"Die alte Republik war die Republik der Legende", so beginnt die Romanadaption des ersten Krieg-der-Sterne-Films. Von dieser Legende sollten die Zuschauer ursprünglich eine Menge mehr mitbekommen als kurze Andeutungen über die Klonkriege und die Ermordung der Jedi.
Von Anfang an verwendete George Lucas dabei einen Lauftext in seinen Drehbüchern, um dem Zuschauer einen Einblick in die Geschichte seiner neuen Welt zu geben. Zunächst war dieser Lauftext lang und erstaunlich detailreich, bis er später - unter anderem mit Hilfe von Lucas' Freund Brian De Palma - auf ein filmtaugliches Maß heruntergekürzt wurde.
Im Rough Draft berichtete der Lauftext von einer "Großen Rebellion", die den Niedergang der Jedi-Bendu, der "gefürchtetsten Kriegern des Universums", eingeleitet hatte. Einhunderttausend Jahre lang hatten diese zuvor dem Imperium gedient und als persönliche Leibwächter der Kaiser die unbesiegbare imperiale Raumstreitmacht aufgebaut, mit der das Imperium die Galaxis unter seine Herrschaft gebracht hatte. Doch mit dem Aufstieg des "neuen Imperiums" hatte eine rivalisierende Kriegersekte, "die Ritter der Sith", die Jedi gejagt und ausgerottet. Die "Große Rebellion", die später zeitweise zur "Heiligen Rebellion von 06" wurde, wird nicht sehr detailreich beleuchtet, aus Andeutungen lässt sich schließen, dass sie ähnlich verlief wie die "Jedi-Rebellion" in Episode III: ein Versuch, die Republik - oder wie im Rough Draft das Imperium oder in der ersten Fassung das Galaktische Königreich - von dunklen Einflüssen zu reinigen, wird zum Staatsstreich umgedeutet, der damit endet, dass die Retter des Staates zu Verrätern erklärt und ermordet werden.
So erzählt Luke Starkiller im zweiten Drehbuchentwurf mehr über den Untergang der Republik, die in dieser Version erstmals auftaucht und von nun an die Stelle des einhundertausendjährigen Imperiums und Königreichs der beiden Vorläuferversionen einnimmt:
"Als die Republik die Galaxis beherrschte und über eine Million Welten umfasste, wurde der Große Senat so riesig, dass er auf die Bedürfnisse seiner Bürger nicht mehr reagierte. Nach einer Reihe von Attentaten und kunstvoll manipulierten Wahlen, übernahmen die Energie- und Transportgilden insgeheim die Kontrolle über den Großen Senat. Als die Jedi die Verschwörung entdeckten und versuchten, den Senat zu reinigen, wurden sie als Verräter gebrandmarkt. Viele Jedi ließen sich vor Gericht stellen und hinrichten, doch die meisten flohen in die Äußeren Systeme und versuchten, dem Volk Kunde von der Verschwörung zu bringen.
Doch die Ältesten beschlossen zurückzubleiben, und der Große Senat lenkte sie ab, indem er Unruhe stiftete. Heimlich stiftete der Senat Rassenkriege an und unterstützte regierungsfeindliche Terroristen. Dies führte zu einer Überlastung der Justiz und ließ die Verbrechensrate ansteigen. Schließlich verlangten die Systeme förmlich nach einem totalitären Polizei- und Unterdrückungsstaat. Das Imperium war geboren. Mittels einer neuen Wirtschaftspolitik wurden die Systeme ausgebeutet, und die Energie- und Transportkosten erreichten eine nie dagewesene Höhe."
Der Lauftext dieses zweiten Entwurfs gibt der legendären Republik auch einen Namen - Republik Galactica -, den Lucas in Episode I zeitweise wiederverwenden wollte, bevor er sich dann doch auf die schlichtere Galaktische Republik festlegte. Auch eine zweite Bezeichnung aus den Prequels rührt aus diesem zweiten Entwurf her, das Erste Galaktische Imperium. Der Lauftext sagt hierzu wörtlich: "Die Republik Galactica ist tot. Von Gier und Herrschsucht getrieben, haben gewissenlose Handelsbarone Erleuchtung durch Unterdrückung und die Herrschaft des Volkes durch das Erste Galaktische Imperium ersetzt."
Dieses Imperium ist allerdings trotz seines großen Namens kein sicherer Ort, Bürgerkriege sind an der Tagesordnung, Gesetzlosigkeit und eine allgemeine Verrohung der Sitten beherrschen das Bild. Der Lauftext endet mit einem Bericht über einen ersten Sieg der Rebellen unter Führung des geheimnisvollen Starkillers über die mächtige imperiale Raumflotte, ein Sieg, der das Ende der imperialen Herrschaft über die äußeren Regionen einleiten könnte.
