Am 7. Tag ruhte der Herr und heute mit ihm offenbar auch die Nachrichtenwelt. Greifen wir also mal wieder tief in die Schatztruhe wundervolle historischer Texte zu unserer Lieblingssaga. Heute im Angebot: Die begeisterte Originalkritik der Washington Post zum allerersten Krieg der Sterne vom 25. Mai 1977:
Krieg der Sterne
von Gary Arnold
George Lucas' wunderbarer Science-Fiction-Abenteuer-Fantasyfilm Krieg der Sterne ist seit heute im Uptown-Kino zu sehen, ein neuer Klassiker in bester Kinotradition: Ein Weltraum-Mantel-und-Degen-Film!
Der junge amerikanische Filmemacher Lucas, der mit American Graffiti erste Berühmtheit erlangte, hat vier Jahre lang am Drehbuch, den Vorbereitungen, der Regie und dem Schnitt von Krieg der Sterne gearbeitet. Er hat eine clevere und erfrischende Mischung von Themen und Klischees aus den Flash Gordon- und Buck Rogers-Comics und -Serien zusammengestellt und damit in Zusammenhang stehende, aber gleichzeitig nicht unbedingt naheliegende Quellen wie Western, Piratendramen, Luftkampffilme und Samuraiepen in die Komposition hineingenommen.
Der unwiderstehliche stilistische Charme des Films ist allerdings der Tatsache geschuldet, dass Lucas es versteht, mit unfehlbarer Geschicklichkeit und viel Humor auf eine Reihe von Actionfilmquellen zurückzugreifen. Das Fantasy-Leben, das sein Film zur Welt bringt, hat er in allerhöchstem Maße im Griff.
In American Graffit gelang es Lucas, eine Zeit im Leben und eine Epoche der amerikanischen Sozialgeschichte in einer einzigen Nacht zu komprimieren.
In Krieg der Sterne hat er nun bekannte Szenen, Erwartungen und Bauteile einer Reihe von Actionfilmhelden neu aufpoliert und zu einer Szenerie vereint, die durch liebevolle Parodie und wundersame Frische überzeugt.
Die junge Hauptfigur namens Luke Skywalker ist ein aufrichtig naiver und gleichzeitig unerschrockener, mechanisch begabter Junge, der sich einem bösen intergalaktischen Reich entgegenstellt. Als Filmemacher konstruiert Lucas eine intergalaktische Vergnügungsfahrt erster Güte in einem hochfrisierten und individuell aufgemotzten Flitzer, der von einer Investition in Höhe von 8 bis 10 Millionen US-Dollar angetrieben und von Dutzenden talentierter Handwerker und Techniker gewartet wird.
Der Film beginnt mit einem Prolog in Textform, der uns in eine frühe Folge einer alten Fernsehserie einzuführen scheint. Lucas treibt dieses Motiv im Laufe des Films in grandiosen Szenen auf die Spitze, die von einer gefährlichen Situation zur nächsten, von einem sagenhaften Kampf zum anderen führen und damit erahnen lassen, wie ein 12teilige Serie aussehen würde, wenn man sie auf ihren actionreichen Kern verdichten könnte.
Krieg der Sterne beginnt mit einem Paukenschlag. Das Raumschiff der Heldin Prinzessin Leia (Carrie Fisher), einer Rebellin, die sich für die Wiederherstellung der intergalaktischen Republik engagiert, wird vom Todesstern aufgebracht, einer scheinbar unzerstörbaren Raumfestung, die als ultimative Waffe des totalitären Weltraumreiches entwickelt worden ist. Bevor die Wachen der Prinzessin besiegt werden und sie selber gefangengenommen wird, gelingt es ihr noch, in den Speicherbänken eines dicken kleinen Roboters namens R2-D2 einen Hilferuf und die geheimen Blaupausen des Todessterns abzusetzen.
Der kleine Botschafter, der in Piep- und Pfeiftönen spricht und diese wie Harpo Marx auf witzige Weise einsetzt, flieht in einer Rettungskapsel zusammen mit seinem sprechenden Robotergefährten, einer schlaksigen, pingeligen, goldfarbenen Maschine namens C-3PO, deren Persönlichkeit an eine überspezialisierte Kreuzung des Schaupielers Edward Everett Horton mit dem 2001-Computer HAL denken lässt. Die Roboter landen auf dem kargen Planeten Tatooine, wo sie schließlich Luke (Mark Hamill), der als Bauernjunge mit seiner Tante und seinem Onkel lebt, und den anderen Figuren, die der Prinzessin zur Hilfe kommen werden, in die Hände fallen.
