Über den digitalen Tarkin und die Herausforderungen der späten Produktionsphase von Rogue One, in der visuelle Effekte quasi am laufenden Band erstellt werden mussten, haben wir bereits viel gehört.
Nun hat Art of VFX sich die andere Seite der Filmproduktion näher angesehen: Die Vorvisualisierungsphase - kurz Previs -, über die die Effektexpertin Margaux Durand-Rival von der Effektschmiede The Third Floor dies zu berichten hat:
Wie kamen Sie zu Rogue One?
Ich hatte gerade meine Arbeit an Mission Impossible: Rogue Nation beendet, als mein Studiomanager Duncan Burbidge mir von dem Projekt erzählte. Der Gründer unseres Unternehmens, Barry Howell, war zum Previs-Chefverantwortlichen ernannt worden und brauchte einen Kollegen aus London, da das Team hier arbeiten würde. Ich musste nicht lange darüber nachdenken, sondern habe sofort zugesagt.Wie sah Ihre Zusammenarbeit mit Regisseur Gareth Edwards aus?
Die war ziemlich phantastisch. Er hat früher selbst visuelle Effekte produziert und kennt sich entsprechend gut mit dem Thema Previs aus. Er kann neben einem sitzen, während man arbeitet und greift dann auch gerne selbst mal zur Maus, um in der Szene genau so herumzunavigieren, bis er den Punkt findet, aus dem er die Szene sehen will. Das ist für einen Regisseur schon eher ungewöhnlich. Für uns bot das aber die Möglichkeit, ihm viele interaktive Optionen anzubieten, z.b. den Einsatz einer virtuellen Kamera zum Drehen einer Szene. Er hat so klare Vorstellungen, dass er normalerweise nur beschreiben musste, was er sehen wollte und wir sofort wussten, wie wir das umsetzen würden.
Gareth war dabei klar, dass er am Set die Möglichkeit haben würde, neue Einstellungen zu finden und andere Blickwinkel auszuprobieren, kurz gesagt also sich etwas Neues auszudenken. Die Previs-Phase war für ihn also eher der Versuch, eine Blaupause zu erzeugen, anstatt etwas zu kreieren, das schon absolut perfekt sein musste. Er konnte hier aber viel auszuprobieren und seine Ideen dann den Produzenten, bzw. seinen Mitarbeitern zeigen. Er wollte deshalb, dass die Previs schon gut aussah, dass die Animation, die Beleuchtung und die Effekte stimmten, damit die Stimmung, die er für jede Sequenz erzeugen wollte, schon mal rüberkam. Beispiele hierfür sind die Szenen auf Eadu, wo es ja regnerisch und nebelig ist. Alles, was wahlweise vollständig computergeneriert sein würde oder zumindest stark CG-basiert, wollte er ebenfalls vorher haben, um mehrere Versionen dieser Einstellungen erstellen zu können, bevor alles zu ILM hinüberging.Welche Regieanweisungen hat er Ihnen gegeben?
Er wollte vor allem, dass die Kampfszenen sehr handkameraartig wirken sollten, weil er gerne selbst zur Kamera greift. Die anderen Einstellungen sollten im Gegenzug dazu das genaue Gegenteil davon sein: Ruhig und majestätisch. Er ist ein großer Fan des visuellen Stils der 80er, Filme wie Ridley Scotts Alien oder James Camerons Aliens. Die waren unser Hauptanhaltspunkt für die Szenen auf Eadu. Für den dritten Akt auf Scarif haben wir uns hingegen eher an Kriegsfilmen orientiert, vor allem an welchen über den Vietnamkrieg, d.h. Apocalypse Now und Platoon.
