Zum bevorstehenden Heimkinostart von Solo: A Star Wars Story hat sich die offizielle Seite mit Solo-Komponist John Powell unterhalten. Powell hat die Musik für diverse moderne Action-Klassiker geschrieben, z.B. Im Körper des Feindes, Die Bourne-Identität und Mr. & Mrs. Smith. Auch in einem anderen Bereich ist er einer von Hollywoods Stammkomponisten: Powell lieferte die Musik für diverse Animationsfilme, darunter Shrek, Ice Age und Kung Fu Panda. Für seine Arbeit an Solo mischte Powell John Williams' klassische Motive mit einem brandneuen Stück von Wiliams selbst und natürlich vielen eigenen Stücken, für die er u.a. einem bulgarischen Frauenchor und Vuvuzelas aufbot. Hier seine Gedanken zu Solo:
„Es war einschüchternd und demuterregend, mit John Williams zusammenzuarbeiten. Er ist fast schon unangenehm menschlich”, meint Powell lachend auf seine Arbeit mit dem Star-Wars-Maestro angeprochen, „und er verfügt über ein übermenschliches Talent. Er war sehr freundlich zu mir. Ein wenig war es, als würde man seinen Master machen: Man geht zurück auf die Uni und erkennt, dass es so viele Dinge gibt, die man nicht wusste. Dazu kommt ein erhebliches Maß an Heldenverehrung, die man zunächst überwinden muss.”
Was Powell vor allem beeindruckte war, wie mühelos Williams seine Arbeit wirken ließ, womit er seinen Status als Legende nur unterstrich. „Als Komponist hat er Fähigkeiten, die es in dieser Form eigentlich gar nicht mehr gibt. So etwas sieht man sonst nur bei Leuten aus dem 19. Jahrhundert. Ich bin mit Brahms aufgewachsen, mit Sibelius und Tschaikowski, und wenn ich mir seine Fähigkeiten als Komponist betrachte, ist er näher an ihnen dran als jeder andere, dem ich je begegnet wäre.”
Die Beiden arbeiteten zu Beginn ihrer Arbeit an der Musik mit dem Regisseur, den Schnitttechnikern und den Produzenten zusammen, um Williams neues Motiv in die Musik einzuarbeiten. „Er lud mich in sein Haus ein und spielte mir am Klavier ein Motiv in zwei Teilen vor: Eine Heldenmelodie und eine Such-Melodie. Ich war von beiden begeistert. Und nachdem er sich sicher war, dass es allen gefiel, ließen wir ihn eine Weile arbeiten und er nahm das Motiv und entwickelte daraus vollständigere Fassungen für das Orchester.” Williams schuf ein halbes Dutzend kleiner Stücken für den Film und gab damit die Richtung für die Gesamtmusik vor. „Nachdem John sein Material geschrieben hatte, ergab alles viel mehr Sinn, und wir hatten alle das Gefühl, das Rätsel gelöst zu haben”, meint Powell. „Das Such-Thema, das ich später für den Vorspann benutzt habe, war eine anderthalb bis zweiminütige Suite, die er geschrieben hat. Nachdem das alles erledigt war, habe ich dieses Material in meinen Sequenzer geladen, denn damit schreibe ich, und auf der Grundlage nahm ich teils 1:1 seine Arbeit oder entwickelte sein Material in verschiedene Richtungen für andere Teile des Films weiter. Sie bilden so den Grundstoff, aus dem die ganze Musik des Films gewoben ist.”
Powell lieh sich außerdem andere Elemente aus Williams' früheren Werken aus, wann immer Hans Schicksal angedeutet wurde oder Han Schritte in Richtung seiner schicksalhaften Reise nach Tatooine ging.
