Die neuen Bilder aus dem Empire Magazine zu Star Wars: Der Aufstieg Skywalkers sind inzwischen wohl hinlänglich bekannt, doch über die neuen Bilder hinaus bietet die November-Ausgabe auch einige inhaltliche Einblicke in die Enstehung des Films. Hier die entsprechenden Auszüge:
Am 10. September 2017 saß Drehbuchautor Chris Terrio gerade in einer ausverkauften Wiederaufführung von Jane Campions Film Das Piano, als er ein Dutzend oder mehr Kurznachrichten von J. J. Abrams erhielt. „Ich habe gerade für Episode IX unterschrieben. Wir schreiben ein neues Drehbuch. Könntest Du Dir vorstellen, es mit mir zu schreiben?”
Terrio stimmte sofort zu und wollte Abrams in Kalifornien treffen, sobald in seinem Terminkalender Zeit dafür wäre. Doch die Kurznachrichten hörten nicht auf: Den ganzen Nachmittag hindurch hagelte es Gedanken, Ideen und Fragen, während Abrams die ersten Pläne für die Handlung in sein Handy tippte und nach New York sandte.
„In IX verwickelt zu werden, war schon ein Schock”, erinnert sich J. J. Abrams. „Ich hatte VII gemacht, Rian machte VIII, und ich war nicht für die IX vorgesehen. Aber die Gelegenheit, nicht nur die Trilogie abzuschließen, sondern die Geschichte, die George zu erzählen begonnen hatte – diese Trilogie aus Trilogien – war zu interessant und verführerisch, um abzulehnen. Und es ist um ein Vielfaches das schwierigste Projekt, mit dem ich je zu tun hatte. Vor allem aber war es aufregend.”
Genau wie Abrams selbst weder Karte noch Kompass für seinen Nachfolger Rian Johnson hinterlassen hatte, begann er seine Arbeit an Der Aufstieg Skywalkers mit keiner anderen Hilfe als seinem eigenen Verstand. Abrams selbst gibt zu, dass er so auch am liebsten arbeitet. Als von Natur aus instinktgetriebener Erzähler neigt er dazu, zu tun, was je nach Situation impulsiv richtig scheint, anstatt sich sklavisch an eine Art gottgegebenen Masterplan zu halten.
„Man kann nicht alles im Vorfeld planen. Das Plakat mit der Aufschrift Die Rache der Jedi beweist das. Wenn man eine bessere Idee hat, setzt man sie auch um. Ich müsste lügen, wollte ich behaupten, dass ich alles gewusst hätte, was in VIII und IX passieren würde, als ich an VII arbeitete. Ich hatte einige Vorstellungen, aber das vorgegebene Startdatum machte es erforderlich, uns auf VII zu konzentrieren.”
Abrams und Terrio begannen also bei Null. Am Tage spielten sie Ideen-Ping-Pong, nachts schrieben sie sich Kurznachrichten, in denen sie sich Schritt für Schritt den Kernfragen zuwandten, die der letzten Filme beantworten muss, darunter nicht zuletzt die Auswirkungen von Die letzten Jedi, hatte Rian Johnson doch in Fortsetzung von Abrams' Geschichte einige entscheidende Änderungen vorgenommen.
Ein altbekanntes dramatisches Prinzip, das meist Anton Tschechow zugerechnet wird, besagt, dass eine Pistole, wird diese im ersten Akt eines Theaterstücks gezeigt, bis zum dritten Akt losgegangen sein muss. Andernfalls verschwende man die Zeit seiner Zuschauer. Das gleiche scheint für die dunkle Seite zu gelten, denn auch die im ersten Akt gezeigten Ritter von Ren können in Der Aufstieg Skywalkers endlich abgefeuert werden.
Die Ritter, denen Kylo Ren seinen Nachnamen verdammt, sind eine albtraumhafte Gruppe von Häschern im Dienste des früheren Ben Solo. Die zusammengewürfelte Truppe aus schwarzgekleideten Schlägern und Mördern tauchte erstamsl in Reys Vision auf Takodana auf und schien eine wichtige Rolle in Kylos Sündenfall zu spielen. Zumindest bis Johnson die Idee fallenließ und die Vergangenheit sterben ließ.
„Über diesen Satz haben wir viel nachgedacht”, meint Chris Terrio. „Rian hat etwas getan, das jeder gute zweite Akt tut: Er hat eine Antithese aufgestellt. In Das Erwachen der Macht ist Luke Sykwalker ein Mythos, von dem Rey besessen ist, und insgesamt erscheint die Vergangenheit in einem rosigen Licht. Rian hat die Gegenthese geliefert, wonach die Vergangenheit ein deutlich facettenreicherer Ort ist, die einem auf der Suche nach einer Zukunft keine Hilfe bietet. In Episode IX liefern wir nun die Synthese dieser beiden Gedanken.”