Bei den Weltraumszenen ging es vor allem darum, ein Gefühl für die Größenverhältnisse zu vermitteln, was gerade dort wichtig ist, weil man in Ermangelung von Geschwindigkeits-, Größen- und Distanzreferenzpunkten schnell die Orientierung verliert. Er hat deshalb gerne Objekte eingebaut, von denen man als Zuschauer schon wusste, wie groß sie sind, um andere Objekte gigantisch wirken zu lassen. Wunderbar ist das bei der ersten Szene des Todessterns gelungen, wo wir erst einem TIE-Jäger folgen, dann einen riesigen Sternenzerstörer sehen und dann hinter dem Zerstörer noch ein größeres Objekt auftaucht, der Todesstern, gegen den alles andere winzig erscheint.
Wie lief die Zusammenarbeit mit ILM?
Mit John Knoll und Mohen Leo von ILM zusammenzuarbeiten, war großartig. Wir hatten mit ihnen dreimal zu tun: In der Previs-Phase, während der Dreharbeiten und im Postvis. Sie gaben uns von Anfang an zu verstehen, dass wir im Previs-Bereich nicht tricksen sollten, d.h. dass wir keine Szenen erzeugen sollten, die in der Nachbearbeitung oder bei den Dreharbeiten gar nicht umgesetzt werden könnten. Natürlich achten wir sowieso darauf, aber hier war es besonders wichtig, gerade bei der Zerstörung von Jedha, wo die Größenordnung der Zerstörungskraft ein echter Knackpunkt war. Wir haben häufig direkt mit ILM zusammengearbeitet, wenn es um interaktive Inhalte ging, d.h. um Previs-Umgebungen, die während der Dreharbeiten auf riesige, gewölbte LED-Wände projiziert wurden, oder auch bei animierten Szenen, die bei verschiedenen Szenen für die virtuelle Kamera von ILM genutzt wurden, vor allem in der Raumschlacht. Es war toll, mit einer Legende wie John Knoll zu arbeiten und an seinen Gedanken teilzuhaben.Welche Freiheiten hatten Sie bezüglich eigener Ideen?
Wir hatten ziemlich viele Freiheiten. Wir haben eng mit zwei tollen Storyboard-Zeichnern zusammengearbeitet, Matt Allsopp und Jon McCoy, die einige der besten Storyboards zeichneten, die ich je gesehen habe. Sie waren eigentlich eher Schlüsselbilder, also Referenzpunkte für die Kamera, und jedes dieser Bilder war unglaublich cinematisch, was für Gareth sehr wichtig war. Außerdem legte er bei diesen Bildern großen Wert auf wuchtige Beleuchtung. Für uns war dabei wichtig, dass wir diese Schlüsselbilder verwenden konnten, um die Kamerabewegungen nachzuvollziehen, und das war toll. Unsere Aufgabe bestand dabei darin, all diese Stilvorgaben von Gareth zu berücksichtigen und uns zu fragen, wie er in diesen einzelnen Fällen damit arbeiten würde. Gareth stand neuen Ideen dabei sehr offen gegenüber. Für ihn waren wir ein Team, das zusammen den bestmöglichen Film entwickelte. Jedesmal, wenn unsere Ideen eine Einstellung verbessern konnten, wollte er sie hören.An welcher Figur oder welchem Fahrzeug haben Sie am liebsten gearbeitet?
Es war toll, K-2SO schon in einer sehr frühen Phase animieren zu können. Im Previs-Stadium hat man noch keine Vorlage des Schauspielers, keine Stimme, und hier hatten wir es noch dazu mit einer Figur zu tun, die keinen Mund hat. Wir dachten uns damals, dass sie später vielleicht mit der Helligkeit seiner Augen spielen würden, wenn er redet, denn genau dieses Augenleuchten war in unserer "stummen" Previsversion der einzige Indikator, dass er gerade sprach. Alan Tudyks Darstellung ist verglichen mit unserer Arbeit deutlich subtiler geraten. Wir mussten seine Arme und Hände deutlich mehr bewegen. Auch die Größe der Figur war eine Herausforderung, weil er im Vergleich zu den anderen Figuren so groß ist. Wir mussten die Previs-Einstellungen also so wählen, dass er - ohne in die Knie zu gehen - mit den anderen Figuren ins Bild passte.Wie genau haben Sie eine Einstellung oder eine Sequenz erstellt?
