Ich selbst habe im Jahre 1993 mit dem Star-Wars-Rollenspiel begonnen und kenne seit WEGs Second Edition alle Ausgaben des Rollenspiels und die Erste in Auszügen - man stolpert schließlich über das ein oder andere, wenn man sich damit beschäftigt.
Die verschiedenen Editionen innerhalb der Systeme haben keine großen Unterschiede, sondern eher Entwicklungen, wobei die von WEG geradliniger ist. Die Firma hat seit der Ersten Edition versucht das System trotz Einfachheit realistischer zu machen, während Wizards dies im ersten Update auch versuchte, um dann mit der SAGA Edition einen gewaltigen Schritt zurück zu machen in Sachen Komplexität.
Irgendwann wird wohl in jeder Runde mal die Situation aufkommen, dass man auf bekannte Persönlichkeiten, wie z.B. Han Solo oder Yoda trifft oder aber die Charaktere nehmen z.B. an der Schlacht von Malachor V teil.
In solchen Augenblicken ist es wichtig nicht zu vergessen, dass die Charaktere die Helden dieser Geschichte sind und ihnen nicht die Show gestohlen werden sollte.
Yoda könnte also z.B. einen Rat geben, sollte aber den Verbrecherlord nicht selbst zur Strecke bringen, den man sich als Bösewicht ausgedacht hat. Das wird dann
nämlich einfach langweilig.
Man könnte sich auch überlegen einige Figuren ganz zu streichen oder auch Ereignisse und die Charaktere ihre vollkommen unabhängige Star Wars Geschichte erzählen zu
lassen, quasi eine "Infinities"-Geschichte. Entscheidend aber ist, dass die Spieler im Zentrum stehen, alle andere, selbst Yoda und der Imperator, müssen da weichen.
Das W6-System ist ein attribut-basiertes System, dass mit einer Würfelart auskommt - dem sechsseitigen Würfel, wie ihn jeder von Mensch Ärgere Dich Nicht kennt. Die Attribute sind Stärke, Geschicklichkeit, Mechanik, Technik, Wahrnehmung und Wissen und sollen die grundlegenden Fähigkeiten der Figur beschreiben, ähnliches gilt für Raumschiffe. Jedem Attribut ist dabei eine Würfelzahl zugewiesen und zu jedem Attribut gibt es eine Reihe von Fertigkeiten, so gehört die Fähigkeit Blaster beispielsweise zum Attribut Geschicklichkeit.
Auch die Fertigkeiten können mit Würfeln versehen werden, je nach beschlossener Entwicklung des Charakters. Das Gelingen der Aktionen wird durch ein überwürfeln einer Schwierigkeit bestimmt.
Beispiel: Ghinra Lass hat die Fertigkeit Blaster 5W+2 und will auf den Gamorreaner feuern. Da der Gang dunkel ist, wird dies nicht so einfach sein, aber die Entfernung ist dafür gering. Der Spielleiter bestimmt eine Schwierigkeit von 20 (genaue Regeln dazu gibt's im Regelbuch). Trudi würfelt für ihren Charakter und erhält die Ergebnisse 3,6,4,2,2,5. Zusammen mit den +2 ergibt dies ein Ergebnis von 24. Es reicht also aus, um den Gegner zu treffen und Trudi darf anschließend für den angerichteten Schaden würfeln.
Das System zeichnet sich durch hohe Schnelligkeit aus, sämtliche Regeln gleichen sich, so dass man für die verschiedensten Situationen trotzdem auf dieselben Mechanismen zur Klärung zurückgreifen kann. Mit wenigen Tabellen, die im Spielleiterset gut zusammengefasst sind, ist man für alle Situationen gewappnet. Ein großer Nachteil ist und bleibt aber der Raumkampf, der nie für große Schlachten gedacht war. Außerdem bleibt es mit den vorhandenen Regeln den meisten Schiffen unmöglich schnell größere Schäden an gegnerischen Pendants zu verursachen.
Gerade am Anfang des Spiels war das Konzept auch eher auf Kurzkampagnen ausgerichtet - Spiele, die nur über einige Abenteuer gehen. Dementsprechend hat das Spiel Probleme mit sehr fähigen Charakteren, was schnell in "Würfelschlachten" ausarten kann. Inhaltlich besticht das System durch Tiefe. Sämtliche Bücher haben enorm viele Details und sind umfangreich durchdacht, bauen vor allem in späteren Publikationen aufeinander auf. Den Stellenwert, den das Rollenspiel Anfang der Neunziger im EU hatte, kann man deutlich spüren.
