Müssen wir reden?
Es geht seit einigen Jahren im öffentlichen Diskurs eine traurige Erzählung um über das Star-Wars-Fandom: Es sei toxisch, rassistisch, frauenfeindlich, gegen Neuerungen, gegen alles, das anders ist. Darsteller wie Kelly Marie Tran, Daisy Ridley, John Boyega, Ahmed Best, Hayden Christensen und Jake Lloyd werden als Kronzeugen für diese Sicht herangezogen, ganz zu schweigen von Autoren wie R.A. Salvatore, der dereinst Chewbacca töten musste, und Star-Wars-Vater (und schrulliger -Onkel) George Lucas, der 1999 wagte, Star Wars von Grund auf neu zu denken.
Dieser Tage ist es Moses Ingram, die Anfeindungen ausgesetzt ist. Auf Instagram erklärte die Reva-Darstellerin, sie habe Hunderte von beleidigenden, teils rassistischen Nachrichten erhalten. Lucasfilm reagierte auf Twitter und Facebook:
Es gibt mehr als 20 Millionen fühlende Spezies in der Star-Wars-Galaxis. Entscheidet euch dagegen, ein Rassist zu sein.
Wir sind stolz darauf, Moses Ingram in der Star-Wars-Familie willkommen zu heißen und sind gespannt darauf, wie sich Revas Geschichte entwickeln wird. Wenn jemand beabsichtigt, ihr das Gefühl zu geben, nicht willkommen zu sein, haben wir nur eines zu sagen: Wir wehren uns.
Dies ist die eine Wahrheit: Nein,
Wie auf Rassismus und Frauenhass zu antworten ist, darüber sollte also im Fandom und außerhalb Einigkeit herrschen: Wir sagen nein. Wir sagen: Halt, nicht hier und nicht anderswo. Wir schließen uns Lucasfilm an und sagen: Wir wehren uns. Wir schließen uns Ewan McGregor an und sagen: Das gehört nicht in unser Fandom.
A personal message from Ewan McGregor. pic.twitter.com/rJSDmj663K
— Star Wars (@starwars) June 1, 2022
Aber als Fans, die nicht auf den finanziellen Wert unseres Lieblingsuniversums schielen müssen, sagen wir gleichzeitig auch: Machen wir es uns nicht zu leicht, wenn sich Stimmen gegen Figuren oder Darsteller erheben. Denn wer seit Freitag in den sozialen Netzwerken, in Foren oder auch nur in den Whatsapp-Gruppen seiner jeweiligen Blase unterwegs war, wird dort allerlei Reaktionen speziell auch auf die von Moses Ingram verkörperte Figur gesehen haben. Wo Kritik geäußert wurde, richtete sich diese meist gegen empfundene Logikbrüche, gegen die Grundkonzeption der Figur, gegen ihre Darstellung innerhalb der etablierten Inquisitoren oder gegen ihre schauspielerische Darstellung. Mit Rassismus und Frauenhass hatten solche Äußerungen nichts zu tun, obwohl auch sie geeignet sein mögen, einen Schauspieler zu verletzen. Kritik aber muss jederzeit gestattet sein, nur persönlich verletzend darf sie nicht sein.
Und so könnte dies vielleicht ein Anlass sein, uns die Frage zu stellen, wieso ausgerechnet unser Fandom zu Überreaktionen zu neigen scheint. Sind Batman-, Bond- oder Marvel-Fans einfach entspanntere Menschen? Haben die religiös-mystischen Untertöne von Star Wars Schuld daran, dass mit religiösem Eifer bekämpft wird, was nicht ins etablierte Weltbild passt?
Oder ist es nicht vielleicht so, dass Star Wars ein inhärentes Ventil-Problem hat?
Nehmen wir ein beliebiges Element, das neu in ein Franchise geworfen wird, sagen wir eine nervige, laute, überdrehte Figur, die tendenziell in Baby-Sprache spricht und sich über ihr Happi-Happi-Frühstück mehr freut als darüber, dass sie einem großen Helden in einen großen Konflikt folgen darf. Wie reagieren andere Franchises darauf?
