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Die neuen Dialog-Passagen sind Zusammenschnitte des Originaltons der Casting-Aufnahmen, die mit Bildmaterial aus dem original Spielfilm kombiniert wurden. Nähere Details über meine Beweggründe und das Vorgehen können in Detail #15 und im Making-Of-Bericht nachgelesen werden.
Han Solos kurzer Macho-Satz "Ich hab? vor nichts Angst" ("I?m not afraid of anything") ist im BDFC-Trailer "Version 2006" enthalten.
Das Streitgespräch mit Luke im Hangar der Rebellen eröffnet im Zusammenhang mit den letzten BDFC-Erweiterungen die Möglichkeit, Han Solos Charakterzüge differenzierter zu betrachten.
Nehmen wir Hans Äußerung "Außerdem hat der Angriff auf diese Kampfstation nichts mit Mut zu tun. Vielmehr mit Selbstmord".
Im Original kann man diese Aussage Hans als rationale Einschätzung werten, die einen Angriff militärisch gesehen nur als Fehlschlag enden lassen kann. Ebenso ist vorstellbar, daß Solo diese Aussage als Ausrede benutzt, um seiner Entscheidung, nicht zu kämpfen und abzuhauen, mehr Rechtfertigung
zu verleihen. Dieser Aspekt scheint von Anfang an auch George Lucas? Gedanke gewesen sein, da in den Casting-Aufnahmen Han von Luke vorgeworfen bekommt: "Wie viele Systeme müssen noch zerstört werden, bis du dich nicht mehr verstecken kannst und kämpfen mußt?
Doch nun läßt sich Han Solos "Selbstmord"-Aussage auch noch in eine andere Richtung interpretieren:
Das im BDFC enthaltene erweiterte Gespräch zwischen Han und Leia im Cockpit des Rasenden Falken (siehe Detail #15) endet weit mehr als nur in einem kleinen Streit um Bezahlung für einen Söldner und den Kampf für eine gute Sache. Leias aggressive Strategie, den Stützpunkt der Rebellen zu verraten, um einen Kampf mit dem Todesstern so schnell wie möglich und ohne Alternative heraufzubeschwören, stößt womöglich bei Han Solo auf absolutes Unverständnis.
Ein solcher Kampf gegen diese Raumstation scheint für Han aussichtslos. Die Rebellion würde sich damit ihr eigenes Grab schaufeln, Leia würde all ihre Rebellen-Soldaten in den sicheren Tod schicken. Somit übt Han mit seiner "Selbstmord"-Aussage harsche Kritik an Leia.
Han und die Prinzessin gehen offensichtlich ohne Abschied (direkt vor dem Angriff auf den Todesstern) auseinander, nicht wegen des Streits, wie er in der Originalfassung zu erleben ist, sondern aufgrund Leias kompromißloser Strategie, so wie es in den Casting-Aufnahmen zu hören und im BDFC nun umgesetzt ist.
Interpretiert man weiter in diese Richtung, kann Hans Angebot an Luke ("Warum kommst du nicht mit? Jemand wie dich, der so gut kämpft, kann ich brauchen") als Versuch gewertet werden, Luke das Leben retten zu wollen. Deshalb möchte er ihn vom Angriff auf den Todesstern abhalten. Es ist also aus dieser Sicht nicht nur ein rein geschäftliches Angebot, das Han Luke unterbreitet, sondern ein Freundschaftsdienst, den Luke aber nicht als solchen versteht.
Wie naiv muß Luke auf Han wirken, im Angesicht einer solchen Bedrohung und ohne Erfahrung sich kompromißlos der Sache des Widerstands hinzugeben. Wie sehr muß Leias Einfluß auf Luke Han bitter aufstoßen: Ein junges Leben mehr, das sie mit ihrem Idealismus zerstört.
Was aber bringt dennoch Han dazu, seine eigene Meinung anzuzweifeln und darüber nachzudenken, ob er nun richtig oder falsch handelt, ob er mitkämpfen oder verschwinden soll?
