Knapp eine Woche nach Bekanntgabe der Entlassung von Phil Lord und Chris Miller hat THR einige weitere Details zu den Ursachen und Auswirkungen der Veränderungen an der Spitze des Han-Solo-Films:
Bereits Mitte Juni drohte die Situation bei den Dreharbeiten überzukochen, als Phil Lord und Chris Miller, die beiden Koregisseure des noch namenlosen Films über den jungen Han Solo, im Cockpit des Rasenden Falken waren, aber erst um 13 Uhr mit den eigentlichen Dreharbeiten begannen. An jenem Tag nutzten sie nur drei verschiedene Kamerapositionen anstelle der 12 bis 15, die Lucasfilm-Präsidentin Kathleen Kennedy unseren Quellen zufolge erwartet hatte. Die Dreharbeiten verliefen also nicht nur langwierig, sondern die wenigen gedrehten Einstellungen boten nur wenige Auswahlmöglichkeiten für den Schnitt des Films.
Dies war keineswegs das erste Mal, dass Kennedy mit den Fortschritten des Films unzufrieden war, und auch Lawrence Kasdan soll beim Sichten des Materials alles andere als glücklich gewesen sein.
Lord und Miller, das äußerst erfolgreiche Duo hinter dem Lego-Film und 21 Jump Street, litten zur gleichen Zeit allerdings auch unter der Situation, wie eine ihnen nahestehende Quelle berichtet. Es gab "tiefgreifende philosophische Differenzen" hinsichtlich der Herangehensweise an das Filmemachen, so diese Quelle. Die Regisseure sollen es so empfunden haben, dass ihnen "null kreative Freiheiten" eingeräumt wurden. Außerdem waren sie der Ansicht, der Zeitplan für die Dreharbeiten sei "extrem straff". Sie hätten "von Anfang an nie genug Drehtage für jede Szene" zur Verfügung gehabt.
Am 20. Juni, kurz nach den Aufnahmen im Falken, erfuhr die Öffentlichkeit, dass Kennedy - mit Unterstützung von Disney-Studio-Chef Alan Horn - die außergewöhnliche Entscheidung getroffen hatte, Lord und Miller zu feuern. Kennedy war sich bewusst, dass dies einen Shitstorm besonderer Art auslösen wurde, gerade weil es sich um einen Star-Wars-Film handelt, dessen Publikum sich als Miteigentümer dieses Universum versteht und alle Schritte mit Argusaugen beobachtet. Darüber hinaus ist es ungewöhnlich und unerfreulich genug, einen Regisseur zu feuern, doch etablierte Regisseure wie Lord und Miller zu feuern, die ihre eigenen Fans hinter sich haben, hat in Hollywood selbst erfahrene Beobachter geschockt.
Auch Kennedy wollte diesen direkten Bruch vermeiden und versuchte, Lord und Miller auf ähnliche Weise zu unterstützen und abzulösen, wie das mit Gareth Edwards bei Rogue One gelungen war. Damals übernahm Drehbuchautor Tony Gilroy in Zusammenarbeit mit Edwards wichtige Aufgaben, diesmal wollte Kennedy Kasdan auf ähnliche Weise einsetzen. Lord und Miller waren allerdings wenig überraschend deutlich unwilliger als der Nachwuchsregisseur Edwards, sich darauf einzulassen. Kommentieren wollten die Entwicklung weder die Regisseure, noch Kennedy.
Bereits mit dem Start der Dreharbeiten war klargeworden, dass Kennedys offen angekündigte Intention, Regisseure zu finden, die Star-Wars-Filme in ihrem eigenen Stil drehen sollten, zu einer Fehlentscheidung geführt hatte. Einige Quellen berichten, dass das Talent des Duos unbestritten sei. Die Beiden seien allerdings angesichts ihrer bisherigen Projekte nie darauf vorbereitet gewesen, einen Film diesen Umfangs zu drehen. Diese Quellen erklären, sie hätten sich zu sehr auf ihr Gespür für Improvisation verlassen, mit dem sie bei ihren Komödien und Animationsprojekten immer hervorragend gefahren waren. Auf ein mehrere hundert Köpfe starkes Filmteam, das auf Anweisungen gewartet habe, sei diese Herangehensweise aber nie ausgelegt gewesen.
