Unter den kreativen Meistern hinter dem visuellen Wunder der Star-Wars-Saga ist Iain McCaig einer der ganz Großen: Der Konzeptzeichner, der heute 62 wird, arbeitete seit Anfang der 90er Jahre bei ILM und später Lucasfilm, arbeitete als Storyboard-Zeichner an Filmen wie James Camerons Terminator 2 und Francis Ford Coppolas Bram Stokers Dracula und war schließlich einer der prägenden Konzeptzeichner der Prequel-Trilogie, die er bis zu ihrem Abschluss 2005 begleitete. Zum Start der neuen Star-Wars-Filmwelle kehrte er zu Lucasfilm zurück, wo er als Konzeptzeichner Star Wars: Das Erwachen der Macht und Solo: A Star Wars Story unterstützte.
Anlässlich seines Geburtstags greifen wir heute ein Interview mit McCaig aus dem Jahr 2015 auf, in dem er über seine Anfänge, seine Arbeit bei Lucasfilm und seine Sicht auf seinen künstlerischen Werdegang sprach:
Sie haben einen großen Teil Ihrer Karriere bei Lucasfilm verbracht und dort einige der bekanntesten Star-Wars-Figuren und -Kostüme der letzten Jahrzehnte visuell definiert, darunter Darth Maul und Königin Amidala. Wie ist es für Sie, einen Entwurf, den Sie einmal zu Papier gebracht haben, auf der großen Leinwand und als Teil der Alltagskultur vollständig umgesetzt zu sehen?
Genau genommen arbeite ich seit über 35 Jahren als Künstler und habe davon nur 9 oder 10 bei Lucasfilm verbracht. Begonnen habe ich als Trickzeichner für Sesamstraßen-Trickfilme und bin erst von dort in meine bis heute andauernde Karriere als Illustrator gestartet.
Star-Wars-Filmen gearbeitet habe, war ich als Freischaffender bei anderen Regisseuren und Filmreihen beschäftigt, darunter Interview mit einem Vampir, Harry Potter und der Feuerkelch, Francis Ford Coppolas Dracula und in jüngerer Vergangenheit Marvels Avengers und Guardians of the Galaxy und Jon Favreaus Realumsetzung des Dschungelbuchs.
Ich bin erst vor einigen Jahren zu Lucasfilm zurückgekehrt, um bei J. J. Abrams' Star Wars: Das Erwachen der Macht auszuhelfen und ein wenig als künstlerischer Leiter an Warcraft zu arbeiten, ehe ich mich wieder als Freischaffender betätigt habe. Und neben dieser Karriere arbeite ich seit 25 Jahren als Drehbuchautor und neuerdings auch als Buchautor oder ziehe durchs Land, um den Leuten beizubringen, wie man zeichnet und Geschichten erzählt.
Wie also fühlt es sich an, meinen Designs draußen in der Welt zu begegnen? Ziemlich genauso, wie wenn man Vater ist: Man erinnert sich vage daran, etwas mit der Erschaffung dieser bemerkenswerten Sache zu tun gehabt zu haben, aber jetzt, da sie da draußen ist und ihr eigenes Leben führt, kann man sich nur zurücklehnen und staunend zusehen.
Eine Ihre visuell bemerkenswertesten Schöpfungen der Prequel-Trilogie war Darth Maul. Was hat Sie zu diesem Design inspiriert?
Darth Maul war eine dieser Figuren, die unscheinbar beginnt und dann hoch hinauskommt. Ich hatte damit nur insofern zu tun, als ich den ursprünglichen Entwurf entworfen habe, aber besondere Anerkennung verdient hier George Lucas, der ihn überhaupt erfunden hat, und Nick Dudman, der aus den steifen, schwarzen Federn meines Designs in der tatsächlichen Maske die Hörner gemacht hat, die ihn zu dieser teuflischen Ikone werden ließen. Und natürlich gebührt auch Ray Park große Anerkennung, der ihn dynamisch und prägnant gespielt hat.
