Rian Johnson hat sich mit der New York Times unterhalten, die ihn als leisen und bescheidenen Mann charakterisiert:
Wie wichtig waren für Sie die klassischen Star-Wars-Filme?
Star Wars war alles für mich. Als kleines Kind bekommt man die Filme nur ein oder zweimal zu sehen, aber wenn man mit dem Spielzeug in seinem Garten spielt, beginnt man, die ersten eigenen Geschichten in seinem Kopf zu erzählen. Deshalb war es ein so emotionaler Moment, erstmals die Kulissen des Falken zu betreten, weil wir als Kinder alle genau dieses Schiff als Spielzeug hatten. Und plötzlich steht man in der echten Version davon. Die Unwirklichkeit war für einen Moment fast überwältigend.
Wie haben Sie erfahren, dass man Sie als Autor und Regisseur eines neuen Star-Wars-Films in Erwägung zieht?
Das kam komplett aus heiterem Himmel. Ich hatte ein paar allgemeine Treffen mit Kathy Kennedy, als sie Lucasfilm übernahm. Ich hätte nie gedacht, dass ich wirklich im Rennen war, denn ich hatte vermutet, dass absolut jeder Regisseur auf der Welt einen Star-Wars-Film würde machen wollen. Und dann wurde ausgerechnet ich ausgewählt. Das war, als hätte man eine Bombe auf mich abgeworfen. Plötzlich wurde mir klar: Oh, Moment, es geht bei dieser Besprechung genau darum. Ich habe gar nicht erst versucht, die Tatsache zu verheimlichen, dass ich ausflippe. Aber ich sagte ihnen auch: Kann ich eine Weile darüber nachdenken?
Warum haben Sie gezögert?
Nach Looper war ich bereits auf andere Franchise-Filme angesprochen worden, und ich hatte mich daran gewöhnt, nein zu sagen. Aber ich wusste, dass mir dieser Film so viel bedeuten würde. Ich meine, das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann, ist, den Dreh eines Star-Wars-Films als schlechte Erfahrung mitzunehmen.
Glauben Sie, Frau Kennedy war überrascht, dass Sie nicht sofort zugesagt haben?
Sie war etwas verwirrt, glaube ich. In den darauffolgenden Tagen konnte ich nicht schlafen. Ich dachte, ich sollte eine Pro-und-Kontra-Liste aufstellen, aber die Wahrheit ist, dass es am Ende eine Herzensentscheidung war. Ich konnte mir dieses Abenteuer doch nicht entgehen lassen.
Wie viel von der Geschichte des Films wurde Ihnen entweder durch Ereignisse in Star Wars: Das Erwachen der Macht oder durch Lucasfilm vorgegeben?
Ich hatte erwartet, dass es eine große Karte an der Wand geben würde, auf der die ganze Geschichte abgebildet sein würde, und das war überhaupt nicht der Fall. Faktisch gab man mir das Drehbuch für Episode VII, und dann sah ich mir die Tagesaufnahmen von J. J. an. Und dann stand praktisch die Frage im Raum: Okay, wohin gehen wir von hier? Das war phantastisch.
Niemand hat Ihnen also vorgegeben, dass Ihr Film bestimmte Handlungpunkte enthalten muss oder dass bestimmte Dinge bis zum Ende erreicht sein müssen?
Nichts dergleichen. Aber es ist der zweite Film in einer Trilogie. Der erste Film hat diese Charaktere hierhergebracht. Dieser zweite Film muss sich nun mit diesen Figuren auseinandersetzen und sie herausfordern. Allerdings wollte ich, dass dies für sich genommen ein befriedigendes Seh-Erlebnis wird und nicht mit einem Punkt, Punkt, Punkt, Fragezeichen enden.
Was hat Sie an den ungeschnittenen, unbearbeiteten Aufnahmen zu Star Wars: Das Erwachen der Macht inspiriert?
Rey und Kylo sind fast so etwas wie die zwei Hälften unseres Protagonisten. Es ist nicht so, als wäre Kylo unser Vader. In der klassischen Trilogie ist Vader der Vater, er ist derjenige, vor dem man Angst hat und von man man Bestätigung haben will. Kylo hingegen steht für Wut und Rebellion, für den manchmal gesunden – und manchmal eher ungesunden – Wunsch, sich von den Eltern zu ösen. Es ist meine Lieblingsvariante eines „Bösewichts”, weil man bei dieser Art von Schurke wirklich sehen kann, was ihre Schwäche ist.
Star Wars: Das Erwachen der Macht hat viele wichtige Fragen offen gelassen: Wer sind Reys Eltern? Warum ist Luke geflohen? Wer ist der mysteriöse Bösewicht, dieser Oberste Anführer Snoke? Haben Sie sich insofern, als Ihr Film Antworten auf diese Fragen liefert, mit J. J. Abrams darüber ausgetauscht?
Wenn ich Fragen hatte – Sachen wie, was dachtest Du, würde daraus werden oder wie sahen Deine Ideen für irgendetwas aus? –, konnte ich ihn jederzeit fragen. Aber bei diesen Fragen geht es nur darum, was diese Figuren wollen und wie sie dorthin kommen.