Ein Manko für das die Firma aber nichts kann ist, dass WEGs Rollenspiel keine Informationen zu den Prequels enthält - die gab es einfach noch nicht. Hier bietet aber das Internet eine Fülle an Material und auch WOTCs Werke stellen genug Stoff zur Verfügung, um damit zu arbeiten. Eine Anpassung ist mit genug Kenntnissen des W6-System ohne Probleme machbar.
Eine der Stärken des Systems war die Hervorhebung der Charaktere als Helden einer Geschichte. So gab es so genannte Macht- und Charakterpunkte, die einem Spieler die Möglichkeit gaben auch sehr schwierige Situationen zu überwinden, die eigentlich über ihre Fähigkeiten hinausgingen, wenn auch nicht sehr oft, da die Punkte sich verbrauchten.
Zu einem Zeitpunkt als die meisten Rollenspiele noch Stufen aufwiesen - man steigt erst auf, wenn man gewissen Mengen an Erfahrung gesammelt hat - arbeitete WEG mit einem stufenlosen System was einerseits realistisch ist, da der Charakter sich kontinuierlich entwickelt und andererseits eine große Flexibilität der Figuren erlaubt und so ist kein Charakter gleich dem anderen. Alles in allem ist das System für Star Wars geradezu perfekt, da es schnell und einfach zu lernen ist und dennoch ein großes Maß an Realismus erlaubt, wie man ihn in Star Wars erlebt. Trotzdem bleiben die Geschichten cineastisch.
So inhaltlich stark das W6 Rollenspiel auch ist, umso mehr krankt es am Aussehen. Die meisten Bücher sind vollkommen in Schwarz-Weiß gehalten, Abbildungen sind nur gezeichnet - lediglich in den Hauptregelbüchern findet man einige bunte Fotos. Rühmliche Ausnahme ist die Revised Edition, die vollkommen in Farbe ist. Das Papier ist in annehmbarer Qualität, mit heutigen Produkten aber nicht mehr zu vergleichen. Ein Vorteil bietet sich noch für mögliche Spieler, die aber kein Englisch können. Große Teile der Bücher sind bei dem Verlag "Welt der Spiele" auch in Deutsch erschienen.
Zwar enthält das Regelsystem alles Notwendige, um Jedi-Charaktere zu spielen, allerdings neigen sie dazu bei großer Erfahrung einfach übermächtig und aufgrund vieler Würfelwürfe zeitraubend zu werden. Während zur Rebellionszeit mächtige Jedi wegen des Hintergrunds fast ausgeschlossen sind, gilt dies für andere Epochen nicht.
Wer also eine Kampagne zur Zeit der Alten Republik spielen will, sollte sich überlegen, dies ein wenig zu entschärfen. Eine Möglichkeit dafür wäre es die Würfelwürfe auf die Machtfähigkeiten stets als eine Handlung zu sehen und nicht den Einsatz einer Kraft. Anders als normale Fertigkeiten würfelt man bei Machtkräften durchaus auf mehrere Machtattribute gleichzeitig und dies sollte dann jeweils eine Handlung sein - wodurch sich der Würfelpool senkt.
Die Revised Edition erlaubt ohnehin nur vier Aktionen pro Runde, d.h. Jedi, die aufgrund ihrer Schnelligkeit "zehnmal" handeln, während andere Charaktere nur zugucken können, gibt es da nicht. Außerdem ist es wichtig sehr genau auf die Einschränkungen zu achten, denen ein Jedi aufgrund des Kodex unterworfen ist.
Die 2000er Ausgabe des Rollenspiels, erstmalig erschienen bei Wizards of the Coast, unterscheidet sich erheblich von den vorangegangenen Versionen. Wizards hatte damals erst kürzlich das W20 System erhalten (indem es TSR aufgekauft hat) und das merkt man dem Spiel an. Es ist sehr generisch umgesetzt und das Spiel setzt vor allem auf Kampf. Es benutzt keine freie Charakterentwicklung wie das W6-System sondern Berufsklassen, ein System das einem vorschreibt wie ein Charakter sich entwickelt und diesem dann auch bestimmte Fähigkeiten gibt und zudem noch Stufen, d.h. der Charakter kann sich nicht mehr kontinuierlich entwickeln.
