Die Star-Wars-Welt erlebt schon seit Jahren einen anhaltenden Generationenwechsel, von der Chefetage bis zu den Nachwuchsdarstellern (hallo, kleine Leia). Doch wenn einmal eingeführte Figuren ihre spezielle Note bewahren wollen oder müssen, muss künstlich erhalten werden, was real (bald) nicht mehr da ist. Über einen markanten Fall dieser Art, die Stimme von Darth Vader, berichtet die Vanity Fair wie folgt:
Bogdan Belyaev arbeitete von zu Hause aus, als die Luftschutzsirenen losgingen. In der Stadt Lemberg hatte man sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gehört, aber es war der 24. Februar, und Russland war gerade in die Ukraine einmarschiert. „Als wir hörten, dass Raketen angriffen und dass die [Internet-]Verbindung in Teilen des Landes zusammenbrach, gingen wir in den Schutzraum”, erzählt Belyaev, wobei „Schutzraum” in Anführungszeichen stehen muss, „weil es eigentlich unser Badezimmer war”, so Belyaev. „Es gibt die Regel der zwei Wände: Man muss hinter zwei Wänden in Deckung gehen, die erste fängt den Aufprall ab, die zweite hält die Schrapnell-Splitter auf.”
Doch für Belyaev ging die Arbeit weiter, weil sie weitergehen musste. Menschen auf der anderen Seite der Welt verließen sich auf ihn, und das Projekt war der Höhepunkt einer Leidenschaft, die er seit seiner Kindheit hegte: Star Wars.
Belyaev ist ein 29 Jahre alter Fachmann für synthetische Sprache, der für das ukrainische Start-up Respeecher arbeitet, das Archivaufnahmen und einen eigenen KI-Algorithmus verwendet, um neue Dialoge mit den Stimmen von Sprechern aus längst vergangenen Zeiten zu erstellen. Das Unternehmen hatte zunächst mit Lucasfilm zusammengearbeitet, um die Stimme des jungen Luke Skywalker für Disneys Das Buch von Boba Fett zu erzeugen, dann wurde es für die Serie Obi-Wan Kenobi beauftragt, Darth Vader so klingen zu lassen wie vor 45 Jahren, als der noch junge James Earl Jones dem Schurken seine Stimme lieh. Jones' Stimme hat sich mit dem Alter verändert, und er hat sich von seiner markanten Rolle zurückgezogen. Beljajew war kurz davor, seine Arbeit an Vaders Stimme zu beenden, als Putins Truppen die Grenze überquerten. „Wir wussten, wenn alles schiefgeht, kriegen wir diese Aufnahmen nie mehr zu Skywalker Sound”, erzählt er. „Deshalb beschloss ich, die Daten noch am 24. Februar zu übertragen.”
Auch seine Kollegen bei Respeecher in Kiew arbeiteten tapfer weiter, während sie sich in Sicherheit brachten. Dmytro Bielievtsov, Mitbegründer und technischer Leiter des Unternehmens, gelang es, in einem Theater wieder online zu gehen, in dem Tische, Bücher und vieles mehr für den Fall einer Explosion vor den Fenstern gestapelt worden waren. Die Programmierer, die die künstliche Intelligenz darauf trainierten, Jones' Stimme zu reproduzieren, und die Schnitttechniker, die den so produzierten Text zusammensetzten, arbeiteten von den Fluren in ihren Wohnungen aus. Einer flüchtete in einen alten Backsteinkeller, in dem er nicht einmal aufrecht stehen konnte.
Bei Skywalker Sound in Nordkalifornien war Matthew Wood der leitende Tontechniker, der die Übertragungen aus der Ukraine empfing. Er sagt, Respeecher sei angeheuert worden, die Stimmproben des Start-Ups jenen kaum definierbaren menschlichen Touch hätten, der so schwer zu reproduzieren ist. „Meine größte Sorge galt natürlich ihrem Wohlbefinden”, sagt Wood, der seit 32 Jahren bei Lucasfilm arbeitet. „Es gibt immer Alternativen, die wir hätten verfolgen können, die aber nicht so gut gewesen wären wie das, was sie uns liefern konnten. Wir wollten sie nie einer zusätzlichen Gefahr aussetzen, um im Büro zu bleiben und zu arbeiten.”
Was Respeecher besser als jeder andere beherrscht, ist jene unvergessliche bedrohliche Art, mit der Jones, der heute 91 Jahre alt, vor einem halben Leben Darth Vader intonierte. Wood schätzt, dass er den Schauspieler in den letzten Jahrzehnten mindestens ein Dutzend Mal aufgenommen hat. Das letzte Mal war es eine kurze Dialogzeile in Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers von 2019. „Er hatte damals erwähnt, dass er die Rolle künftig nicht mehr übernehmen wolle”, berichtet Wood. „Wie sollten wir also weitermachen?” Als er Jones die Arbeit von Respeecher vorstellte, stimmte der Schauspieler zu, seine archivierten Stimmaufnahmen freizugeben, um Vader auch mit künstlichen Mitteln am Leben zu halten - passend für eine Figur, die mehr Maschine als Mensch ist. Im Abspann von Obi-Wan Kenobi wird Jones dafür als Berater aufgeführt, und Wood beschreibt seinen Beitrag als den eines „wohlwollenden Patenonkels”.
