Empire Online hatte Gelegenheit, ein Interview mit Rick McCallum, dem Produzenten der Special-Editions und der Prequels zu führen:
F.: Du hast gesagt, an DVDs gefällt Dir besonders, daß Du dort zeigen kannst, wie Szenen entstehen und entwickelt wurden. Einige Regisseure sagen, daß sie DVDs aus genau diesem Grund nicht mögen würden, weil es die Magie zerstört.
Das ist doch totaler Schwachsinn. Die haben so wenig Respekt vor normalen Menschen. Ich komme aus einer Kleinstadt in Missouri, und der Traum, dort herauszukommen, war mein größter Antrieb. Aber dieses Geschäft wirkt nach Außen unzugänglich, und es beeinflußt so viele Menschen. Wieso sollen wir uns da auf das bloße Endprodukt beschränken, wenn wir die Möglichkeiten haben, Transparenz in unsere Arbeit zu bringen und sie den Menschen vorzustellen? Es gibt Leute, die wollen einfach nur auf "Start" drücken und mehr nicht, aber für alle, die mehr wissen wollen und den Entwicklungsprozeß verstehen und studieren wollen, gibt es die Option.
F.: Wieso schneidest Du dann nicht alles in den Film, was Du dort haben willst? Wieso die geschnittenen Szenen und die Director's Cuts?
Das ist eine komplizierte Sache... Amerikanische Zuschauer sitzen nicht gerne 3 Stunden oder noch länger in einem Film; das ist einfach undenkbar. Georges Problem war, daß er der festen Überzeugung war, daß diese Szenen herausgebracht werden müssen. Er hat den Film so veröffentlicht, wie er ihn haben wollte, und nach 3 oder 4 Monaten dachte er, 'verdammt, da ist noch was' oder 'Ich will dieses Zeug, an dessen Bedeutung ich zuerst nicht geglaubt habe, wieder einbauen'. Ich hätte mir nur gewünscht, daß Yoda [und seine Ankunft auf Dagobah] wieder drinwären. Da bin ich mit George komplett gegensätzlicher Meinung. Ich denke, daß man den Weg all dieser Figuren verfolgen sollte und nicht nur den der beiden Kindern. Aber deshalb hat beim Film der Regisseur das Sagen. Im Fernsehgeschäft liegt die Hauptverantwortung beim Produzenten. Wäre das eine Fernsehserie gewesen, hätten wir Yodas Landung gesehen!
F.: Und deshalb macht ihr jetzt eine Fernsehserie?
Genau! (lacht)
F.: George Lucas hat die Art und Weise, wie Filme gemacht werden, verändert. Kann er das gleiche auf dem Fernsehmarkt erreichen?
Wir haben uns vorgenommen, den Prozeß der Fernsehproduktion neu zu strukturieren. Bauen wir doch einfach unser eigenes Studio auf, mit den gleichen Leuten wie bisher. Die verlieren ihre Arbeit nicht, sie verdienen gut, es gibt keine Stars, die Schauspieler bekommen die gleiche Behandlung wie die anderen Mitarbeiter und umgekehrt. Wir versuchen ein neues System der Fernsehserienproduktion aufzubauen, mit der Wirkung und der Atmosphäre eines Kinofilms. Episode III hat uns 100 Millionen Dollar gekostet. Das ist inzwischen fast wenig. Harry Potter kostet 280 Millionen, Batman 200 Millionen, Superman 250 Millionen. Das Filmgeschäft ist völlig außer Kontrolle.
Wir wollen jetzt unsere Erfahrungen im Filmgeschäft und mit der digitalen Technik nehmen und sie im Fernsehgeschäft einsetzen, um einen Standard zu entwickeln, wie man in 4 oder 5 Jahren einen Kinofilm für 5 oder 10 Millionen machen kann, anstatt für die 80, 90, 100 Millionen, die er jetzt verschlingt.
