Entertainment Weekly hatte Gelegenheit, mit George Lucas und Steven Spielberg zu sprechen:
Meine Herren, das hier ist, als hätte man Batman und Superman in einem Raum beisammen.
Spielberg: Aber Moment, wer ist wer? Ich will Superman sein. Mit dem großen S!
Lucas: Wir sollten besser laute Hintergrundgeräusche machen, damit dieses Gespräch nicht aufgezeichnet werden kann.
Wieso hat es so lange gedauert mit dem vierten Teil? 19 Jahre seit Der letzte Kreuzzug, dem letzten Teil der klassischen Trilogie.
Lucas: Als wir erstmals die Idee hatten, einen vierten Film zu machen, sagte ich: "Nein. Mir fällt kein MacGuffin mehr ein."
Also kein Gegenstand mehr, dem alle hinterher sein konnten.
Lucas: Ich sagte einfach, "Ich kann das nicht. Es ist zu schwierig." Wir hatten die letzten Filme da mit vielen Trick und doppeltem Boden gerade noch hinbekommen. Sankara-Steine, ich meine... hallo?
Es gibt eine Menge historischer Daten über die Sankara-Steine!
Lucas: Stimmt, aber in den Vereinigten Staaten kennt die niemand, also trifft das auf taube Ohren. Der MacGuffin ist der Schlüssel. Bevor wir die Sankara-Steine benutzten, hatten wir eine Menge Ideen für andere MacGuffins. Einige waren recht originell und in die Geschichten eingebettet, die ich vorschlug. Gespensterschlösser und dergleichen. Aber dann machte Steven Poltergeist und sagte, "Ich will nicht noch einen Film über ein Gespensterschloß machen."
Beim dritten Film gab es ein Drehbuch von Christopher Columbus, das in Afrika spielte. Indiana Jones und der Affenkönig. Dieses Drehbuch begann mit einem Gespensterschloß.
Lucas: Für den dritten Film schrieben wir eine ganze Reihe von Drehbüchern über andere MacGuffins. Und am Ende sagte ich, in Ordnung, nehmen wir einfach den Heiligen Gral. [imitiert eine andere Stimme] "Aber nein, das ist zu hochgeistig, wir kriegen das nicht hin..." Also machten wir einen magischen Becher mit Heilkräften daraus, anstatt eines intellektuellen Gedankens. Und erst, als wir die Idee hatten, Indys Vater im Film vorzustellen, hatten wir den Film in Sack und Tüten, weil wir damit den Vater ins Zentrum der Geschichte stellten, und nicht den MacGuffin. Aber im Endeffekt sind diese Filme allesamt übernatürliche Schatzsuchen und keine Action-Adventures. Das glaubt zwar jeder, aber eigentlich ist das bloß das Genre, dem wir die Geschichten anheften.
Spielberg: Keiner der Filme war nicht übernatürlich.
Lucas: Der übernatürliche Teil muß echt sein. Und deshalb ist es so schwierig, denn einem gehen sehr schnell die Ideen aus. Man braucht ein übernatürliches Objekt, an das die Leute wirklich glauben. Die Leute glauben, daß es eine Bundeslade gab und hat sie diese Kräfte hat. Das gleiche gilt für die Sankara-Steine und den Heiligen Gral. Vielleicht haben wir die Kräfte teilweise etwas übertrieben, aber im Grunde gibt es Leute, die glauben, daß es einen Heiligen Gral gibt, den die Tempelritter dann zurückbrachten.
Spielberg: Natürlich machte ich mir Sorgen, daß die Leute "Heiliger Gral" hören und sofort an Monty Python denken würden. "Der schwarze Ritter triumphiert immer."
Um zu Indy zu kommen, wieso haben Sie sich entschieden, den neuen Film in den 1950ern spielen zu lassen?
Lucas: Der Gedanke war, das Genre der Samstagnachmittagsserien aus den 30ern und 40ern zu nehmen und dann zu sehen, welche Art von B-Film in den 50ern die Beliebtheit hatte, die diese B-Film-Serien in den 40er hatten. Und das dann als Übergenre zu verwenden. Der Film sollte also nicht im Stil der B-Film-Serien aus den 40ern gemacht sein, sondern im Stil der B-Filme der 50er.
