27. April 2005
von Richard Corliss
Die ersten drei Krieg der Sterne-Filme waren episch. Die nächsten beiden nicht wirklich. Jetzt hat George Lucas jede Zurückhaltung aufgegeben und den Kreis mit Die Rache der Sith geschlossen.
Gegen Ende von Die Rache der Sith dringt der finstere Darth Sidious auf Yoda ein. Dessen Freunde im Rat der Jedi sind zu diesem Zeitpunkt mehrheitlich schon brutal ermordet worden, der Verrat an der Republik ist vollendet, das böse Imperium streckt seine schwarzen Schwingen aus. "Endlich.", faucht der Lord der Sith, als der Sieg über seinen Todfeind nahe scheint, "gehören die Jedi der Vergangenheit an." Doch Yoda - die auf 60 cm Größe geballte Weisheit und Stärke der Macht - blinzelt nur streng und sagt einen seiner verdrehten, rätselhaften Sätze: "Nicht, wenn etwas dazu zu sagen, ich habe."
Die Saga vom Krieg der Sterne hätte vor 22 Jahren enden können, als Die Rückkehr der Jedi-Ritter die Trilogie von Weltraum-Fantasy-Filmen abschloss, die den Massenunterhaltungsmarkt revolutioniert hatte, anfangen mit der Produktion und Vermarktung von Filmen bis zur Entwicklung von Spielzeug und Videospielen. George Lucas' erschöpfendes achtjähriges Abenteuer - das kein Studio hatte finanzieren wollen - wurde zu einem unwahrscheinlichen Erfolg. Krieg der Sterne (1977), Das Imperium schlägt zurück (1980) und Die Rückkehr der Jedi-Ritter (1983) spielten weltweit 1,3 Milliarden Dollar ein, zu einer Zeit, als das Geld noch etwas wert war. Lucas wurde einer der reichsten Filmemacher, der strahlende Herr seines eigenen Schicksals. Jetzt konnte er all die kleinen Kunstfilme machen, die machen zu wollen er wiederholt bekundet hatte.
Es gab nur ein Problem, einen langen, aufreibend verführerischen losen Faden. In Lucas' Augen war die Odyssee von Krieg der Sterne nur an einem Ende abgeschlossen. Er hatte gezeigt, wie Luke Skywalker eine Gruppe von Rebellen anführte, "um die Sith zu vernichten", wie die Prophezeiung verkündete, "und der Macht das Gleichgewicht zu bringen."
Doch in der Phantasie des Filmemachers gab es eine weitere, komplexere Geschichte: darüber, wie Machtsucht gepaart mit Leidenschaft zur Dunklen Seite führt und wie Lukes Vater Anakin zum tödlichen Darth Vader wurde. Lucas' Phantasie lief über vor Ideen für die Geschichte und ihre Figuren, für exotische Wesen und Welten, die sich aus den Aufzeichnungen in seinen Notizblöcken erheben sollten. Außerdem hatte er durch die Numerierung der bestehenden Filme als Episoden IV, V und VI den Millionen Fandroiden von Krieg der Sterne stillschweigend bereits eine Trilogie über die Vorgeschichte versprochen.
"Ich sagte mir also, 'ich werde die letzten drei machen, denn wenn ich es nicht mache, werde ich es wahrscheinlich bereuen.", sagte Lucas kürzlich in seinem Büro auf der Skywalker-Ranch, der über 26 km² großen Produktionsanlage im kalifornischen Marin County, die ihm seine Erlöse aus Krieg der Sterne einbrachten. "Und dann kamen all die Leute und sagten mir, ich hätte alles falsche gemacht." Doch Lucas' Gabe, oder vielleicht seine Bürde, ist seine künstlerische Sturheit - der Wille, seiner inneren Stimme zu folgen und seinem eigenen Stil treu zu bleiben. Den einmal gesetzten Kurs ändern? Nicht, solange er auch nur ein Wörtchen mitzureden hatte. Und wie die Dinge lagen, hatte er als einziger etwas zu sagen. "Ich habe damals gesagt, 'ich will diese Geschichte auf genau diese Weise erzählen, und dann werden wir es zu einem guten Ende bringen.'"