F.: Viele Leute sind der Meinung, daß der Einbruch der amerikanischen Einspielergebnisse den Anfang vom Ende des Kinos, wie wir es zur Zeit erleben, bedeuten könnte.
Ich denke, es gibt zur Zeit eine umfassende Veränderung der Sehgewohnheiten der Zuschauer, und diese Veränderung wird sich noch verstärken. Es ist einfach alles zu teuer. Vor fünf Jahren hätte ein normales Kind noch genügend Geld für eine Kinokarte zusammenklauen können, während seine Eltern unter der Dusche standen, aber inzwischen kosten fünf Kinokarten 50 Dollar, und das kann sich einfach keiner mehr leisten. Außerdem dauert es jetzt ab dem Kinostart sowieso nur noch 12 Wochen und man kann den Film kaufen, also hat man das zusätzliche Problem, daß gerade die jüngeren Zuschauer die Bildqualität zuhause der im Kino vorziehen. Die Kinoausrüstung ist so antiquiert, das ist nicht mehr feierlich. Angesichts der eigentlich zur Verfügung stehenden Technik, sollten die Filme im Kino einfach ganz anders präsentiert werden.
F.: Als der Film im Mai veröffentlicht wurde, sprach George viel über Piraterie und sagte, daß riesige Kassenschlager wie Krieg der Sterne in Zukunft einfach nicht mehr gemacht werden könnten.
Richtig. Ich gebe euch ein Beispiel: unser Film kostet 113 Millionen Dollar. Dafür haben wir eine Finanzierung stehen. An der ändert sich auch nichts, weil George sich nicht auf seinen Kamerakran in die Wüste setzt und auf den perfekten Sonnenaufgang wartet. Die meisten Regisseure machen das. Und das geht ins Geld, 150.000, 200.000 Dollar pro Tag. Wir müssen unseren Film in 53 Tagen abdrehen, oder uns geht das Geld aus. Mehr kriegen wir auf der Einnahmeseite an den Kinokassen nicht mehr zurück, und weil wir nur einen Film in drei Jahren machen und ein riesiges Unternehmen durchfüttern müssen, brauchen wir das Geld, oder wir sind tot, erledigt, am Ende.
Also, unser Film kostet 113 Millionen. Dann kommen 40 Millionen für die Kopien drauf, weil wir mit 20000 Kopien an den Start gehen, die an die Kinos geliefert werden müssen, dann zurück ins Labor, dann auf den Müll, weil das Sondermüll ist, und dann kommen noch 100 Millionen Werbekosten drauf, weltweit gerechnet. Und schon ist der kleine 100-Millionen-Dollar-Film ein 300-Millionen-Dollar-Film. Und was ihr da draußen über die Einnahmen hört, ist auch so eine Sache. Auf dem Papier machen wir fast eine Milliarde, davon kriegen wir aber nur die Hälfte. Wenn die Sache an den Kassen also nicht stimmt, bleibt kein Profit übrig, der ins Unternehmen gesteckt werden könnte, in die Effektentwickler, die Tonabteilung, die Spieleschmiede... dann sind wir im Eimer.
Wenn unser Film 125 Millionen kosten würde, würden wir unterm Strich nicht einmal bei +-0 rauskommen.
F.: Das heißt, es dreht sich jetzt alles um die DVD?
Ja, die DVDs halten das Kinogeschäft am Leben. 95, 96, 97 Prozent aller Filme schaffen es nicht, auch nur die Ausgaben wieder reinzubekommen. Die einzige Chance, die diese Filme haben, ist der DVD-Markt. In unserem Fall ist das die Sahne auf dem Kuchen, aber dafür müssen wir eine Menge Opfer bringen. Es ist unser Geld. Das Studio hat uns nichts gegeben.
F.: Wie wäre es mit einem iTunes-Äquivalent für Kinofilme?
