Kaum ein Star-Wars-Ablegerprodukt dürfte das Erweiterte Krieg-der-Sterne-Universum so nachhaltig beeinflußt haben wie Biowares Rollenspiel Knights of the Old Republic.
Es brachte der weit, weit entfernten Galaxis mehr neue Völker, Planeten, Raumschiffe, Droiden, Helden und Schurken als jeder Roman, Comic und Sammelkartensatz und als jedes Spiel zuvor und erwarb sich damit eine Beliebtheit, die wohl einzig von der der Kinofilme in den Schatten gestellt wird.
Als Rollenspiel ist KOTOR von Entscheidungen geprägt, und genau auf diese Weise beginnt das Spiel denn auch. Die erste Wahl, die der Spieler treffen muß, ist denkbar simpel: bin ich ein Mann oder eine Frau. Was im wahren Leben eine recht entscheidende Rolle spielt, hat in KOTOR nur eine Nebenrolle und legt lediglich fest, mit welchen anderen Figuren später eine Liebesgeschichte eingeleitet werden kann. Und wessen Rückenansicht man im Spiel stundenlang vor sich hat. Von offizieller Seite wurde später festgelegt, daß die kanonische Spielerfigur männlich sei, eine gute Wahl wie ich finde, denn die Position des männlichen Gegenparts für eine weibliche Spielerfigur ist im Spiel meiner Meinung nach denkbar schwach besetzt.
Die zweite Entscheidung in KOTOR ist einer der größten Schwachpunkte des ganzen Spiels: der Spieler muß sich entscheiden, ob er sich als Gauner, Späher oder Soldat auf den Weg machen möchte. Das Handbuch schweigt sich weitestgehend über diese, eigentlich sehr wichtige Entscheidung aus, und so bleibt gerade dem Rollenspieleinsteiger - zu denen auch ich mich zähle, war KOTOR doch mein erstes Rollenspiel - nicht mehr übrig, als grob über den Daumen einem vagen Bauchgefühl zu folgen. Die Vorstellung, als Gauner durch das Star-Wars-Universum zu schleichen und sich als Meisterdieb zu verdingen, ist ja im Grunde recht reizvoll. Und auch ein Leben als Späher klingt durchaus interessant, und wer als Kind oder Jugendlicher von Südseeabenteuern träumte, könnte hier die Hoffnung haben, als Späher die Galaxis erkunden zu dürfen und bsp. mehr vom Universum zu sehen als ein Gauner oder Soldat.
Leider, leider ist das blanke Theorie. Soldat, Gauner und Späher treffen alle auf die gleichen Gegner, und sie alle müssen sich im weiteren Verlauf des Spiels in Zweikämpfen mit Feinden messen, die gerade den gesundheitlich anfälligen Gauner rasch an seine Grenzen treiben. Die Entscheidung, die man also in Wahrheit treffen muß, betrifft weniger die Persönlichkeit der Spielerfigur, als vielmehr den Schwierigkeitsgrad: ein Soldat hat es leicht, ein Späher schwerer, ein Gauner am schwersten.
Wehe dem Anfänger, der hier in die Falle geht.
Es folgt Entscheidung Nr. 3, die Wahl eines hübschen Äußeren - gerade bei den Männern Mangelware, da hat man hauptsächlich die Wahl zwischen potentiellem Nazi-Propaganda-Plakatmodell und nur leicht fragwürdigem Meuchelmörder; bei den Damen gibt es diese Kategorien zwar auch, aber dafür auch recht attraktive Gestalten -, gefolgt von Entscheidung 4, der Frage, ob man seine Spielerfigur selbst mit Vorzügen und Schwächen ausstatten will oder dies dem Computer überlassen möchte. Schon der Spieltrieb läßt einen hier natürlich zu ersterem tendieren, und einen Klick später findet man sich auf einem großen Bildschirm mit vielen Zahlen und Substantiven wieder. Weisheit lesen wir da, Stärke und Geschicklichkeit, Intelligenz, Verfassung und Charisma. Faszinierend teilen wir also Punkte zu, und stellen nicht viel später fest, daß wir einen Irrtum begangen haben. Denn auch wenn es toll klingt, sich eine geschickte Intelligenzbestie zu basteln, sollte man dies tunlichst unterlassen. Im weiteren Spielverlauf wichtig sind Stärke (für Nahkampfwaffen; für Lichtschwerter zählt auch die Geschicklichkeit), Weisheit (für Machtpunkte), Charisma (gerade als wahrer Jedi wichtig, um Erlösungsaktionen bei seinen Widersachern erfolgreich zum Abschluß bringen zu können) und Verfassung (damit man nicht beim ersten Schlag tot umfällt). Intelligenz ist hingegen von nachgeordneter Bedeutung, sie entscheidet darüber, wieviele Fertigkeitspunkte man später bekommt.