Der Lauftext der dritten Drehbuchfassung hielt am Lagebericht der zweiten Version fest und veränderte im Grunde nur einen Punkt: nicht mehr das Imperium fürchtete nun eine Kettenreaktion in seinen äußeren Regionen, sondern der Kaiser selbst, der daraufhin einen seiner gefürchtetsten Dunklen Lords - hier gab es die noch im Dutzend - aussandte, um den geheimen Rebellenstützpunkt zu finden und zu zerstören.
Zu sehen war von diesem Kaiser allerdings nie besonders viel, in den meisten frühen Versionen taucht die Figur des galaktischen Herrschers lediglich am Rande oder, in späteren Versionen, gar nicht auf. In der zweiten Fassung hatte der amtierende galaktische Herrscher letztmals einen Namen: Fürst Espaa Valorum, Meister des Bogan, also der dunklen Seite. dass Lucas für Episode I dem letzten halbwegs aufrechten Kanzler seiner sterbenden Republik den Namen Valorum gab, ist insofern mit einer bittersüßen Ironie behaftet, allerdings wird diese dadurch ein wenig abgemildert, dass der Name im Rough Draft noch eine der vielen Vor-Vader-Figuren bezeichnete, einen Dunklen Lord, der ins Licht zurückfindet.
Während die zweite Fassung dem großen galaktischen Herrscher also lediglich einen Namen gab, war das Rough Draft noch auskunftsfreudiger und spendierte der Schattenfigur sogar einen großen Auftritt.
In dieser ersten Inkarnation des Kaisers hieß der Mann Cos Dashit und war Konsul des Obersten Tribunals und Herrscher von Alderaan, der imperialen Thronwelt. Dashit, der im nominell ersten Drehbuchentwurf Son Hhat genannt wird, taucht als dünner, grau aussehender Mann mit einem bösen Schnurrbart auf, welcher seine fahlen Lippen verdeckt.
In Dashits einziger Szene hält er eine glühende Brandrede gegen die letzte unabhängige Welt Aquilae, in der er verspricht, mit der Eroberung des Planeten die große Mauer des Imperiums vollenden zu wollen. Ob diese Formulierung eine bewusste Anspielung auf die Berliner Mauer als Symbol von Unterdrückung und Unfreiheit sein sollte, lässt sich nicht abschließend sagen, der Gedanke liegt allerdings insofern nahe, als dass Lucas sich bereits in seinen Studentenfilmen mit der Berliner Mauer auseinandersetzte, am deutlichsten in seinem Kurzfilm Freiheit, in dem ein Student versucht, über die Mauer zu entkommen und dabei erschossen wird.
An der Seite des dunklen Herrschers taucht im Rough Draft der eigentliche Schurke dieses Drehbuchs, Crispin Hoedaack, auf, eine frühe Version von Gouverneur Tarkin. Hoedaack wird im Rough Draft als neuernannter Gouverneur von Aquilae vorgestellt, ein junger "verräterischer Mann mit streng geschnittenem Gesicht und durchdringenden grauen Augen". Vor ihm und seinem Gebieter marschieren endlose Reihen von Soldaten an Bord ihrer Schiffe, ein Vorgeschmack auf die Endsequenz von Episode II.
Im weiteren Verlauf der Geschichte wird im Rough Draft bald deutlich, dass der mächtige Herrscher nur ein besserer Operettenkaiser ist und in Wahrheit seine Berater das Imperium beherrschen, an erster Stelle Hoedaack selbst.
Die folgenden Drehbuchentwürfe ändern an dieser Konstellation nur sehr wenig, das Imperium bleibt ein Militärapparat, der mit Aufständen zu kämpfen hat und dessen Herrscher zugunsten der Bedeutung Darth Vaders schließlich völlig aus dem Bild gedrängt werden. Sogar der künftige Oberschurke, der am Ende Tarkin heißen sollte, wurde
hier zeitweise eliminiert, bevor er im vierten Drehbuchentwurf als Kommandant des Todessterns zurückkehrte, mit Vader als rechter Hand des gesichtslosen Kaisers an seiner Seite.
dass dieser Kaiser noch lange nicht der spätere übermächtige Sithlord war, wird in einem Zitat aus der Romanadaption des Films deutlich. Dort erzählt Obi-Wan Luke mehr über Vaders Aufstieg und erklärt: "Vader setzte das Wissen, das ich ihm vermittelte und seine eigene Stärke für böse Zwecke ein, um den späteren korrupten Kaisern zu helfen." Nicht der Kaiser korrumpierte also Vader, sondern der korrumpierte Vader half dem Kaiser, der zudem nur einer von vielen war. Das Konzept der guten und bösen Herrscher des einhundertausendjährigen Imperiums aus dem Rough Draft, dessen spätere Herrscher die Jedi-Bendu durch die Sith-Ritter ersetzten, ist hier noch sehr lebendig.