Und so scheint Abrams nicht nur die Suche nach Reys Familie neu aufzurollen, sondern auch die Ritter von Ren, wobei Abrams den Gedanken ausdrücklich ablehnt, er würde eine Kurskorrektur vornehmen.
„Ich habe nie versucht, etwas zu reparieren. Hätte ich VIII gemacht, wäre der Film anders ausgefallen, und Rian hätte wiederum VII anders gemacht. Aber ich habe an Fernsehserien gearbeitet und weiß, wie es ist, wenn man Geschichten und Figuren entwickelt, die dann von anderen Leuten weitergeführt werden. Wenn man bereit ist, anderen sein Werk anzuvertrauen und glaubt, es in guten Händen zu wissen, muss man akzeptieren, dass Entscheidungen gefällt werden, die nicht die sind, die man selbst getroffen hätte. Und wenn man irgendwann zurückkommt, hat man anzunehmen, was in der Zwischenzeit geschaffen wurde.”
Und das ist Einiges: Luke Skywalker ist tot, der Widerstand so gut wie vernichtet, Snoke ist tot, und Kylo Ren ist zwar Oberster Anführer, aber auch so gebrochen wie niemals zuvor. Johnsons Entscheidungen haben die Figuren auf dem Spielbrett kühn und entschlossen weiterbewegt und mit all ihren scharfen Wendungen größtmögliche Begeisterung und nicht minder großen Zorn ausgelöst.
„Man kann keine Geschichte erzählen, die Menschen zutiefst bewegt, ohne Diskussionen und Kontroversen auszulösen”, meint Kathleen Kennedy. „Das war schon immer ein Wesenszug von Star Wars.”
Für Abrams und Terrio bietet das veränderte Bild allerdings auch neue Möglichkeiten.
Zu den interessantesten Szenen von Die letzten Jedi zählen die Gespräche von Rey und Ren”, so Terrio. „Wir haben uns bemüht, diese komplizierte Beziehung aufzugreifen, die es faktisch seit der Verhörszene in VII gibt. Dort nimmt er seine Maske ab und entblößt sich damit vor Rey wie vor niemandem sonst. Rian hat das auf faszinierende Weise aufgegriffen, und wir spinnen es nun noch weiter.”
Nachdem er in Die letzten Jedi bewusst maskenlos dargestellt wurde, ist er nun zurück in der Maske, was, wie Abrams betont, nicht nur eine Frage der Ästhetik ist.
„Sehr bewusst trägt er wieder die Maske, und sehr bewusst ist diese Maske sichtbar aus Bruchstücken neu zusammengesetzt. Es ist wie im klassischen japanischen Prozess des Zerbrechens von Keramik und des neu Zusammenfügens: Die Bruchkanten sind so sehr Teil der Schönheit des Stücks wie das Original, und so bildet die Maske die Zerbrochenheit Rens visuell ab. Etwas daran erzählt seine Geschichte: Seine Maske verbirgt ihn nicht mehr, sondern entblößt sein Verhalten.”
In Die letzten Jedi flossen Rens Verführung durch das Licht und Reys Verführung durch das Dunkle ineinander, und auch in Der Aufstieg Skywalkers wird diese moralische Ambiguität beibehalten, wie die Szene mit „Darth Rey” bewies, die seit dem August-Teaser für Debatten sorgt.
„Darüber würde ich mich lieber ausschweigen”, so Abrams. „Aber ich möchte sagen, dass der Film einige Dinge tut, die man nicht erwarten würde, und dass wir bei einigen Figuren auch unerwartete Verhaltensweisen sehen werden. Überraschungen erwarten uns allerorten, und ja, das ist eine davon.”
Eine der Welten in Der Aufstieg Skywalkers ist Pasaana, gedreht im Wadi Rum nahe dem jordanischen Hafen Akaba, wo sowohl der filmhistorische, als auch der realhistorische Lawrence von Arabien unterwegs waren. Der Ort diente außerdem als Geburtsort der Aliens in Prometheus, wird kommendes Jahr in Denis Villeneuves Dune als Wüstenplanet Arrakis zu sehen sein und war in Form von Jedha in Gareth Edwards' Rogue One Testgelände des Todessterns.