Am 19. Mai wird die Welt sehen, an welchem Ende er angekommen ist: endlich zurück am Anfang. Der doppelte Handlungsbogen des großen Epos wird abgeschlossen. Anakin (Hayden Christensen), der gutaussehende, willensstarke junge Jedi sieht sich aus Überheblichkeit und ergreifendem Schmerz dazu verführt, sich seinem grauenvollen Schicksal zu überantworten. Unter Darth Sidious reißt das Sith-Imperium die zerbrechliche Republik in Fetzen, nur um diese dann aufzusaugen. Anakins Jedi-Mentor Obi-Wan Kenobi (Ewan McGregor) geht ebenso wie Yoda ins Exil. Der Mantel der Unterdrückung hüllt die Galaxis in Schweigen, zerrissen nur von den Schreien zweier Neugeborener, Lukes und seiner Zwillingsschwester Leia. "Auf diesen Film haben die Menschen gewartet.", sagt Christensen, der in Die Rache der Sith selbstbewusst einen erwachsengewordenen Anakin gibt, unruhig und verzweifelt bis zu Qual. "Der Film erzählt seine Geschichte so geschickt, dass man ihr als Zuschauer nie voraus ist."
Geschickt, in der Tat. Nach zwei Episoden - Die Dunkle Bedrohung (1999) und Angriff der Klonkrieger (2002) -, die sich mit endlosem Politikgewäsch und steifen Dialogen aufhielten, nach einem Aufschrei der Fanbasis über den unglücklichen Jar-Jar-Binks-Zwischenfall, zeigt Lucas sich mit Die Rache der Sith als erstklassiger Schöpfer von Populärkunst. Zurück sind der sichere erzählerische Gang des ersten Krieg der Sterne, die dunkle Faszination von Das Imperium schlägt zurück und die sichere Auflösung dutzender Handlungsstränge, die Die Rückkehr der Jedi-Ritter zu einem so zufriedenstellenden Finale des ersten Unternehmens machten. Es ist schon wahr, dass Lucas wenig Überraschendes in der Hintergrundgeschichte liefern kann, die den Kreis der Saga in der Mitte vollenden soll. Und doch zeichnet sich die Verzahnung seiner alten (neuen) Geschichte mit der neuen (alten) durch eine kunstvolle Eleganz aus. Nach Die Rache der Sith werden wohl viele aus den Kinos stürmen, um sich den Film von 1977 anzusehen, als Erinnerung daran, wie die 13stündige Geschichte weitergeht. Lucas erweist sich als Experte bei der Fortführung seiner Erzählung.
Genau wie all die anderen Filme gibt es auch in Die Rache der Sith unbeholfene Augenblicke und amateurhafte Schauspielleistungen. Doch McGregor erwächst und ergraut auf kluge Weise zu einem Obi-Wan mittleren Alters, und sein schottischer Landsmann Ian McDiarmid macht eine preisverdächtige Wende als Kanzler Palpatine. Die Geschichte über den Zorn und die Genesis eines klassischen Schurken ist dunkler Stoff und der Film der gewalttätigste Teil der Reihe - der erste mit einer PG-13-Bewertung. Anakins Schicksal atmet sogar etwas vom Geist von Shakespeare: vom zerrissenen Hamlet, der dem gierigen Stolz eines Macbeth nachgibt, vom edlen Mörder Brutus, der zu einem gelbäugigen Titus Andronicus verkommt.
Die Rache der Sith beginnt theatralisch mit einem Aufschrei des Eröffnungstextes - "Krieg!" - und einem ungestümen, Muskeln zeigenden Gefecht zwischen einer Vierergruppe von Föderationsdroiden-Angriffraumschiffen und den Jedi-Raumjägern von Anakin und Obi-Wan. "Der Spaß beginnt.", sagt Anakin. Der Junge ist ein Aspilot, ein Han-Solo-Vorgänger, mit dem Ego und den Reflexen, die jeden hervorragenden Krieger auszeichnen und die eine Arroganz hervorbringen werden, die Darth Sidious ausnutzen kann.
Die beiden Jedi finden Palpatine gefesselt in der Höhle des Lords der Sith Graf Dooku (Christopher Lee), eines Verbündeten von General Grievous, des hundegesichtigen, übellaunigen, mechanisierten Droidenanführers. Im folgenden Lichtschwertduell gibt Anakins Zorn ihm Kraft und Entschlossenheit, und statt seinen Feind gefangenzunehmen, exekutiert er ihn. "Das ist nicht der Weg der Jedi.", sagt der Junge im Anschluss mit Bedauern. Doch dieser Vorgeschmack gerechten Zorns wird ihn süchtig machen nach mehr.
