Seit vergangener Woche wissen wir: Michael Arndt schreibt Episode VII. Der Blog Go into the Story, der sich mit dem Drehbuchschreiben im Allgemeinen und Besonderen befasst, hat sich deshalb Arndts Arbeitsweise näher angesehen.
Hier einige kurze Auszüge:
Über Arndts Arbeit an Little Miss Sunshine
"Am Dienstag, dem 23. Mai 2000, um 16:27 Uhr setze ich mich hin, um LMS zu schreiben. Am ersten Tag schrieb ich 12 Seiten, am zweiten 37, am dritten arbeitete ich die Nacht durch und schrieb 54 Seiten. Um 9:56 Uhr am Freitag, dem 26. Mai, war die erste Fassung fertig. Danach verbrachte ich ein Jahr mit Revisionen."
"Doch [Michael Arndt] erklärt, das Schreiben bleibe für ihn ein rätselhafter und schwieriger Prozess. Eines der wenigen Rezepte, das ihm gewöhnlich hilft: Er fängt damit an, das Ende der Geschichte zu schreiben und überlegt sich dann, wie er will, dass sich das Publikum fühlt."
-Aus Carbetbagger / New York Times
"Ich glaube an Enden. Das Ende einer Geschichte ist für mich der Moment, wo die Bedeutung der Geschichte enthüllt wird. Ich denke aber auch an den Aufbau einer Geschichte: Eine gute Geschichte enthält für mich eine Figur, die kurz vor dem Höhepunkt eine entscheidende Wahl trifft. Und normalerweise muss man diese Entscheidung so schwer wie möglich machen.
[...]
Um es didaktisch zu formulieren: Man will, dass die eigene Figur eine bedeutsame Entscheidung trifft und drängt sie dazu in eine Ecke. Als ich anfing, LMS zu schreiben, wusste ich, dass es äußerlich um gar nichts ging: Ein trivialer Schönheitswettbewerb für Kinder. Aber als Humorstrategie wollte ich das Ganze emotional und philosophisch so stark aufladen, dass es um nichts Größeres hätte gehen können. Damit man in diesem Moment der großen Entscheidung als Zuschauer hundertprozentig in der Geschichte eingebunden ist. Man will wissen, wie die Entscheidung lautet und was sich daraus ergeben wird."Über Arndts Arbeit an Toy Story 3
"Wir [Pixar] sind auf ihn gestoßen, bevor Little Miss Sunshine in die Kinos kam. Wir haben ihn einzig und allein aufgrund der Qualität seines Drehbuchs eingestellt, nicht wegen des Erfolgs seines Films oder den Kritiken."
-Mary Coleman (Leiterin der Story-Abteilung von Pixar)
"[Der Anruf von Pixar] war wie ein Ruf hinauf auf den Olymp".
-Michael Arndt
"In Toy Story lernt Woody, gemeinsam mit Buzz im Rampenlicht zu stehen. Er ist wie ein Kind, der ein Geschwisterchen bekommt und erkennen muss, dass er nicht immer im Mittelpunkt stehen muss. Emotional spiegelt das die Erfahrungen von 5- bis 6jährigen wieder.
In Toy Story 2 muss Woody mit seiner eigenen Sterblichkeit fertigwerden. Das entspricht ungefähr dem Entwicklungsstand von 8- bis 10jährigen Kindern.
[In Toy Story 3] lernt Woody, dass Dinge nicht von Dauer sind und dass es nötig ist, loszulassen und voranzuschreiten. Es gibt in der Trilogie also eine Gesamtentwicklung. Und auch wenn es verbindende Elemente zwischen den drei Teilen gibt, glaube ich, dass wir doch verschiedene Geschichten erzählen, aber eben auch eine Gesamtgeschichte, welche die gesamte Trilogie umfasst."
"Die Leute sagen, Schreiben bedeutet Um-Schreiben, aber ein Teil der Gleichung ist damit nicht abgedeckt: Die Reaktionen, die man vor dem Umschreiben einholt. Pixar-Geschichten funktionieren, weil das System zum Einholen dieser Reaktionen äußerst solide ist. Nur weil der Film quasi sieben- oder achtmal neu gemacht wird und es immer wieder Augenblicke des Scheiterns gibt und weil die klügste und gnadenloseste Kritik auf ihn hereinprasselt, kann man die Geschichte immer wieder neu schreiben, und damit nehmen diese Geschichten Form an und wirken letztlich kohärent und vollständig.