Am Anfang nehme ich mir gerne die Zeit, verschiedene Handlungsabschnitte herauszuanalysieren, damit klar ist, welche Handlungen welcher Figuren besonders genau verfolgt werden müssen. Das hat auch den Vorteil, dass man in einem Team kleine Sequenzen so gut unter verschiedenen Künstlern aufteilen kann und die Kontinuität in ihren Einstellungen gewahrt bleibt. Danach entwickeln wir Master-Szenen, bei denen es bereits große Abschnitte fortlaufender Handlungen gibt. Hier kommt auch die Beleuchtung und die Atmosphäre mit dazu. Danach reihen wir alle Einstellungen einer Sequenz in der gleichen Szene als Ausgangspunkt unserer weiteren Arbeit aneinander. Für jede Sequenz suchen wir uns so viele Anhaltspunkte wie möglich aus den Storyboards, den Konzeptzeichnungen, den Kostümbildern, etc., aber auch aus früheren Filmen. Und natürlich sprechen wir die ganze Zeit über mit dem Regisseur über seine Anforderungen an die Szene, die wichtigen Aspekte und seine visuellen Wünsche.
Welche Sequenz war die komplexeste?
Es gab einige schwierige Sequenzen wie die Zerstörung von Jedha, aber am kompliziertesten war die Raumschlacht, weil wir für die virtuelle Kamera jede Menge potentielles Material liefern mussten. Die virtuelle Kamera erlaubt es Regisseuren, innerhalb einer computergenerierten Umgebung zu arbeiten und ihr Wunschmaterial quasi so live einzufangen wie bei gewöhnlichen Dreharbeiten. Sie sehen durch einen Bildschirm in Tabletgröße und können sich dann nach Belieben drehen und durch die Umgebung laufen, um den perfekten Winkel zu finden. Um das zu unterstützen, mussten wir lange Animationsabschnitte für verschiedene Bereiche der Sequenz vorbereiten. Dabei tobte im Hintergrund die Raumschlacht, und Dutzende Schiffe traten gegeneinander an. Und das musste dann aus jedem Blickwinkel gut aussehen. Änderten wir bei einem Ereignis das Timing, änderte sich wellenförmig alles andere in der ganzen Szene, was bedeutete, dass wir überall sonst auch Änderungen vornehmen mussten. Das ist schon eine ganz andere Art von Arbeit, als wenn man einzelne Einstellungen vorbereitet, weil es da ja nur darum geht, was im Blickfeld der Kamera ist. Bei der Raumschlacht war es nur so, dass jeder Animationsabschnitt eine einzige große Szene war, d.h. wir konnten pro Szene auch nur einen Künstler einsetzen, was eine enorme Herausforderung für sie darstellte.Sie haben den Postvis-Prozess erwähnt. Was passiert dabei genau?
Der Postvis-Prozess, die Nachvisualisierung also, begann bereits während der Dreharbeiten, als wir einige Testaufnahmen mit unserem Chef Barry drehten. So richtig ging es damit aber erst los, als die Dreharbeiten beendet waren und wir im Schnittbereich mit Gareth zusammenarbeiteten und all den Schnitttechnikern, Assistenten und dem Effektverantwortlichen von ILM London, Mohen Leo. Die Postvis-Arbeit haben wir uns dabei mit Jellyfish Pictures geteilt, die vor allem die 2D-Arbeiten übernommen haben.