Ja, keine Frage, in die Richtung wird es gehen. Filme auf Bestellung, das ist die Zukunft. Jemand will einen Film sehen, aber dafür geht er nicht ins Kino, sondern sitzt gemütlich zuhause. Man sieht gut, man hört alles mit seinem schönen Surroundsystem, man lädt Freunde ein, hat einen schönen Abend. Die illegal heruntergeladenen Versionen - die, die ich am Starttag gesehen habe - haben eine bessere Bildqualität, als 99,9 Prozent der Kinos auf der Welt. Das ist eine Tragödie, aber die Wirklichkeit.
F.: Wie sieht die Lösung für dieses Dilemma aus?
Digitale Projekt in den Kinos, DVD-Veröffentlichungen für zuhause, Filme auf Bestellung für die, die sich eine DVD nicht leisten können, das ist die Lösung. Ich glaube, es gibt eine Erfolgsobergrenze am amerikanischen Kinomarkt, und die haben wir erreicht. Das sind 380 Millionen Dollar. Neuveröffentlichungen laufen nicht mehr. Hätten wir Episode III vor zehn Jahren gemacht, hätte der Film 600 bis 700 Millionen gebracht, aber die Kinder von heute sehen ihn sich nicht mehr fünf- oder sechsmal an, deshalb kriegen wir nur noch 380 Millionen. Natürlich sehen auch die Kinder heute den Film noch fünf-, sechsmal, aber zuhause.
F.: Die zweite große Veränderung, die die DVDs gebracht haben, ist, daß man den Film lange nach dem Kinostart noch verändern kann.
Und das ist verdammt beruhigend, wenn ich nur an meine Anstellung denke! (lacht)
Nein, klar, das ist eine interessante Sache. Die Chance, an einem Film zu arbeiten, der tatsächlich vom Publikum angenommen wird, ist verdammt gering, die Chancen stehen einfach gegen einen. An zwei Filmen zu arbeiten, die angenommen werden, ist praktisch unmöglich geworden, und drei Filme kriegt man einfach nicht, das ist völlig ausgeschlossen.
Ich habe 10 Filme mit Dennis Potter gemacht, und keiner wollte auch nur einen davon sehen. Wenn man also das Glück hat, sowas wie das hier zu haben und an so einem Projekt zu arbeiten, dann gibt man das nicht gerne auf, wenn man fertig ist. Das ist einer dieser leuchtenden, goldenen Augenblicke im Leben. Man nimmt die nicht wirklich ernst, aber wenn man dann einen 13-, 14jährigen vor sich sieht, der sich die Dokumentationen ansieht und den Produktionsprozeß wirklich versteht, dann ist das eine ganz große Sache, und das passiert nicht sehr oft.
F.: Glaubst Du, daß George uns noch mehr Krieg der Sterne bringen wird?
Diese Sache mit den 9 Filmen basiert auf einem falschen Zitat. Er hat alle 6 Episoden geschrieben, aber nicht in Form fertiger Drehbücher. Er hat sich den Teil gesucht, der am einfachsten zu finanzieren war, und den verfilmt. Das war Episode IV. Er hätte sich nie erträumt, eine Fortsetzung drehen zu können, ganz zu schweigen von einer Vor-Fortsetzung. Das war noch niemals gemacht worden, es war einfach nur ein großer Traum für ihn. Man hat ihn als Visionär beschrieben, weil er die Merchandise- und Vermarktungsrechte wollte, aber in Wahrheit wollte er nur die T-Shirt-Rechte. Er wollte den Leuten T-Shirts geben, um anderen zu zeigen, daß es da diesen Film gibt.
F.: Wie kam es dann zum Spielzeug und dem anderen Kram?
Wenn man in diesen Tagen zu einem Konzert ging, gab es nur eine Form von Merchandise: T-Shirts. Mehr wollte er mit den Rechten gar nicht machen, das war das einzige Zeug, das man verkaufen konnte, T-Shirts und Baseballkappen. Er wollte 5000 Shirts machen und sie an Schüler verkaufen und sagen, 'ist das nicht ein tolles Shirt?', und die sollten sagen, 'oh, Krieg der Sterne', und er hoffte, daß er die Leute so ins Kino kriegen würde. Das Spielzeug gab's erst zwei Jahre später, weil keiner auch nur eine Ahnung hatte, daß man Spielzeug lizenzieren konnte. Das hatte es noch nie gegeben. Aber weil es so viele geniale Figuren und Fahrzeuge und alles gab, kam Mattel an und sagte, 'hey, wir könnten da eine nette Actionfigur machen'.