Spielberg: Und wenn man in den 50ern ist, denkt man natürlich sofort an den Kalten Krieg.
Wäre es seltsam gewesen, die überzeichneten Nazis wieder als Gegner zu benutzen wie in Jäger des verlorenen Schatzes und Der letzte Kreuzzug? So im Stil von Geheimakte Viertes Reich, mit flüchtigen Nazis in Südamerika?
Spielberg: Für mich hat sich durch Schindlers Liste viel verändert, vor allem als ich begann, mit Überlebenden des Holocaust zu arbeiten und ihre Erzählungen hörte. Ich schäme mich deshalb nicht für Jäger des verlorenen Schatzes oder Der letzte Kreuzzug. Wir haben die Nazis so ähnlich behandelt wie Charlie Chaplin in Der große Diktator. Der Gedanke war immer, sie nicht zu ernst zu nehmen. Im Augenblick würde ich das so nicht mehr machen. Ich würde sie nicht zu überzeichneten Abziehbildschurken machen.
Lucas: Wenn man einen Film macht, der in den 1930ern spielt, ist es fast nicht möglich, ohne Nazis auszukommen. In den 50ern ist es genauso. Wir müssen die Russen einbauen, weil wir in den 50ern sind. Wir wollten nicht von Anfang an einen Film über Russen machen, sondern wir haben uns umgesehen und uns gefragt: Was passierte damals? Worum ging es? Wer war beteiligt?
Spielberg: Absolut.
Lucas: Und dann hinterfragt man das Thema und holt sich die Fakten, um alles so plausibel wie möglich zu machen. Wir haben keine Zeitmaschinen. Wir haben keine seltsamen Bücher, die es nicht gibt. Wir haben nicht 10.000 vor Christus irgendwelche Pyramiden, weil es keine gab.
Nazis raus, Russen rein. Und damit kam es zu einer russischen Hauptschurkin.
Spielberg: Na ja, wir hatten schon letztes Mal eine weibliche Gegnerin.
Aber Elsa war nicht von Anfang an böse.
Spielberg: Richtig. Irina Spalko ist schon böse, wenn sie zum ersten Mal aus dem Auto steigt.
Lucas: Sie ist ein Über-Schurke.
Spielberg: Und es war mir eine große Ehre, mit der wunderbaren Cate Blanchett zusammenzuarbeiten. Denn Cate ist eine Meisterin des Verkleidens.
Lucas: Sie ist einfach toll.
Spielberg: Man erkennt sie in diesem Film kaum noch. Aber das gilt für viele Filme, die sie gemacht hat. Sie spielt Figuren wie Bob Dylan, die so weit von ihrer wahren Person entfernt sind. Als Bösewicht ist sie umwerfend. Von allen Schurken der Indiana-Jones-Filme, ist sie mein liebster. Und ich glaube, daß das ganz allein Cate zu verdanken ist. Wir haben ihr die Vorlage gegeben, aber sie hat die Figur erst erfunden.
Indiana ist in Königreich des Kristallschädels viel älter, fast 60. Und Harrison Ford wurde während der Dreharbeiten 65.
Lucas: Daß Harrison sein eigenes Alter spielen würde, stand für uns nie in Frage.
Spielberg: Es gibt ein Zitat, das die Sache für mich gut zusammenfaßt, wenn auch nicht aus diesem Film. Es zeigt, wieso ich kein Problem damit hatte, Harrison 18, 19 Jahre älter werden zu lassen. Im ersten Film sagt er, "Das sind nicht die Jahre, Schätzchen, das ist Materialverschleiß". Für mich geht es in diesem Film um das Gegenteil davon. Das ist kein Materialverschleiß, Schätzchen, das sind die Jahre. Wenn ein Typ so alt ist und noch immer so fest zuschlagen kann und noch immer so schnell rennt und so hoch klettert, dann wird er nach jeder dieser Aktionen einfach etwas schwerer atmen als früher. Und ich dachte mir, spielen wir doch einfach damit. Verstecken wir es nicht.
Außerdem hat er einen Partner, den er dumm aussehen lassen kann: Shia LaBeouf, der einen jungen Halbstarken spielt. Wußte er überhaupt, was das ist?
Spielberg: Nein.
