John Williams dirigiert in diesen Tagen das Columbus Symphony Orchestra dirigiert. Am Abend eines Konzerts stand einer der wohl berühmtesten Komponisten u.a. von Filmmusik dem The Other Paper, einer lokalen Zeitung, für ein Interview zur Verfügung, das für seine Fans sehr lesenswert ist. Daher bringen wir es Euch an dieser Stelle übersetzt. Es ist meiner Meinung nach einer der schönsten Interviews mit Williams, in dem er zurückblickt, aber seinen Blick auch nach vorn richtet.
Die beiden interessantesten Fakten über John Williams:
- Er geht nie ins Kino.
- Er hört nur selten klassische Musik.
Das sind nicht - wie man annehmen mag - die Gewohnheiten eines erfolgreichen Komponisten für Filmmusik. Und doch ist John Williams unzweifelhaft der erfolgreichste Komponist von Filmmusik aller Zeiten. Aus seiner Feder entstammen die sofort summbaren Soundtracks von Star Wars, Der weiße Hai, Superman und die Indiana Jones Trilogie neben vielen weiteren Blockbustern.
(...)
Als ich zum ersten Mal Star Wars im Kino sah, hat mich die Musik in der Titelsequenz im wörtlichen Sinne aus dem Sitz aufspringen lassen. Ich kenne keinen anderen Film, wo das erste, was das Publikum hört, dieser krachende, aggressive Klang ist. Das scheint sehr innovativ zu sein. War das George Lucas Idee?
Es war eine sehr freche Eröffnung. Ich denke, wir beide stimmten darin überein, dass wir eine art Ohr-spaltende Eröffnung benötigten, um dieser Einstellung gerecht zu werden. Typischerweise kommt der Titel des Films sehr viel später - es gibt da Studio Logos und die Namen der Autoren und Darsteller usw. - all das kommt vor dem Titel. Hier war es anders herum, was eine strukturelle Möglichkeit geschaffen hat, die ziemlich einzigartig war. Ich bin da Ihrer Meinung, ich kenne niemanden, der es so gemacht hat.
Es war so einzigartig, dass George Lucas von der Director's Guild (dt. Regisseursverband) mit einer Strafe belegt worden ist.
Wirklich?
Ja, sie mochten nicht, dass er die Credits (dt.: Vorspann, gemeint ist aber hier die Auflistung der Beteiligten) einfach nur wegen eines coolen Effekts in die Wüste geschickt hat.
Das wusste ich nicht.
Wenn Sie Star Wars oder Indiana Jones machen, können Sie so agressiv sein - sie können das Publikum am Schlawittchen packen. Aber bei einem ernsten Film wie JFK oder besonders auch Schindlers Liste wäre das unangemessen. Also, wie schreiben Sie in diesen Fällen einen Soundtrack, der die Leute emotional sehr berührt, ohne jedoch sie zu manipulieren? Ist das schwierig?
Jede Komposition ist sehr harte Arbeit. Sie ist das Ergebnis nachhaltiger Leistungen und der Bereitschaft für viel Frustration und Beinahe-Fehlschlägen. Aber nein, ich meine nicht, dass irgendwas davon für mich natürlicher ist als irgendeine andere Herangehensweise. Ich glaube, dass das, was (jeweils) im Moment bei mir auf dem Schreibtisch ist, mein schierigstes Problem ist.
Wie hat Ihre Partnerschaft mit Steven Spielberg angefangen?
Ich arbeitete seit ungefähr sechs oder sieben Jahren in den Universal Studios in der Fernsehabteilung. Ein Verantwortlicher rief mich an und sagte: "Ich würde gern, dass Sie sich mit diesem Kid zum Mittagessen treffen. Wir glauben, dass er sehr talentiert ist. Er hat einen Film mit Goldie Hawn gemacht, der The Sugarland Espress heißt und wir denken, dass der brillant ist - vor allem brillant geschnitten. Würden Sie sich gern mit ihm treffen?"
Also traf ich ihn. Er war damals wirklich ein Youngster, gerade mal 23 Jahre alt. Aber er lud mich ein, diesen Film zu machen, was ich dann tat und nun arbeiten wir seit mittlerweile 35 Jahren zusammen.
