Games Radar hatte kürzlich die Gelegenheit, sich abseits von Spielemessen einen Eindruck über den Entwicklungsstand von The Old Republic zu verschaffen:
"Zu diesem Zeitpunkt stecken wir bis zu den Knien in toten Soldaten der Republik und nehmen Welle auf Welle von plastikbewehrten Angreifern auseinander. Unsere Sith-Figur lenkt das feindliche Blasterfeuer mit ihrem Lichtschwert ab, während wir langsam hinter ihre Fähigkeiten steigen. Mit Schwertschlägen gewinnt der Sith Punkte, die er danach in todbringende Attacken investieren kann."
"[The Old Republic] das aufregendste Spiel, das derzeit in Entwicklung ist, [...] ein Spiel mit guten Chancen, zum World of Warcraft-Killer zu avancieren.
Außergewöhnlich ist, wie spielbar es schon zu diesem Zeitpunkt ist. BioWare testet es schon seit Monaten und arbeitet aktuell daran, die ungezählten Details zu einem funktionierenden Ganzen zu verschmelzen. "Wir wollten das Spiel nicht vorstellen, bis es zumindest teilweise spielbar war.", erklärt Rich Vogel, einer der Chefs des Studios. "Wir wollten es noch nicht einmal ankündigen, bis wir etwas Handfestes vorzuweisen hatten." Und, wie sich nun zeigt, hat die riesige Studioabteilung in Austin schon eine Menge vorzuweisen. "Das Spiel ist spielbar. Wir haben einen Server und können das Spiel darüber zuhause spielen."
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"BioWare Austin wurde Anfang 2006 gegründet. Wir haben unsere Arbeit an [The Old Republic] mit sehr wenigen Leuten begonnen. Jetzt sind wir ein sehr, sehr großes Studio.", erklärt der zweite Studiochef Gordon Walton. "Einige unserer Mitarbeiter haben früher für Sony Online Entertainment gearbeitet, aber unser ursprüngliches Kernteam kam komplett von BioWare. James [Ohlen] hat viel Erfahrung mitgebracht: Er war der Chefdesigner von Baldur's Gate, Baldur's Gate 2, Neverwinter Nights und KotOR. Wir wussten sofort, wer zum Kernteam gehören sollte. Der eigentliche Schlüssel zum Erfolg war allerdings Ohlen, wobei der nicht sofort mit dabei war und wir nicht wussten, wen wir bekommen würden."
Das fertige Team wurde sorgsam unter den Mitarbeitern der BioWare-Hauptstelle in Edmonton ausgewählt. Dazu wurden einige der erfahrenen Entwickler anderer MMOs angeworben.
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BioWare hat in der Vergangenheit schon an den KotOR-Spielen seine Kreativität unter Beweis gestellt, aber trotzdem können sie sich nicht über den bestehenden Kanon hinwegsetzen. Die Marke Star Wars wird von LucasArts streng kontrolliert. "Alles muss abgesegnet werden.", gesteht Walton. "Der Prozess läuft allerdings relativ konfliktfrei. Ein Grund, wieso wir in der KotOR-Zeit arbeiten, war der, dass wir damit die Freiheit haben, von den Filmen wegzukommen. Wir sind an einem idealen Punkt, um einerseits eine Menge vertrauter Elemente zu bringen, andererseits aber auch Freiraum zu haben."
Dieser Freiraum ist wichtig, denn die große Innovation, die BioWare in den MMO-Markt trägt, wird den Kanon kräftig durchrütteln. BioWare will aus The Old Republic das erste erfolgreiche handlungsorientierte MMO machen. Das scheint zunächst nicht viel Sinn zu ergeben: Soll nicht die Geschichte des Spielers und nicht die des Entwicklers Sinn und Zweck eines MMO sein?
Wer The Old Republic spielt, wird diesen scheinbaren Widerspruch bald hinter sich lassen. Die Demo beginnt auf der Brücke eines Sternzerstörers, wo wir mit einem Kapitän reden, der etwas sehr, sehr Schlechtes getan hat. Ein Verbrechen, auf das die Todesstrafe steht. Es folgt eine voll vertonte Zwischensequenz, in der wir die Art Dialogoptionen und moralische Konsequenzen hören, die man eigentlich von einem Spiel für Einzelspieler erwarten würde.