In Der Aufstieg Skywalkers ist der Ort als Pasaana Heimat der walrossartigen Aki-Aki-Nomaden und Treffpunkt der Helden, die wir in den vergangenen zwei Filmen kennengelernt haben.
„Für mich ging es in Star Wars immer um eine Gruppe von Helden, die nicht so wirklich zusammenpassen und die mit Affenzahn ein wildes Abenteuer erleben”, so Abrams. „In Der Aufstieg Skywalkers treffen wir auf die größte und gemeinste Gefahr, die die Galaxis je gesehen hat. Uns bot sich hier die Gelegenheit, diese Helden-Gruppe, die füreinander eine Art Ersatzfamilie geworden ist, mit diesem massiven Schrecken zu konfrontieren: Dem Krieg, der allen Kriegen ein Ende machen soll und das nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich, d.h. die Herausforderung ist auch eine persönliche.”
In Abrams Krieg der Kriege zieht die Erste Ordnung mit einem neuen Offizier (Richard E. Grant als Loyalitätsgeneral Pryde), dolchförmigen TIE-Dagger-Jägern und einer blutrot gekleideten Legion neuer Sith-Truppen. Auf Seiten des Widerstands ist Billy Dee Williams nach 36 Jahren wieder als Lando Calrissian zu sehen, und Carrie Fisher kehrt in Form bereits vor ihrem Tod gedrehten Materials zurück. Nichts aber sorgte für mehr Debatten als die Rückkehr von Imperator Palpatine, einmal mehr gespielt von Ian McDiarmid.
„Einige Leute waren der Auffassung, wir sollten uns nicht noch einmal mit dem Konzept von Palpatine befassen, und das verstehe ich absolut”, meint Abrams. „Aber wenn man diese neun Filme als eine Geschichte betrachtet, so kenne ich nicht viele Bücher, die in ihren letzten paar Kapiteln etwas erzählen, das nichts mit den vorangegangenen zu tun hat. Sieht man sich die ersten acht Filme an, liegen die Anknüpfungspunkte für das, was wir in IX machen, offen zutage.”
Einen Endpunkt für eine Saga zu liefern, die seit Generationen Kindheiten und Erwachsenenerlebnisse prägt, ist etwas, das weder Abrams, noch Produzentin Kathleen Kennedy mit Blick auf die mögliche Zukunft von Star Wars auf die leichte Schulter nehmen.
„Wir haben keine Kristallkugel”, so Kennedy. „Wir haben uns Solo angesehen und getestet, ob wir zwei Filme im Jahr bringen können, nur um festzustellen, dass das nicht klappt. Deshalb haben wir davon etwas Abstand genommen. Das heißt aber nicht, dass wir nicht über verschiedene Geschichten nachdenken. Das gerade macht dieses Universum ja so interessant. Es war eine Ehre, das Erbe dieser legendären Saga anzutreten und diese Geschichte, die ihr Publikum seit so vielen Jahren berührt, weiterzuführen. Jedesmal, wenn wir darangehen, diese Geschichten zu erzählen, spüren wir diese Bürde aufs Neue.”
Und während die erweiterte Geschichte z.B. in Form von The Mandalorian oder in Gestalt der bereits in Entwicklung befindlichen Kinofilme weitergeht, geht die Kerngeschichte, die für so viele Leute Star Wars ausmacht, nun zuende.
„Ich habe Anfänge immer geliebt”, bekennt Abrams. „Anfänge sind ein Versprechen. Enden sind eine Herausforderung. Ein großartiges Ende muss nicht nur das in Ehren halten, was vorher gekommen ist, sondern sich auch so anfühlen – und das gilt gleichermaßen für Romane, Serien oder Filme –, als gäbe es keine andere Option. Diese Geschichte lebt, und man muss ihr förmlich zuhören. Wenn man etwas findet, das einem Gänsehaut bereitet, weiß man, dass es genau das Richtige ist. Man kann das abstrahieren, wie man will, und versuchen zu analyisieren, wie man dieses gewisse Etwas gefunden hat, aber am Ende findet es einen.”
„Es war ein verrückter Ritt”, meint Terrio. „Als Kind habe ich Die Rückkehr der Jedi-Ritter praktisch in Dauerschleife gesehen, und es fühlte sich immer an, als spräche Yoda zu mir persönlich. All die Jahre später saß ich dann in einem Zelt in Jordanien und arbeitete an diesem Film. Man hat diese persönliche Beziehung zu Star Wars, und plötzlich steckt man mittendrin. Dieses Gefühl ist unbeschreiblich.”
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