22. November 2004
Von Chris Avellone, Entwicklungsleiter, Star Wars - Knights of the Old Republic II: The Sith Lords
Um eine Story für ein Spiel wie Knights of the old Republic II: The Sith Lords zu erfinden, braucht man viel Koffein und man hat eine Menge Stress. Aber am Ende ist es nicht anders, als eine Story für ein völlig anderes Spiel in einem anderen Studio zu erfinden. Eine Fortsetzung für das mit einer verblüffenden Story ausgestatteten Spiel Star Wars Knights of the Old Republic von BioWare zu entwickeln, ist eine große Herausforderung und stellt Dich unter eine Menge Druck, allerdings bleibt der Prozess des Spieleentwickelns am Ende gleich. Was auf dieser Seite aufgelistet steht ist eine grobe Andeutung des Prozesses, den wir hier bei Obsidian Entertainment benutzen, um eine Geschichte zu erfinden.
Jedes Projekt hat Grenzen, entweder die spätere Plattform, die Technologie, der Terminplan, die Quellen... oder Du hast einen grimmig schauenden und mit einer Glatze versehenen führenden Programmierer, der die Kraft hat, mit seinem Blick Blumen verwelken zu lassen. Oder einen wütenden Produzenten, der Dich wie eine Schlange mit Gift bespuckt... wie auch immer. Das sind alles Grenzen und Du musst wissen, wo diese Grenzen liegen, damit Du sie mit einem hochtechnischen Scharfschützengewehr jagen kannst.
Sei's drum, es ist harte Arbeit, aber Du musst die Geschichte Deines Spiels mit ein paar Realitäten kombinieren. Wenn Du ein 20-köpfiges Team und 14 Monate zur Verfügung hast, schreib keine Geschichte, die den Spieler einmal durch die komplette Galaxie über 30 verschiedenen Planeten mit je 5 Levels führt, die sich jeweils 100 Meilen weit erstrecken und die Xbox crashen oder die Hände des Zeichners blutig machen, weil dieser die Zeichungen für die Umgebung beenden muss. Mache Dir Notizen über Betriebsmittel, Terminplan und Plattform. Beachte die Grenzen und fahre dann mit den Stützen aus verschiedenen Büchern fort.
In The Sith Lords mussten wir eingestehen, dass wir einen engen Zeitplan hatten, waren uns der existierenden Technologie bewusst und wir mussten die Grenzen einer Xbox-Konsole in unserer Entwicklung berücksichtigen. Immerhin hatten wir die BioWare-Engine als Grundlage, daher konnten wir direkt mit dem neuen Inhalt anfangen.
Es ist immer am Besten, wenn man herausfindet, was die Hauptelemente für Dein Spiel sind und wie die Geschichte von diesen Elementen gebrauch machen könnte. Wenn das Bauen von Gebäuden ein großer Teil Deines Spiels ist, musst Du rausfinden, wie Du das am Besten in die Geschichte einarbeitest. Wenn Du nicht möchtest, dass der Spieler später das Spiel neu lädt, schreib eine Geschichte, wo der Charakter nicht sterben kann. Finde also grundsätzlich heraus, was an Deinem Spiel Spaß macht und benutze diese Elemente als ein Teil des Schreibens von Blöcken für Deine Geschichte.
Bevor Du Dich groß mit der Geschichte befasst, musst Du Forschung betreiben. Als Beispiel habe ich mich vorher hingesetzt und jeden Star Wars-Film noch mal geschaut und jeden Star Wars-Roman und Comic gelesen.
Der Grund dafür ist einfach: Wenn Du in fremden Universen arbeitest, solltest Du es in und auswendig kennen. Du musst wissen, was darin vor sich geht und auch, welche Abenteuer das Spiel voran bringen könnten und welche einem schon zum Hals raushängen. Du musst wissen, wo man besser die Finger von lassen sollte und die gesamten Parameter des Universums.
Auch wenn Du kein fremdes Universum benutzt (was heutzutage kaum im Rollenspielgenre vorkommt) musst Du genügend Forschung betreiben. Du musst wissen, was andere Spiele schon in dem Genre getan haben, in dem Du arbeitest und herausfinden, was Dein Spiel von anderen unterscheiden könnte.
Jetzt wo Du weißt, wo Deine technischen Grenzen liegen und was Spaß an Deinem Spiel macht, kannst Du Dich hinsetzen und Dich um die Inhaltsangabe kümmern. Du solltest aber noch nicht festlegen, was in jedem einzelnen Kapitel genau passieren soll. Gebe Dich also erst mal mit einer groben Übersicht ab und bedenke folgendes:
- Charakter-Motivation: Abgesehen von der Spielermotivation solltest Du festlegen, was die Motivation Deines Heldes sein soll. Warum ist das Vorankommen des Spielers wichtig? Warum speziell? Was sind seine zentralen Abenteuer, die er zu überstehen hat?
In The Sith Lords haben wir eine simple Einleitung für den Charakter geschrieben. Als ein in Ungnade gefallener mandalorianischer Veteran findet sich der Spieler in der nicht beneidenswerten Position, dass er der letzte bekannte Jedi in der Galaxie ist und somit Ziel der zahlreichen dunklen Attentäter, die dem Auftrag alle Jedi zu töten nachgehen. Der Spieler weiß also von Anfang an, was ihn erwartet und was er versuchen muss, aufzuhalten.