Was die Entstehung des Designs betrifft, so wusste ich über Maul ursprünglich nicht mehr, als dass er der neue Sith-Lord sein sollte, also war ich so wahnsinnig zu versuchen, einen Schurken mit einem beeindruckenderen Helm als Darth Vader zu entwickeln. Erst da habe ich erkennen müssen, dass es kein besseres Design gibt als das Original von Ralph McQuarrie.
Der Groschen fiel erst, als ich ihm den Helm abnahm und anfing, das Gesicht darunter zu erforschen. Ich habe Porträts diverser Kollegen gezeichnet und sie zu ikonenhaften Schurken geformt. Und an diesem Punkt bekamen wir dann endlich das Drehbuch, aber darin stand nur: „Darth Maul, eine Vision Deines schlimmsten Albtraum.”
Glücklicherweise hat mich damals ein Albtraum verfolgt, in dem sich ein totenweißes Gesicht mit Metallzähnen gegen mein regentropfentrübes Atelierfenster presste. Eine stilisierte Version davon habe ich dann gezeichnet und sie George bei unserem nächsten Zusammentreffen vorgestellt. George zuckte zusammen, gab mir das Bild zurück und meinte: „Versuchen wir's mit Deinem zweitschlimmsten Albtraum.”
Und da fiel Groschen Nr. 2: Mein albtraumhafter Besucher passte nicht ins Bild, weil er zu real war, und Star Wars ist, wie jeder weiß, Mythologie, denn wann spielt es? Vor langer Zeit... Ich habe in meinem Innern also nach meinem schlimmsten mythologischen Albtraum gesucht, und das waren Clowns – ich hatte da mit 3 Jahren ein schlimmes Erlebnis mit einem Plakat von Bozo dem Clown, mehr will ich darüber nicht sagen. Da keine Kollegen mehr übrig waren, die ich hätte porträtieren können, habe ich mein eigenes genommen, die Muskeln unter der Haut mit schwarzer Farbe imitiert und seine Haut rot gefärbt, denn in der Natur sind rot und schwarz ein klares Zeichen für: Leg Dich bloß nicht mit mir an! Und voilà, so war ein neuer Sith-Lord geboren.
Wenn Ihnen zum ersten Mal ein Projekt vorgestellt wird, wie sieht Ihr künstlerischer Prozess aus, um zum Kern des Designs vorzustoßen? Haben Sie eine Standardmethode, an der Sie festhalten, oder gehen Sie bei jedem Projekt anders vor?
Zunächst einmal muss man sich klarmachen, dass jedes Design – egal, ob man eine Figur, ein Wesen oder eine Umgebung gestaltet – existiert, um der Geschichte zu dienen. Mein Hauptanhaltspunkt ist deshalb das geschriebene Wort oder – und das geschieht dieser Tage immer öfter – ein Handlungskonzept oder auch nur eine verbale Präsentation. Wenn das alles fehlt, denke ich mir selbst etwas aus, um die Leere zu füllen. Danach durchlaufe ich tatsächlich einen Standardprozess:
1. Schritt: Ich zeichne aus meiner Vorstellungskraft ein Bild und versuche, ihm jede nur mögliche Energie und Größe zu verleihen.
2. Schritt: Wenn es irgendetwas in diesem Bild gab, das nicht überzeugend wirkt, suche ich es im wahren Leben und studiere es in so vielen Zeichnungen wie nötig, um es mir vollständig einzuprägen.
3. Schritt: Ich kombiniere Schritte 1 und 2 in ein drittes Bild, das die Macht der eigenen Vorstellungskraft mit der Präzision der Studien verbindet.
Und danach ist Schritt 4 die Schritte 1 und 2 zu verstecken, damit einen jeder für ein verdammtes Genie hält.
Gibt es ein bestimmtes Projekt als Angestellter eines Studios oder als Freischaffender, das für Sie einen ganz besonderen Stellenwert einnimmt?