Es ist wohl die gleichzeitige Einwirkung mehrerer Faktoren, die Han, der sich seines unmoralischen Handelns bewußt ist, unsicher machen: die nach all den überstandenen Gefahren beginnende Freundschaft mit Luke, wohl auch die vorangegangene Auseinandersetzung mit Leia, vielleicht auch sein Beschützer-Instinkt und seine eigenen Erfahrungen mit dem Imperium, auf jeden Fall aber dieses erweiterte Streit-Gespräch zwischen ihm und Luke im Hangar. Chewie schlägt ebenfalls in diese Kerbe und stellt Hans Entscheidung zur Flucht und damit das Zurücklassen hilfloser Freunde in Frage.
Im weiteren BDFC-Verlauf bekommt Han im verlassenen Hangar die schrecklichen Verluste der Rebellen durch die Funkübertragung mit. Der letzte Tropfen, der das Faß zum Überlaufen bringt und Han zu einer Entscheidung zwingt: Jetzt kämpft Luke mit seinem Freund Biggs und den anderen Rebellen-Piloten ums nackte Überleben und gegen den Todesstern, ohne Han.
Für wen oder was setzt Han letztendlich sein Leben im Kampf gegen den Todesstern ein? Hat er sich auf die Seite des "Guten" geschlagen oder tut er es für "kleinere" Ziele?
Es geht ihm nicht um seine Erfahrungen mit dem seelenlosen Imperium und auch nicht um den Sieg der "Guten", sprich der Rebellen. Es sind vor allem seine Gefühle für zwei Menschen, die er doch irgendwie lieb gewonnen hat: Luke und Leia.
Gefühle, die bei Han Solo Fragen aufwerfen.
Wenn sie wirklich Freunde sind, sollte dann neben Biggs nicht auch er dem jungen Luke in der Not beistehen? Und gibt es nicht auch eine Seite an Leia, die er unendlich vermissen würde, wenn sie nicht mehr wäre?
In diesem kurzen BDFC-Moment im Hangar, in dem die Funkübertragungen der Schlacht auf ihn einwirken, ändert Han sein Leben für immer und entscheidet sich für Luke und Leia, gezwungenerweise aber dadurch auch für die Rebellion. Daß das mit der Rebellion erst einmal für Han keinen großen Ausschlag gegeben hat, zeigt seine Haltung gegenüber Leias Pflichtbewußtsein in EPISODE 5 - DAS IMPERIUM SCHLÄGT ZURÜCK. Da streiten beide wieder: Sie denke nur an Rebellion, er nur an Liebe.
Somit wird zumindest für mich klar, Han zog in den Kampf gegen den Todesstern, um in erster Linie Luke zu retten. Das bestätigt auch sein Verhalten auf Hoth, als er ohne zu zögern sein Leben auf der Suche nach dem verschollenen Luke einsetzt. Auch wenn dies ein wenig als Trotzreaktion auf Leias kühle Gefühlshaltung verstanden werden kann, so ist es letztendlich doch die volle Hingabe für Freund Luke.
Leia ist - und da kann man sicher nur raten, ob gleichrangig mit Luke oder vorerst nur zweitrangig - der zweite Grund für Hans Entscheidung im Hangar. Möglicherweise möchte er Leia nicht nur retten, sondern für sich gewinnen. Zu diesem Zeitpunkt sicherlich nicht, um sein Leben mit ihr zu verbringen, eher reizt ihn ihre Kombination aus Stärke, Unnahbarkeit und Weiblichkeit. Er ist nun mal ein reifer Mann und Schurke. Und sollte das mit Leia nicht klappen, hat sie alle moralischen Werte auf ihrer Seite, so daß der Kampf Solos gegen das Imperium bezogen auf Leia nicht umsonst wäre. Doch vielleicht steckt da schon viel mehr an Gefühl für Leia in Hans Entscheidung, als angenommen.
Zusammenfassend meine ich, Han Solo hat sein Herz über seinen Verstand siegen lassen, er hat seine Freiheit aufgegeben und Verantwortung übernommen:
Wenn er gegen das Imperium kämpft, um Luke und Leia zu retten, wird er mit der Rebellion untergehen oder siegen und weiter kämpfen müssen. Wenn er Luke rettet, wird er eine lebenslange Freundschaft mit all ihrem Geben und Nehmen eingehen. Rettet er Luke, rettet er auch Leia, die aber zu diesem Zeitpunkt für Luke bestimmt ist. Somit kann er vorerst ihre Liebe unmöglich gewinnen. Doch ein Mann in seinem Alter weiß: "Immer mit der Ruhe."
BERND DÖTZER, 09. Dezember 2007
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