Wird Bruce Wayne diese Figur in einem neuen Batman-Film als Freund in Kindertagen angedichtet, steckt im Franchise selbst schon der Reparaturmechanismus, sollte die Figur zu aller Überraschung auf wenig Gegenliebe stoßen: 2, 3 Jahre später wird ein neuer Film gedreht, in dem ein neuer Bruce Wayne eine neue Variante seiner vertrauten Hintergrundgeschichte erhält, und der alte Film wird zum Kuriosum und über Jahre vielleicht ähnlicher Kult wie Batmans Haispray.
Stößt Bond auf diese Figur, ist die Reaktion die gleiche: Es wird etwas ausprobiert, und es funktioniert oder funktioniert nicht, aber ein neuer Bond ist seit den Zeiten von George Lazenby eher Regel als Ausnahme.
Aber was geschieht in Star Wars? Wir haben eine Geschichte, eine große Kontinuität, und alles, was dieser Kontinuität beigefügt wird, bleibt ihr erhalten. Es gibt nicht 10 Varianten vom Treffen von Anakin Skywalker und Obi-Wan Kenobi, sondern eine, in der die oben beschriebene Figur im Nebenraum sitzt und Anakin ein kleiner, teils anstrengender Junge ist. Wir haben eine Version seines Falls zur dunklen Seite, eine Version seines Todes, ein Universum, in dem alles genau auf diese eine Art geschieht.
Und das ist ein großes Geschenk und ein in diesem Umfang und dieser Komplexität einmaliges Werk. Aber es fehlt ihm jedes Druckventil, jede Chance, Geschehenes neu zu überdenken. Nicht alles ist perfekt, aber alles muss aus Fansicht konsumiert werden, weil alles Nachfolgende darauf aufbaut.
Erst vor wenigen Tagen gab die Präsidentin von Lucasfilm zu Protokoll, man wolle über die Sequel-Trilogie hinauswachsen und die Geschichte fortschreiben. Es ist nur recht und billig, dass dies getan wird. Aber es wird, und das lässt sich schon heute sagen, automatisch dazu führen, dass Fans, die Star Wars insgesamt lieben und in seiner Gesamtheit mitnehmen wollen, gezwungen sein werden, sich mit ungeliebten, ja abgelehnten Teilen der Erzählung auseinanderzusetzen, um die Fortführung noch zu begreifen. Und so gräbt sich Star Wars seine eigene Fallgrube, je weiter es sich ausdehnt.
Noch einmal: Nichts davon ist Rechtfertigung für Menschenhass, Rassismus, persönliche Anfeindungen oder – wie R.A. Salvatore dies dereinst erleben musste – gar Morddrohungen.
Aber die Grundkonstellation von Star Wars drängt zur Eskalation. Sie drängt, und in diesem Punkt ist Star Wars tatsächlich religionsartig, dazu, den einen, wahren Glauben an die eine kanonische Wahrheit zu leben oder ausgeschlossen zu werden.
Gesund ist das nicht. Und jenseits der wenigen, wenn auch laustarken Verlorenen im Fandom, die sich ein weißgepanzertes Imperium nicht allein in einer weit, weit entfernten Galaxis zum Ziel erkoren haben, sollten wir als Fans einmal reden. Über die Anpassbarkeit und Erweiterbarkeit eines auf Kanonizität ausgerichteten Universums. Über Ventile. Reparaturen. Und darüber, ob und wie ein in Vielfalt geeintes Fandom langfristig harmonisch ausgelebt werden kann.
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Im Bairischen ist übrigens das Wort "Weiber" noch relativ normal im Sprachgebrauch, auch wenn es im Hochdeutschen durch Frau
mittlerweile verdrängt wurde. (die alten Paare waren ja: Weib - Mann; Frau - Herr; Dame - Herr [Sir hat es irgendwie nicht ins
Deutsche geschafft], hat sich ja bei weiblich - männlich sogar noch gehalten). Dass hier ausgerechnet Stahlberg et al. (2001)
zitiert wird, ist schon lustig. Die beweisen nämlich gar nichts. Eine methodisch schwächere Studie hätte man gar nicht nehmen können; da stand das Ergebnis mehr oder
weniger schon vor der Studie fest; da braucht man sich nur den Methodenteil durchzulesen, um zu erkennen, was mit dieser
Studie erreicht werden sollte. Wenn das die besten Studien der Befürworter der sogenannten geschlechtergerchten Sprache sind, dann braucht man sich wirklich keine Sorgen um unsere Sprache machen. Wer sich da mehr dafür interessiert kann auch mal in Zifonun (2018, 2021) reinschauen.