Ähnlich wie bei allen Rollenspielen besitzt ein Charakter Attributswerte, die einen Modifikator ergeben. Zusammen mit den Fertigkeiten, die nicht in Würfeln, sondern hier einfach in Zahlen trainiert werden, ergeben sie einen Wert, der zu jedem Wurf dazu addiert wird.
Beispiel: Alex spielt nun den Wookiee-Kundschafter (dies ist hier der Beruf) Fenraar. Trudi lässt ihn auf einen Baum klettern. Dazu benötigt er das Stärkeattribut, in dem er einen Wert von 14 hat, was bedeutet er bekommt einen Bonus von +2 (keine Sorge, wieso steht alles im Regelbuch). Außerdem hat er in Klettern eine 5 und seine Krallen geben ihm noch mal +2. Insgesamt steht ihm also ein Bonus von 9 zu. Er würfelt mit dem W20 eine 12 und erhält so eine 21. Trudi hat vorher die Schwierigkeit auf 16 festgelegt, also hat er es ohne Probleme geschafft - aber Fenraar ist ja auch ein Wookiee. ;)
Je nach Schwierigkeit des Abenteuers erhalten die Spieler Erfahrungspunkte, haben sie genug gesammelt steigen sie eine Stufe auf und bekommen Fertigkeitspunkte, die sie auf ihre Fertigkeiten erteilen dürfen (Fenraar könnte also statt Klettern 5 dann Klettern 6 bekommen). Außerdem gibt es für einige (und hier liegt das Problem) Berufe so genannte Traits (In deutschen W20 Produkten mit Talenten übersetzt), die Spezialfähigkeiten ergeben.
Leider sind diese sehr unausgewogen. So sind einige Berufe sehr bevorzugt, vornehmlich die Kämpferberufe, während andere völlig leer ausgehen und das obwohl die Kämpfer auch die besseren Stufenboni erhalten. Zwar hat sich das in späteren Editionen gebessert (und auch KOTOR zeigt, was man alles aus dem System herausholen kann) und ebenso durch die ausgebauten Möglichkeiten Berufe zu kombinieren, aber verschwunden ist das Problem nie, was ein harmonisches miteinander Spielen schwierig macht, wenn die Berufe der Spieler sehr unterschiedlich sind. Herausforderungen für die einen sind entweder Todesgefahren für die anderen oder völlig langweilig. Außerdem werden bestimmte Berufe in ihrem Fachgebiet nie so gut sein, wie die Kämpfer in dem ihren.
Da man z.B. Waffenfertigkeiten nicht einzeln trainieren kann, sondern alles über Nah- und Ferkampfboni ausgearbeitet wird, unterscheiden sich die Figuren auch kaum voneinander, wenn sie dieselben Berufe haben. Ein Kämpfer weicht nur gering vom anderen ab, da er jede Stufe dieselben Boni und Vorzüge erhält. Hier hätte man mehr aus dem W20-System herausholen können, wie z.B. das Starship-Troopers-Rollenspiel zeigt.
Dass Fertigkeiten und Talente nicht klar getrennt sind, sondern die Entscheidung welche Fähigkeit durch was ausgedrückt wird eher willkürlich zu sein scheint, hilft dem System nicht an Klarheit zu gewinnen und die ebenso willkürliche Stufengrenze von 20, nach der ein Charakter nicht mehr besser werden kann, ist nicht nur unrealistisch sondern regelrecht langweilig. Der Versuch das durch die Galactic Campaign Guide wettzumachen, kam eigentlich zu spät.
Einige Highlights bietet es trotzdem. So ist das Raumkampfsystem der ersten W20 Inkarnation sehr gut, da man das eigene Schiff auf einer Art Radarschirm betrachtet und nur noch die relativen Bewegungen zueinander verfolgen muss. Das hilft den Kampf schnell ablaufen zu lassen. Leider wurde das in den Nachfolgern aufgegeben.
Auch im W20 System gibt es Machtpunkte mit ähnlichen Auswirkungen für den Spielverlauf und schön ist, dass die Raumschiffwerte prinzipiell denen der W6 Version gleichen, eine Umwandlung ist schnell möglich. Allerdings hat das W20-System nicht das Problem der Unbesiegbarkeit der Schiffe, was eine große Stärke ist. Ein Schiff hat eine Anzahl von Trefferpunkten, die es einstecken kann, bevor es zerstört ist - anders als bei dem W6-System.
