Gestern berichteten wir über die Traviss-Soap rund um die Ankündigung, sie werde nach Imperial Commando 2 keine Star-Wars-Bücher mehr schreiben. Als Grund nannte sie notwendige Änderungen an ihren unveröffentlichten, aber vorbereiteten Büchern, weil George Lucas' Fernsehserie The Clone Wars Veränderungen am Kanon herbeigeführt habe. Die Folge waren teils äußerst erregte Diskussionen in diversen Foren - auch bei uns. Unsere Kolleginnen von ClubJade.net haben sich das Ganze angeschaut - und in einem Blog-Eintrag kommentiert. Diesen wiederum hat unter anderem Pablo Hidalgo kommentiert. Wer ist Pablo Hidalgo? Der gute Mann arbeitet bei Lucasfilm, leitete das Fate of the Jedi-Panel auf der Comic-Con in San Diego und ist unseren Besuchern aus Prequelzeiten vielleicht noch in Erinnerung durch seine Drehtagebücher, die während der Produktion der Filme auf StarWars.com erschienen sind. Nichts von dem, was folgt ist eine Nachricht. Und so erscheint dieser Artikel hier auch als Kolumne. Genug der Vorrede.
Über Jossing, Kanon und the Clone Wars
Ich kann nicht sagen, dass ich besonders fertig bin wegen des Abschieds von Karen Traviss von Star Wars, denn ich hatte nicht vor, irgend eines der kommenden Bücher von ihr zu lesen. Ich habe aber die Threads verfolgt in den Fanforen und zwischen den Klagen und dem Jubel sind zwischen den Zeilen einige interessante Punkte aufgekommen: Wie weit wird The Clone Wars gehen und wie eine Eisenbahn über bestehenden Kanon hinweg preschen, wenn die Serie eine Autorin weggetrieben hat, die berüchtigt dafür war, gern Retcons zu schreiben?
Von Beginn an hat The Clone Wars die Kanon-zentriker sehr nervös gemacht und das, worauf Traviss anspielt, mag dazu führen, dass ihre schlimmsten Ängste wahr werden. Derzeit thematisieren die Spekulationen TCWs neues Mandalore, wie in der Konzeptzeichnung zu sehen - eine radikale Abkehr von der Version des Planeten, die von Traviss für ihre Republic Commando und Legacy of the Force-Bücher entwickelt wurde. Und das mag vielleicht nur die Spitze des Eisbergs sein.
Also sind bestimmte Leute sehr verstört, dass der Kanon zu Dingen führen könnte, wie beispielsweise, dass komplette Storylines nicht mehr zum vorherigen Kanon passen.
- Mandalore - eine TCW-Konzeptzeichnung
Was ich als langjährige EU- und Fanfic-Leserin denke? Ich bin platt. Ich kann nicht sagen, dass ich diese Sichtweise noch verstehe. Die Natur von Star Wars, besonders wenn George Lucas am Steuer ist, führt uns zu einer und nur einer Schlussfolgerung: Dinge werden, ge-"jossed" [Anm. d. Übersetzers: benannt nach Joss Whedon, Schöpfer von Buffy the Vampire Slayer and Angel - der Begriff wird verwendet, wenn Inhalte von FanFiction durch den späteren Verlauf der Fernsehserie nicht mehr passen]. Es ist die Natur der Sache und es ist bei weitem nicht das erste Mal. Erinnert Ihr Euch daran, als Boba Fett mal Jaster Mereel war? Auch wenn es für Traviss-Fans traurig ist, dass sie keinen dritten oder vierten Band von Imperial Commando bekommen werden oder diesen Fett-Roman: es gibt keinerlei Grund, Traviss Bücher nicht mehr zu genießen, nur weil eine andere Quelle sagt, dass Mandos in klimatisierten Kisten auf einem dürren Planeten leben (oder was auch immer George und Filoni da ausbrüten).
Kanon ist ein wichtiges Element. Aber traurigerweise kann es nicht das Ein-und-alles Deines Star-Wars-Erlebnisses sein - jedenfalls nicht, wenn Du nicht verrückt werden möchtest. Falls Dein primärer Genuss des Franchise darin besteht, das alles ein kontinuierliches Ganzes ohne massive Widersprüche ist: Mann, dann hängst Du am falschen Ort herum... (Versuche es mit Tolkien? Wobei selbst Kanons mit einem Autor nicht immun dagegen sind...)
Wir haben es zuvor überlebt. Wir werden es wieder tun. (Wer weiß, was für Retcons in einem Jahr kommen? Fünf Jahre? Irgendwann wird es jemanden geben.) Wir sind aktuell in einer Übergangsphase, also reißt Euch zusammen und umarmt den Schmerz.
Dieser flammenden Rede folgen Kommentare - positive übrigens. Und einer kommt wie erwähnt aus dem Hause Lucasfilm in Form einiger Fragen und der Meinung von Pablo Hidalgo:
Erinnert Ihr Euch daran, als Bespin eine Dschungeloberfläche hatte?
Als es für Mitglieder im Jedi-Konzil oder Jedi-Ritter so halbwegs okay war, Ehefrauen zu haben?
Als der Imperator Vaders Hand als Bestrafung dafür abgeschlagen hatte, weil er versagt hatte, Luke gefangen zu nehmen?
Als niemand niemand in der Galaxie wissen konnte, dass Luke und Leia Vaders Kinder waren? Geschweige denn Thrawn? (Oder dass sonst das komplette Ende der Serie auseinanderfällt?)
Was für Spin-Off-Universen lesen diese Leute eigentlich?
