Die euch sicherlich aus dem Abspann zahlloser Filme bekannte ASC, die US-Gesellschaft der Kameraleute, hat in der Endphase seiner Arbeit an Rogue One mit Doug Chiang gesprochen, der von 1995 bis 2002 am Design der Star-Wars-Prequels arbeitete und damals noch von Ralph McQuarrie persönlich für die künstlerische Abteilung ausgewählt wurde. 2013 kehrte er als Konzeptzeichner und Chef-Designverantwortlicher zu Lucasfilm zurück, wo er inzwischen als Vizepräsident des Unternehmens und leitender Kreativchef tätig ist. Über seine Arbeit als Filmdesigner sagte Chiang:
Es gehört zu unserer Arbeit als Szenenbildner, unsere Hausaufgaben zu machen. Als ich begann, mit George Lucas zu arbeiten, waren wir ein gutes Jahr lang nur mit dem Design der Welten beschäftigt und das mit großer Detailgenauigkeit. Am Ende dieser Phase suchte er sich dann die besten Designs [für den Film] aus, aber die Arbeit an sich war die Grundlage für alle Filme, die danach kamen.
Unterm Strich wird vielleicht 5 oder oder 10 Prozent unserer Arbeit für den jeweiligen Film verwendet, aber weil wir unsere Hausaufgaben gemacht haben, sind die verwendeten Designs miteinander verknüpft und passen zusammen. Die ganze Welt erscheint so authentischer.
Und hier seine Einblicke in die Arbeit an Rogue One:
Wie begann Ihre Arbeit an Rogue One?
Ende 2013, kurz bevor Gareth [Edwards] zum Team stieß und genau zu der Zeit, als Gary Whitta seine Autorentätigkeit begann, wollte John Knoll einige Konzeptarbeiten sehen. Es gab also eine Phase von ein oder zwei Monaten, in der wir unter Johns Anleitung und auf Basis seines Handlungskonzepts mit der Anfertigung von Konzeptzeichnungen anfingen. Anfang 2014 kam Gareth dann als Regisseur dazu. Ich hatte ihn schon in London getroffen und in ihm eine verwandte Seele entdeckt. Wir verehrten beide Episode IV und hatten die gleichen Vorbilder und visuellen Vorstellungen.
Weil ich so gut mit Gareth auskam, entschied ich, persönlich eine größere Rolle bei der Arbeit an den Film zu übernehmen. Ich wollte tatsächlich als Szenenbildner tätig werden. Ich sprach mit Kathy [Kennedy] darüber, und sie war einverstanden. Danach ging es nur noch darum, einen Partner zu finden, weil ich nicht ständig in London arbeiten konnte. Wir sind also ähnlich vorgegangen wie bei Episode VII und haben wieder mit einem Ko-Szenenbildner gearbeitet. Und es war Rick Carter, unser Ko-Szenenbilder von Star Wars: Das Erwachen der Macht, der uns Neil Lamont für die Rolle vorschlug. Ich bewunderte Neil seit Jahren und wusste, dass er genau der richtige Mann für diese Zusammenarbeit sein würde.Wie haben Sie sich Ihre Arbeit aufgeteilt?
Diese Filme sind so umfangreich, dass es einfach nur toll ist, jemanden zu haben, mit dem man über Ideen reden kann. Neil hat ein phantastisches Empfinden dafür. Er versteht Star Wars, und deshalb konnten wir gut miteinander darüber sprechen, ob ein bestimmtes Element für ein bestimmtes Set passen würde. Es ist toll, jemanden zu haben, mit dem man so zusammenarbeiten kann.
Nachdem die Grundzüge des Designs festgelegt waren, sind wir nach dem Prinzip 'Teile und herrsche' vorgegangen: Neil kennt sich hervorragend damit aus, wie man Dinge real baut, um sie möglichst effizient ins Studio zu bringen. Er hat viele der sogenannten Vermächtnis-Sets übernommen, die Brücke des Sternenzerstörers zum Beispiel, Sachen, die wir schon kannten, aber nun neu interpretieren mussten, damit sie in den Film hineinpassten. Ich bin eher in die Welt hinauskonzeptioniert und habe das Lebensgefühl der Planeten übernommen. Und bei vielen Sets haben wir uns auch zusammengetan, z.B. beim Hangar auf Yavin. Es war eine großartige Zusammenarbeit, denn wir haben uns bezüglich unserer jeweiligen Stärken perfekt ergänzt.Wann hat diese Zusammenarbeit begonnen?
Ich habe im Juli 2014 so richtig mit der Arbeit an Rogue One losgelegt. Neil arbeitete da noch an Star Wars: Das Erwachen der Macht, kam also erst 4 oder 6 Monate später dazu.