Im Grunde ging es darum, Takes, die Gareth und die Cutter ausgewählt hatten, zu nehmen, die Elemente darin im Raum zu definieren und unsere Previs-Elemente in die Einstellung hineinzubauen, damit wir eine erste Version der Endfassung vorliegen hatten. Das ist ein spannender Prozess, bei dem man viele Probleme schon sehr früh mit geringem Aufwand lösen kann. Also z.B. ob die CG-Elemente in die Einstellung passen, ob in der Einstellung genug Zeit ist, die CG-Animation geistig aufzunehmen und natürlich ob das Ganze auch gut aussieht. Wir waren da gewissermaßen die Brücke zwischen Gareth und ILM und halfen dabei, Gareth' Wunscheinstellungen zu erstellen, wobei wir ständig mit dem visuellen Effektleiter zusammenarbeiteten, der uns sagte, welche Mittel für welche Einstellungen zur Verfügung standen.
Welche Einstellung hat Ihnen schlaflose Nächte bereitet?
Das war wohl die Zerstörung von Jedha. An meinem ersten Arbeitstag nahm mich Barry beiseite, der mir sagte, es gäbe da diese Sequenz, in der der Todesstern auf einen Planeten feuert und wir die Zerstörung vom Boden aus beobachten, während die Helden versuchen, in ihrem Schiff zu entkommen. Denkt Dir dazu mal was aus und mach es bitte in Form eines einzigen animierten Takes, falls wir die virtuelle Kamera dafür benutzen wollen.
Ich hatte da wohl ein paar Konzeptzeichnungen, aber das war's dann auch. Ich weiß noch, wie ich meine leere 3D-Szene auf dem Bildschirm hatte und nichts, mit dem ich arbeiten konnte, geschweigedenn einen Ansatzpunkt. Ich habe dann einige Recherchen angestellt, um ein Gefühl für den Umfang der Zerstörung zu bekommen. Das hat mir einige schlaflose Nächte bereitet, aber wir haben dann eine Lösung gefunden, die wir mehrmals einsetzen konnten: Eine Animation für die ganze Zerstörungssequenz von Anfang bis Ende mit vielen Effekten wie Rauch, Schutt und so weiter. Dafür, dass das Ganze in Echtzeit ablief, sah es ziemlich gut aus.Was war Ihr Lieblingsmoment bei der Arbeit an Rogue One?
Es ist immer toll, wenn endlich die Dreharbeiten losgehen und man dort hinkommen und sich ansehen kann, wie das, was man im Previs-Prozess erarbeitet hat, in echt aussieht. Aber ich glaube, davon abgesehen war der schönste Augenblick wohl der, als der erste Trailer veröffentlicht wurde. Das ganze Team kam dazu mit Gareth und den Cuttern, Produzenten und den Leuten von ILM zusammen, und wir sahen ihn uns gemeinsam auf der großen Leinwand an. Und danach haben wir alle möglichen Kommentare aus den sozialen Netzwerken gelesen, die YouTube-Reaktionen gesehen und so weiter. Es war wundervoll, in diesem Moment zusammen zu sein und die Fans zu beobachten, die absolut verrückt spielten.
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Frostsun666
McSpain
Sternenzerstörer-Parkbuchten gab es schon bei [Rebel Assault II: The Hidden Empire]
http://www.stardestroyer.net/Empire/Tech/Special/Imdaar.jpg
Haarspalter
Xmode
Frostsun666
Einmal mehr ganz herzlichen Dank für die Aufbereitung solch hochinteressanter Einblicke.
Auch bei mir war ANH damals der Auslöser beruflich auf eine Tätigkeit in diesem Bereich hinzuarbeiten. Das erschöpfte sich dann zwar 'nur' in Architekturvisualisierung, aber alle privaten Aktivitäten in diesem Bereich waren immer SW getrieben.
Interessant auch zu sehen, wie konsequent und virtuos Edwards die neuen Möglichkeiten des virtuellen Szenenaufbaus nutzt. Das ist schon ein ganz cleverer Bursche, vor dem ich selbst als wesentlich Älterer den Hut ziehe.
BigT
Interessanter Artikel zur Digitalisierung von toten Schauspielern am Beispiel von Rogue One:
http://www.jetzt.de/star-wars/star-wars-rogue-one-digitale-wiederbelebung-von-peter-cushing
Xmode
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