George Lucas' Versuche, seine Realserie umzusetzen, scheiterten dereinst bekanntlich unter anderem an der Budgetfrage. Wie The Mandalorian sein Budget in Grenzen hält, ohne deshalb auf spektakuläre Landschaftsaufnahmen verzichten zu müssen, hat sich Slashfilm näher angesehen.
Seit Jahren setzt Jon Favreau in Film-Technikfragen neue Maßstäbe, und seine Disney-Plus-Serie The Mandalorian knüpft an diese Einstellung an: Gemeinsam mit Lucasfilm hat er die sogenannte „Stagecraft”-Technik etabliert, die es den Filmemachern vereinfacht ausgedrückt ermöglicht, hochauflösendes Filmmaterial auf ultrahochauflösende Leinwände zu projizieren, die um ein Set herum aufgebaut sind. Schauspieler können damit, ohne auf die traditionellen Greenscreens zurückgreifen zu müssen, in fremde Schauplätze eingebettet werden.
Anfang der Woche sprachen Lucasfilm-Präsidentin Kathleen Kennedy und Mandalorian-Regisseurin Deborah Chow bei einer Veranstaltung in Los Angeles über die Möglichkeiten dieser Technik. „Jon Favreau und ich gingen zu Disney und sagten, das hier ist etwas, was wir gerne versuchen würden”, erzählte Kennedy. „Disney antwortete: Und was genau ist es? Und wir sagten: Wir sind uns nicht ganz sicher. Wir haben keine Ahnung, wieviel es kosten wird, und wir hatten noch nie etwas mit dieser Technik geschaffen, die wir nun innerhalb von ILM als Stagecraft bezeichnen. Im Grunde genommen ist es ein Projektionssystem auf Leinwände, und die eigentliche Innovation ist, dass sich die Parallaxe ändert, wenn man die Kamera in diesem Raum bewegt. Plötzlich ist man in einer Umgebung, die sich tatsächlich so verhält, wie in einer echten 3D-Umgebung.”
Was nun nach Holodeck klingt, scheint auch fast schon so gut zu funktionieren. Ein Disney-Manager wurde von der Leistungsfähigkeit der Technik offenbar komplett überrumpelt, wie Kennedy stolz berichtete:
Wir hatten einen Manager der Walt Disney Company zu Gast, der noch früh im Entwicklungsprozess zu uns kam, weil das eines dieser Dinge ist, die man besser vorführt als erklärt. Er kam herein, sah sich um und sagte: Jon, ich dachte, Du wolltest nichts echt bauen. Und er begriff gar nicht, dass er in einem virtuellen Set stand. So unglaublich ist das System.
In der Umsetzung bedeutet das:
Wenn man eine große Panoramaaufnahme in Island drehen will und nicht 700 Leute dorthin karren möchte, um vier Monate ein Set vorzubereiten, weil man ja nur diese eine Aufnahme will, dann kann man das Material drehen und es in ein Studio zurückbringen und dort die eigentlichen Dreharbeiten vornehmen.
Die leitende Vizepräsidentin und Geschäftsführerin von Lucasfilm Lynwen Brennan beschrieb Stagecraft als nächster Schritt der Systeme, die bei Rogue One und Solo genutzt wurden, um z.B. Hyperraumflüge auf riesigen LED-Monitoren für die realistische Beleuchtung von Sets anzuzeigen.
Stagecraft entstand aus einem Bedürfnis, aus einer Idee, wie man den Umfang und die Größe eines Star-Wars-Films innerhalb der Produktionsanforderungen einer TV-Serie und angesichts der Menge von Inhalten, die wir schaffen müssen, anders umsetzen könnte. Es baute auf Innovationen auf, die zuvor bei ILM entstanden waren. Wir haben z.B. darauf aufgebaut, LED-Screens für Beleuchtungseffekte und Reflexionen benutzt zu haben. Und mit Unterstützung von Kathy und Jon haben wir diese Grundidee so weit vorangetrieben, wie nur irgend möglich.
Doch um so weit zu kommen, gibt es rein technische Grenzen. Eine davon beschrieb Kennedy so:
Es ist ein kleiner Punkt, aber ich will ihn unbedingt anbringen, denn auch ich wusste das nicht: Man muss die Kristalle für diese Bildschirme wachsen lassen. Hätten Sie das gedacht? Man muss fünf Jahre warten, bis die Kristalle gewachsen sind. Und damit begrenzen die Kristalle die mögliche Anzahl von Bildschirmen. Und man muss sie nicht nur quasi züchten, sondern man muss sie auch alle zusammenwachsen lassen, damit die Bildschirme gleich reagieren.