Allgemein gesprochen sehe ich die Arbeit als Szenenbildner eines Films als dreistufige Tätigkeit: In der ersten Phase versucht man, ein Gesamtbild des Films zu entwickeln. Ich finde es sehr wichtig, das Design so eng mit möglich mit den Figuren und der Geschichte zu verbinden, d.h. die Gesamtdesigns sollten die Entwicklung der Figuren unterstreichen. Design wird dadurch zur Grundlage der Gesamtatmosphäre des Films. Wir wussten z.B. sehr früh, dass wir den Fokus auf Jyn und ihre Figur legen würden. Gareth wollte, dass Jyn nach dem Prolog innerlich zerrissen und verwirrt sein sollte. Sie weiß nicht, wohin die Reise für sie geht, sie weiß nicht, was sie tun soll. Im Laufe der Geschichte wird das für alles klarer, und am Ende weiß sie genau, was sie zu tun hat.
Genau das wollte ich auch visuell abbilden, weshalb die Welten, auf denen wir sie als konfliktgeladene Erwachsene sehen, neblig, düster und verregnet sind und ihre Weltsicht und aktuelle Lage widerspiegeln. Je weiter der Film voranschreitet, desto klarer werden die Welten dann, und schließlich sind wir auf Scarif, diesem hellen, tropischen Paradies, wo alles komplett klar ist. Was eben dazu passt, dass sie ihre Mission nun gut kennt.
Die zweite Phase dreht sich dann stärker um Detailfragen: Wie sollen die Sets aussehen, welche Fahrzeuge tauchen auf, gibt es Tiere, wie sieht die Umgebung aus? Und dann kommt die letzte Phase, wo es abhängig vom Zeitplan um die ganz praktische Frage geht, wieviel können wir bauen und wieviel sollten wir bauen.
Sie haben an den Prequels gearbeitet und sind dann mit Star Wars: Das Erwachen der Macht in die Sequel-Ära gesprungen. Haben Sie Zeit gebraucht, um sich wieder in die Zeit von Episode IV einzufühlen?
Auf keinen Fall, ich zeichne im Grunde schon mein ganzes Berufsleben lang genau das. Episode IV hat mich unglaublich stark geprägt. Als ich begann, mit George Lucas an den Prequels zu arbeiten, wollte ich im Grunde Episode IV, V und VI designen, weil ich damit aufgewachsen war. Ich liebe die Ästhetik von Ralph McQuarrie und Joe Johnston. Und mit Gareth hatte ich endlich die Chance, genau das zu machen.
Ich designe jetzt seit 20 Jahren Star-Wars-Filme, und sieben davon habe ich direkt mit George verbracht, was mir ein klares Verständnis dessen mitgegeben hat, was Star-Wars-Design überhaupt ausmacht. Am ersten Tag sagte er mit damals: 'Vergiss alles, was Du glaubst, über Star Wars zu wissen. Wir fangen ganz von vorne an.' Das war mit Blick auf Georges Weltenschöpfungsansatz für die Designentwicklung, die er innerhalb von Star Wars plante, unglaublich erhellend und für mich als Designer phantastisch, weil ich dadurch die Grundlagen des Episode-IV-Designs kennenlernen konnte. Als ich begann, mit Gareth zu arbeiten, wusste ich deshalb sofort, wie weit wir die Regeln umgehen konnten und was wir tun sollten, um den Film an Episode IV anzudocken. Es war designtechnisch quasi wie eine Rückkehr nach Hause.John Knoll hat über die Arbeit an Episode-VI-Fahrzeugen gesagt, es sei besser gewesen, sie aus seiner Erinnerung nachzubauen, als sie 1:1 zu übernehmen. Haben Sie in der künstlerischen Abteilung eine ähnliche Philosophie verfolgt?
Oh ja. Vor den Dreharbeiten habe ich Gareth in die Archive [auf der Skywalker-Ranch] mitgenommen und wir haben uns die Originalmodelle und -kostüme angesehen. Er war genauso überrascht wie ich, dass vieles anders war, als wir es aus dem Film in Erinnerung hatten. Ich erinnere mich zum Beispiel noch, dass das Gerät, das Luke als Pilot auf seiner Brust trägt, ein unglaublich komplexes technisches Bauteil war. Und dann sieht man sich die dazugehörige Requisite an, und es ist einfach nur ein bemaltes Stück Holz.
Wir wollten dann einen neuen imperialen Kampfläufer einführen, und es war insofern interessant, als wir instinktiv damit begannen, die Kampfläufer aus Das Imperium schlägt zurück aus der Erinnerung nachzumalen: Größer, schmaler und etwas sexier. Und dann gingen wir ins Archiv und waren überrascht, wie stark der AT-AT aus Episode V gepanzert war und wie klobig er aussah. Da war uns klar, dass wir keine exakten Kopien anfertigen mussten. Wir können uns ein paar Freiheiten nehmen und unsere eigene Version designen. Wir hatten dafür sogar eine gute Entschuldigung: Unsere Version war vor der in Empire im Einsatz und ist dünner und nicht ganz so stabil gebaut. Es ist also irgendwo logisch, dass das Imperium danach eine aufgemotzte Fassung entwickelt, die besser gepanzert ist. Ein anderes Gebiet, das interessant für uns war, betraf die Kostüme der Sturmtruppen. Wenn man sie in Episode IV sieht, liest man gewisse Vermutungen in sie hinein. Man denkt sich, die Ventile sind echt, aber dann sieht man die echten Kostüme und stellt fest, dass das nur aufgemalt ist. Uns war insofern früh klar, dass wir bei einem modernen Publikum nicht würden landen können, wenn wir die Kostüme so bauen würden wie in den späten 70ern. Deshalb haben wir uns die ursprüngliche Zielsetzung des Designs angesehen und die Bauteile so neu nachgeschöpft, dass sie gleichzeitig praktisch aussahen und bei Filmaufnahmen genauso wirkten wie im Original, aber das Gesamtdesign eben auf einer realen Grundlage fußte.