Er hatte so wenig Vertrauen in seinen Film, daß er am Starttag verschwand. Er nahm seine Frau, und sie fuhren in eine kleine Hütte, kein Strom, kein fließendes Wasser, kein Telefon, nichts. Er wußte, der Film war gefloppt, und seine Karriere war gelaufen. Niemand bei Fox hatte an den Film geglaubt, keiner seiner Freunde mochte ihn. Steven Spielberg mußte rausfahren, und es ihm sagen, weil es nach der ersten Woche Warteschlangen um Häuserblocks gab, und keiner wußte, wo er war. Er hatte Steven gesagt, wohin er gehen wollte, aber auch nicht so genau, also flog Steven hin, mietete ein Auto und fragte alle, 'wo ist der kleine Typ mit dem Bart?'. Irgendwer sagte es ihm dann und er fuhr hin, und George dachte, Steven wolle ihn nur aufziehen und sagte nur, 'ja, schon klar' und dann 'aber ich habe da eine Idee, und ich will, daß Du sie umsetzt, weil ich es nie hinkriegen werde. Es geht um diesen Archäologen', und so fing es an mit Indiana Jones.
Aber daß sein Film so ein Erfolg war, das wußte er zwei Wochen lang nicht. Ich denke nicht, daß es ihn heute noch wundert, weil es ein Fluch und ein Segen in einem geworden ist, 30 Jahre seines Lebens, aber damals war er völlig aus den Socken.
F.: Das mit dem Spielzeug ist interessant, weil damit erst alles in Schwung kam...
Ja, weil es noch nie zuvor die Möglichkeit für einen 8-, 9jährigen Jungen gegeben hatte, seinen Schrank aufzumachen, seine Klamotten auszuziehen und Vader oder Luke zu werden, und 90 Prozent wollten Vader sein. Dann konnten sie die Rollen nachspielen, und das hatte es noch nie für einen Film gegeben. Man macht einen Film 2 Jahre, bevor er rauskommt. Man weiß nie, wie sich der Zeitgeist entwickeln wird. Man weiß also nie, woran man gerade ist. Es ist kein besonders guter Film, aber einer, der das kollektive Unterbewußtsein der ganzen Welt anspricht.
F.: Warum läuft es zwischen Dir und George so gut? Wirst Du weiter mit ihm arbeiten?
Ich wünschte, ich könnte sagen, daß ich eine einzigartige Persönlichkeit bin und er ohne mich nicht leben kann, aber die Wahrheit ist, daß der Film die Sache des Regisseurs ist, und alles, was ein Regisseur wissen will, ist, daß Du alles gibst, alle Fähigkeiten und Ideen einspannst, Deine und die aller anderen, um genau das zu schaffen, was er haben will. Solange man das leisten kann, läuft die Beziehung gut. Das sieht man, wenn man ins Kino geht und sich die schlechten Filme ansieht. Da setzt sich doch niemand hin und sagt, 'okay, machen wir einen richtig miesen Film'. Jeder glaubt, daß er den besten Film aller Zeiten macht, und dann läuft irgendwas schief. Der Prozeß, das Ego, die Dynamik, das sind alles wichtige Sachen, aber im Endeffekt braucht man eine Person. In meinem Fall habe ich das Glück gehabt, mit einem Autor und Regisseur zusammenzuarbeiten, der weiß, was er will, und es ist meine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß er es auf die preisgünstigste Weise bekommt. Wenn man das leisten kann, läuft die Beziehung rund, wenn nicht, gibt's einen Termin beim Scheidungsrichter.
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