Das eigentlich Spektakuläre an der Geschichte ist aber, dass man nicht auf eine Perspektive, eine Einstellung festgelegt ist, sondern die Kamera bewegen kann. Und man hat dabei die Freiheit, Schauplätze rasant zu wechseln:
Wir können binnen einer Minute von Island in die Wüste wechseln. Der ganze Produktionsablauf verändert sich dadurch. Und es hat eine Auswirkung auf die Darsteller, die nicht mehr in einem grünen Meer arbeiten, sondern ihre Umgebung sehen können. Nimmt man die Puppentechnik dazu, die wir nutzen, haben sie also andere Figuren, mit denen sie interagieren können, und eine Umgebung, die sie sehen.
Einziger Nachteil, der so nachteilig nicht ist: Die Vorbereitungszeit wird länger. Hier kommt, wie Kennedy betont, eine Filmemacherin wie Deborah Chow ins Spiel.
Damit das funktioniert, braucht man jemanden wie Deb, jemanden, der vorausplant. Es funktioniert nicht, wenn man jemanden hat, der spontan arbeitet. Man muss vorausplanen, denn faktisch nimmt man das, was früher Nachbearbeitung war und macht es vorneweg in der Vorproduktion. Man muss die Geschichte kennen, muss die technischen Einschränkungen kennen und man muss wissen, welche Effekteinstellungen man für Stagecraft braucht, damit das Material produziert und später projiziert werden kann.
Chow beschrieb den komplexen Prozess, den sie bei ihren Mandalorian-Folgen genutzt hat und bei der Obi-Wan-Kenobi-Serie noch nutzen wird, wie folgt:
Als ich anfing, liefen noch diverse Tests, und wir wussten noch nicht, wie intensiv wir das System nutzen konnten oder wie erfolgreich es am Ende sein würde. Als Regisseurin bedeutet es eine völlig neue Herangehensweise. Wir mussten die komplette Folge vorvisualisieren. Ich war also Monate im Vorfeld da, um das Material zu erstellen und alles zusammenzuschneiden, als wären wir schon beim Endschnitt. In erster Linie diente das technischen Zielen, aber es half uns am Ende auch enorm als Hilfsmittel der Erzählung, denn wir konnten das Ganze auf diese Weise aus der Schnittperspektive betrachten und im Vorfeld feststellen, was funktioniert und was nicht.
Danach nahmen wir, was wir in der Vorvisualisierung geschaffen hatten und gingen los, um das Material zu drehen, also z.B. die Landschaften in Island. Danach bearbeiteten wir die Beleuchtung, die Landschaften und so weiter, und am tatsächlichen Drehtag warfen wir es auf die Leinwände und drehten es mit der Kamera. Und es war bemerkenswert, wie das mit real vorhandenen Elementen zusammenfiel: Sehr oft passten Leinwand- und reale Umgebung perfekt zusammen, und das Set war entweder gar nicht da oder floss nahtlos in die Leinwandwelt. Das war schon phantastisch.
Das interessanteste an dieser Technik ist für mich, dass sich der Erzählprozess ändert. Plötzlich ist man in der Lage, den ganzen Tag über magische Momente zu schaffen, Dinge zu tun, die man gar nicht tun kann. Es gab einen Moment, als ich mit meinem Kameramann arbeitete und die Gefahr bestand, dass alles zu perfekt aussah. Wir konnten alles so sehr steuern, dass es schon zu schön war.
Und in der Praxis hieß das:
Sie zeigen einem virtuelle Umgebungen, und man selbst wählt das Objektiv aus. Es ging mit Konzeptzeichnungen los. Wir haben Doug Chiang, wir kreieren den Look, und dann nehmen wir den Kameramann ins Boot. Wir haben also erst festgelegt, was wir wollten, dann haben wir es gedreht und dann haben wir es bearbeitet. Sagen wir, wir drehen einen Raum mit dem Mandalorianer darin, und Andrew Jones, unser Szenenbildner, entscheidet, dass ihm Referenzbilder aus der U-Bahn von Los Angeles so gut gefallen. Dann nutzt er die entsprechende Textur, indem Leute mit Super-HD-3D-Kameras in die U-Bahn gehen und das Material drehen. So entsteht die Umgebung, die Umgebung liegt in 3D vor und auf dieser Grundlage schaffen wir dann den fertigen Drehort.
Diese Vorgehensweise hat es uns auch ermöglicht, virtuell auf Drehortsuche zu gehen. Es gab Tage, wo das ganze Team – unser Szenenbildner, Kameramann, Dave Filoni, die ganze Mannschaft – mit VR-Headsets in einem 3D-Set unterwegs war, und wenn jemand einen interessanten Blickwinkel hatte, konnten wir die Kamera dort hinstellen und besprechen, mit welchem Objektiv wir dort was drehen wollen. Und all das im Studio.