„Ein Thema, das Ron [Howard] im Film haben wollte, war das Thema Jugend”, so Powell. „Er wollte diesen jugendlichen, noch ungeschliffenen, widerwilligen Helden zeigen, den wir als mürrischen, alten, widerwilligen Helden kennen. Noch hat er das Feuer der Jugend und wohl mehr Optimismus als in den alten Filmen. Und die Frage war, was ihm widerfährt in diesen 10 Jahren, diesen unglaublich wichtigen 10 Jahren, die wir alle durchmachen, wenn wir erwachsen werden? Was ist es, das ihn so zynisch macht? Ich habe daher immer versucht, Musik zu schreiben, die weniger ausgeformt und weniger ernsthaft klingt als die, die wir aus Eine neue Hoffnung kennen und die jünger und unfertiger wirkt.”
Doch Powell wurde auch von seinen eigenen musikalischen Vorlieben geprägt. Er wuchs mit orchestraler Klassik auf, bevor er Rock-Ikonen wie Queen, Thin Lizzy und Bruce Springsteen entdeckte. Mit zunehmendem Alter kamen Künstler wie Björk, Massive Attack, Sweet Honey and the Rock und in jüngster Zeit die Punch Brothers und Parno Graszt hinzu. „Das ist so eine Art rumänischer Punk”, erklärt Powell letztere. Und, eher zufällig, hörte er auch Lando-Schauspieler Donald Glover, denn auf Powells Playlist fand sich „eine Menge von Childish Gambinos letztem Album. Das war überhaupt nicht absichtlich. Er ist einfach ein unglaublicher Musiker.”
Diese persönlichen Vorlieben und seine berufliche Erfahrungen zusammen ergeben das Klangbild, das Solo bestimmt. „Ich bin eben einfach etwas anders. Natürlich haben mich John Williams und seine Musik immer beeinflusst, aber ich kann einfach nicht genauso klingen wie er. Ich habe meine eigenen seltsamen Methoden, und so klingt alles eben wie ich. Die Herausforderung bestand darin, meinen Klang und seinen zu verbinden, um seinen Stil gebührend zu würdigen. Die großen Actionszenen klingen nicht genauso wie John, aber seinen Einfluss hört man hoffentlich immer.”
Herausragend in Powells Musik ist der Showdown auf Savareen, der gleichermaßen neu und vertraut klingt. Die Ankunft von Enfys Nest verband Powell mit der Sangeskraft eines bulgarischen Frauenchors.
„Man hört sie zum ersten Mal, wenn Enfys auf dem Zug auftaucht. Ich wollte, dass es exotisch und ungewöhnlich klingt, als wäre eine andere Welt aufgetaucht. Ich fand Johns Choreinsatz in Die dunkle Bedrohung immer großartig, und in die Richtung habe ich gedacht. Hier kann ich einen ganz anderen Chorklang etablieren, der aber an Johns Stil anknüpft. Im Grunde ging es mir darum, die ganze energiegeladene Wildheit des Femininen einzufangen und einen sehr starken weiblichen Klang zu entwickeln, ohne damit gleich Enfys wahre Identität zu enthüllen.”
Powell war dabei schon früh klar, dass ein normaler Frauenchor dieses Kriegerinnenmotiv kaum zum Leben erwecken könnte. ”Alles in der Orchestrierung war unglaublich aggressiv. Hätte ich einen normalen Frauenchor eingesetzt, hätte es nicht funktioniert. Aber in Bulgarien gibt es diese Klangfarbe, wo ohne Vibrato gesungen wird und die Aggressivität unmittelbar herüberkommt.”
Für einige Hörer klang das fast schon nach einem Kinderchor. „Also mir würde es Angst machen, wenn Kinder so klingen würden”, meint Powell lachend. „Normalerweise wird diese Art von Musik auf schöne Weise eingesetzt. Wir haben sie aggressiv verwendet, und damit hatte ich ein sehr praktisches Werkzeug an der Hand, das ich variieren konnte: Erst macht es einem Angst, später übernimmt es alles.”
Beim Korsalflug galt es für Powell, die richtige Begleitmusik für die Actionszene zu finden. Dabei griff er unter anderem auf den imperialen Marsch zurück, aber nicht nur.