Nehmen wir die Frage, wer Reys Eltern sind: Wenn ich Ihnen nur diese Antwort gebe – ah, die waren es also, aha –, dann bedeutet einem das doch nichts. Ich weiß, dass die Antwort vielen Leuten wichtig ist, aber es geht hier um den Gegensatz von interessant und tatsächlich wirkmächtig: Wo ist mein Platz in der Welt? Wo komme ich her? Wo gehöre ich hin? Das Gewicht dieser Fragen, das verstehe ich. Und mit diesen Fragen und ihren Antworten haben wir gespielt, um die Varianten zu finden, die den jeweils größten emotionalen Eindruck bei diesen Figuren hinterlassen.
Seine ersten Dialogzeilen in dieser Trilogie haben Sie Luke Skywalker gegeben.
Und das war das erste, was ich herausfinden musste. Warum ist Luke auf dieser Insel? Und ich hatte keine Antworten. Aber es ist ja nicht so, dass man sich einfach alles aus einem Vakuum ausdenken kann, was man will. Ich wuchs mit einem Gefühl auf, wer Luke Skywalker ist, und das führt auf einen ganz bestimmten Pfad. Ich weiß, dass er sich nicht auf der Insel versteckt. Ich weiß, dass er kein Feigling ist. Er muss aus einem Grund dort sein, an den er glaubt. Und so findet man einen Pfad, dem man folgen kann, und am Ende gibt es weniger Entscheidungsvarianten, als man zunächst glaubt.
Da Sie seit langen Jahren Fan sind, war es schwierig für Sie, mit langjährigen Franchise-Größen wie Mark Hamill und Carrie Fisher zusammenzuarbeiten?
Es hat eine Weile gedauert, bis ich mit Mark an einem Tisch sitzen konnte, ohne alle drei Sekunden daran zu denken, dass ich mit Luke Skywalker spreche. Mit Carrie fühlte ich, dass wir uns als Autoren sehr schnell verbunden fühlten. Sie hat sehr, sehr deutlich ihre Meinung gesagt. Das haben sie beide. Aber wenn das Leben eines Menschen auf diese seltsame Weise an eine Figur gebunden ist, dann kann man den Leuten nicht einfach ein Drehbuch in den Schoß fallen lassen und sagen: So läuft es. Da gibt es Diskussionen. Aber sie waren beide so engagiert dabei und hatten so viel Vertrauen. Die Tatsache, dass beide irgendwann einmal sagten, okay, auch wenn es nicht das ist, was ich erwartet habe, werde ich Dir vertrauen, das war wirklich bewegend.
Frau Fisher starb kurz nach den Dreharbeiten. Wie haben Sie diese Tragödie erlebt? Hatten Sie das Gefühl, den Film ändern zu müssen?
Als sie starb, waren wir schon mitten in der Nachbearbeitung. Als wir nach Neujahr in den Schnittraum zurückkamen, war es unfassbar schwierig. Wir haben alle ihre Szenen durchgesehen. Und ich war ganz stark der Meinung, dass wir nicht versuchen sollten, ihre Darstellung zu ändern. Wir passen nichts an, was mit ihr in diesem Film passiert. Emotional setzt man das Ganze unwillkürlich in einen neuen Kontext, jetzt wo sie nicht mehr da ist. Es ist schon fast unheimlich, dass es da Szenen gibt, die vor diesem Hintergrund noch mehr emotionale Resonanz und Sinn haben. Sie hat in diesem Film eine wunderschöne und ganzheitliche Darbietung abgeliefert.
Was bedeutet der Titel des Films?
Er steht so im Lauftext von Star Wars: Das Erwachen der Macht. Luke Skywalker ist im Moment der letzte Jedi. In diesen Filmen gibt es immer einen gewissen Spielraum – alles lässt sich schließlich von einem bestimmten Standpunkt aus sehen –, aber am Anfang der Geschichte ist er buchstäblich der Letzte der Jedi. Und er hat sich selbst zurückgezogen und ist aus unbekannten Gründen allein auf dieser Insel.
Im Teaser-Trailer sagt eine Stimme, es ist Zeit für die Jedi zu enden. Ist das Luke?
Das ist er. Und es hört sich ziemlich schlimm an. Das ist etwas, in das wir uns definitiv hineingraben werden. Das Herz des Films ist Luke und Rey. Natürlich widmen wir uns allen Figuren, abr die Essenz des Films ist Entwicklung der beiden. Und der Film ist absolut mit der Frage verbunden, wie Lukes Haltung zu den Jedi aussieht.
Und Han Solo kehrt als Machtgeist zurück?
Han Solo kommt selbstverständlich als Machtgeist zurück. Und Jar Jar ist Snoke.
Johnson wurde auch auf seine nun ehemalige Zusammenarbeit mit Colin Trevorrow angesprochen, über die er folgendes sagte:
Die Zusammenarbeit verläuft ähnlich zu der von J. J. und mir. Ich habe ihm die Andeutung eines Kurses vorgegeben, und jetzt darf ich zusehen, wohin ein anderer Geschichtenerzähler diesem Kurs folgen wird. Ich stand ihm als Ansprechpartner zur Verfügung, und er hat mir Fragen gestellt. Aber insgesamt lehne ich mich genüsslich zurück und beobachte, wie sich für ihn alles zueinanderfügt.
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