Sie haben nicht nur neue AT-ATs entworfen, sondern auch einen neue TIE-Jäger.
Der TIE-Striker war Gareth' Idee, der eine imperiale Version eines Hubschraubers sehen wollte, um eine möglichst realistische Kriegsfilmatmosphäre einzufangen. Wir überlegten uns deshalb, die TIE-Jäger so umzubauen, dass die Flügel über dem Cockpit angebracht wären, um die Rotorblätter eines Hubschraubers zu simulieren, die je nach Angriffsformation beweglich sein sollten. Ich finde es wichtig, dass das Star-Wars-Design etwas mitbringt, das uns bekannt vorkommt. Auch wenn man nicht direkt weiß, was es genau ist, das einem vertraut erscheint, sind die Grundlagen dafür immer gegeben.Sie haben die Anfangsphase Ihrer Arbeit an Rogue One unter Leitung von John Knoll beschrieben. Haben sie ähnlich frei gearbeitet wie am Anfang von Star Wars: Das Erwachen der Macht oder gab es eine solidere Handlungsgrundlage?
John hatte ein detailliertes Handlungskonzept, dem wir sehr eng gefolgt sind. Seine Geschichte war zeitweise anders aufgebaut als im Film. Ein Großteil davon war ein Katz- und Maus-Spiel, aber als Gareth dazustieß, veränderte sich die Geschichte und konzentrierte sich stärker auf Jyn. Wir hatten also zwei freie Konzeptionsphasen: Die erste mit John Knoll auf Grundlage seines Konzepts und die zweite mit Gareth, als die erste Drehbuchfassung zusammen mit Gary Whitta entwickelt wurde.
Im Zuge der Entwicklung und Verfestigung der Geschichte änderten sich dann auch die Designs. Die Hauptelemente - die Schauplätze und Sets - änderten sich allerdings nicht, sondern es ging vor allem um die Figuren und ihre Situation. Es ist wie bei vielen Produktionen dieses Umfangs: Unsere Arbeit sollte so flexibel wie möglich sein, um die Geschichte so gut wie möglich zu unterstützen. Bei den Änderungen hatten wir den Vorteil, dass wir unsere Hausaufgaben bereits gemacht hatten und die Grundlagen dieser Welt kannten. Wenn sich ein Set geändert hätte, weil sich ein Moment in der Handlung verschoben hätte, hätten wir das leicht auffangen können.
Man muss generell sagen, dass es im heutigen Filmgeschäft toll ist, wie durchlässig und anpassungsfähig der Prozess ist. Bei den Nachdrehs hatten wir noch viele Sets auf Lager und konnten sie wieder zusammenbauen, wenn neue Szenen dafür geschrieben wurden. Es gab auch neue Szenen für Sets, die noch nicht existierten. Dort haben wir so viel Set geliefert, dass es beim Dreh Anhaltspunkte gab und das Ganze dann digital erweitert. Der Prozess zwischen Vorproduktion, Produktion und Nachproduktion ist aktuell so stufenlos, dass alles in etwa gleich aussieht. Ich finde das phantastisch. Wir stecken aktuell mitten in der Nachbearbeitung und ich kann nicht mehr sagen, welche Sets wir tatsächlich gebaut haben und welche nur digital existierten. Alles passt nahtlos zueinander.Es sind nur noch vier Wochen bis zur Premiere. Arbeiten Sie tatsächlich noch an Rogue One oder ist Ihre Arbeit im Grunde abgeschlossen?
Es gibt noch einige Kleinigkeiten, die Gareth will, z.B. einige Kernaufnahmen von Matte-Bildern. Es gibt aber auch noch einige größere Änderungen: Wir entwickeln neue Sets auf Basis von Ideen, die in der Vorproduktion aufkamen und bislang links liegengeblieben sind. Das Innere von Vaders Schloss, wo er Krennic trifft, oder der Minenaußenposten, wo wir Cassian begegnen. Ein Großteil davon sollte immer ganz am Ende designt werden, weil das alles immer in Form digitaler Effekte umgesetzt werden sollte. Sie hängen aber eng mit echten Sets zusammen und müssen zusammenpassen. Meine Arbeit besteht aktuell darin, sicherzustellen, dass diese großen Panoramaeinstellungen und digitalen Sets zum Originaldesign passen.
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