Jede Generation hat ihre Legende, hieß es 1998 im Episode-I-Teaser. Die größte Legende der Sequel-Generation ist wohl George Lucas' ursprüngliche Vision für Episode VII, VIII und IX, über die bislang viele Spekulationen und wenige Fakten im Umlauf sind. Im Gespräch mit James Cameron für James Cameron's Story of Science Fiction enthüllte Lucas einige Teilaspekte seines Plans für die Sequels. Lucas' Kerninteresse dabei: Molekularbiologie.
Lucas: Alle haben es gehasst, als wir in Die dunkle Bedrohung anfingen, über Midi-Chlorianer zu sprechen. Ein ganzer Aspekt dieses Films dreht sich um symbiotische Beziehungen. Es geht darum, zu erkennen, dass wir nicht der Boss sind. Es gibt da ein ganzes Ökosystem.
Cameron: Es gibt in unserem Innern ein ganzes Ökosystem namens Mikrobiom, das wir gerade erst begonnen haben kennenzulernen.
Lucas: [In den nächsten drei Star-Wars-Filmen] sollte es um eine mikrobiotische Welt gehen. Eine Welt voller Wesen, die anders handeln als wir. Ich nenne sie die Whills. Und die Whills sind diejenigen, die das Universum in Wahrheit kontrollieren. Sie ernähren sich von der Macht.
Cameron: Du warst dabei, eine Religion zu erschaffen, George.
Lucas: Damals habe ich immer gesagt, es bedeutet, dass wir nur die Autos, die Fahrzeuge der Whills sind, in denen sie herumreisen. Wir sind die Gefäße der Whills. Und die Verbindung erfolgt über die Midi-Chlorianer. Die Midi-Chlorianer sind diejenigen, die mit den Whills kommunizieren. Die Whills, im allgemeinen Sinne, sind die Macht.
Cameron: Aber Du ziehst damit faktisch nur eine Oberfläche, eine Fassade der Wissenschaft um eine Idee, die zeitlos ist, nämlich den Geist, die Seele, den Himmel, die Ursache allen Seins. In Deiner Welt greifst Du dazu auf den grundlegenden Archetypus zurück, also den Geist, eine Gottheit und all das.
Lucas: Dieses ganze Konzept mit der Macht, den Jedi und allem hatte ich von Anfang bis Ende ausgearbeitet. Ich hatte nur nie die Chance, es zu beenden und den Leuten davon zu erzählen.
Cameron: Es ist ein Schöpfungsmythos, und ohne einen Schöpfungsmythos kann man keine Welt errichten. Jede Religion, jede Mythologie fußt darauf.
Lucas: Hätte ich die Firma behalten, hätte ich es machen können, und dann wäre es beendet gewesen. Viele Fans hätten es natürlich gehasst, genau wie Die dunkle Bedrohung und all das, aber zumindest wäre die gesamte Geschichte von Anfang bis Ende erzählt gewesen.
Cameron: Und jetzt arbeitest Du nicht mehr für sie.
Lucas: Jetzt arbeite ich für niemanden mehr. Ich bin ein freier Mensch. Ich habe meinen eigenen Willen.
[…]
Lucas: Ich habe mit vielen Wissenschaftlern gesprochen, und der Bereich, der mich interessiert, ist der Übergang von einer Zelle zu zwei Zellen. Sie arbeiten noch daran. Sie haben gerade erst begonnen, die DNS von Bakterien zu analysieren und haben erkannt, dass es Milliarden von ihnen gibt, verschiedene Arten, die verschiedene Dinge tun. Ich denke, das wird die größte Veränderung im Bereich der Medizin sein, die wir je erlebt haben. Und aus meiner Sicht waren es Bakterien, die ursprünglich zur Entwicklung der Mitochondrien beigetragen haben, und die Mitochondrien haben wiederum dabei geholfen, mehrzellige Lebewesen zu erzeugen.
Cameron: Es ist also kein Zufall, dass sich Mitochondrien und Midi-Chlorianer phonetisch ähneln.
Lucas: Midi-Chlorianer sind Mitochondrien.
Cameron: Mitochondrien sind zweifellos erstaunliche Wesen. Aber schau mal, jetzt nimmst Du Mythos und Religion und Spiritualität und setzt ihnen wissenschaftliche Begriffe auf.
Lucas: Sie sind eine Mischung aus Mitochondrien und Chlorophyll. Chlorophyll funktioniert wie Mitochondrien des Pflanzenlebens. Wenn man die beiden zusammen nimmt, ist das die Quelle aller Energie.
Cameron: Und Du hast behauptet, dass du kein Science-Fiction-Typ bist, aber das ist klassische Science-Fiction.
Lucas: Ich bin nur ein Bauer, der in meinem Maisfeld sitzt und sich fragt: Was wäre, wenn? Wenn diese Mitochondrien genug Energie haben, um zwei Zellen zu machen, dann kann man, sobald man diese zwei Zellen hat, eine ganze Welt erschaffen.
Cameron: Und dann kann man alles machen. Man kann uns machen. Jede Art von Komplexität, die einem einfällt.
Lucas: Wobei ich darüber Einzeller nicht diffamieren möchte. Es gibt schließlich mehr von ihnen. […] Das war dieses eine Thema, mit dem ich mich vor dem Verkauf der Firma beschäftigt habe. Alle hatten die Midi-Chlorianer an den Prequels so sehr gehasst, und ich versuchte einfach, eine Methode zu finden, das alles zu erklären, ohne deshalb jeden auf die Palme zu bringen. Denn mir war schon klar, dass man das alles nicht sehen konnte. Man kann die Macht nicht sehen. Sie ist ein kraftvolles Ding, aber sehen kann man sie nicht.
[…]
Letztlich dreht sich alles um symbiotische Beziehungen. Ich finde, einer der wichtigsten Werte, den wir überhaupt haben sollten und den unsere Kinder lernen sollten, ist Ökologie. Nur so können wir verstehen lernen, dass wir alle miteinander verbunden sind. Der mythische Aspekt ist komplett nachrangig. Die Sache ist ganz einfach: Wir alle sind miteinander verbunden. Wenn ich hier jemandem etwas antue, hat das Auswirkungen auf irgendwen dort, da drüben oder irgendwo anders. Und alles fällt auf einen zurück. Man muss begreifen, dass man nur ein Teil eines sehr großen Ganzen ist. Man selbst ist nur ein kleines Teilchen, ein Zahnrad in einem riesigen Gesamtkonstrukt.
Cameron: Aber es ist etwas Schönes in dieser Verbindung. Etwas machtvolles.
Lucas: Was mir an diesem ganzen Gedanken so gefiel war, dass wir zwar alle beherrscht werden, aber die Eroberer des Universums sind diese kleinen Einzeller. Sie brauchen uns, und wir brauchen sie. Und die Idee war, dass die Macht keine Einbahnstraße ist: Sie umgibt uns, sie beherrscht uns... Und wir beherrschen sie.
Das gesamte Gespräch findet ihr bei Interesse im sendungsbegleitenden Buch von Randall Frakes.
Seite 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
« vorherige Seite nächste Seite »
Bisher keine Kommentare vorhanden. Schreib jetzt den ersten!
Seite 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
« vorherige Seite nächste Seite »
RSS-Feed für diesen Kommentarthread abonnieren
RSS-Feed für alle Kommentare