Es ist mal wieder so weit, meine lieben Freunde, Aaron Spacerider greift zu Papier und Tinte und sinnt über die Sinnlosigkeit nach.
In den letzten Tagen hatte ich das große Vergnügen, mich mit dem Leben und Streben eines großen Politikers auseinanderzusetzen, der von seinen Zeitgenossen verlacht und von der Nachwelt über Jahrtausende verachtet wurde.
In der gleichen Zeit ereignete sich um mich herum ein Drama, das mich sehr an „...denn sie wissen nicht, was sie tun“ erinnerte. Es war alles da: Liebe, Glück, ein wahres Happy End. Dummerweise fuhr der Held nicht mit seiner Liebsten in den Sonnenuntergang, so daß am Ende nichts als Scherben blieben.
Im unterbewußten Zusammenhang mit diesem Ereignis, ergab sich vor einigen Wochen im allseits beliebten Forum unserer kleinen Fangemeinde eine Diskussion über die alte Frage, was die Prophezeiung des Auserwählten wohl bedeutet haben mag und womit sie in Erfüllung ging. Meine – noch immer ohne Alternativlösung im Raum stehende – Theorie besagte hierbei, daß nicht die Vernichtung des Bösen, des Kaisers also, sondern vielmehr die Verschmelzung von Aggression und Liebe, also von gut und böse, die Weissagung erfüllte.
Am Ende des Kriegs der Sterne steht damit meiner Theorie nach nicht, wie seit 1983 allgemein angenommen der Sieg des Guten, sondern der Sieg des Neutralen, des Lebens mit seinen guten wie bösen Seiten.Soviel zur leicht verwirrenden Vorrede. Doch lassen wir es noch verwirrender werden.
Ich habe in den letzten Monaten meine Vorliebe für Happy Ends verloren. Das war kein bewußter Akt, sondern ein stetig ablaufender Prozeß, an dessen Ende nun meine Überzeugung steht, daß Happy Ends nichts sind, als eine lächerliche Beschönigung eigentlich trauriger Tatsachen. Am Ende fast eines jeden James Bond Films ist der Bösewicht tot, und das Mädchen liegt in den Armen des Helden. Doch schon während der Abspann läuft ist jedem klar, daß ein neuer Bösewicht kommen wird, daß die Welt nur geringfügig besser geworden ist und daß das Mädchen nach spätestens einer Woche morgens alleine aufwachen wird.
Am Ende der meisten Robin Hood Filme gibt es eine fröhliche Hochzeit, und alles erscheint in den schönsten Farben. Und doch ist auch hier völlig klar, daß nur ein Tyrann Platz für einen anderen gemacht hat. Das gleiche geschieht in zahllosen Mantel- und Degenfilmen: ein scheinbar guter König triumphiert. Doch ein jeder, der mit auch nur einem Quentchen Realitätssinn ausgestattet ist, weiß schon in diesem Augenblick, daß die Ungerechtigkeit, die Grund für die gezeigten Abenteuer war, als Teil des unveränderten Systems fortbesteht.
Die kürzlich mal wieder ausgestrahlte Neuverfilmung des Manns mit der eisernen Maske läßt es nicht einmal mehr auf einer Abtrennung ungeliebter Wahrheiten beruhen, sondern betreibt schlichtweg Geschichtsfälschung, indem sie versucht, den offensichtlich für dumm erachteten Zuschauern weiszumachen, alles hätte sich nach den dargestellten Ereignissen verbessert. Die Realität sieht anders aus und läßt sich kurz mit den Begriffen „Ausbeutung“ und „Eroberungskrieg“ beschreiben.