"Meine Fehler tun mir leid.", erklärt der Kapitän. "Aber bitte, haben Sie Respekt für meine Mannschaft." Dann haben wir die Wahl: Wir können ihn töten und seine Stellvertreterin befördern oder ihn leben lassen. Beim ersten Durchspielen, lassen wir ihn leben und rasen dann mit dem Sternzerstörer in den Hyperraum, um einen Rebellenfrachter abzufangen. Als wir an unserem Zielort ankommen, greift der Frachter an und startet Kapseln mit Soldaten und Jedi in Richtung unseres Schiffes. Der Kapitän erkennt das Problem sehr schnell und befiehlt allen Turbolaserbatterien, das Feuer auf die Kapseln zu eröffnen. Dann weist er die Krankenstation an, sich bereitzuhalten.
Einige Angreifer brechen trotzdem durch. Als aus dem Maschinenraum ein Hilferuf eingeht, kämpfen wir uns einen Weg von der Brücke durch die Decks durch und werden von wiederbelebten NPC-Figuren unterstützt, welche von den Meddroiden der Krankenstation gerade geheilt worden sind.
Beim zweiten Durchlauf, töten wir den Kapitän. Seine ehrgeizige Stellvertreterin übernimmt sofort den Befehl über das Schiff und befiehlt, den Sprung durch die Lichtmauer durchzuführen. Als wir den Frachter erreichen, fliegen wieder Kapseln auf uns zu, doch die frisch beförderte Stellvertreterin ist ein unerfahrenes Großmaul. Sie ignoriert die Enterkommandos und befiehlt, die Maschinen und Energiebuchten des Frachters zu zerstören. "Wenn sie sich nicht bewegen können, können sie auch nicht angreifen.", meint sie. Das Schiff wird überrannt, Hilferufe von allen Stationen kommen an. Wir müssen sofort gegensteuern.
Die Angreifer sind zahlenmäßig weit überlegen, und Unterstützung aus der Krankenstation bleibt auch aus. Anstatt eine kleine Gruppe abgeschnittener Rebellen zu bekämpfen, bekommen wir es mit einem besonders zähen Jedi zu tun. Schon die Demo zeigt, was BioWare meint, wenn man dort von Entscheidungen und Handlung spricht. Der Sternzerstörer ist ein Level, ähnlich den Dungeons in World of Warcraft, aber hier metzeln wir uns nicht einfach durch eine Reihe wütender Monster, sondern erleben ein Hin und Her zwischen den verschiedenen Teilen des Schiffes und wir hatten die Möglichkeit, jederzeit unsere Freunde um Hilfe zu bitten.
BioWare will das ganze Spiel mit solchen Missionen gestalten, und das in bemerkenswertem Umfang. Jede der sechs Spielerklassen bekommt ihre eigene, komplett unabhängige Geschichte und ihre eigenen Missionen. Wer eine Klasse nach der anderen durchspielt, bekommt keine Mission und keinen Schauplatz zweimal zu sehen.
Und es wird noch besser: Jede dieser Kampagnen entspricht dem Gegenwert eines vollständigen KotOR-Spiels. Ein großes Abenteuer für jede von sechs Klassen. Jedes dieser Abenteuer mit Komplettvertonung und verschiedenen Lösungswegen, die jeweils unterschiedliche Dialoge enthalten. The Old Republic dürfte damit das umfangreichste Synchronisationsprojekt in der Geschichte der Spieleindustrie sein. Ein riesiges, gigantisches Spiel.
Für das Star Wars-Universum liefert BioWare die umfassendste und detailreichste Erweiterung aller Zeiten. Eine der Zeitperioden der Krieg der Sterne-Geschichte, über die bislang am wenigsten bekannt war, wird hier mit Leben erfüllt, eine Zeit, in der sich Jedi und Sith in einem jahrhundertelangen Konflikt gegenüberstanden und die Galaxis am Rande eines Krieges steht, nachdem sie bereits zahllose katastrophale Kämpfe erlebt hat, die im Fall von Coruscant mündeten, dem Untergang der Galaktischen Hauptwelt.
