Die Spieleseite Glixel hat sich im Rahmen eines Berichts über die Arbeit von Uncharted-Schöpferin Amy Hennig auch ihrem mit Spannung erwarteten Star-Wars-Spiel angenommen, das 2018 erscheinen wird:
Hennig arbeitet nicht an Star Wars: Uncharted
Hennig ist frisch aus Los Angeles zurück, wo sie ihr Darstellerensemble gerade als Regisseurin durch zweitägige Dreharbeiten für das neue Star-Wars-Spiel geführt hat. Viele Spiele setzen inzwischen auf Motion-Capturing, aber wenige machen den nächsten Schritt hin zum Performance-Capturing, bei dem nicht nur die Bewegungen der Darsteller in den Computer übernommen werden, sondern ihre komplette schauspielerische Leistung - einschließlich ihrer Gesichtsmuskulatur - aufgezeichnet wird, um ihnen die Möglichkeit zu geben, so mit ihrer Rolle zu verschmelzen wie Andy Serkis mit Caesar in den Planet-der-Affen-Filmen.
Bei Motion-Capturing-Spielen wird die Tonspur nachträglich aufgenommen und hinzugefügt. Selbst wenn in einer Szene mehrere Darsteller vorkommen, werden die Dialoge später einzeln aufgenommen und dann zusammengeschnitten, wenn die Szene animiert wird. Hennig arbeitet anders. Sie versammelt ihr gesamtes Ensemble um sich und nimmt Szenen von Anfang bis Ende auf, einschließlich der Gesichter der Darsteller und ihrer Stimmen. Im Grunde arbeitet sie wie im Theater: Darsteller kommen auf die Bühne und spielen ihre Szenen durch. Und das ist mit einigen durchaus unangenehmen Aspekten verbunden: Sie müssen hautenge Elastananzüge tragen, haben Markierungen im Gesicht und Helmkameras auf dem Kopf. Außerdem geht hier und da etwas schief: Ein Ellbogen ist im falschen Moment an der falschen Stelle, jemand schaut in die falsche Richtung. Doch all das kann später korrigiert werden, für Hennig ist vor allem wichtig, dass die Atmosphäre der Szenen stimmt und die Darsteller auf natürliche Weise aufeinander reagieren können.
"Gemeinsame Aufnahmen bei Videospielen gibt es praktisch nicht", berichtet Hennig. "Und das ist bescheuert, wenn man einmal darüber nachdenkt, denn Schauspielern heißt doch im Grunde, auf andere zu reagieren. Selbst wenn man nur einen Darsteller auf einmal im Studio hat, muss der dennoch auf irgendetwas reagieren können." Hennig zieht es vor, Schauspielern die Möglichkeit zu geben, sie selbst zu sein, weshalb sie häufig auf Komiker setzt, die zu improvisieren wissen. "Szenen gewinnen dadurch ein spontanes Moment, und das gefällt mir sehr."
Generell werden schauspielerische Leistungen in Spielen häufig nicht ernstgenommen, was mit der Geschichte der Branche zusammenhängt. In den Anfangstagen des Mediums war die Handlung etwas, das hinzukam, sobald Spielkonzept, Grafik und Wiederspielwert feststanden. Eine gute Geschichte war hingegen eher Nebensache und ist es bei Spielen mit Riesenbudgets faktisch bis heute. "Unser Medium war zunächst unglaublich technisch geprägt", meint Hennig, "und deshalb haben wir eine Weile gebraucht, um zu begreifen, dass wir die gleichen Fähigkeiten brauchen wie ein Filmregisseur, wann immer wir Spiele entwickeln." Sie hält nicht viel von Kollegen, die der Auffassung sind, dass die Entwicklung des Mediums Schaden nimmt, je mehr es sich auf gute Geschichten konzentriert. "Es wird gerne argumentiert, dass wir zu viel Zeit damit verschwenden, die Bild- und Erzählsprache anderer Medien zu kopieren, anstatt unsere eigene zu entwickeln. Das klingt zwar sehr poetisch, aber dahin steckt ein falsches Dogma."
