meist schnell das Interesse an der Handlung, denn wir fühlen uns von der Handlung ausgeschlossen, ignoriert. Da hilft es auch nicht, wenn uns mancher Charakter, wie Yoda oder R2 vertraut vorkommt.
George Lucas wollte in den Prequels Dinge zeigen, die tricktechnisch in der OT nicht möglich gewesen wären. Damit war aber auch eine Veränderung der Erzählperspektive unvermeidlich.
Da geht mein Vorwurf an George Lucas: die Grundkonzeption der Prequels stimmt nicht. Wenn er wirklich die Geschichte Anakins erzählen wollte, hätte er eine emotionalere Erzählweise wählen und sich auf Anakins Geschichte konzentrieren müssen. Dagegen hat er alles mögliche in die Prequels reingesteckt, die nicht direkt mit Anakins Lebensweg etwas zu tun haben. Lucas wollte alles zeigen und hat am Ende fast nichts gezeigt.
Und wenn alle 6 Episoden einen großen Film ergeben sollen, dann war dieser Bruch in der Erzählweise sowieso ein Sakrileg. Denn wer einmal eine Perspektive für ein fiktionales Werk gewählt hat, der muß sich auch dran halten und kann nicht in der Mitte die Richtung wechseln (das geht vielleicht in einem offenen Film, aber nicht im klassischen Erzählkino).
Eine Lösung fürs Fandom in Sicht?
Im Fandom stehen sich heute wirkliche Generationenunterschiede gegenüber (nicht wie bei unser Gespensterdiskussion vor Jedi). Die einen haben A New Hope noch im Kino erlebt, die anderen haben erst über den Release der Special Edition zu Star Wars gefunden. Wir werden uns in den Kommentaren wohl weiterhin in den Haaren liegen. Läßt sich dieser Konflikt im Fandom lösen? Wohl kaum. Wie bei jedem Generationskonflikt liegen ihm unüberbrückbare Ansichten zugrunde, die notwendig sind, so dass sich die neue Generation von der alten trennen kann, um ihren eigenen Weg zu finden.
Meine Meinung. Ich bin aber auch nur ein alter Nörgler.
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Fundsache
George Lucas ist dafür bekannt (und gibt es selber gerne zu), bei anderen Werken des Films, oder der Literatur oder bei Comics (drücken wir´s mal vorsichtig aus) Anregungen für seine Filme zu sammeln. Eine meiner Lieblingsbeschäftigungen bei Star Wars war es schon immer, nach solchen potentiellen Anregungen Ausschau zu halten. Ich glaube, ich habe letzte Woche wieder eine gefunden.
Lucas ist ein riesiger Fan der Flash Gordon Comics. Er besitzt eine große Sammlung und wollte ja auch ursprünglich, statt Star Wars, einen Flash Gordon Film machen, doch Dino DeLaurentis besaß bereits die Rechte. Gordon Ansätze finden sich überall in den Star Wars Filmen, insbesonders in den Prequels.
Ich fand in einem Gordon Strip eine Szene, die die Inspiration für die Hinrichtungssequenz in der Arena auf Geonosis sein könnte. Ich finde, die Paralellen sind verblüffend.
Nachtrag zur letzten Kolumne
Ich bekam einige gutgemeinte (und ein paar nicht so gutgemeinte) Zuschriften hinsichtlich meiner Meinung zu AOTC. Die gutgemeinten hatten die Absicht, mich von meinem falschen Weg abzubringen und mir die Logikfehler in meiner Argumentation aufzuzeigen. Die nicht so gutgemeinten riefen mich dazu auf, endlich mit der 'blöden Erbsenzählerei' aufzuhören, mich zu verpissen und den echten Fans Platz zu machen. Auf so was steh' ich, ehrlich. Aber es ist niemandem gelungen, mich zu überzeugen. Im Gegenteil.
Es geht mir nicht um Logik und Erbsenzählerei. Star Wars ist ein Märchen und hat nichts, aber auch rein gar nichts mit Logik zu tun. Aber jedes Werk hat eine innere Gesetzmäßigkeit und die sollte der Schöpfer nicht über Gebühr strapazieren.
Wenn ein Roboter beinahe Superkräfte bekommt und über mehr Intelligenz und Persönlichkeit verfügt, als der Rest der Darsteller im Film, dann ist etwas faul im Staate Dänemark.
Was mich nur überrascht, ist nicht die Tatsache, dass diese selbsternannten 180%-tigen Fans über die von mir erwähnten Punkte einfach hinwegsehen und weitermachen, als wäre nichts geschehen, sondern der Tonfall und das Maß an Agressivität, das in ihren Reaktionen zum Ausdruck kommt. Also ich komme aus einer Tradition des Fandoms, wo kontroverse Debatten offen und fair geführt wurden und geradezu erwünscht waren. Ich hoffe nicht, dass wir diese Tradition endgültig verloren haben.
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