Fragt man George Lucas dieser Tage, wer die Hauptfigur der Saga ist, wird man den Namen "Anakin Skywalker" zu hören bekommen oder, je nach Gemütslage, auch den Namen "Darth Vader".
Betrachtet man sich unter diesem Gesichtspunkt dann Vaders Rolle im ersten Film, muss dies ein gewisses Erstaunen auslösen: Vader sagt hier kaum 20 Sätze und ist auch nicht besonders häufig zu sehen. Selbst die Droiden haben eine größere Rolle als die angebliche Hauptfigur der Saga, kann das denn sein?
Wer dann die alten Drehbücher hervorkramt und nach den Ursprüngen Darth Vaders zu suchen beginnt, der muss schnell feststellen, dass Vader zu keinem Zeitpunkt als Hauptfigur auftauchte. Er war lange Zeit nicht einmal der größte Widersacher der Hauptfigur, sondern ein bloßer Häscher, und noch dazu einer unter vielen. Dennoch enthalten die frühen Drehbuchversionen Hinweise auf die Gestalt, die mit den Prequels ins Zentrum der Saga gerückt worden ist.
Im Rough Draft taucht erstmals eine Figur mit Namen Darth Vader auf, doch hat diese Figur mit Ausnahme des Namens nichts mit dem späteren Vader zu tun.
Dieser Darth Vader ist lediglich ein kleiner General, der dem Befehl des eigentlichen Hauptschurken der Geschichte, des Tarkin-Vorgängers Crispin Hoedaack untersteht und die meiste Zeit damit verbringt, Befehle weiterzureichen und seinen Vorgesetzten die Schuhe zu küssen.
Dennoch finden sich auch erste Spuren des eigentlichen Darth Vader in diesem ersten Drehbuchversuch, wenn sie auch weitverteilt sind.
So taucht ein namenloser Sith-Krieger auf, der in einer der ersten Szenen des Drehbuchs, ohne auch nur einen einzigen Satz zu sagen, den Bruder der Hauptfigur ermordet, bevor er vom Vater der Hauptfigur in zwei Teile gespalten wird. Der schweigsame Attentäter wird als "großer dunkler Krieger in schwarzen Roben und mit einer Gesichtsmaske" beschrieben und ist über zwei Meter groß. Als er sein "Laserschwert" aktiviert, erzeugt dies ein "unheimliches rotes Leuchten", im Kampf ist er brutal und gnadenlos und schwingt sein Schwert mit unglaublicher Kraft. Im Licht der Prequel-Trilogie erscheint dieser schweigsame Sith mehr als Vorbild für Darth Maul als für Darth Vader, allerdings ist Episode I in weiten Teilen an den Rough Draft angelehnt, Maul und Vader sind in ihren Filmen insofern nur zwei Ausformungen einer Rolle.
Neben dem General und dem geheimnisvollen Kämpfer ist der Vater der Hauptfigur eine dritte Vader-Vorversion. Diese Vaterfigur ist ein Jedi-Bendu-Meister namens Kane Starkiller, ein alter Krieger, der mehr Maschine als Mensch ist und von dem nichts übrig ist als sein Kopf und sein rechter Arm. Sein Brustkorb ist, wie später Vaders, von blinkenden Anzeigen bedeckt, die er allerdings noch unter seiner Kleidung verbirgt. In gewisser Hinsicht taugt Kane Starkiller auch noch auf eine weitere Weise als Vorbild des späteren Darth Vaders, denn Kane rettet das Leben seines Sohnes und seiner Feunde, indem er sich für sie opfert.
Schließlich gibt es im Rough Draft noch eine vierte Figur, die als Vorgänger Vaders betrachtet werden könnte, einen einstmals stolzen Ritter der Sith namens Valorum, der gegen Ende der Geschichte dem Imperium den Rücken kehrt und der Hauptfigur dabei hilft, die Prinzessin zu retten. Über Valorum ist wenig bis nichts bekannt, außer, dass die Grausamkeit Darth Vaders ihn desillusioniert und ihn der Mut und die Rechtschaffenheit der Hauptfigur Annikin Starkiller daran erinnert, wer er einst war, sodass er Starkiller am Ende hilft.
Mit der zweiten Drehbuchfassung beginnt Lucas, seine zahlreichen Ideen zu verschlanken und zu konzentrieren und verbindet mehrere Figuren miteinander. Vader wird hier erstmals zum Schwarzen Ritter der Sith, der "rechten Hand des Meisters der Sith" und übernimmt die 2 Meter Größe, die "fratzenhafte Atemmaske" und die "weite schwarze Robe" des schweigsamen dunklen Ritters aus dem Rough Draft. In seiner ersten Szene spricht er mit "seltsam verzerrter Stimme durch seine komplexe Atemmaske" und neigt zu "schrillem, schrecklichen Lachen", eine Eigenart, die in Episode VI auf Palpatine übergehen wird.