Andrew Stanton [u.a. der Ko-Autor von Toy Story und Regisseur von Wall-E] hat eine Faustregel: Es braucht umgerechnet 10 Arbeitsjahre, um ein gutes Drehbuch zu schreiben. Entweder arbeiten 2 Autoren also fünf Jahre lang oder 10 Leute ein Jahr lang. Bei Toy Story 3 war es noch anders: Daran haben wohl 10 Leute zwei bis drei Jahre gearbeitet.
Und das ist für mich der große Unterschied zwischen Pixar und fast allen anderen Studios: Dort weiß man, wie schwer es ist, ein tolles Drehbuch zu schreiben."
Da Arndt zwar nur als Autor von Episode VII bestätigt wurde, aber auch an den Konzepten für die beiden Folgefilme beteiligt war, dürfte das "Ende zuerst"-Konzept erneut aufgegangen sein.
Ob seine anderen Schreibstrategien ebenfalls anschlagen, wissen wir spätestens 2015. :-)
Die gesamten, äußerst faszinierenden, Blogeinträge, findet ihr auf GointotheStory.BlckLst.com.
Seite 1
Interessant, damit hat Arndt eine ähnliche Arbeitsweise wie ich. Ich brauche für das Feilen an einer Geschichte auch viel länger als für das eigentliche Schreiben.
Mir gefällt auch, was er über das Ende einer Geschichte schreibt. Das spricht für ein großes, dramatisches Finale - nicht nur in Bezug auf die Action - sondern weil sich damit das Schicksal einer oder mehrerer Figuren für immer entscheidet.
Allein Toy Story 3 gesehen zu haben reicht mir aus, um vollstes Vertrauen in diesen Mann zu setzen. Ich glaube das wird für die jüngere Generation, die mit den Prequels aufgewachsen ist, aber vielleicht auch für die Älteren ein kleiner Kulturschock, was Emotionen bei Star Wars angeht
Die Vorfreude auf einen Star Wars Film war wohl nie spannender, denn anders als bei den Prequels geht es diesmal in völlig fremde Gefilde und niemand weiß auch nur annähernd, was passieren wird und wie es ausgeht. Es könnten wieder echte Cliffhanger-Momente á la "Ich bin dein Vater" kommen.
Olli Wan
Obi Wan 2012
TiiN
Man sollte immer erst wissen, wie eine Geschichte ausgeht bzw. was ihre Auflösung ist, bevor man zu schreiben beginnt. Ansonsten wäre es, als würde man sich ins Auto setzen und losfahren, ohne zu wissen, wo das Ziel ist. Dann kann es passieren, dass man wild rumkurvt und im Nirgendwo landet.
Und da ich auch ein großer Fan von Enden bin, bin ich mit Michael Arndt als Drehbuchautor sehr zufrieden
(zuletzt geändert am 15.11.2012 um 15:41 Uhr)
Blue Max
Schaft Arndt das überhaupt vom Zeitlichen her?
"Es braucht umgerechnet 10 Arbeitsjahre, um ein gutes Drehbuch zu schreiben. Entweder arbeiten 2 Autoren also fünf Jahre lang oder 10 Leute ein Jahr lang. Bei Toy Story 3 war es noch anders: Daran haben wohl 10 Leute zwei bis drei Jahre gearbeitet." -Andrew Stanton
Wenn er jetz alleine am Drehbuch arbeitet, mit (evtl.) Unterstützung von GL.
Kann dann aus der Story etwas werden?
Ich meine GL hat bestimmt auch nur ein Konzept von Episode VII vorgelegt, wie soll dann Michael Arndt das schaffen, wenn schon ungefähr Ende 2013 Beginn 2014 mit den Dreharbeiten begonnen werden muss (falls 2015 Kinoprimiere sein soll)?
Oder arbeitet Arndt mit einem großen Team zusammen?
