Es war eine Personalentscheidung, die an den Aktienmärkten gespürt werden dürfte, die Disney gestern bekanntgab: Nach 15 Jahren an der Spitze der Walt Disney Company hat Verwaltungsratsvorsitzender Bob Iger gestern seinen sofortigen Rücktritt bekanntgegeben. An seine Stelle rückt Bob Chapek, der seit 1993 im Unternehmen tätig ist und zuletzt die größte Unternehmenssparte, die Disney-Park- und Lizenzsparte, führte. Iger selbst wird bis zum Ende seines Vertrags am 31. Dezember 2021 als Kreativchef im Unternehmen bleiben.
Für Iger kommt der Rückzug vom Chefposten deutlich später, als ursprünglich geplant: Eigentlich sollte und wollte er schon 2015 gehen, doch sein designierter Nachfolger Thomas Staggs verließ damals das Unternehmen. Dazu kam, dass Iger selbst noch den Einstieg ins B2C-Geschäft am Streamingmarkt, die Nachwirkungen der Lucasfilm-Übernahme und die schon in Planung befindliche Übernahme von 21st Century Fox abmanagen wollte. Dies, so Iger gestern, sei nun erledigt, und es sei ein optimaler Zeitpunkt, um den Staffelstab weiterzugeben.
In Reaktionen auf Igers Rücktritt wurde er teils als zweitwichtigste Person der Unternehmensgeschichte nach Walt Disney beschrieben. Auf sein Konto geht die Disney-Renaissance seit 2005, die aus einem zunehmend schwächelnden Unterhaltungsdinosaurier das moderne Unterhaltungsmonopol machte, das Disney heute darstellt. Zu Igers Erfolgen zählen die Übernahme von Pixar zur Revitalisierung der hauseigenen kriselnden Tricksparte, die Übernahme von Marvel und der Start des Mega-Film-Franchises MCU, die Entscheidung für Realverfilmungen von Disney-Klassikern, die dem Unternehmen jedes Jahr fast schon generalstabsmäßig Milliardengewinne beschert, und natürlich der Kauf von Lucasfilm, der aus Börsen-, wenn auch nicht notwendigerweise aus Fansicht begründet positiv bewertet wird. Dazu kommen Grundsatzentscheidungen in den Freizeitparks, der Ausbau der Kreuzfahrtsparte auf mehr als die doppelte Größe und zuletzt Entscheidungen, deren langfristige Auswirkungen noch nicht absehbar sind: Der Umschwung im Verbrauchergeschäft von der reinen Lizenzvermarktung zur Direktvermarktung über Disney Plus und die Übernahme von 21st Century Fox, die primär ebenfalls aus Vertriebsgründen angestrebt wurde, da an ihr die Kontrolle von Sky, dem indischen Megasendernetz Star India und dem Streamingdienst Hulu hingen. Unterm Strich hat der Aktienkurs von Disney unter Igers Führung um 400 Prozent zugelegt.
Aus Star-Wars-Sicht dürfte Igers Bewertung uneindeutiger ausfallen. Bis heute fremdelt Disney sichtbar mit dem Erbe von George Lucas, bis heute sind sowohl die Kommunikation mit dem Fandom gestört als auch der alte kreative Funke nur punktuell erkennbar. Gefühlt kommt damit auf jeden Star-Wars-Erfolg unter Igers Gesamtregie ein Fall von Missmanagement, kreativer Faulheit oder Unvernunft. Doch die Entwicklungspotentiale auch für Star Wars bleiben grenzenlos, und in ständiger Bewegung ist auch hier die Zukunft.
Igers Nachfolger Bob Chapek erklärte gestern zum Thema Zukunft, er werde zunächst dem Pfad folgen, den sein Vorgänger vorgegeben habe. „Ich schätze, anfangs wird alles im Grunde identisch weiterlaufen, weil die langfristigen Strategien, die Bob verfolgt hat, auch die kurzfristigen Entscheidungen für das Unternehmen vorwegnehmen. Veränderungen sind aber unvermeidlich in diesem Geschäft. Je nach Geschäftszweig wirken sie unterschiedlich, aber unser gesamtes Unternehmen wird sicher davon betroffen sein, und zu erkennen, wann eine Änderung erfolgreich ist, ist letztlich die Kunst, die es in diesem Job zu beherrschen gilt.”
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