Gestern war es einmal wieder so weit: Disney musste seinen üblichen Vierteljahresbericht vorlegen und hatte dabei Erstaunliches zu vermelden. Das Unternehmen gab bekannt, seine Zusammenarbeit mit Netflix bei der Film- und TV-Verwertung zu beenden und stattdessen für 1,58 Mrd. US-Dollar 42 Prozent der Anteile am Streaming-Anbieter BAMTech zu erwerben. 33 Prozent der Anteile hatte sich Disney bereits vor einem Jahr für 1 Mrd. US-Dollar gesichert. Ziel der Operation: Ein Disney-Streaming-Dienst, über den das Unternehmen seine Film- und TV-Produktionen direkt an die Endkunden bringen kann. Disney-Chef Bob Iger ließ dazu verlauten:
Wir geben heute einen strategischen Kurswechsel hinsichtlich des Vertriebs unserer Inhalte bekannt. Die Medienlandschaft ist mehr und mehr von direkten Beziehungen zwischen Produzenten und Konsumenten bestimmt. Mit der Kontrolle über das ganze Spektrum von BAMTechs innovativer Technologie werden wir in die Lage versetzt, diese Verbindungen selbst aufzubauen und flexibel auf Marktveränderungen zu reagieren.
Diese Übernahme und der Start unseres direkt an die Endverbraucher gerichteten Angebots markieren den Anfang einer völlig neuen Wachstumsstrategie für das Unternehmen, welche die unglaublichen geschäftlichen Möglichkeiten nutzt, die durch die sich veränderte Technik geboten werden, um die Stärke unserer großartigen Marken voll auszukosten.
Wie Variety auf dieser Basis meldet, wird der neue Streaming-Dienst mit der Heimkinoauswertung der für 2019 geplanten Filme seine Arbeit aufnehmen. Direkt betroffen sind damit – zunächst in den USA – Filme wie Toy Story 4, Die Eiskönigin 2 und die Realverfilmung von Der König der Löwen.
Variety meldet weiter, Disney habe noch nicht entschieden, wie künftig mit Marvel- und Lucasfilm-Produktionen zu verfahren sei. Möglich ist hier also nach wie vor eine Lizensierung an Dienste wie Amazon und Netflix, komplett eigene Angebote nur für diese Marken oder eben die Verwertung über Disneys neuen Streaming-Dienst.
Die Entwicklung hin zu individuellen Content-Portalen ist in den USA übrigens nicht neu: Nach dem Aus für diverse Anbieter der ersten Stunde und der Konsolidierung des Markts rund um Riesen wie Amazon, Netflix und Co. geht der Trend auch bei anderen Content-Entwicklern zu exklusiven Inhalten auf einzelnen Portalen. Ein aktuelles Beispiel: Die neue Star-Trek-Serie Discovery, die in den USA nicht etwa – wie hierzulande – auf Netflix zu sehen sein wird, sondern im September als Flaggschiff des CBS-eigenen Diensts All Access auf Sendung gehen wird.
Im Falle von Disney schlägt man mit dem Erwerb von BAMTech darüber hinaus zwei Fliegen mit einer Klappe: Einerseits baut man sich einen direkten Vertriebskanal für Film- und TV-Inhalte auf. Andererseits ist BAMTech genau der richtige Partner für die Behandlung von Disneys einziger echter Achillesferse, denn ursprünglich wurde das Unternehmen als Vertriebskanal für die Baseball-Spiele der US-amerikanischen Major League gegründet. Die Übernahme kommt damit Disneys nach wie vor angeschlagenem Sportsender ESPN zugute.
Der verhagelt Disney inzwischen seit mehreren Jahren die ansonsten mustergültige Bilanz. Anfang 2018, und damit noch ein Jahr vor dem Film- und TV-Streaming-Dienst, will Disney deshalb auf Basis des neuen Unternehmens einen ESPN-Sport-Streaming-Dienst an den Start bringen, der wahlweise direkt über Disney/ESPN gebucht werden kann oder als App über die Appstores sowie als Angebot über Pay-TV-Lizenznehmer. Und damit vielleicht ja doch noch in die schwarzen Zahlen kommt.
Welche Auswirkungen BAMTech und die neuen Streaming-Video-Pläne von Disney auf Star Wars haben werden, bleibt abzuwarten. Allerdings ist denkbar, dass die Kinofilme nach wie vor auf diversen Plattformen verfügbar bleiben werden, während Serien bei dem neuen Dienst landen. Angekündigt ist zumindest, dass zum Start des neuen Angebots neben Filmen von Disney und Pixar auch Serien des Disney Channels, von Disney Junior und Disney XD verfügbar sein sollen. Rebels könnte hier also schon mit von der Partie sein.
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