Das stellt die Entwickler vor das Problem, dass viele Menschen mit dem Erweiterten Krieg der Sterne-Universum nicht vertraut sind. BioWare muss Basisarbeit leisten, wie Vogel erklärt: "All die Zusatzinhalte, die wir rund um das Spiel aufbauen, den Comic, die Geschichtsvideos, all dieses Zeug soll unsere Spieler mit der Ausgangslage des Spiels vertraut machen. Millionen von Menschen haben KotOR gespielt, aber wir wollen, dass die Abermillionen mehr, die noch kein KotOR-Spiel gespielt haben, ebenfalls wissen, wie es in der Galaxis aussieht und was dieses Universum anzubieten hat. Deshalb bringen wir all diese Zusatzinhalte heraus."
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"Wir arbeiten, indem wir Dinge zum Laufen bekommen und überprüfen, ob sie wirklich funktionieren.", erklärt Vogel. "Wenn etwas nicht funktioniert, haken wir es schnellstmöglich ab."
Diese Philosophie hat das Kampfsystem von The Old Republic hervorgebracht und es so aufregend anders gemacht. BioWare hat verschiedene Lösungen für die verschiedenen Figurenklassen entwickelt. Die Jedi und die Sith konzentrieren sich auf ihre Magie und den Nahkampf, während Schmuggler und Soldaten lieber in Deckung bleiben und Fernwaffen einsetzen. Der Kopfgeldjäger kann hingegen Gegenstände zum Einsatz bringen, die man in MMOs eher selten sieht: Einen Raketenrucksack und einen Flammenwerfer. Walton erklärt, dass diese Vielfalt Absicht ist: "Man muss das so machen, wenn man möchte, dass die Spieler verschiedene Erfahrungen machen, wenn sie zusammen spielen." Jede Klasse verfügt über ihre ganz eigene Spielweise, und jede muss in einem Level funktionieren können. So sehen wir in einem Gang des Sternzerstörers leere Schränke und Spalten in den Wänden, hinter denen sich die Schmuggler verbergen können. "Unseren Leveldesignern bereitet das ernste Kopfschmerzen.", wird uns gesagt.
Und all das im Namen von Spaß und Spannung, denn BioWare will, dass sein erstes MMO in Punkto Lebendigkeit, Charakterstärke und Handlung so gut ist wie die Einzelspieler-RPGs des Unternehmens. "Wir müssen die Hardcore-Spieler einfach ignorieren.", findet Walton und meint damit diejenigen Spieler, welche die Handlung sowieso links liegenlassen, um sich möglichst schnell ohne Sinn und Verstand zum Ende des Spiels vorzuarbeiten. "Wir brauchen ein Spiel, das für jeden Fan von Krieg der Sterne leicht zugänglich ist und auch BioWare-Fans anspricht. Denn bei BioWare geht es um tolle RPGs, nicht darum, Spiele für das Hardcore-MMO-Publikum zu produzieren."
"Die ersten 10 Levels haben wir immer wieder durchgespielt und basierend darauf Veränderungen durchgeführt. Man muss die Basis richtig hinbekommen, um das Spiel insgesamt gut zu machen. Einer arbeitet daran, die Player vs. Environment-Balance gut hinzukriegen, ein anderer an der Choreographie, und insgesamt geht es um eine möglichst unterhaltsame Spielerfahrung. Wenn ich 'Balance' sage, meine ich, es so auszubalancieren, dass es Spaß macht. Ist das erreicht, ist alles in Ordnung."
Und Spaß macht es, das beweisen schon wenige Kampfminuten. Ein Sith springt mitten ins Getümmel, ein Schmuggler bleibt hinten und geht in Deckung. "Ich weiß nicht, ob Sie das bemerkt haben, aber die Kämpfen laufen synchron ab.", erklärt Vogel. "Das Animationssystem ist synchronisiert. Bei anderen MMOs sehen die Spieler wie in einem Tanz den Animationen ihres Gegenübers zu, hier hingegen läuft es wie bei KotOR: Klingen treffen aufeinander, wir können Angriffe blocken und echte Paraden ausführen, man weiß immer, wieso der Gegner einen getroffen hat." Trifft diese Kampfdynamik auf die Gruppendynamik des Spiels, wird das Ergebnis faszinierend sein. Aber was, wenn man sich mitten während einer Mission eienr Gruppe anschließt. Wird das die anderen Spieler verwirren? "Wir haben dafür ein System. Man muss sich entscheiden: Entweder fängt man für den Neueinsteiger neu an, oder der Neuansteiger steigt mittendrin ein."