Meister Obi Wan
@ Blue Max:
Naja. So wie du es beschrieben hast (einfach ins Auto setzen und losfahren) mach es beispielsweise Stephen King häufig mit seinen Romanen. Und der ist einer der bedeutendsten Schriftsteller unserer Zeit.
Jeder hat seinen eigenen Stil - aber auf die Qualität kann man dadurch nicht schließen.
Kit Fisto
BeTa
@Olli Wan: Da hast Du vollkommen recht! Mir war das bisher gar nicht so bewusst. Wir werden wirklich was ganz neues in diesem fantastischen Universum erleben und wer weiß, wie es aus geht oder was passiert. Ich habe mich gedanklich bisher schon fast zu sehr auf das EU beschränkt.
Die Prequels werden zwar verteufelt aber die haben (von meinem Standpunkt aus) die EIV-VI sehr stark aufgewertet. Mir fällt da die Szene mit Luke und Obi Wan ein, als Obi Wan sagt, dass Anakin ein guter Freund war. Der Eindruck dieser Szene ist für mich heute ein ganz anderer und um einiges besser. Oder die Szene als Yoda in RotJ sagt: "Unterschätze niemals die Macht des Imperators". Es wäre cool, wenn das auch mit den neuen Episoden gelingt und wir 2021 zurückblicken und sagen: "WOW, das ergibt ein völlig neues Bild"
Edit: Es gibt ja auch noch Lucas Licensing, die hoffentlich ein gewisses Vetorecht haben, wenn die Story zu stark den anderen Filmen oder dem EU widerspricht.
(zuletzt geändert am 15.11.2012 um 16:17 Uhr)
Darth Tyranus
Klar: Es ist natürlich immer alles soooo schwer und langwierig - schließlich will man ja entsprechend entlohnt werden!
Mal ehrlich: Ist es wirklich so mühsam, einen Star Wars-Film zu schreiben? Ich denke eher nicht, vor allem wenn man nur einen vorgegebenen Pfad - eben den von Lucas - folgen muss! Und SW ist ja auch nicht wirklich wie Ghandi oder anderes hochkulturelles Zeugs! Es ist und bleibt - hoffentlich - Popcorn-Kino mit gewaltiger Bild- und Tonsprache!
Wichtig ist natürlich bei solch einer kommerziellen Produktion, dass man den Massengeschmack möglichst genau trifft! Ich hoffe, er kriegt das hin...
dmhvader
Piff
lordtyranus
Ich weiß immer noch nicht so recht, ob ich mich über die Ankündigung neuer Filme freuen kann. Episode VI ist so ein runder Abschluss einer in sich geschlossenen Saga, in der die beiden Trilogien die konträren Lebensläufe zweier ähnlicher Menschen erzählen, die am Ende zusammenlaufen. Alles Weitere scheint mir wie ein Anhängsel. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich Michael Arndt für eine gute Wahl halte. Ich will mir nicht zu viel versprechen, weil ich das auch vor Episode I getan habe, aber der Mann ist zur Zeit meine personifizierte Hoffnung auf anständige neue Episoden. So, wie er das Gesamt- und die Einzelkonzepte der Toy Story-Filme erläutert, kann man eigentlich guter Dinge sein.
George Lucas
Also ich habe alle 3 Toy Story Filme gesehen sowie LMS und all diese FIlme haben mir gefallen. (Ja ich weiß das Arndt nur TS 3 geschrieben hat. die beiden Vorgänger stammen von anderen Personen) Aber nicht nur das: Ich mochte die Geschichte insgesammt. Denn Arndt sagte ja: "[In Toy Story 3] lernt Woody, dass Dinge nicht von Dauer sind und dass es nötig ist, loszulassen und voranzuschreiten. Es gibt in der Trilogie also eine Gesamtentwicklung" Ja und er wollte das zeigen diese Gesamtentwicklung und das loslassen, die Frage war nun eine passende Story zu finden die das zum Ausdruck bringt und ich finde er hat es sehr gut gemacht. Die Story in Toy Story 3 war super. Aber auch diese "Gesamtentwicklung", den der Autor sagt desweiteren: "Es gibt in der Trilogie also eine Gesamtentwicklung. Und auch wenn es verbindende Elemente zwischen den drei Teilen gibt, glaube ich, dass wir doch verschiedene Geschichten erzählen, aber eben auch eine Gesamtgeschichte, welche die gesamte Trilogie umfasst." Und ich hoffe auch bei der NEUEN SW TRILOGIE gibt es neue Verbindende Elemente und eine Entwicklung, das es sich wie eine Trilogie anfühlt, und nicht nur wie unwichtige Einzelfilme. Gerne auch mit Cliffhanger wie in EP V. Damals "hassten" bzw. mochten viele das Offene Ende nicht, heute zählt EP V: ESB zu den beste der SAGA. Ist gut das man in großen Masstäben denkt und in Trilogie anstatt in Einzelfilme zu denken, und statt von Film zu Film zu entscheiden schon vorher ein Gesamtkonzept parat zu haben!