Zu diesem Zeitpunkt setzt eine Sequenz von Erläuterungen ein, in der das Geplapper von C-3PO zu einer nervtötenden Plage zu werden droht. Die Lage bessert sich wieder, als die gestrandeten Roboter von den kapuzenumhüllten, rotäugigen Zwergenwesen namens Jawas gefangen werden, die auf Tatooine ein Entführungs- und Schrottwiederaufbereitungsgewerbe zu betreiben scheinen. Gut für die Galaxien, dass sie die Roboter an Lukes Onkel verscherbeln.
Der Film scheint sich zu diesem Zeitpunkt über seinen Grundton und seine Orientierung ein wenig im Unklaren zu sein, zumindest bis zum Auftritt von Alec Guinness, der als Eremitenkrieger Ben Kenobi zu sehen ist, ein früherer Kampfgefährte von Lukes totem Vater und der Mentor des Jungen.
Die Prinzessin hat ihren Hilferuf an Ben abgesetzt, und als Guinness die Bühne betritt, ist klar, wie der Film ausgehen wird. Seine Gegenwart zeichnet sich durch eine humorvolle Ernsthaftigkeit aus, die den Anfangsteil des Films zu stabilisieren scheint. In dem entscheidenden Augenblick, da man schon fürchten musste, Lucas' Einfallsreichtum könnte bereits am Ende sein und seine Ideen unausgegoren bleiben, liefert Guinness das nötige emotionale Gleichgewicht und bietet als Respektsperson einen Anker für die Filmhandlung.
Der endgültige Durchbruch gelingt dem Film als Luke und Ben in die Stadt gehen, um sich ein intergalaktisches Transportmittel zu verschaffen, wobei sie auf das unvergleiche Gespann aus Han Solo und Chewbacca treffen, ein schneidiger Söldnerpilot und sein zotteliger, riesiger, knirrender Ungeheuermaat vom Volk der Wookies. Diese Figuren erweisen sich schon allein als wundervolle und amüsante Gefährten, doch ihr Auftritt wird durch den phantastischen und urkomischen Ort ihres Zusammentreffens noch verstärkt: Eine futuristische Cantina, in der alles menschliche, halbmenschliche und nichtmenschliche Gesindel der Gegend zusammenströmt.
Dieser Hang zu Monstern und Ungeheuern ist ein genial übernommenes Comicelement, und ich vermute, dass Szenenbildner John Barry zumindest teilweise von einem privaten Scherz inspiriert worden ist, arbeitete er doch in der gleichen Funktion an Stanley Kubricks Version von Uhrwerk Orange, ein Film, der in einem futuristischen Gefängnis begann. Die Tatooine-Cantina ist die Art Schauplatz, an der sich die gleiche Art von Halbstarken einige Mutantengenerationen später treffen würde. Die blasenköpfigen, langschnäuzigen Besucher aus der Werkstatt von Stuart Freeborn, der bereits an David Leans Oliver Twist, Kubricks Dr. Seltsam und 2001 und der Hercule-Poirot-Maske für Albert Finney in Mord im Orientexpress arbeitete, stellen einige faszinierende Fragen über die Zivilisation auf Tatooine, die leider nie beantwortet werden.
Han Solo ist die extravaganteste menschliche Rolle des Films, und Harrison Ford, der als jener Rennfahrer in American Graffiti zu sehen war, der Paul Le Mat herausforderte, genießt es offensichtlich, den unwiderstehlichen Charme zynisch abgeklärten Heldentums voll auszukosten. Es wäre beruflich fatal, ein so ideale Rolle, die dazu taugt eine ganze Karriere zu befeuern, zu verpfuschen, und auch wenn Ford seinen Han Solo entspannt und nuschelnd anlegt und damit zeitweise an Jack Nicholson erinnert, nutzt er seine einzigartige Chance doch voll aus. Millionen Kinder und Erwachsene wird er mit seinen trotzigen Aussagen begeistern, zum Beispiel mit "Die sollen nur kommen. Ein offener Kampf ist mir lieber als dieses heimliche Getue!"
In der Cantinasequenz gibt es einen entzückend neckischen Augenblick, in dem wir kurz sehen, wie ein Monster anfängt zu lachen, nachdem ein anderes Monster offenbar einen Witz erzählt hat. Für eine Sekunde wirkt es, als wäre ein Comicstrip von Illustrator Ed Koren plötzlich zum Leben erwacht. Von diesem Moment an, hatte ich volles Vertrauen in und viel Vergnügen an Lucas' Regieführung.