Ich bin generell kein Freund davon, Erfahrungen einen bestimmten Stellenwert einzuräumen: Die Ehre, sein Geld damit zu verdienen, zu zeichnen, zu schreiben und Geschichten zu erzählen, ist ganz grundsätzlich ein phantastischer Wert für sich. Eine besondere Erfahrung war allerdings die Zusammenarbeit mit George [Lucas] an Star Wars: Episode I. Er gab uns vier oder fünf Jahre Zeit, um alles zu entwerfen, und das ist für die künstlerische Abteilung eines Realprojekts eine praktisch nie dagewesene Zeitspanne. Außerdem hat George enormen Respekt vor Künstlern und kennt sich sehr im Bereich Kunst und Illustration aus.
Ein besonderer Genuss war auch die Zusammenarbeit mit Jon Favreau an der Realadaption des Dschungelbuchs: Das war der erste Film, den ich je im Kino gesehen habe, und Jon ist ein ganz wunderbarer Mensch. Und dann war da Francis Ford Coppola und...
Ich könnte immer so weitermachen, aber im Grunde hat alles ziemlich viel Spaß gemacht, sowohl innerhalb als auch außerhalb des Studio-Systems.
Sie sind nicht nur künstlerischer Leiter, Konzeptzeichner und Illustrator, sondern auch Autor, Produzent und Regisseur. Beeinflussen sich ihre unterschiedlichen Interessengebiete gegeneinander? Sehen Sie als Konzeptzeichner auch mit den Augen eines Produzenten oder Regisseurs auf Ihre Arbeit?
All diese Bereiche, künstlerische Leitung, Konzeptkunst, Illustration, das Schreiben, Produzieren und Regieführen, alles trägt dazu bei, eine Geschichte zu erzählen, genau wie man Pinsel und Farbe und eine Leinwand braucht, um ein Bild zu kreieren. Mir persönlich sagen der Künstler- und Autoren-Part am meisten zu, weil sie das nächste daran sind, sich hinzustellen und am Lagerfeuer eine Geschichte zu erzählen. Und auch das tue ich übrigens gern.
Als Produzent auf meine Arbeit zu blicken, würde bedeuten, das Budget ins Design hineinzudenken, und das tue ich nie. Und immer. Ich glaube fest daran, dass Designs in allererster Linie der Geschichte dienen müssen, aber danach geht es natürlich auch darum, wie man seine Vorstellungen umsetzen kann, ohne sowohl diese Vorstellungen aus dem Auge, als auch seine gesamten Ersparnisse zu verlieren.
Gibt es Techniken oder Ratschläge, die Sie anderen Künstlern mitgeben wollen, die versuchen, ihre Fähigkeiten zu verbessern?
Gebt eure Talente nicht einfach an jemand anderen ab, der sagt, wo es lang geht. Arbeitet mit eurem Skizzenbuch, treibt eure eigenen Projekte voran, egal ob das nun Buchillustrationen sind oder Filme oder Grafikromane oder Spiele oder Bildbände oder irgendetwas anderes. Macht euer eigenes Ding, denn nur so verliert ihr nicht den Kontakt mit euch selbst, mit eurer Sicht auf die Welt, denn die ist das einzige Einzigartige, das ihr der Welt zu bieten habt!
Gibt es in der Unterhaltungsbranche zur Zeit Künstler, die Sie bewundern, bzw. zu denen Sie aufblicken?
Ich respektiere und bewundere viele Künstler in der Branche und auch viele, die anderswo beschäftigt sind. Aber Aufblicken legt eine Art Rangfolge nahe, und an so etwas glaube ich nicht.
Vor langer Zeit habe ich Frank Frazetta, James Bama und Norman Rockwell bewundert, und ich hatte immer Bilder von ihnen auf meinem Zeichenbrett. Und dann habe ich die eines Tages alle weggeräumt, weil mir klar wurde, dass die wahre Inspirationsquelle nicht in diesen Bildern steckte, sondern in dieser seltsam wunderbaren Welt um mich herum. Und all die phantastischen Dinge, die ich in den Arbeiten meiner Kollegen sehe, spiegeln auch das wahre Leben wieder, also feiere ich nun das, wenn immer ich es sehe.
Letzte Frage: In einer perfekten Welt, was wäre da Ihr Traumprojekt?
Das nächste.
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