Lucas: Ich mußte es ihm beibringen. Shia ging durch die "American Graffiti Halbstarkenschule". Und ich wurde sein Kamm-Berater.
Spielberg (sieht belustigt aus): Das ist wahr.
Lucas: Und Steve rief mich ab und zu an. Wenn ich nicht dort war, rief er mich an und sagte, "wir haben hier diese Lederjacke. Muß die jetzt auf- oder zugeknöpft sein?"
Spielberg: Ich erinnere mich an diese Zeit. Und an Ed "Kooky" Byrnes [aus der Fernsehserie 77 Sunset Strip] mit seinem Kamm...
Reden wir über eine andere Art von Nostalgie. Techniknostalgie. Als Sie den ersten Indy-Film machten, gab es so gut wie keine Computereffekte. Digitale Bilder gab es überhaupt noch nicht.
Lucas: Nichts davon gab es.
Sind Sie bei Königreich des Kristallschädels in Versuchung geraten, sich das Leben mit etwas CGI leichter zu machen?
Spielberg: Der Unterschied ist folgender. Die Hintergrund-Mattebilder, die wir, sagen wir, in Jäger des Verlorenen Schatzes hatten, als die Nazis von den Klippen stürzten? Oder das Pan-Am-Wasserflugzeug vor der offensichtlich gemalten Hafenkulisse? Heute sehen digitale Mattebilder einfach aus wie echt. Wir haben in diesem Film genausoviele Mattebilder wie in den anderen Teilen. Der Unterschied ist nur der, daß man nicht sieht, daß es gemalt ist. Eine Weile habe ich mir sogar überlegt, sie bewußt schlechter aussehen zu lassen, damit sie aussehen wie in den anderen Filmen.
Also erkennbar, wie in älteren Filmen, als Hommage an eine alte Kunst?
Spielberg: Ich habe es dann doch nicht gemacht.
Königreich des Kristallschädels startet Ende Mai auf der ganzen Welt auf einmal. Nicht mehr so wie in den 1980ern, Land nach Land, Gebiet nach Gebiet.
Lucas: Nun, inzwischen machen wir das meiste Geld in Übersee. Eine ganze Zeit lang war es etwa 50:50, Rest der Welt, Vereinigte Staaten. Dann 60:40, und jetzt sind wir schon wieder weiter. Jedes Jahr verschiebt sich das Gewicht ein bißchen. Die Vereinigten Staaten verlieren als Markt an Bedeutung.
Sie beide sind ins Filmgeschäft eingestiegen, als europäische Regisseure die erfindungsreichsten und künstlerisch anerkanntesten auf der Welt waren. Vermissen Sie diese Atmosphäre?
Lucas: Als Krieg der Sterne herauskam, kamen alle unabhängigen Kunstfilme aus Europa. Unabhängige amerikanische Filme gab es kaum. Jetzt werden 30, 40 Prozent aller amerikanischen Filme unabhängig gemacht. Und die europäischen Filme sehen aus wie amerikanische. Man sieht kaum noch einen Unterschied. Das ist die Globalisierung des Unterhaltungsmarkts, und das ist gut, weil man immer noch Kunstfilme und Massenfilme hat.
Spielberg: Außerdem werden Filme im Internet gemacht und veröffentlicht, kleine Filme, 5, 6 Minuten lang. Sie kommen aus der ganzen Welt, und es ist spannend, sie sich anzusehen und zu sehen, wie die Welt zusammengeschrumpft ist. Jetzt paßt sie auf ein einziges Stückchen Film. Immer mehr Leute haben Kameras, und immer mehr Leute haben die Möglichkeit, sich durch dieses Massenmedium künstlerisch auszudrücken. Das macht die Sache aufregend. Was mich dazu bringt, mir so viele Kurzfilme wie möglich anzusehen, weil alle einen unterschiedlichen Hintergrund haben, und eine enorme Ausdrucksfreiheit dahintersteckt. Geld ist keine unüberwindliche Hürde mehr. Man kann praktisch für nichts einen Film drehen und den auf YouTube für alle Welt veröffentlichen.