Nach weiteren Fluchtanläufen und Abenteuern bringen die beiden Jedi den Kanzler zurück nach Coruscant, in die Hauptstadt der Republik, wo Anakin seine Liebste - und geheime Ehefrau - Senatorin Padmé Amidala (Natalie Portman) wiedersieht. Sie ist schwanger, und sollte das bekannt werden, würde Anakin aus der Jedi-Priesterschaft ausgestoßen. Weit beunruhigender aber ist ein Traum, den er hat: "Du stirbst bei der Geburt.", gesteht er Padmé. "Und das Kind?", fragt sie. "Ich weiß es nicht.", antwortet er.
Anakin vertraut Yoda seine Besorgnis hat, nicht aber deren Ursache. "Angst vor Verlust ist ein Pfad zur Dunklen Seite.", bemerkt der kleine Gelehrte. "Übe Dich darin, alles loszulassen, was zu verlieren Du fürchtest." Übersetzung: geliebte Personen sterben, finde Dich damit ab. Diesen Rat kann Anakin nicht befolgen.
Er braucht einen anderen Ratgeber, also wendet er sich schicksalhafterweise an Palpatine, der die Gelegenheit nutzt, um dem jungen Mann sein Gift einzuträufeln. Für Anakin schmeckt das Gift jedoch süß wie Honig und klingt sehr weise - weil es genau das ist, was er hören möchte. Die Wahrheit ist, dass er den Katechismus der Jedi zwar aufsagen kann, fühlen kann er so aber nicht. Er weiß, dass "die Sith sich auf ihre Leidenschaft stützen und Kraft daraus ziehen. Sie konzentrieren sich auf sich selbst und denken nur an sich." Genau das macht Anakin zu einem natürlichen Sith - und wird ihn zum perfekten Schüler von Palpatine und dem Alterego des Kanzlers Darth Sidious machen.
McDiarmids subtil schmeichlerische Darstellung (22 Jahre nach Die Rückkehr der Jedi-Ritter spielt er sich selbst 20 Jahre jünger) macht Palpatine zu einem Wesen des schönen Scheins und dunkelsten Verrats. Die Traurigkeit seines Lächelns lässt ahnen, dass er einen hohen Preis für seine Weisheit entrichtet hat. Seine beruhigende Stimme lässt seine Argumente verführerisch vernünftig erscheinen: dass die Jedi von Machtlust getrieben würden und von ihrem Kodex eingeschränkt seien. So gelingt ihm, was der Schauspieler "die kaltherzige Verführung und seelische Zerstörung des jungen Anakin" nennt. Palpatine ist niemals überzeugender, als in dem Augenblick, da sein Leben auf Wohl und Wehe dem mächtigen jungen Jedi ausgeliefert ist. Palpatine appelliert an Anakins Bedürfnisse und seine Gier und verwandelt den Jungen so in Darth Vader. Seine eigene "unbegrenzte Macht" ist gesichert.
In der Welt des Films ist unbegrenzte Macht genau das, was Lucas hat. Doch als er sich vor 10 Jahren dazu entschloss, sowohl die Geschichte zu erweitern, als auch die visuellen Effekte zu verbessern, die nötig waren, sie zu erzählen, sah er sich zwei entmutigenden Herausforderungen gegenüber: auf der einen Seite ein Publikum zufriedenzustellen, das die Phantasieprodukte, die den seinen folgten, wählerisch gemacht hatten. Auf der anderen Seite musste er mit den damals neuen Fortschritten in einem Industriefeld gleichziehen oder sie gar übertreffen, das er mit den Krieg der Sterne-Filmen und seiner Effektefirma Industrial Light & Magic, die er aufgebaut hatte, um seine phantastischen galaktischen Visionen zu verwirklichen, erst geschaffen hatte.
ILMs Arbeit mit Steven Spielberg an Jurassic Park (1993) überzeugte Lucas, dass es möglich war, komplexere Welten auf Zelluloid abzubilden. "Jurassic Park bewies, dass man mit einem Rechner Dinge erzeugen konnte, die so realistisch waren, dass man sie übergangslos in einem Film einsetzen konnte.", sagt Lucas. "Im Gegensatz zu vorher, als man etwas filmte und dann mit dem aufgenommenen Bild festsaß, bot sich damit die Möglichkeit, ein Bild endlos zu verändern. Und es ist natürlich unendlich billiger."