Die Art und Weise, wie dieser Augenblick nur eben noch zu sehen ist, scheint der Schlüssel zum Witz des Films zu sein. Der Stil von Krieg der Sterne ist offensichtlich von Kubrick inspiriert worden - und viele Mitarbeiter haben früher entweder mit dem Meister gearbeitet oder sich sichtbar von ihm inspirieren lassen -, aber die Atmosphäre und das Tempo sind auf wunderbare Weise komplett anders als in 2001 oder Uhrwerk Orange. Lucas' Film ist da fröhlich, wo Kubrick nur unheilschwanger war. Einer der Gründe, weshalb Barrys Cantina so voller Humor steckt, ist, dass Lucas sich dort nicht lange aufhält, anders als Kubrick, der das Dekor des Nachklubs in Uhrwerk Orange minutenlang penibel abtastete. Neue Blickwinkel und Ungeheuer tauchen mit unglaublicher und amüsanter Geschwindigkeit auf, um gleich wieder zu verschwinden. Lucas' Science-Fiction-Stil baut auf spielerisch lustige Üppigkeit.
Die verschiedenen Science-Fiction-Quellen, auf die Lucas sich stützt und die er ausschmückt oder über die er sich lustig macht, sind mehr oder weniger zu erwarten. Seine Bezugnahme auf andere Actiongenres stellen allerdings einen großartigen Bonus dar. Lukes Rückkehr zu seinem brennenden Heim zum Beispiel und Han Solos Duell in der Cantina mit einem Kopfgeldjägeralien sind klassische Westernelemente, und erstere Szene scheint direkt von einer zentralen Sequenz in Henry Hathaways Nevada Smith inspiriert worden zu sein, die Lucas auf brilliante Weise in einen anderen Kontext überführt.
Einer der besten Augenblicke des Films ist Fishers Darbietung der Dialogzeile "Viel Glück" gegenüber Hamill, bevor die beiden über einen Abgrund auf dem Todesstern schwingen. Lucas konstruiert ein Dreiecksverhältnis zwischen Luke, Han Solo und der überheblichen, herrischen, unbezähmbaren Prinzessin, die absolut entschlossen zu sein scheint, in Liebesdingen möglichst unentschlossen zu wirken.
Wenn die Prinzessin jemals jemandem ihre Zuneigung schenken sollte, so scheint die poetische Gerechtigkeit es zu verlangen, dass sie sich ihren beiden Helden in gleichem Maße zuwendet. Könnte diese schelmische Anspielung auf eine mögliche Menage à trois gar für die PG-Bewertung des Films verantwortlich sein, dessen Kampfszenen zwar zahlreich, aber doch kaum realistisch sind?
Sofern man annehmen will, dass Flucht ins 23. Jahrhundert und King Kong im vergangenen Jahr die Academy-Awards für Spezialeffekte verdient haben, so reicht kein Preis unter der Sonne aus, den Beitrag von Leuten wie John Dykstra und John Stears zu Krieg der Sterne zu würdigen. Man mag vermuten, dass Steven Spielbergs Unheimliche Begegnung der 3. Art, der zu Weihnachten in die Kinos kommen soll, Effekte ähnlicher Qualität bieten wird. Die Academy könnte daher gut beraten sein, die Spezialeffektpreise des letzten Jahres zu widerrufen, bevor sie die diesjährigen verleiht.
Dykstra und Stears haben Lucas geholfen, die Raumkämpfe zum filmischen Höhepunkt auszuformen, und diese wirken mitreißender als ihre Vorbilder in alten Kriegsfilmen. Seit der Unterwasserschlacht am Ende von James Bond - Feuerball hat es keine so herrlich stilisierte Kampfsequenz mehr gegeben, und für jenes Projekt wurde Stears mit dem Oscar ausgezeichnet. Die letzte Explosion des Films ist hierbei besonders gelungen: Die melodramatischen Sorgen um die Helden werden in einem lyrischen Sternenschauer aufgelöst.
Eltern, die auf der Suche nach einem angemessen Film für ihre Sprösslinge gezwungenermaßen Flucht ins 23. Jahrhundert ertragen haben, können sich hier nun zurücklehnen und entspannen. George Lucas hat die Art von Science-Fiction-Abenteuerfilm gemacht, von dem man nur träumen kann, für Erwachsene genauso wie für Kinder.
Und auch die Aktionäre der 20th Century-Fox können sich freuen, denn Krieg der Sterne wird mit nahezu absoluter Sicherheit ein riesiger Erfolg werden, bei Publikum und Kritikern gleichermaßen. Der Film hat sogar eine echte Chance, den phänomenalen Erfolg von Der Weiße Hai zu übertreffen, und ich wäre nicht überrascht, wenn Krieg der Sterne noch vor Ende dieses Jahres mindestens die Nr. 2 der größten Filmerfolge unserer Zeit geworden ist.
Ich weiß von zwei filmbegeisterten Spekulanten, die sofort, nachdem sie den Film gesehen hatten, ihre Börsenmakler anriefen. Mehr und mehr Studios verlassen sich auf eine Handvoll talentierter junger Filmemacher, um sich aus den Fängen von Konkurs und Vergessenheit zu befreien. Mit Krieg der Sterne hat George Lucas der 20th Century-Fox neuen Lebensatem eingehaucht.
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