Damit sind wir beim nächsten Punkt: den Fertigkeiten. Allgemein gilt: Ganz ohne Fertigkeiten dazustehen, ist ein Nachteil, aber Fertigkeiten an sich spielen eine geringe Rolle im Spiel, weil man meistens von Verbündeten umgeben ist, die Schlösser knacken, Computer hacken, Minen entschärfen und Droiden reparieren können. Die drei wichtigsten Fertigkeiten sind Überreden (wiederum vor allem auf der hellen Seite), Verletzungen heilen und Computerkenntnisse, die man später sinnvoll einsetzen kann. Tarnung bringt einem nichts, da schwache Gegner später sowieso kein Problem sind und starke einen praktisch immer sehen können, Sprengstoffeinsatz hilft auch nur wenig, da die meisten Minen nicht tödlich sind, man sie also auslösen und sich dann heilen kann, Bewußtsein hilft, Minen zu sehen, bevor man darüber stolpert, was nicht schlecht ist, aber auch nicht zwingend, zum Reparieren findet man nur selten Gelegenheiten, und in den meisten Fällen hat man fähigere Begleiter dabei, und Sicherheit beschleunigt lediglich am Anfang des Spiels das Öffnen von Türen, später kann man die auch fröhlich einschlagen.
Damit sind wir bei den Talenten angekommen, die anders als die Fertigkeiten von großer Bedeutung sind. Hier kann man seine Figur vom Neuling zum Experten reifen lassen, ihr Kampfstile beibringen und festlegen, welche Rüstungen und Waffen die Figur verwenden kann. Allgemein gilt hier: Talentpunkte bündeln und Fernkampfwaffen und Rüstungen bei der Spielerfigur ignorieren. Vorsicht und Technik-Experte bringen auch nichts, aus den gleichen Gründen, weshalb Reparieren und Sprengstoffeinsatz nichts bringen.
Mit den Talenten endet die Erschaffung der Spielerfigur, was dem künftigen Retter der Galaxis jetzt noch fehlt, ist ein klangvoller Name. Hierbei hat man entweder die Möglichkeit, einen Zufallsnamen erstellen zu lassen, oder seine eigene Kreation einzugeben. Einfluß auf die Handlung hat der Name in keinem Fall; selbst wenn man sich nach dem großen Schurken des Spiels "Darth Malak" nennen würde, gäbe es keine verwunderten Reaktionen zu begutachten, und auch ein Frauennamen bei einem Mann oder ein Männername bei einer Frau löst nirgendwo Erstaunen aus. Ein Punkt, den KOTOR 22 2035 hoffentlich beheben wird. ;-)
Damit sind die Vorbereitungen abgeschlossen, und es darf... gestaunt werden. Das Spiel beginnt ganz klassisch mit einem Lauftext, der den Spieler darüber informiert, daß er sich 4000 Jahre vor dem Aufstieg des Imperiums befindet und die Republik dem Untergang nahe ist, weil Darth Malak, der Schüler des Dunklen Lords Revan mit einer unbesiegbaren Armada einen Überraschungsangriff gestartet hat, der den Jedi-Orden an den Rand der Vernichtung getrieben und viele Jedi der dunklen Seite zugeführt hat. Aktuell befindet man sich nun im Äußeren Rand der Galaxis (noch immer unverständlicherweise unübersetzt als Outer Rim bezeichnet), und zwar über der Welt Taris, über der eine Flotte der Jedi versucht, Malaks Flotte aufzuhalten. Keine 10 Sekunden später wird deutlich, daß diese Schlacht nicht besonders gut läuft, die Schiffe der Republik brennen, Vorläufer der imperialen Sternzerstörer hingegen nicht. TIE-Jäger-Vorläufer rasen durchs Weltall und tragen zu einer recht beeindruckenden Schlachtkulisse bei.
Neben der Republik scheint übrigens auch die Logik ein wenig zum Opfer der Sith geworden zu sein, denn KOTOR greift kaum den Stil der Tales of the Jedi-Comics auf, die nur wenige Jahre früher angesetzt sind, sondern ist stilistisch keine 3 Jahre von der klassischen Trilogie entfernt. Ein weiterer Schwachpunkt, aus meiner Sicht, hier hätte etwas Kontinuität nicht geschadet.