Hat er nach The Sugarland Express gesagt, dass er Sie als Komponisten für den Rest seines Lebens haben wollte? Als Sie diese Vereinbarung trafen, war das für Sie beide klar?
Nein, das ist es noch immer nicht. (lacht)
Ist es nicht?
Nun, er ist sicherlich frei darin, zu tun, was auch immer er mag. Er wird mich sicherlich auslasten - er ist ein viel jüngerer Typ. Also wird er irgendwann was Anderes tun müssen. Aber wir hatten eine außergewöhnliche Zusammenarbeit. Ich weiß über nichts in der Geschichte des Films, das dem auch nur annähernd nahe kommt.
Wie ist es von der Warte des Künstlers aus, mit ihm zusammen zu arbeiten?
Die erste Diskussion, die wir gewöhnlich führen ist, wo die Musik während des Films spielen wird und dann diskutieren wir das Tempo. Besonders mit Steven - er ist sich sehr über das Schnitttempo und das Zusammenspiel zwischen dem und dem musikalischen Rhythmus bewusst - bei weitem mehr als viele Regisseure, die nicht annähernd so die Auswirkung von Musik auf den Schnittrahmen der Ereignisse verstehen. Wenn Dein Timing passt, dann bist Du auf der Emotionsskala schon zur Hälfte oben.
Ich arbeite mit Steve enger zusammen als mit den meisten Regisseuren, auch weil unsere Büros sich quasi nebeneinander befinden. Und er liebt es umherzugehen und mit zuzuhören, während ich Klavier spiele, egal ob ich für ihn einen Film mache oder für wen anders.
Was erreicht eine große Filmmusik?
Offensichtlich ist sie etwas, die das Filmerlebnis des Kinogängers reicher macht.
Was ist das Problem nicht erfolgreicher Filmmusiken?
Nun, das ist schwer zu sagen. Die Wahrheit ist, dass ich sie nicht höre - und ich bin kein Kinogänger.
Sind Sie nicht?
Nein, kein Stück. Ich bin nicht besonders stolz darauf, kein Kinogänger zu sein. Ich habe diese Gewohnheit einfach nie entwickelt.
Nun, wie bringen Sie das in Einklang mit Ihren Erfolg als Filmkomponist?
Ich denke nicht, dass ich das kann. Vielleicht muss man das so etwas wie der Intuition ankreiden, für die ich keine Verantwortung übernehmen kann.
Lassen Sie sich von den großen Komponisten inspirieren, wenn Sie Filmmusik schreiben?
Nein, nein. Ich höre selten Musik, weil ich die ganze Zeit Musik schreibe. Auch Konzertbesuche sind sehr schwierig, weil es mir schwerfällt, meine Gedanken von den musikalischen Problemen des Tages weg zu bekommen. Und, um das Risiko einzugehen, ein wenig scharfzüngig zu klingen: falls die Musik schlechter als meine ist, hilft das nicht. Und wenn sie viel besser als meine ist, hilft es auch nicht. (lacht) Glauben Sie mir, wenn sie viel besser ist, ist das nicht beruhigend.
Woran arbeiten Sie gerade?
Nun, ich habe gerade den Stift niedergelegt für ein Viola Concerto. Und ich werde für die New York Philharmonic hier (Anm. d. Red.: das Interview hat er von New York aus gegeben) eine Woche da sein und dann komme ich für einen Tag nach Columbus und ich freue mich darauf, das Orchester zu treffen. Ich denke, sie werden großartig sein. Und dann geht es nach Hause nach Kalifornien am 1. Oktober, wo die Arbeit am nächsten Indiana Jones beginnt.
Beabsichtigen Sie, Musik aus den früheren Filmen mit einzubinden oder schreiben Sie irgendwelche neue Melodien?
Ich werde in zwei Wochen in der Lage sein, Ihnen das sagen zu können.
Ad multos annos... Mehr weiß ich dazu nicht zu sagen. Außer eines: was würde ich gern mit Steven Spielberg tauschen, um John Williams beim Komponieren zuhören zu können...
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