Zu diesen Themen könnte man so viel schreiben; aber fürs Bücherschreiben ist die Kommentarspalte wohl ungeeignet. Also entschuldigt,
wenn hier alles nur leicht angerissen und wenig ausgegfeilt formuliert ist. Ein Schuss aus der Hüfte eben. Aber vielles kann man einfach so nicht stehen lassen.
@Oxyuranus scutellatus (Peters, 1867)
Was ist an dem Satz "die Frauen sind Fußballweltmeister geworden" falsch? Wenn man auf Tautologien steht, kann man auch Weltmeisterinnen sagen. Formuliere es mal um, dann wird es klarer: "die Frauen sind weibliche Fußballweltmeister geworden", was gleichbedeutend mit -innen ist.
@CmdrAntilles "Zitat: Schlimm wird es nur dann, wenn man durch dieses Diversitäts-Weltbild anfängt historische Fakten in Medien zu verändern, was ja auch schon passiert. Aber zum Glück wollten wir nie wieder in solche dunklen Zeiten abrutschen.
Wovon sprichst du? Kannst du das irgendwie belegen?"
Vielleicht meint er z.B. sowas (da lassen sich noch zig andere finden):
Wenn man von Jüdinnen und Juden, kurz Jüd*innen, sprechen muss, weil Juden als maskuliner Sammelbegriff unzulässig geworden ist,
dann bekommen Leute wie ich auf neue Weise einen Stern verpasst. Und wenn Politiker von »jüdischen Münchnerinnen und Münchnern«
sprechen, die nach dem 9. November 1938 ins KZ Dachau eingeliefert wurden, dann wird es auch historisch falsch, weil es damals
nur die Männer traf. (https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/juedinnen-und-anderer-gender-stuss/)
Zu guter Letzt noch ein Zitat, dass oft hilft, die Verkrampfung bei solchen Diskussionen zu lösen: "Rassistische Bigotterie gibt‘s bei mir nicht! [...] (den mittleren Satz lasse ich mal weg, sonst kriegen hier ein paar Kollegen Schnappatmung)
Hier seid ihr alle zusammen gleich wertlos!" (Gunnery Sergeant Hartman, Full Metal Jacket).
ChrisAran
@Chris Aran
Zitat: "Und es war ja klar, dass hier auch wieder dir krude Definition von Diskriminierung kommt, sodass Schwarze nicht rassistisch und Frauen auch nicht sexistisch agieren könne"
Das hat doch gar keiner behauptet. Passt aber auch nicht zum Thema hier, da ich nicht sehe das zum Beispiel weiße Schauspieler*innen in sozialen Medien aufgrund ihrer Hautfarbe angegangen werden.
Zitat: "Wenn man von Jüdinnen und Juden, kurz Jüd*innen, sprechen muss, weil Juden als maskuliner Sammelbegriff unzulässig geworden ist, dann bekommen Leute wie ich auf neue Weise einen Stern verpasst"
Bitte was?
(zuletzt geändert am 07.06.2022 um 12:02 Uhr)
CmdrAntilles
Du musst es schon ganz lesen; Verzeihung, dass ich es nicht als Zitat gekennzeichnet habe:
"Wenn man von Jüdinnen und Juden, kurz Jüd*innen, sprechen muss, weil Juden als maskuliner Sammelbegriff unzulässig geworden ist, dann bekommen Leute wie ich auf neue Weise einen Stern verpasst. Und wenn Politiker von »jüdischen Münchnerinnen und Münchnern« sprechen, die nach dem 9. November 1938 ins KZ Dachau eingeliefert wurden, dann wird es auch historisch falsch, weil es damals nur die Männer traf." ( aus: https://www.juedische-allgemeine.de/meinung/juedinnen-und-anderer-gender-stuss/)
Bezog sich auf die in einem anderen Kommentar erwähnte mögliche Verfälschung historischer Fakten. Und wenn sich wie in dem Fall Menschen aus einem anderen Grund an dem Gender-Stern stören muss man das doch auch ernst nehmen, oder (Minderheitenschutz)?