Und all das wird natürlich auch Obi-Wan zugutekommen. Chow über ihre Serie:
Es gibt Aspekte bei Obi-Wan, wo ich mir sage: Ein großer Teil davon wird einen gigantischen Maßstab benötigen, und dieser Hintergrund muss phantastisch aussehen. Aber es ist vielleicht nur eine Seite eines Drehbuchs. Fährt man also zwei Monate zu einem Drehort? Für solche Momente ist unser virtuelles Studio ideal geeignet. Ich würde es die ganze Zeit benutzen. Und diese Möglichkeiten verändern die Art, wie ich darüber nachdenke. Ich meine, es gibt Dinge, würden wir die real umsetzen wollen, bräuchte ich zwei Wochen, und als Regisseurin würde ich nie auch nur darüber nachdenken, das zu machen. Aber so kann ich es virtuell realisieren. Und damit bekomme ich all die Pracht und Herrlichkeit, die ich brauche. Es verändert also komplett die Art und Weise, wie man hinsichtlich der praktischen Umsetzung von Visualität denkt.
Und wenn ihr euch nun sagt, schön, klingt nett, aber wie sieht das denn nun wirklich aus, dann... Haben wir ein Problem, denn bislang gibt es keine Making-of-Videos von The Mandalorian. Aber: Es gibt etwas zumindest im Ansatz vergleichbares, ein Unreal-Engine-Demovideo, das eine ähnliche Form von virtuell projizierten Umgebungen zeigt:
Und selbst das ist, seien wir mal ehrlich, schon ziemlich geil. ILM dürfte wohl die Premiumversion davon rumstehen haben.
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Um Serie kostengünstiger zu produzieren finde ich die Technik so weit bemerkenswert und auch sehr gut. Trotzdem kann man dadurch nicht die Bedingungen an einen echten Schauplatz nachstellen. Deswegen fande ich den Ansatz der ST auch richtig toll, reale Drehorte mit passenden klimatischen Bedingungen. Auch in den Staaten gibt es praktisch " Tatooine " vor der Haustür und zwar im Death Valley. Wurde dort eigentlich auch gedreht?
Gute Technik ersetzt einige reale Sets, man spart sich Zeit und Geld, dazu kann man ganz leicht Landschaften fantasievoll varieren. Trotzdem hoffe ich das es nie zum generellen Standart wird, auch nicht in Filmen. Sonst würden nie solche Perlen wie der vierte Mad Max Film mehr entstehen.
Henry Jones Jr
Violator
Erinnert mich verdammt an die technischen Entwicklungen, die der PT vorausgegangen sind.
Wird meiner Meinung nach in 10 Jahren Standard sein.
Ich steh auf Original-Schauplätze, Schweiß und Blut, aber lase man, hör'n sowieso nich auf damit.
Ich werd beim Filmen und meinen CGI-Arbeiten jedenfalls beim (imitierten) 80er-Jahre-Look bleiben, mit
ordentlich Filmkorn im Bild.
Das hat wenigstens Seele und lebt.
(wenn ich mir die OT im modernen digitalen 8K-Look vorstelle, kommt mir das kalte Grausen).
(vielleich verstehen das nur alte Säcke und Künstler).
(zuletzt geändert am 23.11.2019 um 05:03 Uhr)
Cruzador
Das ist Technik an der richtigen Stelle. Mir ist es bei den ersten drei Folgen nicht aufgefallen. Wer den Film "Lost In La Mancha" gesehen hat, weiß um die Vorteile, die diese Technik mit sich bringt. Alles was nicht im Fokus steht, kann mit dem Computer oder mit solchen Effekten produziert werden.
Bei den Figuren setzt the Mandalorian eher auf FX Makeup. Das finde ich sehr positiv, da CGI Figuren wie JarJar, Unkar, CGI Yoda oder Maz in meinen Augen immer unwirklich aussehen. Bei Baby Yoda scheint man eine gesunde Mischung aus CGI und Puppe gefunden zu haben. Diese Technik gab's auf jeden Fall bei TDC-Ära des Wiederstands und ich gehe davon aus, das man diesen Mix hier auch verwendet.
Die ILMs Zauberwand ist auf jeden Fall eine gute Investition, die sich bezahlt machen wird.
Edit: Hier hat mal jemand mit dem Kopf gearbeitet.
(zuletzt geändert am 23.11.2019 um 15:58 Uhr)
KOELSCH
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