Ich freue mich und vertraue Arndt! May the Force be with him!
Darth HLT
@ Blue Max
Das kann man so nicht sagen. Es hat jeder eine eigene persönliche Methoden, mit der er oder sie sich am wohlsten fühlt. Der eine plant per Schneeflocken-Methode vielleicht alles durch, der andere fängt nur mit einer Idee für eine einzige Szene an.
Es hat auch alles seine Vor- und Nachteile. Die Schneeflocken-Methode lässt zum Beispiel viel weniger Spielraum für spontane Plotänderungen, während man im anderen Extremfall Gefahr laufen könnte, ins Nirvana zu schreiben.
@ Darth Pevra & Kit Fisto
Da können wir hier nicht zu sehr ins Detail gehen; ich persönlich würde einfach empfehlen, den Ausgang einer Geschichte zu wissen, bevor man anfängt zu schreiben und währenddessen immer im Blick zu haben. Vor allem beim Drehbuchschreiben.
Das muss nicht heißen, dass schon alles genau durchgeplant ist und es keinen Raum mehr für Spontanität gibt. Aber man kann die Handlung und Entwicklung der Charaktere darauf ausrichten. Denn am Ende erreicht der Charakter ja auch klassischerweise den Zustand, zu dem er sich hin entwickeln soll und der durch die vorhergehenden Entscheidungen entsprechend geformt wurde.
Wie auch immer, ich habe großes Vertrauen in Arndt, da er wohl viel Wert auf ein wirklich rundes und nach klassischen Maßstäben funktionierendes Drehbuch legt. Bleibt höchstens die Frage, ob er abgesehen von Lucas' Entwurf noch andere Hilfen hat. Ob Lucas z.B. auch über den Entwurf und erste Gespräche hinaus in den Entstehungsprozess involviert ist.
Vielleicht liest am Ende ja auch Carrie Fisher mal drüber als script doc
Oder ist das Drehbuch womöglich schon fertig?
Blue Max
Es wurde ja schon ein Autor genannt, der das anders handhabt: Stephen King. In Anbetracht dessen ist deine Empfehlung wertlos (und das meine ich nicht bös), denn wer kann besser schreiben, King oder du?
Ich muss zwar selber auch wissen, worauf ich hinschreibe, aber das ist trotzdem nur Teil "meines persönlichen Erfolgsrezepts". Es bedeutet nicht, dass es für jeden anderen gültig ist. Mir ist es übrigens schon häufig passiert, dass meine erdachten Figuren während des Schreibens so ein Eigenleben entwickelten, dass die ursprünglich geplante Entwicklung gar nicht mehr passte und ich umdisponieren musste. Deswegen kann ich mir schon vorstellen, dass manche sich leichter tun, wenn sie erst gar kein Ende planen.
Stephen King ist aber in erster Linie Roman- und nicht Drehbuchautor. Zudem: Auch wenn es bei ihm so funktioniert, denke ich, dass es für die meisten dennoch effektiver ist, sich erst eine Struktur mit Ende zu überlegen. Das ist ja nicht nur meine persönliche Ansicht, sondern eine verbreitete Lehrmeinung. Wer mit einer anderen Methode besser fährt, wird das schon merken. Es schadet aber nicht, die Grundlagen zu lernen.
Blue Max
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