Der Vader des zweiten Drehbuchentwurfs ist jedoch noch lange nicht der endgültige Darth Vader, mehrere seiner künftigen Eigenschaften finden sich bei anderen Figuren. So erzählt Luke Starkiller, die Hauptfigur dieser Fassung, seinen Brüdern die Geschichte der Galaxis und berichtet dabei von einem "jungen Padawan-Jedi, einem Knaben namens Darklighter, der die böse Hälfte der Macht kennenlernte und dem Bann des gefürchteten Bogan erlag". Wie später Darth Vader "rannte er von seinen Lehrern davon" und unterwies dann einen Klan von Sith-Piraten in den bösen Wegen der Bogan-Macht. Die Piraten, so erzählt Luke hier weiter, brachten unsagbares Leid über die Galaxis und wurden die persönlichen Leibwächter des Kaisers, in dessen Namen sie die Jedi jagten und töteten.
Der letzte Aspekt des künftigen Darth Vaders, seine Eigenschaft als halbe Maschine, findet sich im zweiten Drehbuchentwurf bei einem Mann namens Montross Holdaack, dem Wissenschaftsoffizier von Han Solos Piratenschiff. Während eines Wutanfalls zerschlägt er seinen eigenen Arm, der dabei in zwei Teile bricht und diverse Kabelverbindungen und mehrfarbige Bauteile zum Vorschein bringt.
Wie schon im ersten Drehbuchentwurf stirbt Darth Vader übrigens in der Endschlacht, von einer Erlösung war hier also noch keine Spur.
In der dritten Drehbuchfassung, die dem fertigen Film schon recht nahekommt, taucht Vader an Bord des Rebellenschiffs von Prinzessin Leia auf und ist wiederum 2 Meter groß, hat dunkle Roben und eine fratzenhafte Atemmaske, und wieder spricht er auch mit verzerrter Stimme. Eine seiner ersten Handlungen in dieser Version ist, Leia mit der Macht zu würgen. Wiederum neigt Vader in dieser Version zu hysterischem Lachen, sowohl bei seinem ersten Auftritt, als auch im Kampf gegen Ben Kenobi und später in der Schlacht um den Todesstern.
Erstmalig in dieser Version überlebt Vader die Schlacht allerdings und zieht sich in seinem Schiff zur imperialen Thronwelt Alderaan zurück.
In der vierten Drehbuchfassung, die dem Film weitestgehend entspricht, wird Vader als "rechte Hand des Kaisers" bezeichnet. An Atemmaske und schwarzen Roben hat sich nichts geändert und auch seine Größe bleibt gleich.
Sowohl im dritten, als auch im vierten Drehbuchentwurf gibt es eine Szene, die deutlich macht, dass Vader seine berühmte Atemmaske ursprünglich nur in seiner ersten Szene auf dem Schiff der Rebellen tragen sollte, denn während er im dritten Entwurf Leia und im vierten Entwurf Admiral Motti würgt, zieht er mit der Macht eine Flasche in seine Hand und trinkt daraus, was dem modernen Darth Vader sehr schwergefallen wäre.
Daraus und aus Interviews aus der Zeit des Kinostarts lässt sich ableiten, dass Vaders Hintergrundgeschichte, sein Kampf gegen Obi-Wan, der ihn dazu zwang, die Atemmaske zu tragen, erst nach den Dreharbeiten entwickelt wurde, und bekannt ist auch, dass das Konzept von Vaders Atemgeräuschen erst in der Nachbearbeitung des Films hinzukam. Zuvor waren Helm und Maske für Lucas wohl nur ein visuell interessantes Konzept, das erst im Nachhinein mit einer Hintergrundgeschichte ausgestattet wurde.
Wer sich nun fragt, wo Vaders Vaterrolle abgeblieben ist, wird von den frühen Drehbüchern enttäuscht werden: eine familiäre Bindung zwischen Vader und Luke gibt es nicht, Vader war noch am 25. Mai 1977 lediglich der Mörder von Luke Skywalkers Vater.
06.12.1940 - geb.: Richard Edlund (ILM)
07.12.1915 - geb.: Leigh Brackett (Drehbuchautorin, gest. 1978)
07.12.1937 - geb.: Kenneth Colley (Piett)
09.12.1983 - Deutschland-Kinostart Episode VI