„Die ganze erste Hälfte davon, während der Falke seine akkrobatischen Tricks hinlegt und bevor das Monster auftaucht, enthält diverse Verweise an die anderen Filme, also altes Material, neues Material von John und Material von mir selbst”, so Powell. Wenn die Flucht dann zunehmend verzweifelt wird und man sich Sorgen machen muss, dass dies ein sehr kurzer Flug werden könnte, wird die Partitur hektischer. „Ich brauchte mehr Verrücktheit, aber wie nimmt man etwas, das ohnehin schon verrückt ist und macht es noch wilder?”, fragt Powell und fügt mit einem Lachen hinzu: „Es war schwer, das noch zu steigern, schwer, noch irrer zu werden. Alles wurde schneller und höher und schwerer für das Orchester, bis wir ein fast unspielbares Stück Musik hatten. Ich weiß nicht, wie die Musiker es hinbekommen haben. Es hat Spaß gemacht, es war eine der letzten Sequenzen, die wir gemacht haben, weil sie aufgrund der vielen visuellen Effekte lange nicht fertig wurde.”
Eine von Powells Herausforderungen war das furchterregende Summa-Verminoth, das massive Tentakel-Wesen, das sich an der Rettungskapsel des Falken festhält, bevor es im Schwerkraftstrudel stirbt. Ron Howard und die Produzenten hatten eine konkrete Bitte: „[Sie] baten uns immer wieder darum, zumindest zu versuchen, etwas Mitleid mit dem Raummonster zu haben”, berichtet Powell. Er versuchte, eine Stimme zu finden, die das Tier musikalisch darstellen konnte, aber mit einem traditionellen Instrument war das nicht zu machen. „Ich war in London mit den Bläsern, einigen der besten Musiker der Welt.” Während der Aufnahmen in den berühmten Abbey Road Studios gab Powell ihnen neue Instrumente. „Ich kaufte ihnen allen Vuvuzelas, diese billigen Plastikhörner, die das Publikum so ohrenbetäubend bei der Weltmeisterschaft in Südafrika benutzt hat. Das ergab ein unfassbar unangenehm lautes Geplärre, aber ich wollte unbedingt wissen, was diese phantastischen Musiker, die normalerweise mit den wertvollsten Instrumenten arbeiten, aus diesen 3-Dollar-Röhren herausholen konnten.”
Das Ergebnis beschreibt Powell als „wirklich furchtbares Gehupe”. „Und das ist dann so ungefähr die charakteristische Begleitung des Weltraummonsters. Ein Schreien, in dem Einsamkeit, Angst und Verzweiflung stecken.”
Während der Film sich beim Kostümdesign und in anderen Punkten von den 70ern und 80ern inspirieren ließ, setzte Powell musikalisch mehrheitlich auf die Zeitlosigkeit symphonischer Klänge. In einer Szene baute er jedoch auf postmodernen galaktischen Lounge-Funk.
Für das Stück „Chicken in the Pot” schrieb Powell faktisch die Cantina-Musik von Solo, einen mitreißenden Party-Song, der auf Drydens Yacht zu hören ist. Der Name ist von einer Konzeptzeichnung der Szene inspiriert, die Powell noch vor dem Dreh der Szene zu sehen bekam und die ihn an ein Huhn in einem Kochtopf erinnerten. „Ich schrieb also einige Zeilen auf Englisch, bei denen es faktisch darum ging, dass der Sänger Hühnchen essen möchte, und dann übersetzten wir das ins Huttische. Das Ergebnis ist ein seltsames Musikstück, aber es ist eine seltsame Galaxis und die Party-Gäste sind auch ein komischer Haufen.
„Man versucht, die Musik so ungewöhnlich zu machen wie den Rest der Szene: Das Aussehen der Nichtmenschen, der Umgebung, die Masken. Man versucht, diese Seltsamkeit auzugreifen, aber mit einem Stück Wiedererkennungswert. Hier haben wir damit faktisch Lounge-Sänger, die ihren Auftritt absolvieren.”
