Luke Skywalker ist verschwunden, buchstäblich dieses Mal. Sein Meditationsfelsen ist leer, und die Frage seiner Rückkehr in Star Wars 9 so offen wie die Ställe von Canto Bight. Im Gespräch mit Collider am Rande der Saturn Awards erklärte Hamill, nicht zum ersten und vermutlich auch nicht zum letzten Mal, er wisse nach wie vor nicht, ob er in J. J. Abrams' Film zurückkommen werde:
Ich weiß es nicht. Ich bin der Letzte, der das erfährt. Und ich mag es so. Ich mag Überraschungen. Aber wenn ich etwas weiß, lasse ich es euch wissen.
Letzteres dürfte angesichts von Hamills erprobter Verschwiegenheit unwahrscheinlich sein, aber damit sind wir mal wieder auf dem aktuellen Stand (und die Bart-Wachstumsbeobachtung kann erneut beginnen).
Während Lukes Zukunft aber ungewiss bleibt, ist seine Vergangenheit seit Dezember geklärt. Auch dazu gibt es eine Stellungnahme Hamills in einer Gesamtbetrachtung von IGN:
Luke Skywalker ist der wohl berühmteste fiktionale Held aller Zeiten. Jahrzehnte voller Filme, Bücher, Spiele und Merchandise haben nicht nur seine Geschichte, sondern sein Bild in die Herzen von Millionen eingebrannt. Er ist zum modernen Archetypus geworden, und das Wort „Held” allein weckt schon Erinnerungen an sein jungenhaftes Lächeln, sein Lichtschwert und kleine Hände auf Plastik-Actionfiguren.
In einer Galaxis im Krieg wurde er als leuchtender Gegenpol vorgestellt, und auch wenn er sich auf seinem Weg mit zweifelhafteren Figuren einlässt, beginnt er als naiver Jüngling, der Schmerz kennenlernt und durch diese Begegnung stärker wird, ohne durch sein Aufeinandertreffen mit seinen Dämonen grundlegend anders geworden zu sein. Seine Geschichte ist so klassisch, sie grenzt ans Klischeehafte.
Und dann, 30 Jahre später, ist Luke Skywalker verschwunden.
„Die Lücke zwischen Die Rückkehr der Jedi-Ritter und Erwachen der Macht ist einfach so groß. Ich musste wirklich darüber nachsinnen”, meint Mark Hamill im Interview. „Ich fragte mich, wie ich von dieser mehr als optimistischen, positiven Figur zu diesem schlechtgelaunten, selbstmörderischen Mann geworden bin, der nur will, dass Leute seine Insel verlassen.”
Anders als bei den meisten Helden, endete Lukes Reise nicht nach einer drei Akte umfassenden Reise. In Star Wars: Das Erwachen der Macht ist er zu einem korrumpierten Mythos geworden, der in einer Zeit, in der er gebraucht wird, verschwunden ist, was eine neue Heldin zwingt, nach ihm zu suchen, wenn sie besser in dem Krieg mitkämpfen würde, in den sie hineingeraten ist.
Die Autoren Abrams und Kasdan trafen hier eine subversive, ja grausame Entscheidung: Diese riesige, jahrzehntelange Lücke erzählt uns, dass unser Held nie das erreicht hat, was traditionellerweise sein Lohn hätte sein müssen: Er bekam nie sein Mädchen, gründete nie eine Familie, und die Geschichte ist dazu verdammt, sich zu wiederholen.
Rian Johnsons Entscheidungen zu Episode VIII führten dies weiter: Luke ist hier nicht mehr nur Opfer, sondern weist seine Vergangenheit – manchmal aggressiv – von sich. Im übertragenen Sinne ergießt sich seine Verachtung auf jene Fans, die ihn als jungen Mann verehrten.
Eine so legendäre Figur zu untergraben nach dem Motto, je größer sie sind, desto härter fallen sie, ist eine enorme Entscheidung und rückblickend eine der kühnsten in der Geschichte von Blockbusterfilmen, zumal sie das Publikum derart gespalten hat.
Hamills eigene Fragen, wie Luke an diesen Punkt gekommen sein mag, hing als Frage wie ein Damoklesschwert über der Sequeltrilogie. Zwar fühlt sich das neue Star Wars audiovisuell vertraut an – derselbe alte Soundtrack, die gleichen Witze, die gleichen Latex-Alienmasken –, doch die größte Ikone der Saga wirkt fremd.
Tatsächlich stand der Luke-Darsteller dieser Veränderung bekanntlich unsicher und sogar kritisch gegenüber und empfindet immer noch widersprüchliche Emotionen zu diesem Thema. „Es war ein radikaler Wandel. Ich glaube, manchmal kann es gut sein, aus seiner Komfortzone gedrängt zu werden.[...] Ein Teil von mir sagte Rian aber: Weißt Du, ein Jedi würde nie aufgeben. Meinem Verständnis der Figur nach, würde ich mich zwar schrecklich fühlen, wenn ich den neuen Hitler auserwählt hätte, weil ich dachte, er wäre die neue Hoffnung, aber ich würde mich nicht insgeheim auf eine Insel absetzen und die Macht abschalten.”