Auch die Machtfähigkeiten haben nicht das Potential so übermächtig zu werden, wobei die Jedi dennoch zu den privilegierten Berufen zählen und daher anderen Spielercharakteren schnell überlegen sind.
Vor allem mit der neuesten Edition, der SAGA-Edition sind schwerwiegende Änderungen vorgenommen worden, die das Spiel noch schneller machen, ihm aber damit auch einen großen Teil der ohnehin geringen Charakterflexibilität genommen haben. So können Fertigkeiten nicht mehr gesteigert werden, sondern bekommen nur noch den Vermerk "trainiert", was dann einen festen Bonus bringt, der nicht mehr verändert werden kann. Die Berufsanzahl wurde wieder reduziert und verschiedene Fertigkeiten wurden zu einer zusammengefasst.
Ein Dilemma auf das man zwangsläufig irgendwann stoßen wird, ist die Möglichkeit, dass ein Spieler etwas weiß, was seinem Charakter aber nicht bekannt ist.
Jeder, der die Filme gesehen hat, kennt die Order 66 und die Auslöschung der Jedi. Ein Jedi-Charakter wird allerdings im Vorfeld nicht davon wissen. Es ist daher notwendig, dass ein guter Spieler seine Handlungen wirklich auch nur von dem abhängig macht, was der Charakter weiß. Ansonsten droht eine Geschichte unglaubwürdig oder gar vollends zerstört zu werden.
Die Bücherkonzepte der W20 Bücher unterscheiden sich recht umfangreich von denen beim W6-System. Die meisten Bücher führen neue Regelkonzepte ein, wenn auch manchmal nur Details. Inhaltlich gehen sie dafür nicht sehr in die Tiefe, neue Ideen gibt es kaum. Ob dies lizenz- oder marktbedingt ist, kann ich nicht sagen. Fest steht aber, dass WOTC vor allem das wiedergibt, was z.B. in Romanreihen dargestellt wurde und selbst wenig kreativ ist. Dennoch lesen sich die Bücher durchweg gut und bestechen vor allem durch die hohe Qualität des Designs (mit wenigen Ausnahmen aus der Frühphase, die aber sicherlich auf zögerliche Investitionen zurückzuführen sind, nachdem WEG pleite gegangen war).
Die Bücher sind generell auf Glanzpapier gedruckt, die meisten haben bunte Seiten, die zum Thema passen und in denen stimmungsvolle Hintergründe eingearbeitet sind. Bunte Bilder, mal Zeichnungen, mal Fotos, zieren die Bücher und sind interessant aufgemacht (mit stilvollen Rahmen, etc.). Die Tatsache dass nur in den WOTC-Büchern offizielle Informationen über die Prequels enthalten sind, spricht wiederum für sie. Die verschiedenen Versionen des Rollenspiels haben alle Stärken und Schwächen. In meinen Augen ist aber einer der wichtigsten Punkte eines Systems die Charakterentwicklung und Individualität - etwas, was bei WOTC sträflichst vernachlässigt wurde. Mit allen Zusatzbüchern bietet das Revised Core Rulebook dann allerdings doch ein ausreichendes System - mehr aber auch nicht und es bleibt ein Stückwerk. Glücklicherweise sind viele Bücher auch mit anderen Systemen zu benutzen - Planeteninformationen bleiben z.B. immer dieselben, so dass man notfalls ausweichen kann und trotzdem aktuelle Spielhilfen bekommt.
Mit vielen Jahren Spielerfahrung in beiden System und zahlreichen anderen Rollenspielen bildet in meinen Augen die Zweite Edition von WEGs Spiel (bzw auf Deutsch von WDS) das Idealsystem an, um Star Wars zu spielen. Es erlaubt einzigartige Charaktere zu schaffen, wie wir sie aus den Filmen und Büchern kennen - mit Ausnahme der Klone natürlich, die sind halt nicht einzigartig ;) - und ist dennoch schnell und präzise. Zwar hat es Schwächen, wenn man sehr erfahrene Charaktere spielt, die sind aber mit Rollenspielerfahrung wett zu machen.