"Eine interessante Herausforderung.", findet Vogel. Und die Art Herausforderung, die BioWare zu lieben scheint. "Wir haben in unserem Entwicklerteam verschiedene Fraktionen: Die eine will ein Spiel machen, das so detailreich ist wie ein Einzelspielerspiel, die andere besteht aus Hardcore-MMO-Spielern, die immer nur fragen: 'Wo sind meine Kumpel? Wo sind meine Kumpel? Wo kann ich sie treffen?'"
Walton scheint unbesorgt, die Probleme bis zum Starttag lösen zu können. "Dieses Spiel wird live gespielt, in einer feindlichen Umgebung mit einer problembehafteten Netzverbindung, und trotzdem funktioniert es, weil wir die besten Leute im Spielegeschäft haben. Unsere Entwickler haben Programmierungserfahrung von verschiedensten MMOs, und alle haben Angst vor dem Starttag. Sie kennen jedes Horrorszenario und alle Mittel, um sich für den Start vorzubereiten."
Dieser Start wird entscheidend werden, denn hier und jetzt kann BioWare seine Herrschaft über den PC zurückerobern. "Der PC ist eine furchtbare Sache.", meint Walton, "aber online ist er etwas ganz Tolles." Sind dies für ihn also zwei Plattformen, PC und Online? "Ja, es sind zwei verschiedene Plattformen. Sie beruhen auf verschiedenen Methodenlehren." Für Walton hat die Entwicklung des Onlinemarkts ein neues Format hervorgebracht und einen neuen Spielertyp. "Hier haben wir Spieler, die Entwicklung wollen, keine statischen Inhalte. Sie wollen ein Produkt mit verschiedenen Anforderungen. Sehen Sie sich nur Team Fortress 2 an: Man muss neue Inhalte schaffen, oder das Spiel verschwindet nach ein paar Wochen im Nirgendwo."
Und Vogel findet: "Die PC-Industrie ist wie die Musikindustrie: Sie entwickelt sich weg von einem festen Produkt hin zur Onlinepräsenz." Und eine Onlinepräsenz überschattet im Moment alle anderen: World of Warcraft. Selbst in den besten Momenten unseres The Old Republic-Tests, können wir nicht vergessen, was wir in WoW schon alles erleben durften. Man kommt nicht umhin, sich an etwas zu erinnern, dass der Blizzard-Boss Bobby Kotick einmal sagte: Wer WoW beerdigen will, sollte tiefe Taschen mitbringen. Aber braucht man wirklich eine Milliarde Dollar, um WoW zu überflügeln?
Vogel lacht. "Man muss clever sein. Man muss mit Leuten arbeiten, die Erfahrung besitzen und das Spiel verstehen." Auch Walton nimmt es scheinbar locker. "Wenn ich ein Fantasy-RPG machen würde, das praktisch ein World of Warcraft-Klon wäre, müsste ich natürlich tonnenweise Geld ausgeben." Aber WoW auf seinem eigenen Feld Konkurrenz zu machen, hält er nicht für realistisch oder auch nur erstrebenswert. Für ihn müssen neue MMOs eine eigene Einzigartigkeit schaffen.
"Ich hatte erwartet, dass Age of Conan etwas Neues bieten würde. Von Age of Conan und Warhammer Online hatten wir weit mehr erwartet, aber sie sind wegen ihrer Umsetzung, was sie sind, nicht wegen des Markts. Age of Conan hätte wirklich etwas werden können, wenn man auch nach dem 20. Level noch diese Qualität aufrechterhalten hätte. Was ist da bloß passiert? Nach den ersten 20 Levels, war das Spiel plötzlich eher schal. So etwas kann man nicht machen, nicht angesichts des aktuellen Klimas. Der Markt schreit nach etwas Neuem. Viele haben von WoW die Nase voll. Es ist egal, wie gut ein Spiel ist, irgendwann hat man keine Lust mehr, es zu spielen."
Am Ende der BioWare-Präsentation ist klar, dass die Firma etwas vorgestellt hat, dass ganz anders ist als die aktuellen MMOs. Wo sind die PvP-Arenen? Wo die Raids mit mehr als 25 Spielern? Wo die Auktionshäuser? Oder wie sieht es mit Raumkämpfen aus? Vogel hebt die Augenbraue. "Oh, wir haben das auch alles. Wir werden nur noch etwas warten, bis wir es zeigen." Dieses Versprechen scheint zu schön, um wahr zu sein. Also bleibt dran. The Old Republic wird gigantisch werden.
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