ChrisAran
@Frauenquote
Dazu gibts auch verschiedene Meinungen. Und nachvollziehbar sind sie durchaus. Aber mal im Ernst, zwei Sachen sind dabei klar, Frauen möchten sicher keine Quotenfrauen sein. Und das andere, bislang hat sich trotz Dauergerede nur wenig getan, wos eine Frauenquote gibt, wurde es mit der Zeit jedoch besser. Nur braucht es dafür eine Pionierleistung, die eben von diesen Frauen erbracht werden muss. So, wie sich seinerzeit auch Frauen für ihr Stimmrecht erhoben haben. Das war sicher nicht angenehm und doch hat es das gebraucht. Denn einfach darauf zu hoffen, dass irgendwann genug Männer von sich aus eine Änderung anstreben, war halt nicht abzusehen. Nun mag man es als Zwängerei erachten, aber ein Kind erzieht man auch nicht, indem man darauf wartet, dass es von sich aus das Zimmer aufräumt etc. Ansonsten muss man sich auch irgendwann fragen, wozu eine Regierung, wenn nicht regiert werden soll? Sprich Regeln können da durchaus Sinn machen. Ich seh eine Quotenregelung aber nur als temporäre Massnahme, bis Mechanismen greifen, die eine Chancengleichheit garantieren. Frauen sind durch das Kinderkriegen beruflich benachteiligt. Schliesslich müssen sie mit einem Unterbruch, Teilzeit und Wiedereingliederung dealen. Solche Dinge gilt es auszugleichen. Dann sollte eben schon rein auf erzieherischer Ebene gefördert werden, dass man von diesem Gender-Denken wegkommt. Es müssen sich schlicht mehr Frauen auch in vermeintliche Männerdomänen begeben, damit man gar nicht erst das Pferd von hinten aufzäumen muss. Besser als jede Quote ist, wenn es auch eine Auswahl gibt. Ich brauch keine Amazon-Richtlinien, die vorgeben wo von wem wie viel da sein muss, sondern dass Leute mit unterschiedlichem Background die gleichen Möglichkeiten haben, diesen Job auszuüben. Es gibt da eine interessante Studie von der Uni, ich meine San Jose, zum Thema Frauenanteil in Hollywood. Das fängt schon bei Drehbuchautorinnen an und zieht sich wie ein Band durchs ganze Business. Wie viele Komponistinnen kennt man? Mir fällt die aus Joker ein. Und das kanns eigentlich nicht sein. Mit mehr Auswahl gibts mMn auch weniger Mittelmass, denn schliesslich will ich die besten Männer und Frauen bei der Arbeit sehen. Und nicht, weil es zu wenig Frauen gibt in dem Job, muss es mit mittelmässigen Typen ausgeglichen werden Leider führen solche Vorgaben manchmal auch genau zu mehr Einheitsbrei, was wiederum die Schattenseite ist. Ich will auch mal einen vorwiegend anderen Cast, so z.B. in Luke Cage. Gibts mMn immer noch zu wenig. Ich glaube es ist auch entscheidender Serien wie Squid Game zu haben, als min. einen asia-amerikanischen Darsteller in der nächsten generischen Netflix-Show, welche Vielfalt oft auch nur vorgaukelt und dann in uninspirierenden Charakteren mündet. Zumal diese dann immer wieder als Nebencharaktere degradiert werden. Oder noch schlimmer, irgendwelche Klischees bedienen.
Long story short, Frauenquote ja, dort wo umsetzbar, aber nicht meinen damit wäre es getan.;
(zuletzt geändert am 07.06.2022 um 14:28 Uhr)
Wookiehunter
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