Selbst Star Wars stellt die Fakten auf den Kopf: wir sehen den Sieg einer Allianz zur Wiederherstellung der Republik. Wer sich die frühen Drehbuchfassungen von Episode IV ansieht, die jetzt in den Prequels teilweise fast identisch übernommen wurden, sieht, wie krank und funktionsunfähig diese Republik war. Und doch zeigen uns drei Filme, wie eine ganze Generation für die Rückkehr in jene degenerierten Tage auf den Schlachtfeldern verblutet. Und das alles nur für’s Happy End.Unterm Strich wird man bei Happy Ends also völlig über den Tisch gezogen. Und wenn es wirklich eines geben könnte, wie bei jenem Politiker, mit dem ich mich beschäftigt habe, so stehen am Ende Verachtung und Tod. Denn dieser Politiker wurde ermordet, vergiftet um genau zu sein. Mit dieser Ermordung drängt sich mir die Frage auf, ob unsere geliebte Sternensaga nicht das Gleiche zeigt. Auch hier endet alles gewissermaßen mit dem Tod eines Politikers, der – wie die Episoden der Vorgeschichte zeigen – keinesfalls wirklich böse war. Ist Star Wars nicht also in Wirklichkeit das verkappte Drama eines großen Reformers, der von seiner Zeit nicht verstanden wurde? Jener große Politiker, dessen Tod wir am Ende der Saga miterleben müssen, wurde oft mit einem ehemaligen deutschen Regierungschef verglichen. Dabei führt einen der Kaiser des Sternenreiches in Wahrheit viel eher zurück zum Namensgeber seines Amtes.
Wer – wie wohl die meisten – die Geschichte aus dem Schulbuch lernt, wird Gaius Julius Caesar als machthungrigen Eroberer kennen. Daß seine Revolution das Reich rettete, daß sie längst überfällig war, liest man weit seltener in den Schulbüchern. Wir sehen in Caears Jugendjahren eine kranke Republik. Zu groß ist das Reich geworden, zu stadtstaatisch sind die Herrschaftsstrukturen. Genau das gleiche zeigen die Prequels. Eine sterbende Ordnung, die nicht einmal mehr fähig ist, ihren Gesetzen überall in der Galaxis Geltung zu verschaffen. Und während das Gemeinwohl am Boden liegt und winselt, feiert die Hauptstadt. Sowohl in der Geschichte unseres oft beschworenen Europas, wie auch in den Star Wars Filmen erhebt sich hier ein Einzelner. Auf den ersten Blick wirkt er, wie die perfekte Reinkarnation eines echten, ur-republikanischen Staatsmannes. Und sowohl in der römischen, wie auch in der galaktischen Republik führt dieser eine Staatsmann nie dagewesene Reformen durch. Das Kernwort lautet „Zentralisierung“. Auf dem Höhepunkt seiner Macht angekommen, verlangt es den jeweiligen Staatsmann dann offenbar nach Höherem, und wegen seiner „Herrschsucht“, wie Shakespeare es nennt, wird jener mutige Reformer ermordet.
Dabei haben diese Reformen in beiden Fällen Früchte getragen. Im ersten Star Wars Film können sich Truppen der reformierten Republik – auch als Imperium bekannt – ungehindert auf Tatooine bewegen. Vor den kaiserlichen Reformen existierte die Republik dort nicht einmal. Und was geschah in Rom? Auch hier wurde das Imperium ausgebaut, neue Quellen für die unentbehrlichen Legionen erschlossen, die Verwaltung zumindest ansatzweise von der Korruption gereinigt.Und hier stehen wir – ob in Rom oder auf Coruscant – und sehen das Ende. Der Reformer stirbt. Star Wars schweigt sich weise darüber aus, was nach Endor geschieht. Die Geschichte tut das nicht. Das Reich versinkt im Bürgerkrieg, an dessen Ende der Erbe jenes Reformers siegreich ist und alte und neue Zeit unter seiner starken Hand vereint.
Der Erbe des Kaisers, wer mag das sein? Sein Schüler starb mit ihm. Sein potentieller Schüler ist fanatischer Rebell und hat zudem von Politik keine Ahnung. Star Wars würde, setzte man die Geschichte fort, in einem unvorstellbar blutigen Chaos enden, an dessen Ende entweder Anarchie oder totale Unterdrückung stünden. Es erfüllt mich, das gestehe ich ein, mit Befriedigung, den tanzenden Ewoks unter diesem Gesichtspunkt zuzusehen.
Doch was ist mit den Scherben unserer Tage? Auch sie führen zu Chaos, aber anders als eine Staatsordnung können wir meist davonlaufen. Unter Berücksichtigung all dieser Entwicklungen, scheint es mir fast, als sei das Ende jener Reformer das wirkliche Happy End. Sie immerhin müssen die Ruinen ihrer Visionen nicht nach Überresten der alten, der guten Tage durchstöbern. Ob sie wohl friedlicher ruhten, wüßten sie um ihr Glück?
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