Um es noch schlimmer zu machen, hat der Spieler als Jedi seine gesamte Verbindung mit der Macht verloren, etwas was kein Charakter (oder Spieler) lange auf sich sitzen lassen möchte. Das Spiel legt es also drauf an, dass der Spieler sich wieder mit der Macht in Verbindung setzt und herausfindet, was es heißt, ein Jedi (oder Sith) zu sein. Es ist also so strukturiert, dass der Spieler im Laufe des Spiels langsam seine Verbindung mit der Macht wiedererlangt und was ihn in der Galaxie bedroht.
- Spieler-Motivation: Das ist nicht dasselbe wie die Charakter-Motivation. Was wir hier wollen, ist, dass ein Spieler durch gelungene Ereignisse weiterhin motiviert wird, um ein Spiel durchzuspielen. Das erreicht man z.B., in dem man neue und coole Kampagnen anbietet, neue Spezialfähigkeiten einführt oder mit gegebenen interessanten Informationen. Du solltest Dich also bei jedem Level fragen: Warum interessiert den Spieler das?. Und jedes Level sollte darauf eine Antwort liefern. Es ist schwierig einen Spieler in eine ausgedachte Fantasy-Umgebung zu versetzen, wenn die Designer die Level nicht so anlegen, dass sich der Spieler Sorgen um die Einwohner, die politische Situation oder die Ereignisse dort macht.
In The Sith Lords haben wir eine relativ simple Methode geschaffen, die den Spieler bei Laune hält: ein karottenartiges Machtsystem. Da der Charakter seine Verbindung mit der Macht verloren hat, bekommt er diese nach und nach erst zurück, in dem er mit anderen Charakteren im Spiel interagiert oder seine Herausforderungen meistert. Diese "Karotten" helfen den Spieler, sich öfters umzuschauen, ob man die eigenen Fähigkeiten nicht verbessern könnte, um mächtiger zu werden.
Wir haben außerdem Bonusmissionen geschaffen, die während des Spiels auftauchen können. Nur wenn man die Umgebung ausreichend untersucht, durch den Einsatz einiger Fähigkeiten oder wenn man zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist, kann der Charakter Bonuslevels freischalten. Diese Missionen führen dazu, dass der Charakter mehr über sich selbst und die Welt erfährt und natürlich auch zu mehr Erfahrungspunkten.
- Die Bereiche, die der Spieler durchreisen soll: Die Geshichte sollte in leicht verträgliche Stückchen unterteilt sein, und zwar für den Spieler und das Entwicklerteam. Mach Dir Notizen vom Terrain, speziellen Features und so weiter, die in diesem Bereich vorkommen sollen. Oftmals wird diese Liste im Laufe der Entwicklung durch andere Mitglieder des Teams brutal gekürzt werden, was aber auch gut so ist.
Wenn Du das große Drehbuch vorliegen hast, und alle Leute ihre Vorschläge und ihr Feedback dazu beigetragen haben, ist es Zeit, das Buch in kleine Stückchen zu unterteilen und auszuhändigen. Diese Stückchen werden zu "Bereichsdesigndokumenten", welche die Künstler und Spieleprogrammierer bekommen, um die Kunstwerte und die Programmierarbeit zu verstehen, die für jeden Bereich benötigt werden. Wir machen das mit jedem Black Isle Rollenspiel hier bei Obsidian so, und wir werden diese Methode auch beibehalten.
Bei The Sith Lords haben wir eine große Anzahl von Designern, wo jeder einen Teil der Geschichte bekommt: Michael Chu (Telos), Kevin Saunders (Planet der noch benannt wird und außerdem eine Reihe von Gegenständen und das Balancing des Spiels), John Morgan (Planet, der noch benannt wird), Tony Evans (Dxun, Onderon und andere) und Ferret Baudoin (Dxun/Onderon, jetzt als führender Designer von Neverwinter Nights 2). Jeder von diesen Designern bekommt einen Planet (oder einen Teil davon) und fertigt diesen mit allen Details an, die für die Geschichte benötigt werden. Während sie das tun, machen sie sich eine Ressource-Liste mit allen Informationen, die sie in den Ort einbringen (programmiertechnisch gesehen).
Neben den Designern arbeiten drei Gameplay-Programmierer am Spiel, die zuständig für Zwischensequenzen und andere Special-Features sind, die die Story im Spiel vorantreiben: Adam Brennecke, Anthony Davis und Ben Ma. Diese Programmierer übernehmen unterschiedliche Abschnitte der Geschichte, meistens Filmsequenzen, und bringen sie zum Leben. Das geschieht meistens schneller und besser, als es ein Designer könnte.
Nachdem die Bereiche mit Leben gefüllt sind, kommt der wichtigste Teil des Spiels - die Nachprüfung. Manchmal sehen sehr coole Bereiche aus den Bereichsabschnitten im fertigen Spiel nicht gut aus. Daher muss man das Spiel am Ende prüfen, prüfen und nochmals prüfen, so dass es den eigenen und auch den Qualitätsansprüchen entsprechen.
Es gibt noch einiges mehr zu erzählen, wenn ich von der Entwicklung von Geschichten für Rollenspiele schreibe, allerdings bluten mir jetzt die Finger und The Sith Lords ist kurz vor der Fertigstellung. Wir hoffen, dass Euch das Spiel genauso gefällt wie uns die Zusammenarbeit mit LucasArts.
Chris Avellone
Entwicklungsleiter