Doch zurück zu unserem tapferen Helden, der die Schlacht verschlafen hat und nun in seinem Quartier erwacht. Relativ nackt, bzw. in sehr seltsame Star-Wars-Unterwäsche gekleidet. Das Schiff erbebt, und ein sichtlich erregter Soldat der Republik mit Namen Trask Ulgo stürmt herein, um dem Spieler mitzuteilen, daß die Schlacht nicht gut läuft und man Bastila in Sicherheit bringen sollte. Per Satzauswahl stellen wir dem guten Trask die offensichtlichste Frage: wen? Bastila, erklärt Trask uns sodenn, sei eine Jedi und unsere Kommandantin. Wir hätten sie gefälligst zu beschützen, egal ob wir nun als Soldat einen Eid geschworen haben oder als Gauner oder Späher eher versehentlich auf dem Schiff gelandet sind. Im gleichen Atemzug stellt Trask unseren Geisteszustand in Frage, weil wir unsere eigene Kommandantin nicht kennen. Kluge Beobachtung.
Nach weiterem Hin und Her dürfen wir unsere ersten Schritte in die Welt von KOTOR wagen. Sie führen uns zu einer Kiste, in der sich unsere Ausrüstung befindet. Viel ist es nicht, was wir zur Verfügung haben, ein paar Kleider, eine Nah- und eine Fernkampfwaffe und, wenn wir unsere Talente und Fertigkeiten nicht völlig in den Sand gesetzt haben, ein oder zwei nette Extras. Was uns zu einem netten Element des Spiels führt: dem Anziehpuppen-Part. Was als Kind Spaß gemacht hat - ob im Puppenhaus oder mit Legomännchen - ist auch hier eine wahre Freude. Im Verlauf des Spiels findet man jede Menge netten Krimskrams, den man seiner Spielerfigur und seinen Parteigenossen anziehen kann, von mächtig glänzenden Rüstungen bis zu lustig blinkenden Stirnbändern. Das Zeug sieht nicht nur fesch aus, sondern macht auch stark, geschickt, überzeugend oder technisch versiert und kann einem schon mal das Leben retten. Auch wenn man sich ab und an wünschen würde, seinen Kameraden in die Augen sehen zu können. ;-)
Ausgerüstet und einsatzbereit wollen wir uns jetzt in den Kampf für die Freiheit (oder Unterjochung) stürzen, dummerweise ist uns eine Tür im Weg. Glücklicherweise steht uns noch immer Trask zur Seite, der uns erklärt, wie das Ding aufzubekommen ist. Nett von ihm, auch wenn die Tutorial-Anweisungen einen etwas aus der Atmosphäre reißen. Nachdem man die ersten beiden Türen hinter sich gelassen hat, trifft man auf seine ersten Gegner: Sith-Soldaten. Mächtig hübsch anzuschauen, aber nicht besonders herausfordern. Mit dem ersten Kampf kommt natürlich auch ein erster Blick auf das KOTOR-Kampfsystem: Eins sei gleich gesagt, die Meinungen darüber gegen stark auseinander. Die einen wünschen sich eine aktivere Beteiligung an den Kämpfen, die anderen gucken gerne zu. Zu letzteren zähle ich mich persönlich, für mich gehören Rollenspiele ins Adventure-Genre, und da will ich denken, puzzlen und staunen, und nicht wild um mich schlagen. Alles natürlich reine Geschmackssache.
Das KOTOR-Kampfsystem beruht auf den klassischen Würfel-Rollenspielen. Man wählt seine Angriffsart aus, der Computer würfelt, vergleicht die Fähigkeiten und Rüstung des Gegners mit dem eigenen Würfelergebnis, und dann trifft man oder eben auch nicht. Das Ganze ist gerade später, wenn man mit Lichtschwert und Machtkräften in den Kampf zieht, sehr hübsch anzuschauen, kann einen aber am Anfang eher in den Wahnsinn treiben, wenn man schlägt und schlägt und niemals trifft, während der jeweilige Widersacher sehr viel erfolgreicher ist.
Nachdem man nun die Sith-Soldaten erledigt hat, bekommt man einen ersten Vorgeschmack auf künftige Jedi-Kämpfe und darf einen Moment lang eine unbekannte Jedi gegen einen unbekannten Anhänger Malaks bei einem Duell bestaunen. Die Jedi siegt, nur um von einem Querschläger getroffen zu werden: da war die Macht nicht mit ihr. Weiter geht es zur Brücke, wo Trask sich kurze Zeit später opfert, damit die Spielerfigur entkommen kann. Der zweite Teil der Flucht von Bastilas Schiff bringt einen in Kontakt mit dem ersten bleibenden Angehörigen der Spieler-Gruppe, Carth Onasi, einem legendären Soldaten der Republik. Außerdem ist Carth ein weinerlicher Psycho, mit dem man sich als weibliche Spielerfigur abgeben kann, wenn man wirklich verzweifelt ist. Carth hilft einem mit Interkom-Anweisungen vom Schiff herunter und führt einen zu einer Rettungskapsel, mit der man sich - ganz klassisch wie 3PO und R2 - absetzt und abstürzt. Es folgt eine Zwischensequenz, in der man einen ersten Blick auf sein Schicksal erhaschen kann, der gerade beim ersten Spielen eher verwirrt, aber ohne jeden Zweifel auch fasziniert.