Vor der Invasion gab es einen fast permanenten Informationsaustausch zwischen Wood, Obi-Wan-Kenobi-Regisseurin und Showrunnerin Deborah Chow und dem Respeecher-Team. Wood erzählt: „Für eine Figur wie Darth Vader, die vielleicht 50 Zeilen in der Serie hat, habe ich fast 10.000 Dateien hin- und hergeschickt.” Ein Großteil davon waren Änderungen im Dialog gewidmet und der anschließenden Feinabstimmung. Als sich der russische Angriff abzeichnete, so Wood, begann er, seine Kommunikation zu drosseln. Er erinnert sich daran, dass er dachte: „Ich muss ihnen nicht mitteilen, dass sich dieser eine kleine Teil geringfügig geändert hat, während dort der Fliegeralarm heult.” Doch die Einstellung des Respeecher-Teams war Wood zufolge: „Arbeiten wir weiter, machen wir gerade angesichts dieser Lage weiter, halten wir durch.”
Alex Serdiuk, der Geschäftsführer und Mitbegründer des Unternehmens, weiß, dass es nicht um Leben und Tod geht, wenn man die Stimme von Darth Vader für eine Fernsehsendung kreiert. Dennoch ist er stolz auf den Beitrag seiner Mitarbeiter zu Obi-Wan Kenobi und möchte, dass die Welt weiß, dass Ukrainer dazu beigetragen haben, diese besondere Reise in die weit, weit entfernte Galaxis zu ermöglichen, selbst unter schrecklichen Umständen. „Wir schaffen Arbeitsplätze für die Menschen, wir zahlen ihnen Geld, wir tragen zur ukrainischen Wirtschaft bei, und das ist sehr wichtig”, erklärt er. „Aber hoffentlich erfahren dadurch auch mehr Menschen von der Ukraine - von unserer Tech-Community und unseren Start-ups.”
Die Arbeit bei Respeecher geht indes weiter, hauptsächlich an Projekten, die noch geheim sind. „Es war hart”, erzählt Serdiuk. „Ein 44-Millionen-Volk leidet. Viele Flüchtlinge, viele Zivilisten und viele Menschen in der Armee starben wegen des russischen Einmarsches in der Ukraine. Wir alle haben die zusätzliche [Verantwortung], uns gegenseitig zu helfen. Wir haben ja gesehen, wie vereint und widerstandsfähig die Ukrainerinnen und Ukrainer in diesem Moment sind, aber auch, wie wir jetzt leben: Wir wachen auf, wir gehen zur Arbeit und dann gehen wir nach Hause und versuchen, etwas zu schlafen. Ich bin derzeit von meiner Familie getrennt. Meine Frau und meine Tochter sind im Ausland. Ich habe sie an die Grenze gebracht, als alles begann.”
Obi-Wan Kenobi sorgte für einen seltenen Moment des Feierns. Die Mitarbeiter von Respeecher, die noch in Kiew wohnten, versammelten sich, um Vaders ersten Auftritt in der Sendung zu sehen und riefen Belyaev in Lemberg an, um ihm zu gratulieren. Die Zuschauer bewunderten Vaders furchterregende Rückkehr und lobten seine schaurige Präsenz. Jones' Familie erzählte Wood, wie sehr sie sich über das Ergebnis der Arbeit freute, eine Hommage an den Schauspieler, die seine langjährige Arbeit als Stimme des galaktischen Tyrannen würdigt.
Nachdem er seine Arbeit an Vader abgeschlossen hatte, begann Belyaev, sich ehrenamtlich für die Opfer des Krieges einzusetzen. Zwar wurde auch Lemberg bombardiert, aber es ist doch zu einem Zufluchtsort für die Menschen geworden, die aus den Kriegsgebieten fliehen. Ein Großteil seiner Arbeit besteht darin, Flüchtlingen bei der Suche nach Nahrung und Unterkunft zu helfen. Auf die Frage nach den unsicheren Anfangstagen und seiner Entschlossenheit, seine kreative Arbeit zu beenden, sagt er: „Warum ich es getan habe? Weil es eine große Ehre ist, mit Lucasfilm zu arbeiten, und ich bin seit meiner Kindheit ein Fan von Star Wars. Auch wenn Krieg ist, gibt es keine Entschuldigung dafür, einer Welt, die man seit seiner Kindheit liebt, Schwierigkeiten zu machen.”
Mehr über die Arbeit von Respeecher findet ihr bei Interesse auf der Unternehmensseite. Dort gibt es unter anderem einen großen Artikel über die Arbeit an der Stimme von Luke Skywalker.
Seite 1
Danke für die schöne Übersetzung dieses sehr interessanten Artikels.
Erstaunlich und beängstigend zu erfahren, unter welchen Bedingungen die Mitarbeiter dieser Firma zu der Serie mit ihrem Können beigetragen haben.
Vader ist also, noch mehr als vorher, nicht nur in-universe ein zerstückeltes und neu zusammengesetztes Wesen, sondern auch in unserer Welt wird er auf diese Weise erschaffen.
B U22
Deerool
chaavla
Seite 1
RSS-Feed für diesen Kommentarthread abonnieren
RSS-Feed für alle Kommentare