Wann also wurde aus dem beherrschten Herrscher der große Dunkle Lord der Sith? Wie es aussieht erst in der Planungsphase von Das Imperium schlägt zurück, als Darth Vaders Rolle vom Superschurken zum gefallenen Engel weiterentwickelt wurde und es Bedarf für einen neuen eindeutig dunklen Herrscher gab.
Insgesamt zeigt die Entwicklung oder vielmehr das Ausbleiben einer Entwicklung der Kaiserfigur für den ersten Kinofilm, welches Imperium sich George Lucas für seinen Krieg der Sterne zunächst zum Vorbild nahm: nicht etwa das römische Imperium, das Dritte Reich oder das Sowjetimperium, sondern das japanische Kaiserreich des Mittelalters - das Kaiserreich aus Kurosawas Die Verborgene Festung -, in dem die Kaiser kaum mehr als Symbole waren und die wahre Macht bei ihren Militärmachthabern, den Shogunen lag.
Zur Vorbild Japan passt auch die Rolle der Jedi-Ritter und ihrer Vorgängerorganisationen, der Jedi-Bendu des Ashla auf der einen und ihrer Widersacher, der mal mehr, mal weniger schwarzen Ritter der Sith auf der anderen Seite. Bevor die Jedi eindeutig gut und die Sith eindeutig böse wurden, waren ihre Rollen im Imperium nahezu deckungsgleich: beide dienten dem jeweiligen Kaiser als Leibwächter, beide arbeiteten für das Imperium und beide waren faktisch die militärische Elite des Reiches.
Die Anleihen an die japanischen Samurai sind hier unübersehbar, genau wie diese sind Jedi und Sith kaiserliche Wachen und bilden eine Art magisch überhöhten Schwertadel, der an der Spitze der imperialen Truppen steht.
Im zweiten Drehbuchentwurf tauchen auch die Ursprünge der Samurai als Kriegerfamilien fast identisch bei den Jedi auf. Luke Starkiller erzählt hier, dass die ersten Jedi-Bendu die Kinder des Entdeckers der Macht, des Skywalkers waren und es in der Folge mehrere hundert Jedi-Familien gab, in denen das Wissen um die Macht der Anderen weitergegeben wurde. Die späteren Skywalkers, die heute als Jedi-Familie die absolute Ausnahme bilden, sollten ursprünglich also ein Jedi-Standard sein, die Jedi ein elitäres Familiennetzwerk. Erst mit den Prequels wurden die Jedi somit von einer aktiven Kriegerelite zu einem zölibatären Orden, dessen Angehörige sich nun nicht mehr als Soldaten empfanden, sondern nur noch als "Hüter des Friedens".
Diese ursprüngliche Soldatenrolle wird nicht zuletzt auch in der Kampfphilosophie der frühen Jedi deutlich: die Macht nur zur Verteidigung zu nutzen, fiel diesen Jedi nicht ein, Ben Kenobi erwürgt im dritten Entwurf ein ganzes Klassenzimmer voller Beamter - auch wenn nicht klar ist, ob sie sterben oder nur das Bewusstsein verlieren - und greift auch schon mal imperiale Sturmtruppen an, bevor diese auch nur eine Chance bekommen, selbst das Feuer zu eröffnen.
Ein weiteres Jedi-Konzept, das in den Prequels umgesetzt wurde, findet sich im Rough Draft. Dort trat eine Art Vorversion des späteren Rats der Jedi auf, hier in Form des Hohen Senats von Aquilae, der aus 12 Männern bestehen sollte, die in einem großen Kreis auf Polstersesseln sitzend tagten.
Der Übergang von den glückseligen Tagen der Jedi zur dunklen Unterdrückung durch die Sith wurde bereits im ersten Drehbuchentwurf als Jagd mit Gewaltexzessen beschrieben, eine geheime 2-Mann-Organisation waren die Sith zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht, sondern vielmehr eine dunkle Kriegersekte mit zahlreichen Angehörigen. Die genaue Zahl dieser Sith bleibt in allen frühen Version unklar, bei der großen Rettungsaktion auf Alderaan im zweiten Entwurf tauchen mindestens 6 Sith-Ritter auf, die hier als Mischung aus Inquisatoren und Spezialagenten dargestellt werden. Sie sind neben Darth Vader die Hauptschurken dieser Version und jagen Luke, Han, Chewbacca und die Droiden quer durch den Gefängniskomplex der imperialen Thronwelt.