Und zum Schluss meine Meinung, die ich hier in Form der Kolumne zu äußern wage und die nichts anderes als meine Meinung ist:
Ich habe Dutzende von Star-Wars-Büchern gelesen - und viele darunter habe ich genossen, verschlungen und gemocht - andere nicht. Keines dieser Bücher ist besser oder schlechter geworden, weil sich im Nachhinein Dinge geändert haben. Enzykliken, Lexika - alles schön und gut. Wir selbst sind auf dem Gebiet ebenfalls aktiv. Warum auch nicht? Es ist eine tolle Sache, wenn man einen Fehler nicht macht: es als Gesetz zu sehen. Es gibt eine Struktur - eine Pyramide. Sie startet oben und endet unten. Oben sitzt George Lucas, dann kommen seine Firmen (Lucas Licensing etc.), dann kommen die Lizenznehmer und ihre Angestellten/Beauftragten (da ist auch Karen Traviss einzuordnen), dann kommen die Fans. Bedeutet das, dass die Fans nichts wert sind? Dass sie "kuschen" müssen? Nein. Wenn ich aber als Fan sage, dass Mon Mothma die Stiefschwester von Chewbacca ist, dann werde ich ausgelacht und das war's. Wenn Karen Traviss es sagt, dann ist man damit einverstanden, solange nichts dagegen spricht - sie schreibt ein Buch und wir sind im EU. Wenn dann aber George Lucas sagt, Mon Mothma ist die Stiefschwester von Tarkin, dann ist es so. Wenn er Lust hat, dann macht er Star Wars. Wenn er keine Lust hat, dann nicht. Er lässt sich natürlich inspirieren von seinen Leuten, von Konzeptzeichnern, von Autoren, von so vielen richtig kreativen Leuten. Aber am Ende des Tages bekommen einige Dinge seinen Stempel "Approved" aufgedrückt - und andere nicht. Und diese Dinge verschwinden. Daher sieht Chewbacca aus wie Chewbacca und nicht wie ein Mensch, der ein schlecht sitzendes Disney-Kostüm mit Ohren angezogen hat und im Freizeitpark auf und ab läuft. Der Hund wedelt mit dem Schwanz, nicht aber der Schwanz mit dem Hund. Ich bin sehr dankbar dafür, denn dass er etwas richtig gemacht habt, zeigt die Tatsache, dass es Star Wars gibt, dass es ein Fandom gibt, dass es auch heute noch riesiges Interesse in der Unterhaltungs- und Spielzeugindustrie gibt, Produkte herauszubringen. Und Käufer, die sich darüber freuen. Von einigen Fans wird das dann noch gern als Abzocke bezeichnet, ich würde es eher als Zeichen eines gesunden Franchise sehen - aber das ist ein anderes Thema.
Star Wars-Bücher, also das berüchtigte Expanded Universe (EU), entstehen durch Auftrag. Ein Verlag möchte gern Star-Wars-Bücher herausbringen und zahlt für eine bestimmte Anzahl. Autoren, Verlag und Lucas Licensing legen zusammen das Thema fest, die Autoren haben gewisse Freiheiten: wo es bereits Fakten von George Lucas und seinen Werken gibt, müssen diese genommen werden - und wo es keine gibt, dürfen die Autoren letztlich ein bisschen entwickeln. Das Problem unter vielen Fans ist oft, dass sie daraus wiederum den verrückten Umkehrschluss ziehen, George Lucas müsse all diese Bücher lesen. Es gibt Fans, die meinen, dass er das sogar macht. Dass wir da demnächst über Hunderte reden, das ist egal. Das auch diese Bücher nicht widerspruchsfrei sind, das ist auch egal. Dass es auch in diesen Büchern aus Sicht einzelner die albernsten Ideen und Handlungen gibt, das auch. Dass bis auf wenige Leser kein Mensch das EU kennt (auch Star-Wars-Bestseller haben im Vergleich zu den Filmen oder auch der animierten Serie The Clone Wars vergleichsweise ein geringes Publikum), das ist auch egal. Dass also nur wenige diese "Hintergrundgeschichten" kennen, erst recht. Weiterhin wird oft geschimpft, wenn alte Bücher nicht mehr zu haben sind: wie kann ein Verlag es wagen, ein Buch nicht mehr zu drucken, das Kanon-Bestandteil ist? Dass das Buch kaum noch gekauft wird, ist egal.
Star-Wars-Bücher sind für mich Unterhaltung, ebenso wie es George Lucas Filme sind. Natürlich ist es toll, wenn alles ineinander greift und Sinn ergibt. Aber all das sind Fantasie-Produkte - da gibt es kein "richtig" und kein "falsch".
"Lucas" zeigt hier jetzt nicht "sein Gesicht", er zeigt es auch nicht "den Autoren". Was jeder begreifen muss: er denkt nicht Tag und Nacht an Star Wars, er hat nichts gegen das Erweiterte Universum, aber er lässt sich auch nicht daran fesseln.
Leland Chee, Lucas Licensing, sie alle tun Ihr Bestes, alles zusammen zu halten und es auch jenen Fans recht zu machen, die den perfekten Kanon haben wollen. Aber das geht nicht immer - egal, was sie sich aus ausdenken (werden). Um es mit unserem so geliebten, verschrumpelten Yoda zu sagen: "In ständiger Bewegung die Zukunft ist..." Dazu gehört leider - oder Gott sei Dank - auch, dass sich Dinge ändern - und verschwinden. Deswegen werden sie nicht schlechter.
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