Lucas: Filme sind inzwischen wie Literatur. Jeder, der einen Film machen will oder das Talent dazu besitzt, kann es tun. Es gibt praktisch keine Einschränkungen mehr, nicht beim Drehen und auch nicht beim Veröffentlichen. Das ist die Rolle des Internets. Man findet Zuschauer und kann die entscheiden lassen, ob ihnen etwas gefällt oder nicht. Früher hing das von den Entscheidungen einer kleinen Clique von Leuten ab, jetzt ist es sehr viel demokratischer. Die Leute entscheiden, was sie sehen wollen.
Natürlich hat das Internet auch Nachteile. Wenn ein mit Spannung erwarteter Film ansteht, stürzen sich alle schon vor der Premiere darauf wie Aasgeier. Im Internet wird viel über die Entwicklung von Königreich des Kristallschädels geschrieben, darunter auch viele Vorabinformationen in Foren. Wird es schwieriger, den Entwicklungsprozeß abzusichern?
Spielberg: Man muß klar sagen, das Internet enthält noch immer weit mehr Spekulationen als Fakten. Das Internet interessiert sich nicht für Fakten, sondern für die Illusionen von Leuten, die sich auf winzige Informationsbröckchen stürzen und auf dieser Basis zu spekulieren beginnen. Und das ist in Ordnung.
Lucas: Tja, Steven wird sagen, "oh, alles steht im Internet. Was dies ist, was das ist." Und dazu kann ich nur sagen, "Steven, es macht keinen Unterschied". Der weiße Hai war ein Roman bevor er ein Film war, und jeder konnte lesen, wie die Geschichte endet. Es war ganz egal.
Spielberg: Aber es gibt eine Menge Leute, die nicht wissen wollen, was passiert. Sie wollen das erst am 22. Mai erfahren. Sie wollen es in einem dunklen Kinosaal erfahren. Sie wollen es nicht erfahren, wenn sie einen Blog lesen. Ein Film ist eine Erfahrung. Ein Film ist ein Reinigungsritual, ein persönliches, menschliches Reinigungsritual in einer heiligen Gemeinschaft mit einem Erlebnis auf der Leinwand. Deshalb mische ich in dieser Zauberkunst mit, deshalb werde ich immer dabei mitmischen.
Glauben Sie, daß das Kino momentan entweiht wird?
Lucas: Nein, das ist wie beim Sport...
Spielberg: Ja. Ich glaube, es wird entweiht, durch zu viele Informationen und besonders durch zu viele Fehlinformationen.
Lucas: Aber das ist wie beim Sport. Das ist nichts Neues. Wenn im März die College-Basketballtourniere anstehen, gibt es Tausende von Blogs. Spekulationen ohne Ende. Wenn man genug davon liest, wird man wahnsinnig. Bei Königreich des Kristallschädels weiß man nichts, bis man ins Kino geht. Völlig egal, ob man die ganze Geschichte kennt, völlig egal, ob man Ausschnitte gesehen hat. Egal wieviel man gelesen oder gehört hat, die Erfahrung ist eine andere, sobald man ins Kino geht.
Spielberg: Nun, ich sehe das anders. Ich bin schon bei Szenen im Teaser oder Trailer sehr geizig. Denn meine Erfahrung - und die meiner Kinder, weil sie im Kino gerne laut miteinander reden, wie so ziemlich jeder heutzutage - ist eine andere. Wenn eine Szene, die sie im Trailer gesehen haben, nach 3/4 des Films noch nicht zu sehen war, fangen sie an miteinander zu reden. "Oh, ich weiß, was jetzt passiert. Denn es gab da eine Szene, die sie noch nicht gezeigt haben, und die kommt jetzt." Und das ruiniert einfach alles.
Wie steht es mit bewußten Fehlinformationen, wie es die Produzenten der Sopranos gemacht haben?
Spielberg: Das habe ich mal gemacht, aber jetzt nicht mehr. Es ist zu umständlich.
Lucas: Wir haben vor der Blog-Gemeinde immerhin gemeimgehalten, daß Will Ferrell der Hauptbösewicht in Königreich des Kristallschädels sein wird.
Spielberg: Richtig. Aber letzte Woche kam dann doch raus, daß es in Wahrheit Steve Carell ist.
Lucas: Nur haben die Leute noch nicht erkannt, daß die als Team auftreten.
Spielberg (lacht): Und übrigens, wenn ihr das hier veröffentlicht. Einige Leute werden es wirklich glauben!
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