"Bei einem Film dieser Größenordnung muss man Entscheidungen deutlich früher fällen, als bei ihren früheren Projekten", so eine Quelle. "Ich weiß nicht, ob die Tatsache, dass es zwei Regisseure waren, dazu beigetragen hat, aber sie agierten höchst unentschlossen." Die Leiter mehrerer Produktionsabteilungen begannen, sich zu beschweren. Das Duo habe diese Kritik zwar scheinbar zur Kenntnis genommen, aber seine Arbeitsweise nicht geändert.
Die Quelle aus dem Umfeld der Regisseure erklärt, die Beiden hätten immer auf improvisierende Weise gearbeitet und das nicht nur mit Blick auf lustige Filmmomente. "Sie arbeiten sehr eng mit ihren Schauspielern zusammen, um ihnen die kreativen Freiheiten zu geben, die aus ihrer Sicht zu den bestmöglichen schauspielerischen Leistungen führen. Lawrence Kasdan hat das nicht zugelassen, sondern verlangt, dass jede Zeile Wort für Wort wiedergegeben wird. Um ihn und das Studio zu beruhigen, haben Lord und Miller deshalb mehrere Takes genau so gedreht, wie es im Drehbuch stand, und erst danach improvisiert."
Kritisch wurde die Lage im Mai, als das Team von London auf die Kanaren umzog. Lucasfilm ersetzte den Cutter Chris Dickens (Macbeth) durch Oscarpreisträger Pietro Scalia, der mit Ridley Scott an Filmen wie Alien: Covenant und Der Marsianer zusammengearbeitet hat. Außerdem entschied Lucasfilm, für Alden Ehrenreich, mit dessen Darstellung man nicht zufrieden war, einen Schauspielcoach einzustellen. Generell ist das nicht ungewöhnlich, doch normalerweise geschieht es vor Beginn der Dreharbeiten, nicht mittendrin. Lord und Miller schlugen für diese Rolle Maggie Kiley vor, mit der sie bereits bei 21 Jump Street gearbeitet hatten.
Als Kennedy zum Schluss kam, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen würden, um die Produktion wieder auf Linie zu bringen, bat sie Kasdan, nach London zu fliegen. Der hatte - in Absprache mit Lord und Miller - das Drehbuch mit seinem Sohn zusammen geschrieben und soll ebenso mit den wenigen gedrehten Kameraperspektiven, wie mit Lord und Millers Angewohnheit, den Schauspielern spontan Dialogzeilen zuzurufen, unzufrieden gewesen sein. "Als Autor, Produzent und Handelnder innerhalb der Star-Wars-Welt setzt man sich dann halt ins Flugzeug, wenn das passiert", meint eine Quelle.
Doch Lord und Miller waren nicht darauf vorbereitet, dass Kasdan zu einer Art Graue Eminenz werden würde. Da sie keine anderen Möglichkeiten mehr sah, entschloss sich Kennedy in dieser Lage, auf die Notbremse zu treten.
Nicht viele Filmemacher wären bereit, zwei Regisseure zu ersetzen, die gefeuert worden sind. Ron Howard ist einer der wenigen, der in der aktuellen Situation dafür zur Verfügung stand. Eingeweihte Quellen berichten, er habe sich Sorgen gemacht, wie Lord und Miller reagieren würden und hat E-Mails mit ihnen ausgetauscht. Eine zweite Quelle erklärt, die zwei hätten sich sehr "hilfreich und elegant" verhalten. Howard ist seit dem 26. Juni in London. Die Dreharbeiten, die eigentlich Ende Juli enden sollten, werden nun bis in die erste Septemberwoche dauern. Einer Quelle zufolge sei ein Großteil von Lord und Millers Material "sehr verwendbar".