Und wie es aussieht, war der ursprüngliche Plan für Episode VIII auch nicht ganz so extrem wie Johnsons Version. Auf das Ende von Star Wars: Das Erwachen der Macht angesprochen, als Rey vor dem schweigsamen Luke auf Ahch-To steht, erzählt Hamill, dass Abrams ursprünglich wollte, dass hier Lukes nun gewaltige Macht sichtbar wird.
„J.J. sagte, ‚ach so, übrigens, ich nehme wohl einige schwebende Felsen um Dich herein, um zu zeigen, wie die Macht in ihrer ganzen Kraft förmlich aus Dir herausdringt‘. Ich dachte also, dass in VIII Machtblitze aus allen Körperöffnungen schießen würden. Als würde ich eine Augenbraue heben und AT-ATs wie Dominosteine umstoßen. Es wäre nett, so mächtig zu sein, und ich müsste selbst nicht viel tun. Sie müssten mir keine Duellchoreographien beibringen, sondern ich würde einfach mit dem Finger auf etwas zeigen und den Spezialeffektmachern die Arbeit überlassen.”
Als Star Wars: Das Erwachen der Macht in den Kinos anlief, während Star Wars: Die letzten Jedi bereits in Vorproduktion war, fehlte diese Vorstellung nicht nur in der Endversion des ersten Films, sondern auch im Drehbuch des zweiten. Es mag diese Wankelmütigkeit der Sequel-Trilogie sein, die Hamill überhaupt erst veranlasste, seine eigene Unsicherheit über Lukes Schicksal nach außen zu tragen, gerade im Vergleich dieses Endes mit seiner ursprünglichen Darstellung der Figur.
„George hatte [in der klassischen Trilogie] eine Gesamtentwicklung der Figur im Sinn”, so Hamill. „Er mag nicht alle Details gehabt haben, aber er hatte ein Gespür dafür, wohin die drei führen würden. Diesmal ist es hingegen eher ein Staffellauf: Man rennt, gibt den Stab an den nächsten weiter, und der rennt weiter. Rian hat nicht geschrieben, was in 9 passieren wird, sondern sollte ursprünglich an Colin Trevorrow weitergeben und nun eben an J.J.”
Diese Staffelmethode hat Lukes Entwicklung unsicherer, aber wohl auch interessanter gemacht, denn wohl niemand hätte erwartet, dass er bei seiner Rückkehr nach 30 Jahren seinen Neffen, seinen besten Freund und sein Leben innerhalb von nur zwei Kinofilmen verlieren würde (ganz zu schweigen von seinen Eltern, seinen Zieheltern und seinen Mentoren in der letzten Trilogie).
Je näher man es sich ansieht, desto klarer wird, dass diese Heldenreise zur Tragödie geworden ist, und genau das hat auch Hamill für seine Darstellung genutzt:
„Es ist tragisch. Ich bin kein Method Actor, aber was diese tun, ist, ihre eigenen Lebenserfahrungen zu nutzen, um sich in fiktionale Szenarien hineinzuversetzen. Das einzige, an das ich denken konnte, als ich das Drehbuch las, war, dass ich zur Beatles-Generation zähle: All You Need Is Love. Frieden und Liebe.
Als ich ein Teenager war, dachte ich, wenn wir einmal die Macht übernehmen, dann wird es keine Kriege mehr geben, keine Rassendiskriminierung, und Gras wird legal sein. Eines davon haben wir inzwischen tatsächlich erreicht. Wenn man näher darüber nachdenkt, muss man feststellen, dass [meine Generation] versagt hat. Die Welt ist heute ohne jeden Zweifel schlechter als damals.”
Man darf durchaus Zweifel an dieser Zweifellosigkeit anmelden, aber wenn man Hamills Gefühle kennt, erhält Star Wars: Die letzten Jedi eine zusätzliche Dosis Pathos. Luke als entsetzten Babyboomer zu sehen, macht nicht nur seine Flucht aus einer enttäuschenden Welt – na ja, Galaxis – verständlicher, sondern sorgt für mehr Klarheit hinsichtlich seiner letzten Entscheidung: Er schickt eine Machtprojektion aus, um Kylo Ren und die Erste Ordnung abzulenken, aber nicht als 1:1-Entsprechung, sondern verjüngt. Es ist nicht einfach nur das letzte Aufgebot eines sterbenden Helden, sondern ein Rückblick in seine Vergangenheit.
Beim ersten Ansehen wirkte diese sauber frisierte Projektion, als hätte man Luke erstmals wirklich wiedergesehen. Hier kam diese Figur ihrer Blumenkindversion mit Lichtschwert nie, weder äußerlich noch hinsichtlich ihres Handelns. Er zog nicht aus, um Schurken zu vernichten, sondern um seinen überlebenden Freunden und seiner Familie die Chance zu geben, einen weiteren Tag zu überstehen, und das mag die endgültige Tragödie sein: Die neue Hoffnung endete im letzten Gefecht.
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