Nach außen gibt sich Hennig höflich und zurückhaltend. Wenn sie jemanden mag, zeigt sie sich allerdings auch mal von ihrer scharfzüngigen Seite. Und wenn sie jemanden wirklich mag, flucht sie auch mal gerne. Jade Raymond, die seit Jahren in der Spielebranche beschäftigt ist und aktuell an der Spitze der EA-Studioss Visceral und Motive steht, meint: "Amys Grundhaltung ist die eines Rockstars: Mir doch egal. Nehmt es oder lasst es bleiben."
Das Angebot von EA, ein Star-Wars-Spiel zu entwickeln, sah Hennig zunächst skeptisch. Als der Geschäftsführer von Visceral, Steve Papoutsis, ihr erklärte, EA wolle ein Third-Person-Action-Adventure - ein Genre, mit dem sich EA traditionell nicht gut auskennt -, hatte Hennig ein schlecht gemachtes Lizenzspiel vor Augen, das nur darauf angelegt war, eine der erfolgreichsten Marken der Welt auszuschlachten. "Man stelle sich nur den Horror vor", meint sie, "an etwas zu arbeiten, das man so liebt und dann von der geballten Firmenmaschinerie von EA, Lucasfilm und Disney erschlagen zu werden."
Ihr neues Star-Wars-Spiel ist im Geiste Uncharted durchaus ähnlich, aber Hennig betont, sie arbeite keineswegs an Star Wars: Uncharted. Diese Unterscheidung zu machen, ist wichtig. Wir werden beispielsweise nie ein Uncharted-Spiel sehen, in dem wir zum Blickwinkel des Schurken hinüberschneiden, sondern immer dem Helden folgen, genau wie in den Indiana-Jones-Filmen. Bei Star Wars liegt die Sache anders: Hier geht es eher um Abenteuer von mehreren Helden und ihre eigenen Geschichten. Unterschiedliche Figuren tun hier also gleichzeitig unterschiedliche Dinge. Ein gutes Beispiel dafür: Die Flucht vom Todesstern in Eine neue Hoffnung.
Was Hennig letztlich bewog, das Star-Wars-Projekt zu übernehmen, war das Versprechen, dass sie eng mit Lucasfilm zusammenarbeiten würde, vor allem mit Kiri Hart, der Chefin der Story-Group des Unternehmens, und mit Doug Chiang, dem leitenden Kreativdirektor von Lucasfilm. Seit sie begonnen hat, an dem Spiel zu arbeiten, konnte Hennig zu ihrer großen Freude mehrfach auf die Skywalker-Ranch fahren: Zunächst um Requisiten wie Masken, Kostüme oder auch Konzeptzeichnungen von Ralph McQuarrie für das Spiel einzuscannen, aber später auch, um die Atmosphäre in sich aufzunehmen. "Es gibt dort dieses riesige Lagerhaus, in dem diese großen Baumarktregale stehen, in denen Schätze meiner Kindheit liegen", berichtet Hennig. "Lukes Sturmtruppenkostüm liegt dort, die Yoda-Puppe liegt schlaff und vorne übergebeugt in einem staubigen Regal. Es ist schon etwas blöd, diese wertvollen Artefakte dort so unfeierlich herumliegen zu sehen."
Hennigs Autorenkollege bei dem Star-Wars-Spiel ist Todd Stashwick, der zuletzt als Deacon in der Syfy-Serie 12 Monkeys zu sehen war. Stashwick beschreibt die Ausflüge zur Ranch als fast biblische Erfahrung, "als berühre man seines Kleides Saum". Alle paar Wochen fahren er und Hennig zur Ranch, um dort zu schreiben. Normalerweise arbeiten sie draußen im Garten, aber, wenn das Wetter schlecht ist, ziehen sie sich auch einmal in George Lucas' Bibliothek zurück, einen großen historistischen Raum mit Geländern aus dunklem Mahagoni und Ledersesseln. Eiens Tages trafen Hennig und Stashwick dort Ben Burtt, den legendären Tondesigner, der schon am ersten Star-Wars-Film arbeitete und mit einer Indiana-Jones-Baseballkappe auf dem Kopf in den Saal kam.
Stashwick konnte nicht anders und fragte Burtt, ob er ihm seine Kappe abkaufen könnte. "Das war nur ein Witz. Glaube ich", meint Hennig. "Die Sache ist allerdings die: Man erlebt solche Begegnungen ständig, wenn man dort ist."
Danke an Marcel für den Hinweis.
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