Wer am Ende im Abspann auftauchen wird, muss die US-amerikanische Regisseursvereinigung entscheiden. Was aus Lord und Miller wird, ist unklar, wobei Warner Bros' The Flash auf sie warten dürfte, wenn sie Interesse daran haben.
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Es gibt Personen in der Filmbranche, die glauben, dass die Entlassung von Lord und Miller, der Umgang mit Josh Trank, der bereits vor seinen Problemen mit Fantastic Four als Regisseur des zweiten Stand-Alone-Films entlassen wurde, und die letztliche Entscheidung gegen Edwards' Vision von Rogue One als dunklem Kriegsfilm dazu führen müssen, dass Kennedys dokumentierte Vorliebe für kreative Risiken und künstlerische Freiheiten gebremst wird. Zwar mögen Kennedy und Disney nach wie vor behaupten, sie wären an Filmemachern mit ihren eigenen Visionen interessiert, doch Beobachter meinen, dass man dort inzwischen dabei sein zu lernen, dass Star Wars eine andere Art von Regisseur erfordert. "All diese Filme hatten Probleme", meint jemand aus der Führungsspitze eines konkurrierenden Studios. "J. J. [Abrams] hatte genug Einfluss, um sich gegen den unrealistischen Starttermin seines Films zur Wehr zu setzen, doch das war ein ziemliches Tauziehen. Beim letzten Film hat Tony [Gilroy] monatelang Neudrehs gemacht, und nun haben wir diese Situation? Der Fehler liegt doch im System."
Ein anderer Hollywood-Insider argumentiert hingegen, dass Rian Johnsons Arbeit an Star Wars: Die letzten Jedi beweist, dass der richtige Regisseur bei einem Star-Wars-Film auch ohne größere Einflussnahme von Lucasfilm agieren kann. So wird die Suche nach neuen und interessanten Filmemachern weitergehen, und viele dürften dem Ruf von Star Wars nicht widerstehen können.
Beim Han-Solo-Film erzählt eine hochrangige Quelle, Kennedy und Disney hätten mit Blick auf Lord und Miller gehofft, dass man irgendwann auf einer Wellenlänge sein werde. Dies sei nur eben nie passiert. Hätte Kennedy früher einen Schnitt gemacht, wäre aus Sicht einer anderen Quelle die Frage laut geworden, wieso sie sich nicht stärker um eine einvernehmliche Lösung bemüht habe. "Was man auch macht, es ist falsch", meint diese Quelle.
Über ein kleines Detail hat THR unterschiedliche Aussagen am Start: Es soll Applaus von den Han-Solo-Mitarbeitern gegeben haben, als Lord und Miller entlassen wurden. THR schreibt dazu nun:
Applaus gab es den Quellen zufolge tatsächlich am Ende der Besprechung, bei der die Entlassung von Lord und Miller und die Einstellung eines neuen Regisseurs bekanntgegeben wurden. Den Quellen nach war die Stimmung eher gedrückt. Der Applaus war nicht die Reaktion auf die Entlassung der Regisseure, sondern sollte Unterstützung für den Film ausdrücken.
Inwieweit das nun Schönfärberei ist oder nicht, muss jeder selbst entscheiden. Einen zweiten Nachbericht zur Lord-Miller-Solo-Situation hat EW am Start. Dort heißt es, Lord und Miller hätten keineswegs versucht, den Film als Komödie auszugestalten, wie vielfach berichtet.
Wenn es ein Genre gibt, das den Regisseuren vorschwebte, dann der Western. Lord und Miller, so argumentiert eine Quelle, hätten nie und nimmer Kameramann Bradford Young angeheuert, wenn sie eine Komödie hätten drehen wollen, ist der doch in erster Linie für Dramen wie Arrival und A Most Violent Year bekannt.
Auch eine andere Quelle aus dem Filmumfeld berichtet, dass sich der Streit nicht an der Frage Komödie/Humor oder nicht entsponnen habe, sondern an der Improvisationsfrage. Lord und Millers Ansatz habe hier aus Sicht von Lucasfilm dazu geführt, dass die Geschichte nicht mehr in die gewünschte Richtung verlief.
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