Wer diese Sith sind, darüber erfährt man wenig in den frühen Drehbüchern, am aufschlussreichsten ist hier wiederum der zweite Drehbuchentwurf. Hier berichtet Luke Starkiller seinen Brüdern von der Geschichte des Studiums der Macht und erzählt, dass ein Klan von Sith-Piraten in den Künsten der dunklen Seite, die hier noch Bogan genannt wurde, unterwiesen wurde, nachdem ein Jedi namens Darklighter der dunklen Seite verfallen war. Dann nahmen die Sith die Position der Jedi an der Seite des Kaisers ein und jagten und töteten die Jedi.
In der dritten Drehbuchfassung scheint die Schlacht von Condawn bei dieser Jedi-Verfolgung eine wichtige Rolle gespielt zu haben. In dieser Schlacht starb Luke Starkillers Vater, und Darth Vader erbeutete den letzten Kiber-Kristall, mit dem er dann zu den Sith überlief, deren Macht so vollendet wurde. Ebenfalls im dritten Drehbuchentwurf beten die Sith diesen Kiber-Kristall an, die Macht ist hier also noch eine ausgeübte Religion, der Kiber-Kristall eine Art Reliquie.
In der vierten Drehbuchfassung, die im Grunde dem Film entspricht, ist Darth Vader erstmals der einzige Dunkle Lord, und in dieser Fassung sollte ursprünglich ein kurzer Nebensatz vom Erfolg der Sith bei ihrer Jagd auf die Jedi berichten: Obi-Wan war dort nicht als einer der letzten Jedi-Ritter eingeplant, sondern sollte tatsächlich der letzte und mächtigste aller Jedi sein.
Eine erste äußerliche Beschreibung eines Dunklen Lords gibt es im Rough Draft, und sie erinnert an die Roboter-Polizisten aus Lucas' Erstlingswerk THX-1138.
Nachdem Aquilae an das Imperium gefallen ist, wird der Saal, in dem Stunden zuvor noch der Hohe Senat des Planeten tagte, in eine Kommandozentrale für General Darth Vader umgewandelt - ein Vorgeschmack auf das Schicksal des Jedi-Tempels, wenn man so will -, und Vader empfängt dort den Sithlord dieser Version, Fürst Valorum. Dieser trägt "die faschistisch schwarz-chromfarbene Uniform der legendären Sith-Einhundert". Im ersten Drehbuchentwurf werden aus den "Sith-Einhundert" die "Lettow-Einhundert", ansonsten ändert sich an der Beschreibung des Dunklen Ritters nichts.
Von der zweiten Fassung bis zum späteren Filmdrehbuch wechselt die Beschreibung "faschistisch" dann auf die "weißen Panzeranzüge" der imperialen Sturmtruppen über, die in der zweiten Version bei einer Vorform des Angriffs auf die Tantive IV sogar noch mit "faschistischer Präzision" vorgehen, was immer Lucas sich darunter vorstellte. Darth Vader, inzwischen zum Dunklen Lord weiterentwickelt, taucht hingegen in Schwarz auf, das sich vom "faschistischen Weiß" seiner Soldaten deutlich abhebt, wie die Drehbücher der zweiten, dritten und vierten Version nicht müde werden zu betonen.
Die Vermutung liegt nahe, dass der Wechsel von der Chromuniform des Rough Draft zum Schwarz des Films nicht zuletzt auch von der Sorge um unkontrollierbare Reflexionen beherrscht war, die glänzende Chrom-Rüstungen mit sich gebracht hätten. Grundsätzlich schien Lucas jedenfalls Gefallen an seinen Chrom-Ideen zu finden, das zumindest zeigt 3POs Auftritt am Anfang und Ende von Episode IV, und dies legt auch der Einsatz reflektierender Außenhüllen in den Prequels nahe, wo mit digitaler Technik Padmés Raumschiffen und dem Episode-III-3PO glänzende Auftritte verpasst wurden.
2003 wurden dann auch die Sith von ihrer Chrom-Vergangenheit eingeholt, im Spiel Knights of the Old Republic tauchen ihre Soldaten - die Sturmtruppen des Spiels - in Chromrüstungen auf. Ob hier bewusst Anleihen an die frühen Drehbücher genommen wurden, darüber lassen sich leider nur Mutmaßungen anstellen.
06.12.1940 - geb.: Richard Edlund (ILM)
07.12.1915 - geb.: Leigh Brackett (Drehbuchautorin, gest. 1978)
07.12.1937 - geb.: Kenneth Colley (Piett)
09.12.1983 - Deutschland-Kinostart Episode VI