Nachdem Solo nun der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hat Powell ein besseres Gefühl für seine Rolle und den Film insgesamt aus der Perspektive eines Fans und Zuschauers. Bei der Weltpremiere in Los Angeles „gab es so viele Fans. Sie waren hörbar überrascht, lachten und hatten ihren Spaß. Und ganz allgemein fand fast jeder den Film toll, was natürlich schön ist, denn wir versuchen immer den bestmöglichen Film zu machen. Ich für meinen Teil war schon beim ersten Lesen vom Drehbuch begeistert.”
Und auch für Powell gab es noch überraschende Entdeckungen. „Ich war vor einem Jahr, als Ron in London drehte, im Studio und sie hatten diese riesige Konstruktion gebaut für die Zugszene, ein riesiges, bewegliches Gestell mit jeder Menge Greenscreen außenherum. Es sah nach nicht allzu viel aus. Im Laufe meiner Arbeit kam mehr und mehr von diesen Szenen bei mir vorbei, und alles veränderte sich nach und nach, aber es sah immer noch sehr unfertig aus und nur sehr vage nach Zug.
Und dann kamen wir zur Premiere und ich hatte Wochen und Wochen mit dieser Szene verbracht, und ich sah sie mir an und das erste, was ich dachte, war: 'Ich frage mich, wo sie das aufgenommen haben.' Was natürlich irre war, denn ich wusste es ja, aber es sah so absolut perfekt aus. Sogar ich war völlig durcheinander. Es sah absolut real aus... Das ist ein wunderbarer Moment, wenn man merkt, dass man einen Anteil daran hatte, eine Welt zu erschaffen, die einen völlig für sich einnimmt und überzeugt. Das ist wirklich ein tolles Gefühl.”
Danke an Florian für den Hinweis.
Solo – A Star Wars Story ist ab dem 27. September im Handel erhältlich. Vorbestellen könnt ihr den Film u.a. bei Amazon.de. Die Streaming-Version erscheint am 21. September und ist hier erhältlich.
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Ich muss mittlerweile leider sagen dass mir die neuen Komponisten sogar besser gefallen als Williams. Nichts für ungut John, deine Arbeit ist Meisterhaft. Aber Irgendwie finde ich Powells "Mine Mission", "Break Out" und "Meet Han" oder Michaels "Hope", "Guardians of the Whills" oder "Rogue One" einfach bombastischer...
Valern
BeTa
@ Valern
Du hast recht.
Entweder lässt Williams stark nach, oder er verfolgt bewusst eine neue Stilrichtung, die mir aber so gar nicht zusagt.
Der Rogue One Soundtrack hat mich deutlich mehr in seinen Bann gezogen, als die beiden Soundtracks von Episode VII und VIII zusammen. Und das, obwohl Rey's Theme und Jedi Steps wirklich sehr gelungen sind.
Kurioserweise gefällt mir bei Solo das Stück Reminiscence Therapy, welches ja aus bekannten Versatzstücken alter Williams'scher Star Wars Soundtracks besteht, am besten. Es hätte hier gar keine weiteren Ergänzung gebraucht, Asteroid Field und Here they come hätten die Korsal-Flug Szene auch allein getragen.
Zu dem im Interview angesprochenen Frauenchor: Mich erinnert das Stück entfernt an den Soundtrack von Ghost in the shell.
Und auch, wenn Ghost in the shell nicht von ihm ist, frage ich mich, ob Joe Hisaishi nicht auch einen sehr guten Star Wars Soundtrack hinbekommen würde.
Xmode
Interessant nur konnte ich mit der Musik ohne den Film wenig anfangen.
Bin immer noch überrascht wie bei Rogue One in kürzester Zeit so ein genialer Soundtrack entstehen konnte, der mich heute noch allein genommen für sich extrem anspricht.
Selbst die Saga Mucke fällt da zurück, weiß nicht wie er das geschafft hat, aber das war eine Meisterleistung. Möchte mehr von dem Komponisten von Rogue One in Star Wars hören, gern auch in kürzester Zeit zusammengeschrieben.
JaydenSkywalker
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