In Die Dunkle Bedrohung und Angriff der Klonkrieger, sowie in den digitalen DVD-Aktualisierungen der ersten Trilogie, führte Lucas betörende Landschaften und albtraumhafte Kriechtiere vor - all das, um die Fähigkeiten seiner Techniker unter Beweis zu stellen, das Surreale real erscheinen zu lassen - manchmal auch auf Kosten der Dramatik. Die Rache der Sith mit ihren 90minütigen Animationseffekten (zum Vergleich: 60 bei Die Dunkle Bedrohung, 70 bei Angriff der Klonkrieger) ist auf weniger protzige Art revolutionär als die beiden Vorgängerfilme. Stattdessen vertieft der Film vielmehr frühere Durchbrüche. Der Kampf zwischen Darth Sidious und Yoda auf dem Höhepunkt des Films ist ein machtvolles, visuell überzeugendes Aufeinandertreffen eines menschlichen Schauspielers mit einem digitalen. Sobald ein Publikum die Verflechtung realer und animierter Aufnahmen für selbstverständlich erachtet, kann man die Revolution, der Lucas den Weg bereitete, als erfolgreich vollendet betrachten. Wenn es kommt, wie er es möchte, werden alle Kinos schon bald damit beginnen, ihre Filmprojektoren durch digitale zu ersetzen.
Techniker lieben es für Lucas zu arbeiten, weil es seine Filme waren die ihnen als Kindern die Wunderwelt der Effektarbeit eröffnete; er war ihr Obi-Wan. Er kennt die Technik gut genug, um zu wissen, was möglich ist und vertraut deshalb darauf, dass seine Mitarbeiter versuchen werden, das Unmögliche für ihn Wirklichkeit werden zu lassen, wie zum Beispiel die riesige Eidechse, auf der Obi-Wan reitet, oder die Lava auf Mustafar, wo Anakin gegen Obi-Wan kämpft. Lucas kann all diese Elemente im Schneideraum zusammenmischen, lange nachdem die Dreharbeiten dieser Szenen abgeschlossen sind. "In der Nachbearbeitung", sagt der Verantwortliche für Visuelle Effekte Roger Guyett, "erweckt er den Film in seiner Phantasie zum Leben und benutzt dazu visuelle Effekte."
Ben Burtt, der die Toneffekte jedes Krieg-der-Sterne-Films entwickelt hat, sagt über Lucas: "Er hat sich schon immer wohler gefühlt, wenn er an einem privaten, kreativen Ort arbeiten konnte, anstatt an einem öffentlichen Ort. Im Schneideraum hat man die Zeit, neue Dinge auszuprobieren, und wenn etwas nicht klappt, erfährt niemand davon. So werden kreative Probleme gelöst. Bei den Dreharbeiten stehen eine Menge Leute herum, und es gibt eine Menge Druck, und jeder Augenblick kostet eine Menge Geld."
Es gibt auch Schauspieler, die sich verloren vorkommen, wenn sie vor einer grünen Leinwand stehen und so tun müssen, als blickten sie einem Ungeheuer in die Augen, dessen Aussehen noch nicht einmal feststeht. "Man braucht eine stärkere Vorstellungskraft als bei gewöhnlichen Filmrollen.", sagt Portman. "Man muss sich nicht nicht nur vorstellen, was in einem vorgeht, sondern auch, wie die Umgebung um einen herum aussieht. Oftmals arbeitet man mit Klebeband-Positionsmarkierungen, und eine blaue Wand dient als Universum." Christensen fügt lächelnd hinzu, "ich wünschte, sie würden einem in Schauspielklassen die Arbeit vor der grünen Leinwand beibringen." Schauspielveteran McDiarmid zuckt bei dem Thema nur mit den Achseln. "Filme sind seltsame Wesen mit ihren ganz eigenen wahnsinnigen Regeln.", erklärt er. "Man sitzt immer in der Ecke eines Raums, und der Rest des Raums ist voller Menschen."
In zwei Wochen werden viele Menschen in Filmtheater auf der ganzen Welt strömen, um die jüngste und letzte Episode von Krieg der Sterne in Augenschein zu nehmen. Wahre Gläubige werden über jede Szene mit dem Ernst des Rats der Jedi nachdenken und diskutieren. Wir anderen werden mit einem Seufzer der Erleichterung Lucas danken, dass er die Fähigkeit besaß, einen ernsten und leidenschaftlichen Film zu drehen, einen Film, der die filmische Macht, die er vor langer Zeit, in einer weit, weit entfernt wirkenden Filmindustrie erträumte, wiederlangt hat und gekonnt einsetzt. Weit entfernt, weil er sie unumkehrbar verändert hat.