Und damit geht das Spiel so richtig los: auf Taris trifft man auf Gleiterradbanden, einen Rancor, viele Sith, unerfreuliche Ungeheuer, Ausgestoßene, Verbrecherkönige und einige Verbündete: Canderous, den Ex-Mandalorianer, Mission, die ewig kecke Jugendliche mit Hang zur Kleinkriminalität, Zaalbar, ihren Wookiee-Beschützer mit dunkler Vergangenheit, T3-M4, der R2-D2 von KOTOR und Bastila Shan, die reizende Jedi-Rittern mit Hang zur Arroganz, die in etwa die Rolle von Prinzessin Leia einnimmt und gerade im englischen Original mit ihrem britischen Akzent unter all den Amerikanern schlicht und ergreifend entzückend hervorsticht.
Gemeinsam muß man zunächst einen Prototypen klauen und ein Gleiterradrennen gewinnen, um dadurch Bastila zu befreien und später einen Weg finden, von Taris zu entkommen. Dabei findet man den Rasenden Falken von KOTOR, die Ebon Hawk, ein schnelles, gut bewaffnetes und auch recht schmuckes Schiff, das nach der Flucht von Taris zum Zuhause der Gruppe von Abenteurern wird.
Der erste Stop nach Taris ist Dantooine, ein Planet, der gleich im ersten Kinofilm auftauchte, als Prinzessin Leia ihn fälschlicherweise für den Stützpunkt der Rebellen ausgab. Nach der Stadtwelt Taris habe ich Dantooine als wahre Oase erlebt, ein atemberaubender Ort voller natürlicher Schönheit und Ruhe, ein sehr glaubhaftes Refugium der in die Enge getriebenen Jedi. Auf Dantooine beginnt das eigentliche Abenteuer, hier wird man zum Jedi (bzw. geht seine ersten Schritte zum Meister der Dunklen Seite), und hier erhält man auch seinen großen Auftrag, der die Galaxis vor den Sith bewahren soll: die Suche nach der Sternenschmiede, einer geheimnisvollen Einrichtung, die das Herz der Kriegsmaschinerie der Sith bildet und als Wiege ihrer unbesiegbaren Flotte gilt. Um diese Anlage zu finden, muß man fünf Sternenkarten suchen, die in der ganzen Galaxis verstreut sind und einen zusammengesetzt zur Sternenschmiede führen können. Nach Dantooine führt einen diese Suche zur Wüstenwelt Tatooine, wo man durch ein frühes Anchorhead spazieren kann und es mit Jawas und Sandleuten zu tun bekommt, nach Kashyyyk, zur Heimatwelt der Wookiees, wo es gilt, ein Volk aus der Sklaverei zu führen, auf die Wasserwelt Manaan, wo lange vergessene Geheimnisse in den Tiefen der Ozeane verborgen sind und nach Korriban, zur Grabwelt der Sith, die für den wahren Jedi zur größten Herausforderung und für den gefallenen Jedi zum größten Triumph wird. Und wer dies alles hinter sich hat, dem steht auf einer unbekannten Welt und der Sternenschmiede der Höhepunkt der Reise bevor.
KOTOR ist einer der größten Glücksgriffe der letzten Jahre, ein galaxisumspannendes, mitreißendes Abenteuer, das im besten Sinne in der Tradition des klassischen Kriegs der Sterne steht. Denn bei KOTOR übernimmt man nicht irgendeine Rolle, man ist nicht irgendwer, sondern die Spielerfigur ist der Luke Skywalker ihrer Zeit, der Held, von dem alles abhängt, oder der Schurke, mit dessen Fall jedes Licht verlöschen muß. Die große Enthüllungsszene des Spiels ist nicht weniger bewegend als Vaders Enthüllung, Lukes Vater zu sein, und kein Spiel war bislang näher am wahren Kern der Saga als Knight of the Old Republic.
Natürlich ist nicht alles eitel Sonnenschein, natürlich gibt es grafische und technische Schwächen, natürlich gibt es Aspekte, die noch besser hätten sein können. Aber die gibt es immer, auch beim besten Spiel, und sei es, daß man sich dort wünscht, es hätte länger dauern mögen.
KOTOR ist für mich das Spiel der Krieg-der-Sterne-Spiele, und wäre die große Überraschung des Jahres 2007, die Lucasfilm vollmundig versprach, am Ende etwas wie KOTOR gewesen, ich bin sicher, niemand wäre enttäuscht gewesen. Ob Force Unleashed ähnlicher Ruhm beschieden ist, die Zukunft wird es zeigen.
10 von 10 Punkten.
Rezensent: Aaron Spacerider